BT-Drucksache 18/5423

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/4097, 18/4199, 18/5420 - Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung

Vom 1. Juli 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5423
18. Wahlperiode 01.07.2015
Änderungsantrag
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, Brigitte Pothmer,
Kai Gehring, Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan
Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Corinna Rüffer, Hans-Christian Ströbele,
Beate Walter-Rosenheimer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/4097, 18/4199, 18/5420 –

Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des
Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung

Der Bundestag wolle beschließen:

Artikel 1 wird wie folgt geändert:
1. Nummer 1 Buchstabe d wird wie folgt gefasst:

,d) Nach der Angabe zu § 25b wird folgende Angabe eingefügt:
„§ 25c Aufenthaltsgewährung bei

2. Nach Nummer 13 wird folgende Nummer 13a eingefügt:
,13a. Nach § 25b wird folgender § 25c eingefügt:

㤠25c

Aufenthaltsgewährung bei Berufsausbildung
(1) Einem jugendlichen oder heranwachsenden geduldeten

Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er
1. sich in einer Ausbildung zu einem staatlich anerkannten oder ver-

gleichbar geregelten Ausbildungsberuf oder einer vergleichbaren
schulischen Berufsausbildung befindet oder ihm eine Zusage für
eine solche erteilt wurde,

2. über hinreichende mündliche Deutschkenntnisse im Sinne des Ni-
veaus A 2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für
Sprachen verfügt,

3. gewährleistet erscheint, dass er sich aufgrund seiner bisherigen
Ausbildung und Lebenssituation in die Lebensverhältnisse der
Bundesrepublik Deutschland einfügen kann,

Drucksache 18/5423 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

4. sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bun-
desrepublik Deutschland bekennt und

5. keine Bezüge zu extremistischen oder terroristischen Organisati-
onen hat und diese auch nicht unterstützt. Ein vorübergehender
Bezug von ergänzenden Sozialleistungen ist für die Lebensunter-
haltssicherung in der Regel unschädlich.

(2) Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 ist zu
versagen, wenn
1. der Ausländer die Aufenthaltsbeendigung durch vorsätzlich fal-

sche Angaben, durch Täuschung über die Identität oder Staatsan-
gehörigkeit oder Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen an
die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen
verhindert oder verzögert oder

2. ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 oder Ab-
satz 2 Nummer 1 und 2 besteht.

(3) § 25a Absatz 2 und 3 gilt entsprechend.
(4) Die Aufenthaltserlaubnis ist für die Dauer der Ausbildung zu

verlängern. Sie kann abweichend von § 10 Absatz 3 Satz 2 und § 11
Absatz 1 erteilt werden und berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstä-
tigkeit.

(5) § 25a bleibt unberührt.
(6) Die Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 soll verlängert werden,

wenn nach einem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung zu erwarten
ist, dass der Ausländer zukünftig seinen Lebensunterhalt im Sinne von
§ 2 Absatz 3 sichern wird, wobei der Bezug von Wohngeld unschädlich
ist.“

3. Nummer 32 wird aufgehoben.

Berlin, den 30. Juni 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Mit einem neuen § 25c des Aufenthaltsgesetzes – der in derselben Fassung vom Bundesrat vorgeschlagen wird –
soll ein Aufenthaltsrecht für jugendliche und heranwachsende Geduldete geschaffen werden, die sich in einer
betrieblichen oder schulischen Berufsausbildung befinden oder hierfür eine Ausbildungszusage haben. Arbeits-
genehmigungsrechtlich ist für Geduldete die Aufnahme einer Berufsausbildung nach geltendem Recht bereits
möglich, jedoch scheitert sie vielfach an der ungewissen aufenthaltsrechtlichen Situation. Es besteht ein Inte-
resse, dass Jugendliche und Heranwachsende, die sich bereits in der Bundesrepublik Deutschland befinden,
auch eine qualifizierte Berufsausbildung aufnehmen und beenden können. Die Bestimmung stellt eine eigen-
ständige Regelung für den Arbeitsmarktzugang dar. Ferner wird ausdrücklich geregelt, dass die Aufenthaltser-
laubnis solange zu verlängern ist, wie dies für den Abschluss der Ausbildung im Einzelfall erforderlich ist. Im
Hinblick auf den Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften ist nach einem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung
eine eigenständige Verlängerungsmöglichkeit vorgesehen, um die Suche nach einem Arbeitsplatz zu ermögli-
chen. Dadurch soll die Grundlage für eine dauerhafte aufenthaltsrechtliche Perspektive geschaffen werden.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5423
Durch die Verweisung auf § 25a Absatz 2 und 3 des Aufenthaltsgesetzes besteht auch die Möglichkeit der
Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an die Eltern, minderjährige Geschwister sowie Ehegatten und Lebens-
partner und minderjährige Kinder des Ausländers nach den dort genannten Voraussetzungen. Die Forderungen
der Industrie- und Handelskammern und des Handwerks nach einem gesicherten Bleiberecht während der Be-
rufsausbildung und anschließender zweijährigeR Beschäftigungsphase werden mit der Schaffung dieser Vor-
schrift erfüllt.
Demgegenüber gewährt die von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD in den Ausschussberatungen durch-
gesetzte Ergänzung von § 60a des Aufenthaltsgesetzes Geduldeten in der Ausbildung und den ausbildenden
Betrieben keine Rechtssicherheit, dass die Auszubildenden für die Dauer der Ausbildung in Deutschland blei-
ben dürfen. Sie entspricht daher nicht dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 18. Juni 2015 und
überzeugt darüber hinaus aus systematischen Gründen nicht. Die Forderungen der Industrie- und Handelskam-
mern und des Handwerks nach einem gesicherten Bleiberecht während der Ausbildung und einer anschließen-
den zweijährigen Beschäftigungsphase werden mit diesem Vorschlag nicht erfüllt.
Bereits jetzt können die Ausländerbehörden im Rahmen von § 60a Absatz 2 Satz 3 ihr Ermessen dahingehend
ausüben, dass Auszubildenden eine Duldung aus persönlichen Gründen erteilt wird. Dies ist allerdings keine
zufriedenstellende Lösung. Mit dem Zuwanderungsgesetz von 2005 verfolgte der Gesetzgeber unter anderem
das Ziel, die sog. Kettenduldungen abzuschaffen. Dem widerspricht es, wenn Geduldeten in der Ausbildung
weiterhin für mehrere Jahre keine Aussicht auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gegeben wird.
Die Erteilung einer Duldung aus persönlichen Gründen nach § 60a Absatz 2 Satz 3 steht bereits im Ermessen
der Behörden. Es ist absurd, an diese Ermessensermächtigung eine weitere Kann-Bestimmung anzuschließen.
Es ist auch nicht ersichtlich, warum die Aufnahme einer Ausbildung nicht in allen Fällen ein persönlicher Grund
sein soll, der bei der Entscheidung über die Erteilung einer Duldung zu berücksichtigen ist. Ebenso wenig ist es
nachvollziehbar, dass es im Ermessen der Behörden stehen soll, ob die Duldung bei Ersterteilung für die Dauer
von einem Jahr erteilt wird oder nicht.
Die Beschränkung der vorgeschlagenen Regelung auf Auszubildende, die bei Aufnahme der Ausbildung das
21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, droht in der Praxis dazu zu führen, dass manche Ausländerbehörden
älteren Auszubildenden – entgegen der geltenden Rechtslage – ohne ersichtlichen Grund keine Duldung aus
persönlichen Gründen mehr erteilen.
Die Beschränkung der vorgeschlagenen Regelung auf Auszubildende, die nicht aus einem sicheren Herkunfts-
staat nach § 29a des Asylverfahrensgesetzes kommen, ist integrationspolitisch und rechtssystematisch verfehlt.
An der Forderung nach einem rechtssicheren Aufenthalt für alle Geduldeten in der Ausbildung ohne Ansehen
einer – ohnehin schwer beurteilbaren – „Bleibeperspektive“ halten auch Baden-Württemberg und Schleswig-
Holstein ausweislich ihrer Protokollerklärung zum Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 18. Juni
2015 fest. Die Bestimmung bestimmter Staaten zu sicheren Herkunftsstaaten ist ein asylrechtliches Instrument,
während die Duldung als aufenthaltsrechtliches Rechtsinstitut unabhängig von asylrechtlichen Regelungen und
Erwägungen betrachtet und geregelt werden sollte. Dies gilt für die Erteilung einer Duldung aus persönlichen
Gründen in besonderem Maße. Es kann nicht überzeugen, dass die Aufnahme einer Ausbildung nur dann einen
im Rahmen von § 60a Absatz 2 Satz 3 zu berücksichtigenden Grund darstellen soll, wenn die Betroffenen nicht
aus bestimmten Staaten kommen.
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.