BT-Drucksache 18/5631

Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Einbürgerung und zur Ermöglichung der mehrfachen Staatsangehörigkeit

Vom 23. Juli 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5631
18. Wahlperiode 23.07.2015

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Özcan Mutlu, Luise Amtsberg, Kai Gehring,
Katja Keul, Maria Klein-Schmeink, Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic,
Dr. Konstantin von Notz, Claudia Roth (Augsburg), Hans-Christian Ströbele und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Einbürgerung und zur Ermöglichung
der mehrfachen Staatsangehörigkeit

A. Problem
Vermeintlich prägt der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit das ge-
samte Staatsangehörigkeitsrecht. Tatsächlich hat dieser Grundsatz nie durchge-
hend existiert und wurde an vielen Stellen mittlerweile durchbrochen. Über die
Notwendigkeit, Mehrstaatigkeit zu verhindern, besteht international kein Kon-
sens.
Im Jahr 2013 lebten nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes mehr als 7,6 Mil-
lionen Menschen mit ausschließlich ausländischer Staatsangehörigkeit in
Deutschland. Diese Menschen sind von vielen Möglichkeiten der politischen Par-
tizipation ausgeschlossen. Die Einbürgerungsquote liegt in Deutschland weiterhin
deutlich unter dem europäischen Durchschnitt. Das liegt auch daran, dass bei der
Einbürgerung auch nach der Reform von 1999 hohe Hürden bestehen, etwa bei
der erforderlichen Voraufenthaltsdauer, den Anforderungen an die Sicherung des
Lebensunterhalts und den Sprachkenntnissen sowie der Höhe der Einbürgerungs-
gebühr.

B. Lösung
Der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit wird zugunsten eines moder-
nen Staatsangehörigkeitsrechts aufgegeben, das der Lebenswirklichkeit vieler
Menschen in einer zunehmend globalisierten und mobilen Welt gerecht wird.
Zur Herstellung einer größtmöglichen Kongruenz zwischen der in Deutschland
lebenden Bevölkerung und dem wahlberechtigten Staatsvolk, von dem sich die
demokratische Legitimität der Staatsgewalt ableitet, wird die Einbürgerung er-
leichtert:
– Bei der Anspruchseinbürgerung wird die Mindestaufenthaltsdauer auf fünf

Jahre herabgesetzt; für anerkannte Flüchtlinge und ihnen gleichgestellte Per-
sonen wird die Mindestaufenthaltsdauer auf drei Jahre herabgesetzt. Fami-
lienangehörige einbürgerungswilliger Personen können früher eingebürgert
werden. Einer Ermessenseinbürgerung nach einer kürzeren Aufenthaltsdauer

Drucksache 18/5631 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

steht schon die geltende Fassung des Gesetzes nicht entgegen. Bei der Be-
rechnung der Aufenthaltsdauer werden fortan alle Aufenthaltszeiten, in de-
nen der Betroffene in Besitz eines von deutschen Behörden ausgestellten
Aufenthaltstitels (einschließlich der Duldung) war, berücksichtigt; frühere
Aufenthalte in Deutschland sollen berücksichtigt werden.

– Die Anspruchseinbürgerung steht fortan allen Personen, die in Besitz einer
Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis sind oder aus anderen
Gründen aufenthalts- oder freizügigkeitsberechtigt sind, offen; der bisherige
Ausschluss bestimmter Aufenthaltserlaubnisse wird abgeschafft.

– Der Nachweis der Sicherung des Lebensunterhalts wird von jungen Men-
schen, die sich in der Ausbildung befinden, sowie von älteren Menschen
nicht mehr oder nur noch eingeschränkt verlangt.

– Kenntnisse der deutschen Sprache werden von Menschen, die sie aufgrund
von Krankheit, Behinderung oder Alter nicht erwerben können, nicht mehr
oder nur noch eingeschränkt verlangt.

– Es werden Alternativen zum Einbürgerungstest eingeführt.
– Für bestimmte Personengruppen wird die Einbürgerungsgebühr abgeschafft

bzw. ermäßigt.

C. Alternativen
Keine.

D. Kosten
Die Regelungen des Entwurfs sind überwiegend kostenneutral und teilweise kos-
tensparend. Zu Kosteneinsparungen, die nicht genauer quantifiziert werden kön-
nen, führt insbesondere die Einführung eines Einbürgerungsanspruchs für Men-
schen, die in Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines vergleichbaren Auf-
enthaltstitels sind. Auch die einbürgerungsrechtliche Gleichstellung aller Aufent-
haltstitel, die Aufgabe des Grundsatzes der Vermeidung von Mehrstaatigkeit und
die Aufhebung des mit dem Optionszwang verbundenen Verwaltungsverfahrens
dürften sich kostensparend auswirken. Diese Einsparungen dürften gegenüber den
geringeren Einnahmen, die mit der teilweisen Ermäßigung bzw. Aufhebung der
Einbürgerungsgebühr verbunden sind, weit überwiegen.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5631
Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Einbürgerung und zur Ermöglichung

der mehrfachen Staatsangehörigkeit

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes

Das Staatsangehörigkeitsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 102-1, veröffent-
lichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. November 2014 (BGBl. I S. 1714)
geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. In § 3 Absatz 2 Satz 1 wird das Wort „zwölf“ durch das Wort „fünf“ ersetzt.
2. § 9 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
„(1) Ehegatten oder Lebenspartner Deutscher werden unter den Voraussetzungen des § 8 einge-

bürgert, es sei denn, dass sie nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen; § 10
Absatz 4 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.“

b) Absatz 2 wird wie folgt geändert:
aa) Nach dem Wort „Ehegatten“ werden die Wörter „oder Lebenspartners“ eingefügt.
bb) Nach dem Wort „Ehe“ werden die Wörter „oder Lebenspartnerschaft“ eingefügt.

3. § 10 wird wie folgt geändert:
a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) Satz 1 wird wie folgt geändert:
aaa) Das Wort „acht“ wird durch das Wort „fünf“ ersetzt und nach dem Wort „rechtmäßig“

werden die Wörter „oder geduldet“ eingefügt.
bbb) Nummer 2 wird wie folgt gefasst:

„2. ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaub-
nis besitzt.“

ccc) Nummer 4 wird aufgehoben.
bb) Nach Satz 1 wird folgender Satz eingefügt:

„Wer in Besitz einer Niederlassungserlaubnis, einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU oder eines
Daueraufenthaltsrechts nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU oder dem Abkommen vom 21. Juni
1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der
Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (BGBl. 2001 II S. 810) ist,
wird auf Antrag eingebürgert, wenn er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache ver-
fügt.“

cc) Der bisherige Satz 2 wird Absatz 2 und wie folgt gefasst:
„(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 wird abgesehen, wenn der Aus-

länder nicht handlungsfähig nach Maßgabe des § 80 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes ist.“
b) Nach dem neuen Absatz 2 wird folgender Absatz 3 eingefügt:

„(3) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 3 wird abgesehen, wenn der Ausländer
sich in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung befindet oder eine solche abgeschlossen und das
23. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die Inanspruchnahme von Grundsicherung im Alter nach dem
Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuches steht der Einbürgerung nicht entgegen.“

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c) Der bisherige Absatz 2 wird Absatz 6 und nach dem Wort „Ehegatte“ werden die Wörter „oder Leben-
spartner“ eingefügt und werden das Wort „können“ durch das Wort „sollen“ und das Wort „acht“ durch
das Wort „fünf“ ersetzt.

d) Der bisherige Absatz 3 wird Absatz 5 und wie folgt gefasst:
„(5) Ist ein Ausländer staatenlos oder in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1, 2,

3 oder 4a oder einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes, wird die
Aufenthaltsdauer nach Absatz 1 auf drei Jahre verkürzt.“

e) Dem Absatz 4 werden die folgende Sätze angefügt:
„Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 6 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen
einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht er-
füllen kann. Dies wird vermutet, wenn der Ausländer alters- oder krankheitsbedingt aus dem Erwerbs-
leben ausgeschieden ist.“

f) Der bisherige Absatz 5 wird Absatz 7 und wie folgt gefasst:
„(7) Die Voraussetzungen des Absatz 1 Nummer 7 sind insbesondere erfüllt, wenn der Ausländer

im Inland eine Schule oder Hochschule besucht hat, sich in einer beruflichen Ausbildung befunden hat,
einen Integrationskurs abgeschlossen hat oder einen Einbürgerungstest bestanden hat. Zur Vorbereitung
auf den Einbürgerungstest werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht ver-
pflichtend.“

g) Der bisherige Absatz 6 wird Absatz 8.
h) Der bisherige Absatz 7 wird Absatz 9 und die Angabe „5“ wird durch die Angabe „7“ ersetzt.

4. § 12 wird aufgehoben.
5. § 12a wird § 12.
6. § 12b wird § 12a und in Absatz 2 wird das Wort „können“ durch das Wort „sollen“ ersetzt und werden die

Wörter „bis zu fünf Jahren“ gestrichen.
7. In § 13 wird das Wort „kann“ durch das Wort „soll“ ersetzt und wird folgender Satz angefügt:

„Abkömmlinge deutscher Staatsangehöriger, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die
Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, sind auf Antrag
wieder einzubürgern, auch wenn sie nach dem zu dem Zeitpunkt ihrer Geburt geltenden Recht die deutsche
Staatsangehörigkeit nicht durch Abstammung erworben hätten.“

8. In § 16 werden die Wörter „§ 10 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend“ durch die Wörter „dies gilt nicht, wenn der
Ausländer nicht handlungsfähig nach Maßgabe des § 80 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes ist oder er das
Bekenntnis wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbe-
dingt nicht abgeben kann“ ersetzt.

9. § 17 wird wie folgt geändert:
a) Absatz 1 Nummer 2 und 4 wird aufgehoben.
b) In Absatz 2 werden die Wörter „nach Absatz 1 Nr. 7“ und die Wörter „, sofern diese das fünfte Lebens-

jahr vollendet haben“ gestrichen.
c) Absatz 3 wird aufgehoben.

10. § 25 wird aufgehoben.
11. § 27 wird aufgehoben.
12. § 33 wird aufgehoben.
13. § 35 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 wird der Punkt am Ende durch die die Wörter „und der Betroffene dadurch nicht staatenlos
wird.“ ersetzt.

b) Absatz 2 wird aufgehoben.
c) In Absatz 4 wird das Wort „Vergangenheit“ durch das Wort „Zukunft“ ersetzt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/5631
14. § 38 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 2 wird wie folgt geändert:
aa) In Satz 2 werden vor Wörtern „auf 51 Euro“ die Wörter „sowie für Personen, die sich seit mindes-

tens 15 Jahren in Deutschland aufgehalten und das 54. Lebensjahr vollendet haben,“ vorangestellt.
bb) In Satz 3 wird das Wort „und“ durch ein Komma ersetzt und werden den Wörtern „ist gebühren-

frei“ die Wörter „und die Einbürgerung von Personen, die sich in der schulischen oder beruflichen
Ausbildung befinden oder Studierende an einer Hochschule oder einer vergleichbaren Bildungs-
einrichtung sind,“ vorangestellt.

cc) In Satz 4 werden die Wörter „nach § 29 Abs. 6 und“ gestrichen und werden die Wörter „sowie die
Erteilung der Beibehaltungsgenehmigung nach § 29 Abs. 4 sind“ durch das Wort „ist“ ersetzt.

dd) In Satz 5 werden die Wörter „nach Satz 1“ gestrichen.
b) In Absatz 3 Satz 2 werden nach dem Wort „Entlassung“ die Wörter „51 Euro, für die Beibehaltungsge-

nehmigung 255 Euro“ gestrichen.

Artikel 2

Änderung des Asylverfahrensgesetzes

§ 73 Absatz 2c des Asylverfahrensgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008
(BGBl. I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2439) geändert
worden ist, wird aufgehoben.

Artikel 3

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 19. Mai 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Drucksache 18/5631 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen
Die Gestaltung unserer Einwanderungsgesellschaft, von Einwanderung, gleichberechtigter Teilhabe und Integra-
tion aller gehört zu den großen Zukunftsaufgaben. Dieser Gesetzentwurf fügt sich in ein umfassendes Einwande-
rungskonzept ein, dessen Ausarbeitung die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Austausch mit allen rele-
vanten politischen und gesellschaftlichen Akteuren vorantreiben will (vgl. Antrag für ein modernes Einwande-
rungsgesetz, Bundestagsdrucksache 18/3915).

1. Zur Mehrstaatigkeit
Vermeintlich prägt der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit das gesamte Staatsangehörigkeitsrecht.
Tatsächlich hat dieser Grundsatz nie durchgehend existiert und wurde an vielen Stellen mittlerweile durchbro-
chen. Über die Notwendigkeit, Mehrstaatigkeit zu verhindern, besteht international kein Konsens.
Das Staatsangehörigkeitsrecht steht der Mehrstaatigkeit von Kindern binationaler Partnerschaften nicht entgegen.
Auch Kinder deutscher Eltern, die auf dem Gebiet eines Staates geboren werden, der die Staatsangehörigkeit
durch Geburt im Inland vermittelt, erwerben iure sanguinis die deutsche Staatsangehörigkeit der Eltern und iure
soli die ausländische Staatsangehörigkeit – ohne jemals zwischen diesen Staatsangehörigkeiten wählen zu müs-
sen.
Mittlerweile erfolgt mehr als die Hälfte aller Einbürgerungen unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit, sei es, weil
die einbürgerungswilligen Personen bislang Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen
Union oder der Schweiz waren, sei es, weil der Verzicht auf ihre bisherige Staatsangehörige unmöglich oder
unzumutbar ist, sei es, weil im Rahmen der Einbürgerung nach § 8 des Staatsangehörigkeitsgesetzes oder bei der
Wiedereinbürgerung ehemaliger Deutscher der Verzicht auf die andere Staatsangehörigkeit nicht verlangt wird.
Die Zulassung von Mehrstaatigkeit ist spätestens seit der Ratifizierung des Europäischen Übereinkommens über
die Staatsangehörigkeit von 1997 völkerrechtlich unbedenklich. Das Übereinkommen über die Verringerung der
Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatlern von 1963 mochte einen anderen Schluss nahelegen,
ist aber für Deutschland seit 2002 nicht mehr verbindlich. Mehrstaatigkeit ist etwa in Frankreich und im Verei-
nigten Königreich seit jeher eine Selbstverständlichkeit. Etliche andere Staaten haben sie in den vergangenen
Jahren zugelassen (http://focus-migration.hwwi.de/index.php?id=6226).
Es ist daher an der Zeit, den Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit zugunsten eines modernen Staatsan-
gehörigkeitsrechts aufzugeben, das der Lebenswirklichkeit vieler Menschen in einer zunehmend globalisierten
und mobilen Welt gerecht wird.
Die generelle Zulassung der Mehrstaatigkeit macht die Abschaffung des staatsangehörigkeitsrechtlichen Options-
zwangs für im Inland geborene Kinder erforderlich. Insoweit wird auf den Entwurf eines Gesetzes zur Verwirk-
lichung des Geburtsrechts im Staatsangehörigkeitsrecht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestags-
drucksache 18/4612) verwiesen.

2. Zur Einbürgerung
Zur Herstellung einer größtmöglichen Kongruenz zwischen der in Deutschland lebenden Bevölkerung und dem
wahlberechtigten Staatsvolk, von dem sich die demokratische Legitimität der Staatsgewalt ableitet, bedarf es einer
Einbürgerungsoffensive. Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts durch die rot-grüne Koalition im Jahr 1999
war ein entscheidender gesellschaftspolitischer Fortschritt, mit dem das Recht an die Realitäten eines Einwande-
rungslandes angepasst wurde. Diese Errungenschaften wurden durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 29.
August 2007 teilweise wieder zurückgenommen und die Einbürgerung erschwert.
Im Jahr 2013 lebten nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes mehr als 7,6 Millionen Menschen mit ausschließ-
lich ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland. Diese Menschen sind von vielen Möglichkeiten der poli-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/5631
tischen Partizipation ausgeschlossen. Sie sind nicht wahl- und abstimmungsberechtigt, sie können nicht verbeam-
tet werden und das Schöffenamt nicht ausüben. Sie sind beim Familiennachzug strengeren Regeln als die Mehrheit
der Bevölkerung unterworfen und genießen weder Ausweisungsschutz noch konsularischen Schutz durch die
deutschen Auslandsvertretungen. Auch manche berufsrechtlichen Regelungen knüpfen weiterhin an die Staatsan-
gehörigkeit an. Beschränkte Ausnahmen von dieser Ungleichbehandlung sind nur für Unionsbürgerinnen und
Unionsbürger vorgesehen.
Im Jahr 2012 erwarben nach Zahlen des Statistischen Bundesamts nur rund 112 000 Menschen durch Einbürge-
rung die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Einbürgerungsquote liegt in Deutschland weiterhin deutlich unter dem
europäischen Durchschnitt (www.migration-info.de/artikel/2013-12-12/europaeische-union-einbuergerungszah-
len-und-rechtslage-vergleich). Das liegt auch daran, dass das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht bei der Einbür-
gerung auch nach der Reform von 1999 hohe Hürden aufstellt:
– Ein Einbürgerungsanspruch setzt in der Regel einen Voraufenthalt von mindestens acht Jahren voraus, wobei

Zeiten, in denen die einbürgerungswillige Person lediglich in Besitz einer Duldung war, nicht berücksichtigt
werden.

– Die Anforderungen an die Sicherung des Lebensunterhalts und an die Deutschkenntnisse einbürgerungswil-
liger Personen bedeuten für manche Personengruppen eine besondere Härte. Insbesondere junge Menschen
in der Ausbildung und ältere Menschen werden von einem Einbürgerungsantrag abgehalten, obwohl sie teil-
weise schon seit vielen Jahren in Deutschland gelebt haben.

– Die Höhe der Einbürgerungsgebühr wirkt für junge Menschen in der Ausbildung sowie für ältere Menschen
mit geringem Einkommen abschreckend.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs
Ziel des Gesetzentwurfes ist die Ermöglichung einer weitgehenden Angleichung von Wohn- und Wahlbevölke-
rung.
Der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit wird zugunsten eines modernen Staatsangehörigkeitsrechts
aufgegeben, das die Lebenswirklichkeit vieler Menschen in einer zunehmend globalisierten und mobilen Welt
berücksichtigt.
Die Einbürgerung wird erleichtert. Es wird ein Einbürgerungsanspruch für Menschen, die in Besitz einer Nieder-
lassungserlaubnis oder eines vergleichbaren unbefristeten Aufenthaltsrechts sind und ausreichende Kenntnisse
der deutschen Sprache nachweisen, eingeführt. Damit wird insbesondere die Einbürgerung von früheren „Gastar-
beiterinnen und Gastarbeitern“ auf unbürokratische Weise deutlich erleichtert.
Darüber hinaus wird bei der Anspruchseinbürgerung die Mindestaufenthaltsdauer auf fünf Jahre herabgesetzt; für
anerkannte Flüchtlinge und ihnen gleichgestellte Personen wird die Mindestaufenthaltsdauer auf drei Jahre her-
abgesetzt. Familienangehörige einbürgerungswilliger Personen können früher eingebürgert werden. Einer Ermes-
senseinbürgerung nach einer kürzeren Aufenthaltsdauer steht auch schon die geltende Fassung des Gesetzes nicht
entgegen. Bei der Berechnung der Aufenthaltsdauer werden fortan alle Aufenthaltszeiten, in denen der Betroffene
im Besitz eines von deutschen Behörden ausgestellten Aufenthaltstitels war, berücksichtigt; frühere Aufenthalte
in Deutschland sollen berücksichtigt werden.
Die Anspruchseinbürgerung steht fortan allen Personen, die i Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Niederlas-
sungserlaubnis oder aus anderen Gründen aufenthalts- oder freizügigkeitsberechtigt sind, offen; der bisherige
Ausschluss bestimmter Aufenthaltserlaubnisse wird abgeschafft.
Die Sicherung des Lebensunterhalts wird von jungen Menschen, die sich in der Ausbildung befinden, sowie von
älteren Menschen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt verlangt.
Kenntnisse der deutschen Sprache werden von Menschen, die sie aufgrund von Krankheit, Behinderung oder
Alter nicht erwerben können, nicht mehr oder nur noch eingeschränkt verlangt.
Es werden Alternativen zum Einbürgerungstest eingeführt.
Für bestimmte Personengruppen wird die Einbürgerungsgebühr abgeschafft bzw. ermäßigt.

III. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz ergibt sich aus Artikel 73 Absatz 1 Nummer 2 des Grundgesetzes.

Drucksache 18/5631 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

IV. Gesetzesfolgen
Die Regelungen des Entwurfs sind überwiegend kostenneutral und teilweise kostensparend. Zu Kosteneinsparun-
gen, die nicht genauer quantifiziert werden können, führt insbesondere die Einführung eines Einbürgerungsan-
spruchs für Menschen, die in Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines vergleichbaren Aufenthaltstitels
sind. Auch die einbürgerungsrechtliche Gleichstellung aller Aufenthaltstitel, die Aufgabe des Grundsatzes der
Vermeidung von Mehrstaatigkeit und die Aufhebung des mit dem Optionszwang verbundenen Verwaltungsver-
fahrens dürften sich kostensparend auswirken. Diese Einsparungen dürften gegenüber den geringeren Einnahmen,
die mit der teilweisen Ermäßigung bzw. Aufhebung der Einbürgerungsgebühr verbunden sind, weit überwiegen.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1

Zu Nummer 1 (§ 3)

Die Herabsetzung der Frist auf fünf Jahre dient der Vereinheitlichung der Fristen und Aufenthaltsdauer im Staats-
angehörigkeitsrecht. In den Fällen, in denen jemand ohne es vertreten zu müssen von den deutschen Behörden als
deutscher Staatsangehöriger behandelt wird, soll dieselbe Frist gelten wie bei der Anspruchseinbürgerung
(s. Nummer 3 a) aa) aaa)).

Zu Nummer 2 (§ 9)

Mit der Neufassung wird der Zwang, die bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben, beseitigt, der oftmals die
größte Hürde bei der Einbürgerung von Ehegatten und Lebenspartnern von Deutschen darstellt. Lebenspartner
werden Ehegatten gleichgestellt.

Zu Nummer 3 (§ 10)

Die Anspruchseinbürgerung wird erleichtert.

Zu Buchstabe a

Zu Doppelbuchstabe aa

Zu Dreifachbuchstabe aaa

Die erforderliche Mindestaufenthaltsdauer bei der Anspruchseinbürgerung wird auf fünf Jahre herabgesetzt. Einer
Ermessenseinbürgerung nach einer kürzeren Aufenthaltsdauer steht auch schon die geltende Fassung des Gesetzes
nicht entgegen. Im Aufenthalts- und im Freizügigkeitsrecht ist ein fünfjähriger Aufenthalt als Regelvoraussetzung
für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis bzw. die Entstehung eines Daueraufenthaltsrechts vorgesehen. Da
Personen, die unbefristet zum Aufenthalt in Deutschland berechtigt sind, oftmals auch dauerhaft in Deutschland
bleiben, ist es sinnvoll, ihnen durch die Einbürgerung die politische Teilhabe vollumfänglich zu ermöglichen.
Aufenthaltszeiten, in denen der einbürgerungswillige Ausländer lediglich im Besitz einer Duldung war, werden
Zeiten des rechtmäßigen Aufenthalts gleichgestellt. Denn der Integrationsprozess schreitet unabhängig von der
rechtlichen Beurteilung des Aufenthalts während eines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland voran. Deshalb
sollen alle Zeiten, in denen sich ein Ausländer mit einem von deutschen Behörden ausgestellten Aufenthaltstitel
gewöhnlich in Deutschland aufhält, bei der Einbürgerung berücksichtigt werden.

Zu Dreifachbuchstabe bbb

Bislang waren AusländerInnen, die lediglich in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Ausbildung
oder der Forschung oder einer bestimmten Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (§§ 22, 23 Absatz 1,
23a, 24 und 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes) waren, von der Anspruchseinbürgerung ausgeschlossen.
Insbesondere bei den Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen war die Ausschlussregelung inkohärent,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/5631
da sie subsidiär geschützte Ausländer gegenüber anerkannten Flüchtlingen entgegen der unionsrechtlichen Ten-
denz, beide Gruppen gleich zu behandeln, benachteiligte und zwischen Aufenthaltserlaubnissen nach § 23 Ab-
satz 1 und § 23 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes differenzierte, obwohl beide Regelungen denselben Zweck
verfolgen. Im Aufenthaltsgesetz strebt nun auch die Bundesregierung die Gleichstellung von subsidiär geschütz-
ten Personen mit anerkannten Flüchtlingen an (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts
und der Aufenthaltsbeendigung, Bundestagsdrucksache 18/4097). Fortan soll die Anspruchseinbürgerung für je-
den Ausländer, der im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, in Betracht kommen – unabhängig von dem Zweck
für den sie erteilt wurde. Der Aufenthaltserlaubnis sind die Blaue Karte EU und unbefristete Aufenthaltsrechte
(Niederlassungserlaubnis, Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU, Aufenthaltsrechte nach Maßgabe des Assoziie-
rungsabkommens EU-Türkei sowie das Freizügigkeitsrecht von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern und
Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums und der Schweiz sowie ihrer Fami-
lienangehörigen) gleichzustellen, da sie mindestens gleichwertige Rechte verleihen.

Zu Dreifachbuchstabe ccc

Der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit wird zugunsten eines modernen Staatsangehörigkeitsrechts
aufgegeben, das die Lebenswirklichkeit vieler Menschen in einer zunehmend globalisierten und mobilen Welt
berücksichtigt. Neben emotionalen Bindungen zu mehreren Staaten sprechen auch rechtliche Erwägungen für die
generelle Zulassung von Mehrstaatigkeit. Denn nur so können schutzwürdige Interessen einbürgerungswilliger
Personen umfassend gewahrt werden, etwa dass infolge der Einbürgerung ihr Besuch bei Freunden und Verwand-
ten im Herkunftsland nicht durch visumsrechtliche Vorschriften erschwert wird oder dass sie nicht in vermögens-
und erbrechtlichen Angelegenheiten wegen ihrer nunmehr ausländischen Staatsangehörigkeit benachteiligt wer-
den. Insofern stellt die Zulassung von Mehrstaatigkeit einen Integrationsanreiz dar.
Dem stehen keine durchgreifenden Bedenken gegenüber. Bereits jetzt besitzen viele deutsche Staatsangehörige
eine weitere Staatsangehörigkeit. Daraus entstehen allenfalls in Detailfragen rechtliche Probleme, die jedoch be-
reits jetzt durch völkerrechtliche und gesetzliche Regelungen gelöst sind (http://focus-migration.hwwi.de/in-
dex.php?id=6226). Insofern das Internationale Privatrecht an die Staatsangehörigkeit anknüpft, ist die sogenannte
effektive Staatsangehörigkeit ausschlaggebend, nämlich diejenige des Staates, in dem der Betroffene seinen ge-
wöhnlichen Aufenthalts hat; ungeachtet dessen knüpft das Internationale Privatrecht in der Europäischen Union
– ebenso wie wahlrechtliche Vorschriften – zunehmend an den Wohnort an. Das Risiko einer Doppelbesteuerung
ist unerheblich, da nur wenige Staaten ihre Staatsangehörigen im Ausland besteuern und auch in diesen Fällen
zahlreiche bi- und multilaterale Abkommen die Doppelbesteuerung ausschließen. Diplomatischer Schutz kann
allenfalls gegenüber dem Staat der anderen Staatsangehörigkeit nicht gewährleistet werden. Artikel 21 des Euro-
päischen Übereinkommens über die Staatsangehörigkeit von 1997 regelt die Wehrpflicht von Mehrstaatlern. Zwar
haben Mehrstaatler in der Regel das Wahlrecht in mehreren Staaten; daraus entsteht aber keine rechtlich relevante
Ungleichbehandlung, da Bezugsrahmen der Wahlgleichheit jeweils der einzelne Staat ist und keine nationale oder
internationale Norm die Gleichbehandlung einer Person durch verschiedene Staaten verlangt.
Die vorgeschlagene Regelung führt voraussichtlich zu einer erheblichen Entlastung der Verwaltung.

Zu Doppelbuchstabe bb

Es wird ein Einbürgerungsanspruch für Menschen, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines ver-
gleichbaren unbefristeten Aufenthaltsrechts sind und ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache nachweisen,
eingeführt. Damit wird insbesondere die Einbürgerung von früheren „Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern“ auf
unbürokratische Weise deutlich erleichtert, da die Einbürgerungsbehörde an die Prüfung der Voraussetzungen des
betreffenden Aufenthaltsrechts durch die Ausländerbehörde gebunden ist. Die Neuregelung dient der Verwirkli-
chung integrationspolitischer Interessen, denn Menschen, die vor der Einbürgerung die Voraussetzungen eines
auf Dauer angelegten Aufenthaltsrechts erfüllt haben, können in aller Regel nicht gezwungen werden, Deutsch-
land zu verlassen. Es trägt zur Verwirklichung des Demokratieprinzips bei, dass ihnen die volle Partizipation am
politischen Leben ermöglicht wird.
Nur auf die Prüfung, ob ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache vorliegen, soll auch in diesen Fällen
nicht verzichtet werden, da diese Kenntnisse für die Partizipation am politischen Leben in aller Regel unentbehr-
lich sind. In den meisten Fällen ist der Nachweis von Deutschkenntnissen jedoch schon Voraussetzung für die
Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU, sodass der Prüfungsauf-
wand für die Einbürgerungsbehörden gering bleiben dürfte.

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Unberührt lässt der Einbürgerungsanspruch die sicherheitsrelevanten Ausschlussgründe des § 11, die unter Um-
ständen auch nach Erlangung des betreffenden Aufenthaltsrechts erfüllt sein können. Solche Gesichtspunkte sind
ausweisungsrelevant und können daher der Fortdauer des Aufenthalts des betroffenen Personenkreises entgegen-
stehen, sodass insofern ein Einbürgerungsanspruch nicht angezeigt erscheint. Soziale Bedürftigkeit, die nach Er-
langung des betreffenden Aufenthaltsrechts eintritt, steht der Einbürgerung aufgrund der Neuregelung jedoch
nicht entgegen.

Zu Doppelbuchstabe cc

Redaktionelle Änderung.

Zu Buchstabe b

Das Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 hat die Privilegierung junger Ausländerinnen und Ausländer bei der Le-
bensunterhaltssicherung zu Unrecht beseitigt. Es besteht ein erhebliches öffentliches Interesse daran, dass junge
Menschen die Schule besuchen und eine Berufsausbildung machen, da Bildung ein Grundpfeiler einer funktio-
nierenden Gesellschaft ist. Daher darf jungen Menschen die Einbürgerung nicht verwehrt werden, weil sie wegen
des Schulbesuchs oder einer Ausbildung vorübergehend auf den Bezug von Leistungen angewiesen sind. Gleiches
gilt schon jetzt für Studierende an Hochschulen und vergleichbaren Einrichtungen, die ihren Lebensunterhalt nach
dem Konzept des deutschen Sozialsystems durch den Bezug von Leistungen nach dem BaföG sichern können.
Solche Leistungen werden schon jetzt nicht von § 10 Absatz 1 Nummer 3 erfasst.
Junge Menschen, die einen Schulabschluss erworben oder eine berufliche Ausbildung abgeschlossen haben und
anschließend – oftmals vorübergehend – Sozialleistungen in Anspruch nehmen müssen, dürfen gegenüber jungen
Menschen, die noch keinen Abschluss erlangt haben, nicht schlechtergestellt werden, da ansonsten Anreize ent-
stehen, den Abschluss hinauszuzögern. Dies wird nun bei der Einbürgerung klargestellt.
Die Einbürgerung von Personen, die während ihres langjährigen Aufenthalts über viele Jahre Sozialversiche-
rungsbeiträge gezahlt haben, soll nicht an ihrer oft bescheidenen Rente scheitern. Der Bezug von Grundsicherung
im Alter gemäß SGB XII soll daher für die Einbürgerung unschädlich sein. Ansonsten würde man diesen Personen
die volle politische Teilhabe dauerhaft verwehren, da sie aufgrund ihres Alters in der Regel nicht in der Lage sind,
an ihrer Einkommenssituation etwas zu ändern.
Die Änderungen werden die Einbürgerungsbehörden voraussichtlich entlasten. In einer Vielzahl der nunmehr
ausdrücklich geregelten Fälle dürfte der Leistungsbezug bereits jetzt nicht der Einbürgerung entgegenstehen, da
die Betroffenen ihn oftmals nicht zu vertreten haben.

Zu Buchstabe c

Lebenspartner werden Ehegatten gleichgestellt. Familienangehörigen des Ausländers wird ein Regelanspruch
(„sollen“) auf Miteinbürgerung eingeräumt, wie er bereits für Ehegatten und Lebenspartner von Deutschen besteht
(§ 9). Nur in atypischen Fällen besteht der Anspruch nicht. Dies wird etwa der Fall sein, wenn die Betroffenen
sich getrennt haben. Die Angabe zum Mindestaufenthalt wird an die Regelung in Nummer 3 a) aa) aaa) angepasst.

Zu Buchstabe d

Nach Artikel 34 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Artikel 32 des Übereinkommens
über die Rechtsstellung der Staatenlosen ist die Einbürgerung dieser schutzbedürftigen Personen zu erleichtern.
Daher sollen sie bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen einen Einbürgerungsanspruch bereits nach dreijäh-
rigem Aufenthalt in Deutschland haben. Diese Dauer entspricht der Aufenthaltsdauer, die für die Erteilung einer
Niederlassungserlaubnis an anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte erforderlich ist.

Zu Buchstabe e

Die bisher in Absatz 5 vorgesehenen Ausnahmen von den allgemein geltenden Sprachanforderungen werden in
den Absatz 4 aufgenommen. Ferner werden Personen, die bereits im Ruhestand sind oder krankheitsbedingt er-
werbsunfähig sind, von den Sprachanforderungen ausgenommen. Menschen, die oftmals seit vielen Jahren in
Deutschland erwerbstätig waren, ist der Spracherwerb nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben nicht zu-
mutbar, zumal viele Betroffene aus einem eher bildungsfernen Umfeld kommen. Dennoch soll es auch ihnen
möglich sein, vollumfänglich in den Genuss der staatsbürgerlichen Rechte zu kommen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/5631

Zu Buchstabe f

Mit der deutschen Staatsangehörigkeit gehen politische Teilhaberechte einher, zu deren Wahrnehmung Kennt-
nisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung zweckdienlich sind. Bislang wurde zum Nachweis dieser Kenntnisse
im Einbürgerungsverfahren in der Regel das Bestehen eines Einbürgerungstests verlangt. Dies greift zu kurz, da
zahlreiche AusländerInnen auf anderem Wege diese Kenntnisse erworben haben. Bereits jetzt sehen die – unver-
bindlichen – vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern in Ziffer 10.1.1.7. vor, dass
der Nachweis eines deutschen Schulabschlusses an die Stelle des Einbürgerungstests treten kann. Fortan soll
rechtsverbindlich geregelt sein, dass der Schul- oder Hochschulbesuch bzw. eine berufliche Ausbildung in
Deutschland den Einbürgerungstest ersetzt. Auch der Abschluss eines Integrationskurses soll fortan als Nachweis
ausreichen. Unbenommen ist es den Betroffenen, die Kenntnisse durch sonstige Mittel nachzuweisen. Der Ein-
bürgerungstest soll fortbestehen, da er für manche AusländerInnen eine geringere zeitliche Belastung als der Be-
such eines Integrationskurses darstellt. Dies gilt insbesondere für AusländerInnen, die nicht zur Teilnahme an
einem Integrationskurs verpflichtet sind. Diesen Personen soll der freiwillige Besuch eines Vorbereitungskurses,
dessen Inhalt dem Orientierungskurs nach § 43 Absatz 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes entspricht, weiterhin
ermöglicht werden.

Zu Buchstabe g

Folgeänderung zu den vorstehenden Buchstaben.

Zu Buchstabe h

Folgeänderung zu Buchstabe f.

Zu Nummer 4 (§ 12)

Folgeänderung zu Nummer 3 a) aa) ccc).

Zu Nummer 5 (§ 12a)

Folgeänderung zu Nummer 4.

Zu Nummer 6 (§ 12b)

Die Berücksichtigung früherer Aufenthalte bei der Feststellung der Aufenthaltsdauer im Einbürgerungsverfahren
stand bislang im Ermessen der Einbürgerungsbehörde. Da davon auszugehen ist, dass solche Voraufenthalte ge-
eignet sind, einen Bezug des Betroffenen zu Deutschland herzustellen, sollen sie fortan regelmäßig berücksichtigt
werden.

Zu Nummer 7 (§ 13)

Die Einbürgerung ehemaliger Deutscher und ihrer Kinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben,
stand bislang im Ermessen der Einbürgerungsbehörden. Da bei diesen Personen von einem hinreichenden Bezug
zu Deutschland auszugehen ist, soll die Einbürgerung fortan regelmäßig erfolgen.
In Satz 2 wird nun gesetzlich geregelt, dass Abkömmlinge von Menschen, denen durch die rassistische und men-
schenverachtende Gesetzgebung der Nationalsozialisten die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen worden ist,
auch dann auf Antrag und ohne weitere Voraussetzungen eingebürgert werden, wenn sie die deutsche Staatsan-
gehörigkeit nach dem zum Zeitpunkt ihrer Geburt geltendem Staatsangehörigkeitsrecht nicht durch Abstammung
erworben hätten. Begünstigt werden dadurch insbesondere nichteheliche Kinder von Männern und eheliche Kin-
der von Frauen, die vor der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts von 1953 geboren worden sind, sowie ihre
Abkömmlinge. Die Neuregelung entspricht dem Geiste des bereits in Artikel 116 des Grundgesetzes verankerten
Einbürgerungsanspruchs, der jedoch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gerade nicht auf die vorgenannten
Personengruppen anwendbar ist.

Drucksache 18/5631 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Zu Nummer 8 (§ 16)

Die Ergänzung befreit Personen von dem ausdrücklichen Bekenntnis zum Grundgesetz, wenn sie es wegen einer
körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht abgeben können. Die
Voraussetzungen des § 10 Absatz 1 Nummer 1 bleiben unberührt.

Zu Nummer 9 (§ 17)

Die Änderungen in Absatz 1 sind Folgeänderungen zu Nummern 10 und 11.
Bislang regelte Absatz 2, dass die Rücknahme der erschlichenen Einbürgerung nur zum Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit des Kindes des Betroffenen führt, wenn dieses das fünfte Lebensjahr noch nicht vollendet
hat. Dies ergibt sich nach diesem Entwurf bereits daraus, dass die Rücknahme nur für die Zukunft gilt (s. Nummer
14). Absatz 3 regelte, dass auch der rückwirkende Verlust der Staatsangehörigkeit auf andere Weise nicht zum
Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes führt. Das soll nun in Absatz 2 geregelt werden und auch für die Fälle
der behördlichen Vaterschaftsanfechtung gelten, die verfassungsrechtlich unzulässig ist.

Zu Nummer 10 (§ 25)

Mehrstaatigkeit soll nicht nur bei der Einbürgerung in Deutschland zugelassen werden, sondern auch bei deut-
schen Staatsangehörigen, die willentlich eine ausländische Staatsangehörigkeit erwerben. Denn die Erwägungen,
die für die Zulassung von Mehrstaatigkeit sprechen (s. Nummer 1 a) aa) ccc)), sind auch in diesen Fällen zutref-
fend.

Zu Nummer 11 (§ 27)

Auch bei der Annahme als Kind spricht nichts dagegen, dass das Kind trotz gesetzlichen Erwerbs einer ausländi-
schen Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit beibehalten kann. Denn einerseits hat das Kind erst
ab Vollendung des 14. Lebensjahrs einen Einfluss auf die Adoption (§ 1746 BGB); andererseits haben viele
Adoptivkinder trotz Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit weiterhin einen Bezug zu Deutschland.

Zu Nummer 12 (§ 33)

Mit dem durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 eingefügten § 33 wurde das bis dahin rechtswidrig geführte
Register, das insbesondere die Daten eingebürgerter Deutscher erfasst, auf eine rechtliche Grundlage gestellt. In
dem Register wird unter anderem die ausländische Herkunft von Menschen gespeichert werden. Dies steht im
Widerspruch zu der in Artikel 33 des Grundgesetzes garantierten staatsbürgerlichen Gleichheit aller deutschen
Staatsangehörigen und birgt ein erhebliches Missbrauchs- und Diskriminierungspotential. Es gibt kaum nachvoll-
ziehbare Gründe für die zentrale Sammlung dieser extrem sensiblen Daten. Das Richtlinienumsetzungsgesetz
nennt auch in der Gesetzesbegründung nicht den Zweck der Speicherung. Der Hauptgrund für die Datensammlung
dürfte sicherheitspolitischer Natur sein: Die Daten können etwa als Vorrat für künftige Rasterfahndungen dienen.
Das Register steht daher einer menschenrechtsorientierten Politik diametral entgegen. Auch im Rahmen der Ter-
rorismusbekämpfung muss jeder Ansatz für eine ethnische, religiöse oder rassische Diskriminierung vermieden
werden.

Zu Nummer 13 (§ 35)

Da der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit keine Wirkung mehr entfaltet, entspricht der Zustand, der
aufgrund einer in der Vergangenheit rechtswidrig erteilten Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staats-
angehörigkeit entstanden ist, dem geltenden Recht, sodass es einer Rücknahme solcher Genehmigungen nicht
mehr bedarf.
Zwar ist es nicht zu beanstanden, dass jemand, der die Einbürgerung durch arglistige Täuschung, Drohung oder
Bestechung bzw. ein anderes rechtlich zu missbilligendes vorsätzliches Handeln erschlichen hat, nicht auf den
Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit vertrauen darf. Die Vermeidung von Staatenlosigkeit liegt jedoch
auch in solchen Fällen im öffentlichen Interesse. Daher soll die Rücknahme der erschlichenen Einbürgerung nur
möglich sein, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird. Damit werden fortbestehende völker- und ver-
fassungsrechtliche Bedenken gegen die bestehende Regelung ausgeräumt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/5631
Die Rücknahme der erschlichenen Einbürgerung soll fortan nur Wirkung für die Zukunft entfalten. So wird ver-
mieden, dass die durch Abstammung erworbene deutsche Staatsangehörigkeit den Kindern des Betroffenen ent-
zogen wird. Der rückwirkende Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit ist auch aus demokratietheoretischer
Perspektive bedenklich, da der Betroffene vor der Rücknahmeentscheidung oftmals bereits von seinen staatsbür-
gerlichen Rechten Gebrauch gemacht hat – etwa durch die Teilnahme an Wahlen, durch die Wahrnehmung uni-
onsbürgerlicher Grundfreiheiten oder durch die Ernennung zum Beamten. Die Neuregelung vermeidet hingegen
die künstliche Produktion von Wahlfehlern und vergleichbaren Fälle.

Zu Nummer 14 (§ 38)

Junge Menschen, die sich in der schulischen oder beruflichen Ausbildung befinden, sowie Studierende an Hoch-
schulen und vergleichbaren Einrichtungen sind künftig von der Einbürgerungsgebühr befreit, da sie für ihre Ein-
bürgerung regelmäßig eine große Hürde darstellt, zugleich aber ein besonderes öffentliches Interesse an der Ein-
bürgerung dieser Personengruppen besteht. Für andere Personengruppen, für die die Gebühr ebenfalls regelmäßig
eine große Hürde darstellt, wird sie ermäßigt. Dazu zählen Personen, die sich seit mindestens 15 Jahren in
Deutschland aufgehalten und das 54. Lebensjahr vollendet haben. Diese Personen haben in der Regel einen be-
trächtlichen Beitrag für die Gestaltung der Gesellschaft geleistet, der es verbietet, sie durch hohe Gebühren von
der Einbürgerung abzuschrecken. Aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses soll die Gebühr
verringert oder von der Gebühr abgesehen werden können.

Zu Artikel 2

Bislang setzen die Einbürgerungsbehörden regelmäßig das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Kenntnis
von Einbürgerungsanträgen anerkannter Flüchtlinge und Asylberechtigter. Das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge nimmt diese Information regelmäßig zum Anlass, die Flüchtlingseigenschaft der Betroffenen zu über-
prüfen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist zwar zu einer solchen Überprüfung befugt (§ 73 Absatz
1 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes), das Staatsangehörigkeitsgesetz sieht sie hingegen nicht vor. Dennoch be-
stimmt der bestehende § 73 Absatz 2c des Asylverfahrensgesetzes, dass die Entscheidung über die Anerkennung
als Flüchtling oder Asylberechtigter im Einbürgerungsverfahren nicht verbindlich ist, solange ein Widerrufs- bzw.
Rücknahmeverfahren nicht bestandskräftig durchgeführt worden ist. Diese Regelung verzögert die Einbürgerung
von anerkannten Flüchtlingen und Asylberechtigten und hat darüber hinaus eine abschreckende Wirkung auf die
betroffenen Personengruppen. Ein derartiger Umgang mit Einbürgerungsanträgen von Flüchtlingen ist weltweit
beispiellos und steht in offenem Widerspruch zu Artikel 34 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flücht-
linge. Danach ist die Einbürgerung von anerkannten Flüchtlingen nämlich möglichst weitgehend zu erleichtern.
Die Überprüfung der Flüchtlingseigenschaft ist nach den Vorschriften über die Einbürgerung nicht erforderlich,
da Voraussetzung der Einbürgerung insofern lediglich der Besitz einer bestimmten Aufenthaltserlaubnis im Zeit-
punkt der Antragstellung ist (s. Artikel 1 Nummer 3 d). Deshalb soll § 73 Absatz 2c aufgehoben werden.

Zu Artikel 3

Artikel 3 regelt das Inkrafttreten.
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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