BT-Drucksache 18/5098

Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung des Eheverbots für gleichgeschlechtliche Paare

Vom 10. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5098
18. Wahlperiode 10.06.2015

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ulle Schauws, Katja Keul, Monika Lazar,
Kai Gehring, Luise Amtsberg, Matthias Gastel, Renate Künast, Irene Mihalic,
Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Claudia Roth (Augsburg),
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung des Eheverbots
für gleichgeschlechtliche Paare

A. Problem
Gleichgeschlechtlichen Paaren ist in Deutschland bis heute die Ehe verwehrt, was
eine konkrete und symbolische Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer se-
xuellen Identität darstellt. Die öffentliche Diskussion im Nachgang zu dem Refe-
rendum in der Republik Irland zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche
Paare hat jedoch erneut deutlich gemacht: Angesichts des gesellschaftlichen Wan-
dels und der damit verbundenen Änderung des Eheverständnisses gibt es keine
haltbaren Gründe, homo- und heterosexuelle Paare unterschiedlich zu behandeln
und am Ehehindernis der Gleichgeschlechtlichkeit festzuhalten. Darüber hinaus
sind gleichgeschlechtliche Paare trotz Einführung des Instituts der Eingetragenen
Lebenspartnerschaft im Jahre 2001 in einer Reihe von Rechtsbereichen noch im-
mer gegenüber der Ehe benachteiligt.

B. Lösung
Es wird durch Ergänzung von § 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) klar-
gestellt, dass auch gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe eingehen können. Die
Rechte der Kirchen und Religionsgemeinschaften bleiben von dieser gesetzlichen
Neuregelung unberührt.

C. Alternativen
Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5098

Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung des Eheverbots
für gleichgeschlechtliche Paare

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

Das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909;
2003 I S. 738), das zuletzt durch … geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. Dem § 1309 wird folgender Absatz 3 angefügt:

„(3) Absatz 1 gilt nicht für Personen, die eine gleichgeschlechtliche Ehe eingehen wollen und deren
Heimatstaat die Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Ehe nicht vorsieht.“

2. § 1353 Absatz 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“

Artikel 2

Folgeänderungen

(1) Das Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266), das zuletzt durch ... geändert
worden ist, wird wie folgt geändert:
1. Nach Abschnitt 4 wird folgender Abschnitt 5 eingefügt:

„Abschnitt 5
Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe

§ 20a
Eine Lebenspartnerschaft wird in eine Ehe umgewandelt, wenn zwei Lebenspartnerinnen oder Lebens-

partner gegenseitig persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, miteinander eine Ehe auf Le-
benszeit führen zu wollen. Die Erklärungen können nicht unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung abge-
geben werden. Die Erklärungen werden wirksam, wenn sie vor dem Standesbeamten abgegeben werden.“

2. Die bisherigen Abschnitte 5 und 6 werden die Abschnitte 6 und 7.
(2) Das Personenstandsgesetz vom 19. Februar 2007 (BGBl. I S. 122), das zuletzt durch ... geändert worden

ist, wird wie folgt geändert:
1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

a) Die Angabe zu Kapitel 4 wird wie folgt gefasst:

„Kapitel 4
Begründung der Lebenspartnerschaft und Umwandlung

einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe“.

Drucksache 18/5098 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

b) Nach der Angabe zu § 17 wird folgende Angabe eingefügt:
„§ 17a Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe und ihre Beurkundung“.

2. Die Überschrift zu Kapitel 4 wird wie folgt gefasst:

„Kapitel 4
Begründung der Lebenspartnerschaft und Umwandlung

einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe“.

3. Nach § 17 wird folgender § 17a eingefügt:

㤠17a
Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe und ihre Beurkundung

(1) Die Lebenspartner haben bei der Umwandlung ihrer Lebenspartnerschaft in eine Ehe das Bestehen
der Lebenspartnerschaft durch öffentliche Urkunden nachzuweisen.

(2) Für die Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe gelten die §§ 11 und 12 Absatz 1 und 2
Nummer 1 bis 3 sowie die §§ 14 bis 16 entsprechend.“
(3) Artikel 17b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in der Fassung der Bekanntma-

chung vom 21. September 1994 (BGBl. I S. 2494; 1997 I S. 1061), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird
wie folgt geändert:
1. Die Überschrift wird wie folgt gefasst:

„Artikel 17b

Eingetragene Lebenspartnerschaft und gleichgeschlechtliche Ehe“.

2. Absatz 4 wird wie folgt gefasst:
„(4) Die Bestimmungen der Absätze 1 bis 3 gelten für die gleichgeschlechtlichen Ehen entsprechend“.

Artikel 3

Inkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt am ersten Tag des dritten auf die Verkündung folgenden Monats in Kraft.
(2) Für Rechte und Pflichten der Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner bleibt nach der Umwandlung der

Lebenspartnerschaft in eine Ehe der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft weiterhin maßgebend.
(3) Lebenspartnerschaften können ab Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht mehr begründet werden.

Berlin, den 9. Juni 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/5098
Begründung

A. Allgemeiner Teil

Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) bestimmt: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der
staatlichen Ordnung.“ Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird durch diese Vorschrift u. a.
die Ehe als Institut garantiert. Der Gesetzgeber muss deshalb die wesentlichen, das Institut der Ehe bestimmenden
Strukturprinzipien beachten. Diese Strukturprinzipien hat das Bundesverfassungsgericht aus den vorgefundenen,
überkommenen Lebensformen in Verbindung mit dem Freiheitscharakter des Art. 6 Abs. 1 GG und anderen Ver-
fassungsnormen hergeleitet. Allerdings wird die Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG nicht abstrakt gewährleistet, sondern
in der verfassungsgeleiteten Ausgestaltung, wie sie den herrschenden, in der gesetzlichen Regelung maßgeblich
zum Ausdruck gelangenden Anschauungen entspricht.
Danach schützt das Grundgesetz die Ehe – anders als die Weimarer Verfassung, die die Ehe als Grundlage der
Familie verstand und die Fortpflanzungsfunktion hervorhob, – als Beistand- und Verantwortungsgemeinschaft,
unabhängig von der Familie. Deshalb fällt unter den Schutz des Art. 6 GG ebenso die kinderlose Ehe.
Nach dem traditionellen Eheverständnis kam der Geschlechtsverschiedenheit der Ehegatten prägende Bedeutung
zu. Ebenso galt sie lange Zeit als notwendige Voraussetzung der Ehe im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG, so dass
gleichgeschlechtlichen Partnerschaften vom Ehebegriff ausgeschlossen waren (BVerfG NJW 1993, 3058;
BVerfGE 105, 313, 345f = NJW 2002, 2543; BVerwGE 100, 287, 294 = NVwZ 1997, 189). Bei der Verabschie-
dung des Grundgesetzes galt Homosexualität als sittenwidrig und wurde in § 175 f. Strafgesetzbuch (StGB) mit
einem strafrechtlichen Verbot belegt. Eine Einbeziehung Homosexueller in den Diskriminierungsschutz des
Grundgesetzes oder gar die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare waren zu dieser Zeit jenseits der Vorstel-
lungswelt über alle Parteigrenzen hinweg. Erst im Zuge der Aufhebung des strafrechtlichen Totalverbots von
männlicher Homosexualität im Jahre 1969 änderte sich die rechtliche Praxis und nahm schrittweise die gesell-
schaftliche Stigmatisierung ab.
In einem Kammerbeschluss von 1993 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass „hinreichende Anhalts-
punkte für einen grundlegenden Wandel des Eheverständnisses in dem Sinne, dass der Geschlechtsverschieden-
heit keine prägende Bedeutung mehr zukäme“, nicht vorgetragen worden seien (BVerfG, Beschluss vom
4.10.1993 – 1 BvR 640/93). Das Gericht lehnte es daher ab, die Ehe für Homosexuelle von Verfassung wegen zu
öffnen und überließ es dem Gesetzgeber, weitere Schritte zur rechtlichen Anerkennung homosexueller Paare ein-
zuleiten. Ein künftiger Wandel des Eheverständnisses, der eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Part-
nerschaft zulässt, war damit für die Zukunft nicht ausgeschlossen.
Seit einiger Zeit gibt es nun hinreichende Anhaltspunkte für einen grundlegenden Wandel des traditionellen Ehe-
verständnisses, die angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers die Einführung des Rechts auf Eheschlie-
ßung für Personen gleichen Geschlechts verfassungsrechtlich zulassen. Die Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts lässt einen Bedeutungswandel zu, wenn entweder neue, von der gesetzlichen Regelung nicht er-
fasste Tatbestände auftauchen oder sich Tatbestände durch Einordnung in die Gesamtentwicklung verändert ha-
ben (BVerfGE 2, 380, 401 = NJW 1953, 1137; BVerfGE 45, 1, 33 = NJW 1977, 1387). Im Ergebnis kann sich
die Bedeutung einer Verfassungsrechtsnorm ohne Veränderung ihres Textes ändern. Die Grenze liegt allerdings
in Sinn und Zweck der Verfassungsnorm, was im Falle des Art. 6 Abs. 1 GG einen erheblichen Wertewandel
zulässt.
Erstens erfolgte der grundlegende Wandel des Eheverständnisses in Folge der Einführung des Rechtsinstituts der
Lebenspartnerschaft. In der Bevölkerung wird heute nicht mehr zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft unter-
schieden. Die Eingehung einer Ehe und die Begründung einer Lebenspartnerschaft werden unterschiedslos als
„heiraten“ bezeichnet. Man macht auch keinen Unterschied mehr zwischen „verheiratet“ und „verpartnert“, son-
dern spricht unterschiedslos bei Ehegatten und bei Lebenspartnerinnen bzw. Lebenspartnern davon, dass sie „ver-
heiratet“ sind. Die Bevölkerung geht zudem wie selbstverständlich davon aus, dass Ehegatten und Lebenspartne-
rinnen bzw. Lebenspartner dieselben Pflichten und Rechte haben, obwohl das tatsächlich nur für die Pflichten
zutrifft.

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42 Prozent der Befragten gaben in einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov vom
29. Mai 2015 an, dass sie die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare «voll und ganz» befürworten, 23
Prozent waren «eher» dafür. Gut ein Viertel sprach sich in der Umfrage «eher» oder «ganz und gar» dagegen aus.
In einer am 3. Juni 2015 veröffentlichten Insa-Umfrage im Auftrag der „Bild“-Zeitung sprachen sich 65 Prozent
für die Öffnung der Ehe aus. 26 Prozent lehnten dies ab. Diese Zahlen sind ein deutlicher Beweis dafür, dass die
ursprüngliche Voraussetzung der Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehegatten von der Bevölkerung heute nicht
mehr als prägend für die Ehe verstanden wird. Gefördert wird dieser Wandel des Eheverständnisses durch die
Strukturgleichheit beider Rechtsinstitute, die von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des
Europäischen Gerichtshofs bestätigt wurde.
Die durch das Lebenspartnerschaftsgesetz beabsichtigte rechtliche Gleichstellung von eingetragenen Lebenspart-
nerschaften mit Ehepaaren ist auch in weiten Teilen des Rechts nachvollzogen worden. Dennoch ist es mehrfach
erst das Bundesverfassungsgericht gewesen, das eine noch weiterhin bestehende Ungleichbehandlung beanstandet
hat.
So hat das Bundesverfassungsgericht am 7. Mai 2013 die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern
und Ehegatten hinsichtlich des einkommensteuerrechtlichen Ehegattensplittings (2 BvR 909/06, 1981/06 und
288/07) und am 19. Februar 2013 die Nichtzulassung der sukzessiven Adoption angenommener Kinder eingetra-
gener Lebenspartner durch den anderen Lebenspartner (1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09) für unvereinbar mit dem
Grundgesetz erklärt. Diese Entscheidungen reihen sich ein in die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts,
mit denen gesetzliche Regelungen beanstandet worden sind, die eine Ungleichbehandlung von eingetragener Le-
benspartnerschaft und Ehe enthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.07.2009, 1 BvR 1164/07 zur Hinterbliebe-
nenversorgung, BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 zur Erbschafts- und Schen-
kungssteuer, BVerfG, Beschluss vom 19.06.2012, 2 BvR 1397/09 zum beamtenrechtlichen Familienzuschlag,
BVerfG, Beschluss vom 18.07.2012, 1 BvL 16/11 zur Grunderwerbssteuer).
Zu dem Wandel des Eheverständnisses hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Änderung des Transsexuellen-
gesetzes vom 19. Juni 2009 mit beigetragen. Durch dieses Gesetz ist § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Transsexuellengesetzes
ersatzlos gestrichen worden, weil das Bundesverfassungsgericht die Vorschrift für nichtig erklärt hatte (BVerfGE
121, 175). Sie ließ die rechtliche Änderung des Personenstands bei einem verheirateten Transsexuellen nur zu,
wenn dieser sich zuvor hatte scheiden lassen. Auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hätte der Gesetzgeber
auch anders reagieren können. Das Bundesverfassungsgericht hatte ihm ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt
zu bestimmen, dass das als „Ehe“ begründete Rechtsverhältnis zwar mit gleichen Rechten und Pflichten, aber
unter anderem Etikett weitergeführt wird. Damit sollte es dem Gesetzgeber ermöglicht werden, die strikte Ver-
schiedengeschlechtlichkeit der Ehe zu verteidigen. Diesem Gesichtspunkt hat der Gesetzgeber keine entschei-
dende Bedeutung beigemessen und durch die Streichung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Transsexuellengesetzes gleich-
geschlechtliche Ehen zugelassen. Es gibt infolgedessen in Deutschland schon jetzt legale gleichgeschlechtliche
Ehen.
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverfassungsgericht auch allgemein den gesellschaftlichen
Wandel bei der Auslegung des Art. 6 GG durchaus rezipiert und zur Kenntnis nimmt. So hat es eine Vorlage des
Amtsgerichtes Schweinfurt für unzulässig erklärt (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2009 -1 BvL 15/09 -), in wel-
cher dieses Gericht im Kern behauptete, Eltern im Sinne des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG könnten nicht gleichgeschlecht-
liche Lebenspartner sein, weil diese Bestimmung von einem „natürlichen“ Recht der Eltern spreche, welches nach
Auffassung des Gerichtes offenbar homosexuellen Personen nicht zustehen sollte. Hierzu führt das Bundesver-
fassungsgericht kurz aus: „Abgesehen davon, dass das Gericht weder auf die Entstehungsgeschichte von
Art. 6 GG und eventuelle Rückschlüsse daraus auf die Trägerschaft des Elternrechts eingegangen ist noch auf
einen möglichen, auf die Interpretation von Art. 6 GG Einfluss nehmenden Wandel des Rechtsverständnisses von
Elternschaft, hat es sich nur ungenügend mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der in der
Literatur vertretenen Auffassungen zu der Frage, wer Träger des Elternrechts sein kann, auseinandergesetzt.“ Im
Übrigen weist das Bundesverfassungsgericht sodann auf seine Rechtsprechung hin, nach der die leibliche Eltern-
schaft gegenüber der rechtlichen und sozial-familiären Elternschaft keinen Vorrang hat. Auch dieses zeigt, wie
der soziale Wandel – einschließlich vom Gesetzgeber getroffener Entscheidungen – auf die Auslegung des Art. 6
einwirkt. Was hier beim Familien- und Elternschaftsbegriff möglich war, sollte auch bei der Ehe möglich sein.
Hätte das Amtsgericht Schweinfurt im 19. Jahrhundert für seine Auslegung sicher noch Anhänger gefunden, so
ist dies heute nicht mehr der Fall.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/5098
In der Entscheidung zur Sukzessivadoption stellt das Gericht zudem klar, dass gleichgeschlechtliche Paare die
dauerhaft mit einem Kind in einer faktischen Eltern-Kind-Beziehung leben, eine Familie sind und unter dem
Schutz des Art. 6. Abs. 1 GG stehen. „Wo ein gleichgeschlechtliches Paar dauerhaft mit einem Kind in einer
faktischen Eltern-Kind-Beziehung zusammenlebt, lässt sich das Bestehen einer Familie tatsächlich nicht in Ab-
rede stellen. Ihr den Schutz des Familiengrundrechts zu verweigern, widerspräche dem Sinn des auf den Schutz
der sozialen Familiengemeinschaft gerichteten Familiengrundrechts.“ (1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, RN 65). Und:
„Die sozial-familiäre Gemeinschaft aus eingetragenen Lebenspartnern und dem leiblichen oder angenommenen
Kind eines Lebenspartners bildet eine durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Familie; auf den Schutz des Familien-
grundrechts können sich alle Beteiligten jeweils eigenständig berufen.“ (Rn. 60).
Schließlich bieten die Rechtsordnungen anderer Länder weitere Anhaltspunkte dafür, dass das Konzept der Ge-
schlechtsverschiedenheit der Ehegatten überholt ist. Jüngst hat die Republik Irland sowie Grönland die Ehe für
gleichgeschlechtliche Paare geöffnet. In den Ländern Niederlande, Belgien, Spanien, Norwegen, Schweden, Is-
land, Portugal, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, Slowenien, Finnland, Kanada, Südafrika, Argentinien, Brasi-
lien, Uruguay, Neuseeland sowie in Schottland, England und Wales, in einundvierzig Bundesstaaten der USA
und dem District of Columbia, sowie in zwei Bundesstaaten und in der Hauptstadt Mexikos wurde die Zivilehe
für Personen gleichen Geschlechts eingeführt. Darüber hinaus werden gleichgeschlechtliche Ehen in Israel und
Malta anerkannt.
Zudem haben Verfassungsgerichte aus einigen den o. g. US-Bundesstaaten, kanadischen Provinzen sowie aus
Südafrika sogar gegen Entscheidungen des dortigen Gesetzgebers eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche
Paare erzwungen, um Diskriminierungen zu vermeiden. Auch diese Gerichte nahmen dabei den Gedanken – der
sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes findet – durchaus zur Kenntnis, dass der Ehe histo-
risch in allen westlichen Staaten eine gemischtgeschlechtliche Konzeption zu Grunde lag. Dennoch kamen sie
zum Ergebnis, dass der Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare von der Ehe mit den verfassungsrechtlichen Prin-
zipien des Respekts vor der Privatautonomie und der Gleichheit vor dem Gesetz unvereinbar sei. Schließlich wies
beispielsweise das Massachusetts Supreme Judical Court darauf hin, dass über Jahrzehnte und Jahrhunderte in
Teilen der USA auch keine gesetzliche Ehe zwischen weißen und schwarzen Amerikanern möglich gewesen sei
und zog eine Parallele zu dieser Konstellation, da es in beiden Konstellationen keine sachlichen Gründe für die
Differenzierung gäbe.
Auch in europäischen Staaten wurden bei der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ähnliche Gegen-
argumente erhoben. Ehe sei eine Verbindung von Mann und Frau, es war so und es soll so bleiben. Darauf beton-
ten die Befürworter, dass Ehe – wie Familie – dynamische gesellschaftliche Kategorien darstellen und erinnerten,
dass in der Vergangenheit beispielsweise Ehen zwischen Katholiken und Protestanten ebenso verboten waren wie
die Unauflösbarkeit zu den Strukturprinzipien der Ehe gehörte.
Abgesehen von den theoretischen Bedenken bezüglich der Einhaltung der Strukturprinzipien eines sich wandeln-
den familienrechtlichen Instituts kann eine einfachgesetzliche Einführung des Rechts auf Eheschließung für Per-
sonen gleichen Geschlechts die im Art. 6 Abs. 1 GG verankerte Institutionsgarantie nicht antasten. Es gibt keine
Dimension dieses Grundrechts, die damit verletzt wird, insoweit darf die objektive Funktion des Art. 6 GG eben-
sowenig gegen subjektive Rechte anderer Grundrechtsträgerinnen und Grundrechtsträger instrumentalisiert und
missbraucht werden.
Den Wandel des Eheverständnisses stellte bereits der erste Verfassungsorgan, der Bundesrat fest, indem er am
22. März 2013 einen Gesetzentwurf zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Ge-
schlechts beschlossen und beim Deutschen Bundestag eingebracht hatte. Der Gesetzentwurf ist jedoch wegen des
Ablaufs der Wahlperiode der Diskontinuität anheimgefallen.
Mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare entfällt der Bedarf, das Rechtsinstitut der eingetragenen
Lebenspartnerschaft weiter für Neueintragungen offen zu halten – auch angesichts dessen, dass es bislang zwar
die gleichen Pflichten wie die Ehe beinhaltet, nicht aber die vollen Rechte (z. B. im Adoptionsrecht). Deshalb
wird die Neueintragung der Lebenspartnerschaft nicht mehr möglich sein. Die schon eingetragen Lebenspartner-
schaften werden hingegen weiter bestehen, es sei denn die Lebenspartnerinnen bzw. Lebenspartner werden sie in
eine Ehe umwandeln.

Drucksache 18/5098 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs)

(1) Da viele Staaten noch keine gleichgeschlechtliche Ehe kennen und auch beim Institut der eingetragenen
Lebenspartnerschaft häufig kein Ehefähigkeitszeugnis ausstellen, wird im Falle der gleichgeschlechtlichen
Ehe eine Ausnahme gemacht. Nichtdestotrotz müssen Eheschließende nach § 12 Absatz 2 Nr. 1 des Perso-
nenstandsgesetzes ihren Personenstand und damit ihre Ledigkeit durch öffentliche Urkunden nachweisen.

(2) Es wird durch Einfügung der Worte ,,von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts“ in § 1353
Abs. 1 Satz 1 BGB klargestellt, dass auch gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe eingehen können. Die Neu-
regelung bezieht auch Personen ein, deren Personenstand nach § 22 Personenstandsgesetz bzw. nach Vor-
schriften des Rechts eines anderen Staates keine Angabe zum Geschlecht enthält.

Zu Artikel 2 (Folgeänderungen)

(1) Lebenspartnerschaftsgesetz
Durch Einführung eines neuen Abschnitts soll den bereits eingetragenen Lebenspartnerinnen und Lebens-
partnern ermöglicht werden, eine Ehe zu schließen, ohne dass sie zum einjährigen Getrenntleben und zur
darauf folgenden Aufhebung der Lebenspartnerschaft gezwungen werden, was eine unbillige Härte darstel-
len würde.
In Ausführungsvorschiften wird zudem die Möglichkeit eröffnet, die Umwandlung in einer feierlichen, der
Eheschließung entsprechenden Zeremonie durchzuführen. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass viele Le-
benspartnerschaften unter unwürdigen Bedingungen (beispielsweise bei den Kfz-Zulassungsstellen in Ba-
den-Württemberg) eingetragen worden waren, bis es bundeseinheitlich die Standesämter als zuständige Be-
hörden von allen Bundesländern bestimmt wurden.
(2) Personenstandsgesetz

1. Die neue Überschrift des Kapitels 4 entspricht dessen um den § 17a (Umwandlung einer Lebenspart-
nerschaft in eine Ehe und ihre Beurkundung) ergänzten Inhalt.

2. Absatz 1 bestimmt, dass die Lebenspartnerinnen und Lebenspartner das Bestehen ihrer Lebenspartner-
schaft durch öffentliche Urkunden nachweisen müssen, um die Umwandlung ihrer Lebenspartnerschaft
in eine Ehe anzumelden. Absatz 2 schreibt ferner vor, dass für das Verfahren die Bestimmungen des
Personenstandsgesetzes zur Eheschließung (Kapitel 3 Abschnitt 1) mit wenigen Ausnahmen entspre-
chend gelten. Zu den Ausnahmen zählen der Verzicht auf die Prüfung der Ehevoraussetzungen nach
§ 13, sowie der Verzicht auf den Nachweis der Auflösung bisheriger Ehen und Lebenspartnerschaften,
die bereits vor der Begründung der Lebenspartnerschaft erfolgten.
(3) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche

Mit der Streichung des bisherigen Artikels 17b Absatz 4 entfällt die nicht mehr erforderliche Kappungsre-
gelung für die im Ausland eingetragenen Lebenspartnerschaften. Mit der neuen Überschrift wie der Neufas-
sung des Artikels 17b Absatz 4 werden die Kollisionsvorschriften für Lebenspartnerschaften auf gleichge-
schlechtliche Ehen entsprechend angewandt.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

(1) Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Im Hinblick auf nötige Vorarbeiten bei den Standesäm-
tern soll es für den ersten Tag des dritten auf die Verkündung folgenden Monats bestimmt werden.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/5098
(2) Nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe haben die Lebenspartnerinnen oder Lebens-

partner die gleichen Rechte und Pflichten, als ob sie am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft gehei-
ratet hätten. Damit wird die bestehende Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerinnen und Leben-
spartner mit Ehegatten, auf die bereits mehrmals sowohl europäische als auch deutsche Gerichte (EuGH Rs.
Maruko – C-267/06; EuGH Rs. Römer – C-147/08; BVerfGE 124, 199; BVerfG 1 BvR 611 u. 2464/07 und
zuletzt BVerfGE vom 19. Februar 2013) hingewiesen und sie als europarechts- und verfassungsrechtswidrig
bewertet haben, rückwirkend beseitigt. Dies bedeutet, dass bestimmte sozial- und steuerrechtliche Entschei-
dungen neu getroffen werden müssen.

(3) Da mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare der Bedarf entfällt, das Rechtsinstitut der ein-
getragenen Lebenspartnerschaft weiter für Neueintragungen offen zu halten, wird die Neueintragung nicht
mehr möglich sein.
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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