BT-Drucksache 18/6139

Evaluierung verbraucherpolitischer Gesetze und Maßnahmen

Vom 23. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6139
18. Wahlperiode 23.09.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Nicole Maisch, Renate Künast, Luise Amtsberg, Volker Beck
(Köln), Matthias Gastel, Katja Keul, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu,
Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Evaluierung verbraucherpolitischer Gesetze und Maßnahmen

Europäische wie auch nationale Verbraucherschutzgesetze haben das Ziel, Ver-
braucherrechte zu stärken und für eine verbrauchergerechte Regulierung von
Märkten zu sorgen. Das Wissen um die Wirksamkeit dieser Instrumente ist jedoch
oft begrenzt. Deshalb werden immer häufiger Evaluationen von Gesetzen bereits
bei der Verabschiedung mit beschlossen. Damit soll nach einem gewissen Zeit-
raum überprüft werden, ob die verabschiedeten Regelungen zu dem gewünschten
Ergebnis führen und damit der Zweck des Gesetzes erfüllt wird. Insbesondere
bei Gesetzen mit verbraucherpolitischem Bezug besteht ein hohes Interesse da-
ran, zu wissen, ob eine veränderte Rechtsgrundlage Verbraucherinnen und Ver-
braucher auch wirklich besser schützt, ob sich Umgehungsstrategien entwickelt
haben und wie Verbraucherinnen und Verbraucher mit der neuen Gesetzeslage
umgehen. Häufig ist umstritten, inwieweit verbraucherpolitische Maßnahmen
den Verbraucherinnen und Verbrauchern nützen und ob es wirksamere Alternati-
ven zu bestehenden Regelungen gibt.

Verbraucherforscherinnen und Verbraucherforscher kritisieren seit längerem,
dass „Aktivismus und Aktionspläne verhindern, dass vor, während und nach Ge-
setzen systematisch geprüft wird, wie wirksam sie sind. Daher kann es gut sein,
dass einige Maßnahmen die Stellung der Verbraucherinnen und Verbraucher nur
symbolisch verbessern, während andere, wesentlich effektivere und effizientere
Maßnahmen gar nicht erst in Erwägung gezogen werden. Dafür gibt es sicherlich
politische Gründe, doch fehlt es häufig auch an empirischer Evidenz.“ (Strünck,
C.; Hagen, K.; Micklitz, H-W.; Oehler, A.; Reisch, L.A.; Was nützt die Verbrau-
cherpolitik den Verbrauchern? Plädoyer für eine systematische Evidenzbasierung
der Verbraucherpolitik; FES WISO direkt, April 2013, http://library.fes.de/
pdf-files/wiso/09837.pdf).

Oft ist unklar, wie Verbraucherinnen und Verbraucher ihre neu gewonnenen
Rechte umsetzen und was ihnen etwa neue Informationspflichten der Anbieter
nützen. Das Informationsparadigma und das normative Leitbild des so genannten
mündigen Verbrauchers gehen von sich optimal informierenden und rational ent-
scheidenden Verbraucherinnen und Verbrauchern aus. Die Praxis und verhaltens-
ökonomische Forschung zeigen jedoch, dass dies keineswegs vorausgesetzt wer-
den kann. Entscheidungen hängen auch stark von der Situation und der Art der
Entscheidung, aber auch von der Persönlichkeit des Verbrauchers ab. Eine wirk-
same Verbraucherpolitik sollte sich daher am realen Verbraucherverhalten aus-
richten und evidenzbasiert sein.

Drucksache 18/6139 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Eine methodisch gute Evaluation von Gesetzen kann ein Schritt hin zu praxisna-
her und wirkungsvoller Verbraucherpolitik sein. Daher ist es sinnvoll, Gesetze
sowie andere verbraucherpolitische Maßnahmen und Initiativen der Bundesregie-
rung (z. B. „Zu gut für die Tonne“ des Bundesministeriums für Ernährung und
Landwirtschaft – BMEL) nach einer bestimmten Zeitdauer auf ihre Wirksamkeit
zu überprüfen.

Über die inhaltliche Ausgestaltung der Evaluation von Gesetzestexten mit Ver-
braucherbezug bzw. anderer verbraucherpolitischen Maßnahmen der Bundesre-
gierung ist bisher jedoch wenig bekannt. Darüber hinaus ist auch von Interesse,
wie die Erkenntnisse einer Evaluation genutzt und umgesetzt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welchen der seit dem 1. Januar 2005 erlassenen Bundesgesetze mit ver-
braucherpolitischem Bezug hat die Bundesregierung eine Evaluierungsklau-
sel vorgesehen (bitte die Gesetze und den Evaluationszeitraum benennen)?

2. Welche anderen seit dem 1. Januar 2005 vom Bundesministerium der Justiz
und für Verbraucherschutz (BMJV), BMEL und vom Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) durchgeführten
Maßnahmen und an Dritte vergebene Projekte, wie Informationskampagnen
o. Ä., mit verbraucherpolitischem Bezug enthalten eine Evaluierungsklausel,
bzw. für welche Maßnahmen ist eine Evaluation geplant (bitte die jeweilige
Maßnahme und den Evaluationszeitraum benennen)?

3. Nach welchen Kriterien hat die Bundesregierung bestimmt, welche seit dem
1. Januar 2005 erlassenen Bundesgesetze und Maßnahmen einer Evaluation
unterzogen werden?

4. Wem oblag bei den jeweiligen Gesetzen und Maßnahmen der Evaluations-
auftrag (bitte die jeweiligen Gesetze und Maßnahmen einzeln benennen)?

5. In welchen Fällen wurden bei seit dem 1. Januar 2005 erlassenen Bundesge-
setzen mit verbraucherpolitischem Bezug externe Dienstleister mit der Eva-
luation beauftragt (bitte die Gesetze und den jeweiligen externen Dienstleis-
ter benennen)?

6. Wie und nach welchen Kriterien erfolgt die Vergabe der Evaluationsvorha-
ben?

7. Wer legt das inhaltliche Evaluationsziel, die Erhebungsmethode und die Da-
tengrundlage fest?

8. Welches gegebenenfalls auch normative Verbraucherbild oder welche diffe-
renzierten Verbraucherbilder werden der Primär- und Sekundäranalyse in-
nerhalb einer Evaluation zugrunde gelegt?

9. Werden die Kriterien der Evaluation vorab verbindlich bestimmt?

Wenn ja, sind diese öffentlich einsehbar, und wenn ja, wo?

10. Werden innerhalb des Evaluationsberichts Vorschläge zum weiteren Verfah-
ren unterbreitet?

11. Wie viele Haushaltsmittel sind im Etat des BMJV für die Evaluation von
Gesetzen und andere Maßnahmen, die in den Zuständigkeitsbereich des
BMJV fallen, jährlich vorgesehen?

Wie teuer waren die einzelnen Evaluationsvorhaben?

Wurde der Haushaltstitel ausgeschöpft?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6139

12. Wie viele Haushaltsmittel sind im Etat des BMEL für die Evaluation von
Gesetzen und andere Maßnahmen, die in den Zuständigkeitsbereich des
BMEL fallen, jährlich vorgesehen?

Wie teuer waren die einzelnen Evaluationsvorhaben?

Wurde der Haushaltstitel ausgeschöpft?

13. Wie viele Haushaltsmittel sind im Etat des BMUB für die Evaluation von
Gesetzen und andere Maßnahmen, die in den Zuständigkeitsbereich des
BMUB fallen, jährlich vorgesehen?

Wie teuer waren die einzelnen Evaluationsvorhaben?

Wurde der Haushaltstitel ausgeschöpft?

Nach welchen Kriterien wird der finanzielle Rahmen für Gesetzesevaluatio-
nen festgelegt?

Nach welchen Kriterien wird der finanzielle Rahmen für die Evaluation von
Maßnahmen festgelegt?

14. Bei wie vielen und welchen Gesetzen, bei denen in den letzten zehn Jahren
Evaluierungen durchgeführt worden sind, wurde nach der Evaluierung, wenn
sich Handlungsbedarf gezeigt hat, eine Änderung der Gesetzeslage von der
Bundesregierung angestoßen?

15. Bei wie vielen und welchen Maßnahmen, bei denen in den letzten zehn Jah-
ren Evaluierungen durchgeführt worden sind, wurde nach der Evaluierung,
wenn sich Handlungsbedarf gezeigt hat, Änderungen der Maßnahme durch-
geführt?

16. Sind die Evaluationsberichte von Gesetzen und Maßnahmen öffentlich zu-
gänglich?

Wenn ja, wo (bitte jeweils auflisten)?

17. Ist der Auftrag für die laut Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD
im Herbst 2016 vorgesehene Evaluation des Gesetzes gegen unseriöse Ge-
schäftspraktiken bereits vergeben?

An wen?

Welche Bereiche des Gesetzes werden von der Evaluation abgedeckt?

Welche Kriterien werden bei der Evaluation untersucht?

Welche Daten werden hierfür erhoben?

Welche Methoden werden bei der Evaluation angewandt?

Wann werden die Ergebnisse vorliegen?

18. Plant die Bundesregierung eine weitere Auflage des im Jahr 2012 vom da-
maligen BMELV initiierten Gutachtens zur Lage der Verbraucherinnen und
Verbraucher?

Wenn nein, warum nicht?

19. Welche Rolle spielt die Unterabteilung des Bundeskanzleramts mit dem Titel
„Wirksam regieren“ im Zusammenhang mit der Evaluation von Gesetzen
und Maßnahmen?

20. Untersucht das Team „Wirksam regieren“ bestehende Regulierungen dahin-
gegen, ob die Verhaltenswissenschaft effektivere Lösungen als klassisches
Regulierungsrecht bietet und gibt daraufhin Empfehlungen für eine Verhält-
nismäßigkeitsprüfung von Gesetzen und politischen Maßnahmen?

Drucksache 18/6139 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

21. Wie wird die im Koalitionsvertrag angekündigte Ausweitung vom „Verbrau-
chercheck bei gesetzgeberischen Vorhaben“ umgesetzt, bei dem „der Nutzen
für Verbraucherinnen und Verbraucher begründet und konkret ausgeführt“
wird?

Gibt es hierzu konkrete Planungen?

Fanden hierzu Gespräche mit den beteiligten Ressorts statt?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

22. Wie wird der Verbrauchercheck bei gesetzgeberischen Vorhaben derzeit um-
gesetzt, und welche Rolle spielt er bei der Evaluierung von Gesetzen?

23. Welche Rolle spielt der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen, wenn es
um die Evaluierung von Gesetzen mit Verbraucherschutzbezug geht?

Berät der Rat das BMJV bei dieser Thematik?

24. Bei welchen Gesetzen wurden durch die Bundesregierung vorab Evaluierun-
gen zur Lage der Verbraucherinnen und Verbraucher durchgeführt?

Bei welchen Maßnahmen wurden vorab Evaluierungen zur Lage der Ver-
braucherinnen und Verbraucher durchgeführt (bitte die Gesetze und Maß-
nahmen einzeln benennen)?

25. Plant die Bundesregierung, in Zukunft auch Gesetze mit verbraucherpoliti-
schem Bezug zu evaluieren, die bisher keine Evaluationsklausel enthalten?

26. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung eine „Drei-Schritt-Prüfung“, in
der zwischen ex ante (Verbraucherpolitikfolgenabschätzung, Cost Benefit
Analysen, Pilottests, Reallabore), ex interim (Mid term reviews) und ex post
Evaluierung differenziert wird?

Wird dies gänzlich oder teilweise bereits durch die Bundesregierung durch-
geführt?

Wenn nein, warum nicht?

27. Finden im Zuge der vorgeschriebenen Gesetzesfolgenabschätzung Cost Be-
nefit Analysen durch die Bundesregierung statt?

Wenn ja, wer führt diese durch?

28. Hat die Bundesregierung zur Überprüfung der Qualität von Regulierung
Maßnahmen angestoßen, nachdem das Weißbuch „Europäisches Regieren“
und die „Better“ oder „Smarter Regulation“ Strategie der Europäischen
Kommission einzelne Mitgliedstaaten inspiriert haben, Programme zur
Überprüfung der Qualität von Regulierung anzustoßen (Adam Burgees, Eu-
ropean Journal of Risk Regulation, Jahrgang 3, 2012, S. 3 bis 16)?

29. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Social and Behavioral Science Initiative im Weißen Haus in
Washington D.C., die verhaltensökonomische Forschungsergebnisse und
Evaluationsmethoden systematisch in die Politikgestaltung einbezieht?

Berlin, den 23. September 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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