BT-Drucksache 18/6202

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes - Streichung der obligatorischen Widerrufsprüfung

Vom 30. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6202
18. Wahlperiode 30.09.2015

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Katja Keul, Renate
Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes
– Streichung der obligatorischen Widerrufsprüfung

A. Problem

Mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 1. Januar 2005 wurde das Bun-
desamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verpflichtet, innerhalb von drei
Jahren nach Unanfechtbarkeit der Asylanerkennung, der Zuerkennung der Flücht-
lingseigenschaft, des subsidiären Schutzes oder sonstiger Abschiebeverbote in je-
dem Einzelfall zu überprüfen, ob die Anerkennungsvoraussetzungen weiterhin
vorliegen und deshalb Schutz in Deutschland auch künftig gewährt werden muss,
oder ob sich die Verhältnisse im Heimatland der Betroffenen inzwischen dauer-
haft geändert haben und dadurch die Schutzgründe weggefallen sind (§ 73 Ab-
satz 2a Satz 1 Asylverfahrensgesetz). Das Bundesamt für Migration und Flücht-
linge leitete daraufhin in den Folgejahren tausende von Widerrufsverfahren ein.
In den letzten Jahren ist die Zahl der tatsächlichen Widerrufe jedoch stark zurück-
gegangen. Allein zwischen Januar und August 2015 entschied das BAMF in 8.458
Fällen über den Widerruf der Asylberechtigung bzw. des Flüchtlingsstatus. Ein
Widerruf erfolgte dabei in nur 233 Fällen (2,7 Prozent), während der Schutzstatus
in 8.458 Fällen (97,3 Prozent) bestätigt wurde. Die Zahl der tatsächlich erfolgten
Widerrufe steht damit in keinem angemessenen Verhältnis zu dem erheblichen
Prüfungsaufwand, der mit der Einleitung und Bearbeitung der Widerrufsprüfver-
fahren durch das BAMF verbunden ist. Die obligatorische Widerrufsprüfung
sollte deshalb abgeschafft werden. Dies würde im BAMF zudem Kapazitäten für
die dringend notwendige Bearbeitung und Entscheidung in Asylverfahren freiset-
zen, die derzeit durch die Widerrufsverfahren gebunden sind.

B. Lösung

Streichung der obligatorischen Widerrufsprüfung.

C. Alternativen

Keine.

Drucksache 18/6202 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

D. Kosten

Das Gesetz führt zu einer deutlichen Reduzierung von Bürokratiekosten, da Ver-
waltungsverfahren überflüssig werden.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6202

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes
– Streichung der obligatorischen Widerrufsprüfung

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

§ 73 Absatz 2a Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September
2008 (BGBl. I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2439)
geändert worden ist, wird aufgehoben.

Artikel 2

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 29. September 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Drucksache 18/6202 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Begründung

Gemäß § 73 Absatz 1 Asylverfahrensgesetz sind „die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung
der Flüchtlingseigenschaft … unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorlie-
gen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als
Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann,
den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt …“.

Mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 1. Januar 2005 hat die Bundesregierung das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge verpflichtet, innerhalb von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Asylanerkennung,
der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, des subsidiären Schutzes oder sonstiger humanitärer Abschiebever-
bote in jedem Einzelfall zu überprüfen, ob die Anerkennungsvoraussetzungen weiterhin vorliegen und deshalb
Schutz in Deutschland auch künftig gewährt werden muss, oder ob sich die Verhältnisse im Heimatland der Be-
troffenen inzwischen dauerhaft geändert haben und dadurch die Schutzgründe weggefallen sind (§ 73 Abs. 2a
Satz 1 Asylverfahrensgesetz). Zugleich hat die Bundesregierung in § 26 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz geregelt, dass
Asylberechtigte und Flüchtlinge, die seit drei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzen, nur dann eine Niederlas-
sungserlaubnis erhalten, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuvor nach § 73 Absatz 2a Asylver-
fahrensgesetz die fortdauernde Schutzbedürftigkeit geprüft und der zuständigen Ausländerbehörde mitgeteilt hat,
dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme des Schutzstatus nicht vorliegen. Ausweislich
der seinerzeit gegebenen Begründung sollten diese Regelungen als „Maßnahmen zur Beschleunigung des Asyl-
verfahrens“ dienen. (Vgl. Bundestagsdrucksache 15/420, zu Nummer 46, Seiten 107 und 113 (http://dip21.bun-
destag.de/dip21/btd/15/004/1500420.pdf).

Während das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung zur Überprüfung
der Asylberechtigung bzw. Flüchtlingseigenschaft innerhalb von drei Jahren nach Anerkennung weiterhin Wider-
rufsverfahren in großer Zahl einleitet, ist die Zahl der tatsächlichen Widerrufe in den letzten Jahren stark zurück-
gegangen. Im Jahre 2014 beispielsweise traf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge insgesamt 16.061
Entscheidungen zum Widerruf der Asylberechtigung bzw. Flüchtlingsanerkennung. Ein Widerruf des Schutzsta-
tus erfolgte jedoch nur in 768 Fällen (4,7 Prozent), während die Prüfung in 15.293 Fällen (95,3 Prozent) zur
Bestätigung der Asyl- bzw. Flüchtlingsanerkennung führte. (Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Asyl-
geschäftsstatistik für den Monat Dezember 2014, Seite 7 (http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Down-
loads/Infothek/Statistik/Asyl/201412-statistik-anlage-asyl-geschaeftsbericht.pdf?__blob=publicationFile). )

Zwischen Januar und August 2015 entschied das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in weiteren 8.458
Fällen über den Widerruf der Asylberechtigung bzw. des Flüchtlingsstatus. Ein Widerruf erfolgte dabei in nur
233 Fällen (2,7 Prozent), während der Schutzstatus in 8.458 Fällen (97,3 Prozent) bestätigt wurde. (Vgl. Bundes-
amt für Migration und Flüchtlinge, Asylgeschäftsstatistik für den Monat August 2015, Seite 8
(http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Statistik/Asyl/201508-statistik-anlage-asyl-
geschaeftsbericht.pdf?__blob=publicationFile)).

Die Zahl der tatsächlich erfolgten Widerrufe steht damit in keinem angemessenen Verhältnis zu dem erheblichen
Prüfungsaufwand, der mit der fristgerechten Einleitung und Bearbeitung der Widerrufsprüfverfahren durch das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verbunden ist. Im Übrigen ist die obligatorische Überprüfung der Wi-
derrufsvoraussetzungen kein geeignetes Mittel zur Beschleunigung der Asylverfahren. Im Gegenteil: sie bindet
Kräfte, die für die Asylerstentscheidung dringend benötigt werden. Die obligatorische Widerrufsprüfung sollte
deshalb abgeschafft werden.

Im jüngst verabschiedeten Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (Gesetz
zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015, BGBl. I S. 1386) hat die
Bundesregierung nunmehr im neu gefassten § 26 Abs. 3 AufenthG geregelt, dass die Ausländerbehörden aner-
kannten Flüchtlingen nach dreijährigem Aufenthalt eine Niederlassungserlaubnis immer bereits dann erteilen
müssen, wenn nicht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach § 73 Absatz 2a Asylverfahrensgesetz
mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme der Flüchtlingsanerkennung vor-
liegen. Eine unterbliebene oder verzögerte Mitteilung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über das
Ergebnis der Widerrufsprüfung ist somit im Falle anerkannter Flüchtlinge und Asylberechtigter künftig ohne Ein-
fluss auf den Erhalt einer Niederlassungserlaubnis.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/6202
Der damalige Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hat die Neuregelung am 13. August 2015
in einer Pressemitteilung als „wesentliche Entlastung“ sowohl für die Flüchtlinge als auch für sein Amt bezeichnet
und ausdrücklich begrüßt, dass sich hierdurch der Prüfungsaufwand für Widerrufsprüfungen deutlich verringere:
Während das Bundesamt aufgrund der bisherigen rechtlichen Vorgaben bei Asylberechtigten und Flüchtlingen in
jedem Einzelfall nach drei Jahren habe überprüfen müssen, ob weiterhin Schutz in Deutschland notwendig sei,
entfalle aufgrund der neuen Rechtslage in einer Vielzahl von Verfahren die bisher erforderliche aufwändige An-
lage und Führung spezieller Widerrufsprüfakten und die damit einhergehende Korrespondenz mit den Ausländer-
behörden. (Pressemitteilung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. August 2015,
http://www.bamf.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2015/20150812-0016-pressemitteilungwiderrufsprue-
fung.html;jsessionid=4A8AE4D69C9C8B10F537759BD52FB11F.1_cid359?nn=1366068).

Diese Sichtweise gibt jedoch die nunmehr geltende Rechtslage unzutreffend wieder, da die vom Gesetzgeber in
§ 26 Abs. 3 AufenthG getroffene aufenthaltsrechtliche Neuregelung die in § 73 Abs. 2a Asylverfahrensgesetz
statuierte Verpflichtung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zur Einleitung des Widerrufsprüfverfah-
rens innerhalb von drei Jahren nach Rechtskraft der Anerkennungsentscheidung unberührt lässt. Das Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge bleibt also auch künftig verpflichtet, innerhalb von drei Jahren nach Feststellung
der Flüchtlingseigenschaft das Fortbestehen der Anerkennungsvoraussetzungen in jedem Einzelfall zu überprü-
fen; einzig die aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen einer Verletzung dieser Pflicht durch das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge gehen nun nicht mehr zu Lasten der betroffenen Flüchtlinge. Die Verpflichtung des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zur obligatorischen Prüfung der asylrechtlichen Widerrufsvorausset-
zungen sollte deshalb auch im Interesse einer tatsächlichen Entlastung des Amtes sowie aus Gründen der Einheit-
lichkeit der Rechtsordnung aufgehoben werden.

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