BT-Drucksache 18/4841

Entwurf eines Gesetzes über die Finanzierung der Beseitigung von Rüstungsaltlasten in der Bundesrepublik Deutschland (Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetz - RüstAltFG)

Vom 6. Mai 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4841
18. Wahlperiode 06.05.2015

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Norbert Müller (Potsdam), Thomas Nord, Caren Lay,
Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, Karin Binder, Heidrun Bluhm,
Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, Kerstin Kassner, Sabine Leidig,
Ralph Lenkert, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze,
Harald Petzold (Havelland), Dr. Petra Sitte, Dr. Kirsten Tackmann,
Birgit Wöllert, Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE.

Entwurf eines Gesetzes über die Finanzierung der Beseitigung
von Rüstungsaltlasten in der Bundesrepublik Deutschland
(Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetz – RüstAltFG)

A. Problem
In ganz Deutschland gehen auch mehr als 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten
Weltkrieges weiterhin von Fliegerbomben und anderer Kriegsmunition erhebli-
che Gefahren aus. So kamen im Juni 2010 etwa bei der Detonation einer freige-
legten Fliegerbombe in Göttingen drei Bedienstete des Niedersächsischen Kampf-
mittelbeseitigungsdienstes ums Leben.
Eine Kostenübernahme für die Beseitigung von Kampfmitteln durch den Bund
scheidet bisher nach der vom Bund als ausreichend bezeichneten Staatspraxis aus,
wenn es sich nicht um „reichseigene“ Munition, sondern um Kampfmittel der
früheren Alliierten handelt.
Besonders stark betroffene Bundesländer sind mit dieser Situation finanziell über-
fordert.
Zu den Gefahren von Personen- und Sachschäden, die von den in Boden und Ge-
wässern verborgenen Kampfmitteln ausgehen, kommt hinzu, dass die aus Geld-
mangel verzögerte Beseitigung der Rüstungsaltlasten die Nutzung der betroffenen
Flächen verhindert. Da nicht zu verantworten ist, im Umgang mit Sprengkörpern
ungeschultes Personal in solchen Gebieten arbeiten zu lassen, unterbleibt in vielen
Fällen die Folgenutzung. Ein Teil der Kampfmittelverdachtsflächen muss darüber
hinaus schon aus haftungsrechtlichen Gründen gegen den Zugang des Publikums
gesperrt werden.
Rüstungsaltlasten verursachen also in der Bundesrepublik Deutschland schwer-
wiegende Probleme, die dringend einer Lösung zugeführt werden müssen.
Ziel des Gesetzes ist es, eine angemessene Lastenteilung zwischen Bund und Län-
dern bei der Finanzierung von Maßnahmen zur Beseitigung von Rüstungsaltlasten
zu regeln.

Drucksache 18/4841 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Daher bestimmt der Gesetzentwurf, dass zu den Rüstungsaltlasten nicht nur ge-
wahrsamslos gewordene, zur Kriegsführung bestimmte Gegenstände militäri-
scher Herkunft und Teile solcher Gegenstände aus der Zeit des Zweiten Weltkrie-
ges gehören.
Zu den Rüstungsaltlasten zählen auch die Grundstücke, auf denen vom 30. Januar
1933 bis zum 8. Mai 1945 mit rüstungsspezifischen Stoffen oder Kampfmitteln
zu Zwecken der Kriegsvorbereitung oder Kriegsführung umgegangen wurde und
durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzel-
nen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden. Damit besteht für den Bund
die Pflicht zur Finanzierung der Sanierung und Dekontamination der Grundstü-
cke, die durch die o. g. Gegenstände, insbesondere Kampfmittel, und auch durch
weitere rüstungsspezifische Stoffe bei der Kriegsvorbereitung und Kriegsführung
so verunreinigt wurden, dass sie zu schädlichen Bodenveränderungen bzw. Alt-
lasten im Sinne des Bundes-Bodenschutzgesetzes geführt haben.

B. Lösung
Der Gesetzentwurf knüpft an die früheren Initiativen des Bundesrates für ein Rüs-
tungsaltlastenfinanzierungsgesetz an.
Mit dem Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetz soll der bisher unbefriedigende
Zustand einer sogenannten Staatspraxis des Bundes beendet werden, wonach der
Bund den Ländern nur die Aufwendungen für die etwaige Kampfmittelräumung
auf bundeseigenen Liegenschaften sowie für die Bergung und Vernichtung so-
genannter reichseigener Munition und Kampfmittel auf sonstigen, nicht bundes-
eigenen Flächen erstattet.
Der Gesetzentwurf enthält einen Lösungsvorschlag für die Finanzierung der Ber-
gung und Vernichtung auch alliierter Munition und Kampfmittel auf sonstigen,
nicht bundeseigenen Flächen durch den Bund.

C. Alternativen
Als Alternative zu einer gesetzlichen Lösung kommt die „Bündelung der Interes-
sen“ der betroffenen Kommunen und Länder im Rahmen des Länderfinanzaus-
gleichs in Betracht. Diese ist bisher aber für den Gegenstand der Rüstungsaltlasten
im Sinne dieses Gesetzes nicht in die Beratungen zum Länderfinanzausgleich ein-
gebracht worden.
Eine weitere Alternative wäre das Warten auf ein Bundeskonversionsprogramm
und die Einbeziehung des Rüstungsaltlastenvolumens in eine solche Regelung.
Das von der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder
am 9. Juni 2011 geforderte Konversionsprogramm beschränkt sich allerdings nur
auf die Folgen der Bundeswehrstrukturreform. Eine Erweiterung um die Rüs-
tungsaltlasten wäre aus systematischen Gründen schwierig, weil die Verbreitung
der Rüstungsaltlasten weit über die ehemaligen Militärflächen hinausgeht.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Bund
Bei der gegenwärtigen Staatspraxis, nach der den Ländern nur die Kosten für die
reichseigene Munition erstattet werden, sind im Bundeshaushalt Erstattungen in
Höhe von 25 Mio. Euro für 2014 und 25 Mio. Euro für 2015 angesetzt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4841

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass der Bund den Ländern die Kosten
der Kampfmittelräummaßnahmen auch alliierter Munition und Altlasten, die in
Vorbereitung und Folge des Zweiten Weltkrieges entstanden sind, erstattet.
Es ist davon auszugehen, dass der damit verbundene Kostenzuwachs die Erstat-
tungen des Bundes mehr als verdoppeln wird.
Länder
Die Erstattung der Such- und Bergungsmaßnahmen durch den Bund würde die
dem jeweiligen Landeshaushalt entstehenden Kosten nahezu vollständig abde-
cken.
Kommunen
Die kommunalen Haushalte könnten in Höhe der vom Bund übernommen Kosten
für Gefahrenabwehr und Wiederherstellung entlastet werden.
2. Vollzugsaufwand
Bund
Da die bisherigen Verwaltungsstrukturen (Erstattung der Kosten für reichseigene
Munition) genutzt werden können, wird von einem nur wenig erhöhten Verwal-
tungsaufwand ausgegangen.
Länder
Ist zu vernachlässigen.
Kommunen
Wie Länder.

E. Sonstige Kosten
Keine.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4841

Entwurf eines Gesetzes über die Finanzierung der Beseitigung
von Rüstungsaltlasten in der Bundesrepublik Deutschland

(Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetz – RüstAltFG)

Vom …

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

§ 1
Zweck des Gesetzes

Zweck des Gesetzes ist die Regelung der Finanzierung von Maßnahmen zum Schutz des Menschen, der
Umwelt und der natürlichen Lebensgrundlagen vor Beeinträchtigungen durch Kampfmittel und rüstungsspezifi-
sche Stoffe.

§ 2
Begriffsbestimmungen

Rüstungsaltlasten im Sinne dieses Gesetzes sind gewahrsamslos gewordene, zur Kriegsführung bestimmte
Gegenstände militärischer Herkunft und Teile solcher Gegenstände aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, die
1. Explosivstoffe oder Rückstände dieser Stoffe enthalten oder aus Explosivstoffen oder deren Rückständen

bestehen (beispielsweise Gewehrpatronen, Granaten, Bomben, Zünder, Minen, Spreng- und Zündmittel),
2. Kampf-, Nebel-, Brand- und Reizstoffe oder Rückstände dieser Stoffe enthalten oder
3. Munition oder Teile von Munition sind und keine Explosivstoffe enthalten (beispielsweise nicht sprengkräf-

tige Zünder und Zündsysteme, Exerziermunition, Granaten- und Bombenkörper ohne Füllung) sowie Kriegs-
waffen und wesentliche Teile von Kriegswaffen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges.

Rüstungsaltlasten sind auch Grundstücke, auf denen vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 mit rüstungsspe-
zifischen Stoffen oder Kampfmitteln zu Zwecken der Kriegsvorbereitung oder Kriegsführung umgegangen
wurde, durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemein-
heit hervorgerufen wurden.

§ 3
Anwendungsbereich

Dieses Gesetz findet auf folgende Maßnahmen im Sinne von § 1 Anwendung:
1. Erkundungen zur Feststellung und Gefährdungseinschätzung von Rüstungsaltlasten im Sinne dieses Geset-

zes,
2. Räumung und Beseitigung von Rüstungsaltlasten im Sinne dieses Gesetzes,
3. Sanierung, insbesondere Dekontamination und Sicherung von belasteten Liegenschaften sowie deren Wie-

derherstellung nach erfolgter Räumung.

§ 4
Finanzierungsprogramm

Die Länder melden beabsichtigte Maßnahmen nach § 3 und deren voraussichtliche Kosten bei der zuständi-
gen Dienststelle des Bundes an. Diese stellt ein fünfjähriges Finanzierungsprogramm auf, das jährlich fortge-
schrieben wird. Das Finanzierungsprogramm wird im Benehmen mit den Ländern nach Inkrafttreten dieses Ge-
setzes aufgestellt.

Drucksache 18/4841 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

§ 5
Kosten

(1) Der Bund trägt die Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz unabhängig davon, ob Handlungs- oder
Zustandsverantwortliche haften.

(2) Leistungen von Handlungs- oder Zustandsverantwortlichen erhält der Bund.
(3) In den Fällen, in denen durch Maßnahmen nach § 3 Nummer 2 und 3 der Verkehrswert des Grundstücks

erhöht wird und die Länder einen Wertausgleich erhalten, gilt Absatz 2 entsprechend.

§ 6
Finanzierung

(1) Der Bund leistet Vorauszahlungen auf die im Finanzierungsprogramm für jeweils ein Jahr veranschlagten
Kosten. Die Länder können im Rahmen dieser Finanzierung die Rangfolge und zeitliche Abfolge der Maßnahmen
festlegen.

(2) Unaufschiebbare Maßnahmen zur Beseitigung erheblicher Gefahren, insbesondere zum Schutz von Leib
und Leben oder zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen können außerhalb des Finanzierungsprogramms
durchgeführt werden. Der Bund erstattet auf Antrag die Kosten.

§ 7
Verwaltungsvorschriften

Die Bundesregierung erlässt mit Zustimmung des Bundesrates die zur Durchführung dieses Gesetzes erfor-
derlichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften, insbesondere für die Zuständigkeiten im Fall des § 4.

§ 8
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 6. Mai 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4841

Begründung

A. Allgemeiner Teil

In ganz Deutschland gehen auch mehr als 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges weiterhin von nicht deto-
nierten Fliegerbomben und anderer Kriegsmunition erhebliche Gefahren aus. So kamen im Juni 2010 etwa bei
der Detonation einer freigelegten Fliegerbombe in Göttingen drei Bedienstete des Niedersächsischen Kampfmit-
telbeseitigungsdienstes ums Leben.
Eine Kostenübernahme für die Beseitigung von Kampfmitteln durch den Bund scheidet bisher nach der vom Bund
als ausreichend bezeichneten Staatspraxis aus, wenn es sich nicht um „reichseigene“ Munition, sondern um
Kampfmittel der früheren Alliierten handelt.
Rüstungsaltlasten verursachen also in der Bundesrepublik Deutschland schwerwiegende Probleme, die dringend
einer Lösung zugeführt werden müssen.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ist beabsichtigt, die Finanzierung von Maßnahmen zur Beseitigung von
Rüstungsaltlasten im Sinne des Gesetzes zu regeln.
Der Gesetzentwurf enthält

eine Begriffsbestimmung, die die Feststellung ermöglicht, welcher Sachverhalt als Rüstungsaltlast anzusehen
ist,
eine Bestimmung, für welche Maßnahmen in Bezug auf Rüstungsaltlasten die Finanzierung geregelt werden
soll,
Regeln der Planung, der zufolge die dringlichen Probleme, die aus Rüstungsaltlasten entstehen, einer schnel-
len Lösung zugeführt werden und die weniger dringlichen Probleme einer späteren Lösung überlassen werden
können,
eine auf diesen Regeln aufbauende Finanzierungsplanung und
Regeln zur Kostenträgerschaft.

Dem Bund steht eine besondere Gesetzgebungsbefugnis aus Artikel 120 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes zu.
Der Gesetzentwurf füllt den nach Artikel 120 Absatz 1 Grundgesetz gegebenen Gesetzgebungsbedarf für Rüs-
tungsaltlasten aus.
Entsprechend der seit den 50er-Jahren bestehenden Staatspraxis erstattet der Bund den Ländern lediglich die Aus-
gaben für die Beseitigung ehemals reichseigener Kampfmittel, von denen eine unmittelbare Gefahr für Leben und
Gesundheit des Menschen ausgeht.
Aufwendungen für Rüstungsaltlasten sind als Aufwendungen für Kriegsfolgelasten zu betrachten, die gemäß Ar-
tikel 120 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz – nach näherer Bestimmung von Bundesgesetzen – der Bund trägt.
Dies „besagt nur, dass der Bundesgesetzgeber die Auswirkungen eines schon in der Verfassung enthaltenen
Rechtssatzes im Einzelnen festlegen, das Verfahren zum Vollzug der Verfassungsnorm ordnen und Zweifelsfra-
gen entscheiden soll. Dem Bundesgesetzgeber steht also nach Artikel 120 GG nicht die Befugnis zur Legaldefi-
nition der vom Bund zu tragenden Kriegsfolgelasten zu“ (BVerfGE 9, 325).
„Artikel 120 GG versteht unter Kriegsfolgelasten die Lasten solcher Kriegsfolgen, deren entscheidende – und in
diesem Sinne alleinige – Ursache der Zweite Weltkrieg ist“ (BVerfGE 9, 305). Zu den Kriegsfolgelasten gehören
nicht nur Gefahren für Leben oder Gesundheit von Menschen, sondern auch Gefährdungen für die Umwelt und
die natürlichen Lebensgrundlagen (vgl. Artikel 20a Grundgesetz). Zu den Aufwendungen für die Beseitigung
dieser Kriegsfolgelasten gehören u. a. auch die Kosten ihrer Erkundung.
Der Begriff „Kriegsfolgelasten“ schließt die bei der Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges verursachten Lasten
ebenso mit ein wie die durch die Alliierten oder auf deren Verantwortung im Zuge der Beendigung des Krieges
und der Demilitarisierung bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges verursachten Lasten durch die Zerstörung oder
Beseitigung von Lagern und Erzeugnissen der Rüstungsproduktion.

Drucksache 18/4841 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Sofern der Bund bereits bisher im Rahmen der Staatspraxis die Finanzierung der Kriegsfolgelasten übernimmt,
trifft ebenfalls der Regelungsbedarf nach Artikel 120 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz zu, da die Einschränkungen
von Artikel 120 Absatz 1 Satz 2 und 3 Grundgesetz nicht gelten.
Der Vollzug fällt nach Artikel 83 Grundgesetz den Ländern zu.
Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates (gemäß Artikel 84 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz).

B. Besonderer Teil

Zu § 1
Im Hinblick auf die Finanzierung nach Artikel 120 Absatz 1 Grundgesetz ist der Bundesgesetzgeber nicht frei, zu
bestimmen, wozu er die Finanzierung von Kriegsfolgelasten aufnimmt (so auch der Rat von Sachverständigen für
Umweltfragen, Sondergutachten „Altlasten“ – Bundestagsdrucksache 11/6191, S. 203). § 1 benennt die Schutz-
güter „Mensch“, „Umwelt“ und „natürliche Lebensgrundlagen“. Die zu finanzierenden Maßnahmen sind in § 3
näher bestimmt.

Zu § 2
Allgemeine Vorbemerkungen
Die Gesetzgebungsbefugnis für die Begriffsbestimmung ergibt sich aus Artikel 120 Absatz 1 Grundgesetz. Die
Begriffsbestimmung liegt im Kern innerhalb der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss
vom 16. Juni 1959, BVerfGE 9, 305, 323 ff.).
Der Begriff „Rüstungsaltlasten“ im Sinne dieses Gesetzes setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen.
a) Die Komponente „Rüstung“ bezieht sich primär auf die Art und Weise oder die Herkunft der Verursachung

der heutigen „Last“ und erfasst
– alle Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen des Dritten Reiches als Staat, seiner Organe und Be-

hörden und seiner mittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die im Zusammenhang
mit der Aufrüstung, Kriegsführung und Kriegsbeendigung standen,

– alle Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen im Dritten Reich durch deutsche natürliche Personen
(die nicht Amtsträger waren) und deutsche juristische Personen des privaten Rechts (Unternehmen), die
im Zusammenhang mit der Aufrüstung, Kriegsführung und Kriegsbeendigung standen.

b) Als Zeitpunkt, zu dem Ursachen für eine Rüstungsaltlast gesetzt werden konnten, wurde auch in früheren
Entwürfen der 30. Januar 1933 bestimmt. Dieser Zeitpunkt bezeichnet den Anfang der nationalsozialisti-
schen Machtergreifung.

c) Die Begriffskomponente „Last“ erfasst jene Lasten, die durch Gefahren für die Schutzgüter Leib, Leben und
natürliche Lebensgrundlagen entstehen.

Zu Satz 1
Die Definition Rüstungsaltlasten orientiert sich am liegenschaftsbezogenen Umgang mit den in den Nummern 1
bis 3 näher beschriebenen Gegenständen, die dem Zweck der Kriegsvorbereitung, -führung und/oder Demilitari-
sierung dienten. Eine Unterscheidung nach Gewerbe/Industrie- oder Hoheitsbetrieben wird nicht vorgenommen,
da beide Bereiche einbezogen werden sollen. Bei Privatunternehmen wird davon ausgegangen, dass sie weitge-
hend durch die jeweiligen Militärs mitgesteuert wurden. Auch Kampfmittel und damit die Kampfmittelräumung
werden insoweit von der Kostentragungspflicht erfasst.
Das Wohl der Allgemeinheit beinhaltet sowohl Aspekte der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wie auch des
Umweltschutzes und der Raumordnung. Insbesondere werden Leib und Leben sowie die natürlichen Lebens-
grundlagen von dem Begriff des Wohls der Allgemeinheit erfasst.
Die entscheidende Ursache für die hier definierten Rüstungsaltlasten ist der Zweite Weltkrieg.

Zu Satz 2
Zu den Rüstungsaltlasten zählen auch die Grundstücke, auf denen vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 mit
rüstungsspezifischen Stoffen oder Kampfmitteln zu Zwecken der Kriegsvorbereitung oder Kriegsführung umge-
gangen wurde und durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder die

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4841

Allgemeinheit hervorgerufen werden. Damit besteht für den Bund ebenso die Pflicht zur Finanzierung der Sanie-
rung und Dekontamination der Grundstücke, die durch diese Gegenstände, insbesondere Kampfmittel und auch
durch weitere rüstungsspezifische Stoffe bei der Kriegsvorbereitung und Kriegsführung so verunreinigt wurden,
dass sie zu schädlichen Bodenveränderungen bzw. Altlasten im Sinne des Bundes-Bodenschutzgesetzes geführt
haben. Über die in Satz 1 genannten Beispiele hinaus zählen dazu auch produktionsbedingte Zwischen- und Ab-
fallprodukte, Rückstände aus der Kampfmittelvernichtung und Abbau-/ Stoffumwandlungsprodukte der genann-
ten Stoffe, die sich in den Grundstücken und im Gewässer befinden.

Zu § 3
§ 3 des Gesetzentwurfs bezeichnet die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung von Rüstungsaltlasten, ange-
fangen bei der technischen Erkundung zur Feststellung und Gefährdungsabschätzung von Rüstungsaltlasten bis
hin zu deren Beseitigung. Die Benennung der Maßnahmen ist erforderlich, um sie den Regelungen der Kosten-
trägerschaft und der Finanzierung unterziehen zu können. Zu den technischen Erkundungen nach Nummer 1 ge-
hören auch Überwachungsmaßnahmen vor Feststellung der Rüstungsaltlast.
Als Voraussetzung für die Regelung der Finanzierung ergibt sich die Regelungsbefugnis des Bundes aus Artikel
120 Grundgesetz.

Zu § 4
Nach dem Gesetzentwurf ist das Finanzierungsprogramm Grundlage für die Vergabe finanzieller Mittel. Ange-
sichts der Begrenztheit dieser Mittel erscheint es nicht zweckmäßig, den Ländern jeweils gleiche oder anteilig
gleiche Mittel zu überlassen, da die einzelnen Länder in unterschiedlicher Weise mit Rüstungsaltlasten belastet
sind. Sinnvollerweise müssten die Bundesmittel nach Dringlichkeit der ausführenden Maßnahmen vergeben wer-
den.
Da durch das Finanzierungsprogramm die Finanzierung der einzelnen Maßnahmen festgelegt wird (§ 6), müssen
die Länder und der Bund ihre Interessen bei der Aufstellung des Finanzierungsprogramms geltend machen kön-
nen, ohne dass die eine oder die andere Seite sachlich bevorteilt oder benachteiligt wird.
Die Länder sind bereits im Verfahren zur Aufstellung des Finanzierungsprogramms maßgeblich beteiligt, da das
Finanzierungsprogramm im Benehmen mit den Ländern aufgestellt wird. Damit wird auch der Anschein einer
unzulässigen Mischverwaltung vermieden. Die Länder melden ihre Rüstungsaltlasten einschließlich beabsichtig-
ter Maßnahmen der zuständigen Dienstelle des Bundes (gegenwärtig ist dies die Bundesanstalt für Immobilien-
aufgaben).

Zu § 5
§ 5 regelt die Kostenträgerschaft des Bundes für Maßnahmen zur Beseitigung von Rüstungsaltlasten in Ausfüllung
des Artikels 120 Grundgesetz.
Derzeit besteht eine Staatspraxis (ausführlich geregelt in der Sammlung von Verwaltungsvorschriften [VV] zur
Durchführung des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes [AKG] des BMF und BMBau Teil D, Stand Januar 2007,
i. V. m. den Regelungen der VV AKG D I 3 und D II 3.5, Stand Januar 2000) zwischen Bund und Ländern für
die Räumung und Beseitigung von Kampfmitteln (Munition und Geschosse) auf nicht bundeseigenen Liegen-
schaften. Die Regelungen sind gesetzlich nicht fixiert. Die gesamte Kostenerstattung ist nach der Staatspraxis u.
a. von § 19 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes und der dort genannten Voraussetzungen abhängig, sodass von
den Kampfmitteln unmittelbare Gefahren für Leib und Leben ausgehen müssen.
Bei Gefahren für andere Schutzgüter, z. B. das Wasser, ergeben sich nach geltender Rechtslage komplizierte
Wege, um eine Räumungs- und Kostenerstattungspflicht des Bundes in Bezug auf nicht bundeseigene Liegen-
schaften zu begründen. In den bisherigen Kostenfolgengesetzen sind die hier gemeinten Rüstungsaltlasten im
Verhältnis zwischen Bund und Ländern nicht erfasst.
Die geltende Staatspraxis ist wegen ihrer nur ausschnittartigen Wirkungen für die Länder nicht mehr hinreichend;
es bedarf daher einer umfassenden Ausfüllung des Artikels 120 Grundgesetz.
Artikel 120 Grundgesetz regelt „Lasten“ im Sinne finanzieller Folgen (Kosten), die den öffentlichen Händen in
irgendeiner Form entstehen. Dieser Lastenbegriff ist nur eine Teilmenge des „Last“-Begriffs in Rüstungsaltlasten,
denn dort gibt es noch eine andere Teilmenge, nämlich die Last für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit
und Ordnung. Beide „Lasten“ stehen aber in einer bestimmten Relation zueinander: Weil die Rüstungsaltlast eine

Drucksache 18/4841 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Last ist, die ausgeräumt werden muss, entstehen dafür Kosten (finanzielle Lasten). Die Kostenfolgen der Ausräu-
mung von Rüstungsaltlasten sind demnach Kriegsfolgelasten im Sinne des Artikels 120 Grundgesetz.
In Absatz 1 wird die auf Artikel 120 Grundgesetz gestützte Kostentragung festgeschrieben. Daneben ist es den
Ländern nach wie vor möglich, Handlungs- und Zustandsverantwortliche erfolgreich in Anspruch zu nehmen,
sofern dem nicht Verträge und Vereinbarungen der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen. Diese Leistun-
gen sind bei der Finanzierung nach § 6 zu verrechnen. Die Entscheidung über die Heranziehung von in Betracht
kommenden Verantwortlichen ist von den Ländern bzw. den zuständigen Ordnungsbehörden nach pflichtgemä-
ßem Ermessen zu treffen.
Absatz 3 trifft eine Verrechnungsregelung für den Fall, dass durch Maßnahmen zur Beseitigung von Rüstungs-
altlasten nach § 3 der Grundstücksverkehrswert erhöht wird und die Länder hierfür einen Wertausgleich erhalten.
Dieser ist auf die Kosten anzurechnen, die der Bund den Ländern nach § 6 zu erstatten hat.

Zu § 6
Die Finanzierung der Kosten durch den Bund nach § 6 wird auf Artikel 120 Grundgesetz gestützt.
Eine eigenverantwortliche Festlegung von Rangfolge und zeitlicher Abfolge durch die Länder ist erforderlich, um
Flexibilität bei notwendigen kurzfristigen Entscheidungen zu erhalten.
In Absatz 2 wird geregelt, dass die Kosten von Sofortmaßnahmen außerhalb des Finanzierungsprogramms erstat-
tet werden.

Zu § 7
Zur Durchführung dieses Gesetzes erscheint ein einheitliches standardisiertes Verfahren geboten. Es kann durch
allgemeine Verwaltungsvorschriften erreicht werden.

Zu § 8
Die Vorschrift enthält die Regelung des Inkrafttretens des Gesetzes.
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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