BT-Drucksache 18/4488

Unterstützung der friesischen Sprache und Kultur

Vom 25. März 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4488
18. Wahlperiode 25.03.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Luise Amtsberg, Dr. Konstantin von Notz, Dr. Valerie Wilms,
Volker Beck (Köln), Peter Meiwald, Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar,
Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Unterstützung der friesischen Sprache und Kultur

Das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten sowie die Eu-
ropäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen bilden den rechtli-
chen Rahmen für die Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland. Sie um-
fassen die anerkannten autochthonen Minderheiten bzw. Volksgruppen Sinti und
Roma, die dänische Volksgruppe, die Sorben und die Friesen. Die finanzielle
Förderung der friesischen Volksgruppe ist jedoch überschaubar: Sie erhält jähr-
lich lediglich einen Projektzuschuss von etwa 300 000 Euro.
Die Nordfriesen siedeln an der nördlichen Westküste von Schleswig-Holstein,
nahe der dänischen Grenze. Von den etwa 160 000 Einwohnerinnen und Ein-
wohnern des heutigen Kreises Nordfriesland und der zum nordfriesischen
Sprach- und Kulturraum gehörigen Hochseeinsel Helgoland bezeichnen sich
noch etwa 50 000 Menschen aufgrund ihrer Abstammung als Friesen. Die nord-
friesische Sprache, das wichtigste Identifikationsmerkmal, wird noch von etwa
10 000 Menschen aktiv gesprochen. Besonderes Merkmal der Sprache sind die
zahlreichen unterschiedlichen Dialekte, die sich von Insel zu Insel und in verschie-
denen Teilen des nordfriesischen Festlandes zum Teil erheblich unterscheiden.
Von großer Bedeutung für die Pflege der friesischen Sprache, Kultur und Ge-
schichte ist seit dem Jahr 1965 das Nordfriisk Instituut in Bredstedt als zentrale
wissenschaftliche Einrichtung. Es wird von dem im Jahr 1948 gegründeten
Verein Nordfriesisches Institut e. V. getragen. Zudem besteht an der Christian-
Albrechts-Universität zu Kiel seit dem Jahr 1978 eine Professur für Friesisch.
Dennoch sind immer weniger Menschen in der Lage, die friesische Sprache
aktiv zu sprechen, denn die Vielzahl der gesprochenen Dialekte stellt den Erhalt
und die Förderung dieser Sprache vor große Herausforderungen. Wenngleich
die friesische Volksgruppe bereits im Jahr 2004 eine umfassende konzep-
tionelle Vorlage im „Modell Nordfriesland“ erstellt hat, so hat sich die Situa-
tion bis heute nur punktuell verbessert. Auch in verschiedenen Erklärungen,
wie nicht zuletzt der Amrumer Resolution (www.friesenrat.de/inside/pdf/
20131112_amrum_resolution.pdf) wird auf die Kernproblematik insbesondere
im Bereich der Bildung und Medien hingewiesen. Als Hindernis für den nach-
haltigen Erhalt des friesischen Kulturguts hat sich in der Vergangenheit auch
die vergleichsweise geringe, bisherige finanzielle Unterstützung erwiesen.
Das Land Schleswig-Holstein hat sich am 13. Dezember 2004 ein eigenes Frie-
sisch-Gesetz gegeben. Darin werden die friesischen Sprachformen und ihr freier
Gebrauch anerkannt sowie die einzelnen Rechte der Friesen, wie etwa der Ge-

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brauch des Friesischen gegenüber Behörden oder die Nutzung von zweisprachi-
gen Ortsschildern, gewährleistet. In § 1 Absatz 1 heißt es: „Das Land Schleswig-
Holstein erkennt die in Schleswig-Holstein gesprochenen friesischen Sprachfor-
men als Ausdruck des geistigen und kulturellen Reichtums des Landes an. Ihr
Gebrauch ist frei. Ihre Anwendung in Wort und Schrift im öffentlichen Leben
und die Ermutigung dazu werden geschützt und gefördert“. Artikel 5 der Lan-
desverfassung lautet: „Die nationale dänische Minderheit, die Minderheit der
deutschen Sinti und Roma und die friesische Volksgruppe haben Anspruch auf
Schutz und Förderung“.
Die autochthonen Minderheiten der Dänen, Friesen, Sorben, Sinti und Roma
organisieren ihre Interessen unter anderem über das vom Bundesministerium
des Innern (BMI) geförderte Minderheitensekretariat. Im Jahr 2002 schuf die
rot-grüne Bundesregierung zudem einen „Beauftragten der Bundesregierung für
Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten“. Dieses Amt wird derzeit vom
Abgeordneten Hartmut Koschyk ausgeübt.
Auf der Bundesebene wurde unter anderem der Beratende Ausschuss für Fragen
der friesischen Volksgruppe in Deutschland beim Bundesministerium des Innern
eingerichtet. Er setzt sich unter Vorsitz des Beauftragten für Aussiedlerfragen
und nationale Minderheiten entsprechend der Geschäftsordnung zusammen aus
Vertretern des BMI, je einem Mitglied des Frasche Rädj – Friesenrat Sektion
Nord e. V. –, des Friisk Foriining, des Nordfriesischen Vereins, des Seelter
Buundes, dem Direktor des Nordfriisk Instituuts und je einem Vertreter der Län-
der Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Abgeordnete des Deutschen Bun-
destages und Vertreter weiterer Bundesministerien werden regelmäßig zu den
Sitzungen eingeladen.
Mit der Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- oder Minder-
heitensprachen hat sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, die tra-
ditionell auf ihrem Gebiet gesprochenen Sprachen als bedrohten Aspekt des
europäischen Kulturerbes zu schützen und zu fördern. Mit der Charta sollen tra-
ditionell in einem Vertragsstaat gesprochene Sprachen als bedrohter Aspekt des
europäischen Kulturerbes geschützt werden. Regionalsprache im Sinne der
Charta ist in Deutschland das Niederdeutsche. Als Minderheitensprachen wer-
den die Sprachen der nationalen Minderheiten der Dänen, Sorben (Nieder- und
Obersorbisch), Friesen (Nord- und Saterfriesisch) und der deutschen Sinti und
Roma geschützt. Für diese Gruppen ist die Benutzung ihrer Sprachen identitäts-
stiftend. Diese Kleine Anfrage fokussiert sich auf die Frage der Unterstützung
der friesischen Sprache und Kultur. Gleichwohl gibt es auch vermehrten För-
derungsbedarf bei Belangen von anderen autochthonen Minderheiten (z. B. die
Förderung der Sprache Romanes). Auch für die Mehrheitsbevölkerung wäre der
Verlust von Regional- und Minderheitensprachen der Verlust eines wichtigen
traditionellen Kulturelements unserer Gesellschaft.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Nach welchen Kriterien werden die Bundesmittel für die einzelnen Minder-

heiten bzw. Volksgruppen vergeben, und wie begründet die Bundesregierung
die Höhe im Einzelnen?

2. Warum wird die Minderheit der Friesen bislang nur durch Projektzuschüsse,
nicht aber institutionell gefördert angesichts der Tatsache, dass sie nach In-
formation der Fragesteller bislang nur über wenige hauptamtliche Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter verfügt und diese hauptsächlich mit der Abwicklung
von Projektgeldern beschäftigt sind, wodurch der Spielraum für inhaltliche
Arbeit eingeschränkt wird?

3. Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, dass die bisherige
Bundesförderung der friesischen Volksgruppe in Höhe von 300 000 Euro

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überdacht und gegebenenfalls erhöht werden sollte angesichts der Tatsache,
dass der Friesenrat Sektion Nord zwei Jahre im Voraus die angeschlossenen
Verbände aufruft, Projekte zwecks Bundesförderung einzureichen, sich nach
Information der Fragesteller zahlreiche Projektträger angesichts begrenzter
Mittel jedoch nach Eigenaussage nicht trauen, umfangreiche, eigene Projekt-
ideen zu entwickeln, und nach ihren Aussagen dennoch das Antragsvolumen
regelmäßig weit höher als die zur Verfügung stehenden Mittel ist?

4. Sieht die Bundesregierung die Minderheitenkonvention in ausreichendem
Maße umgesetzt?
Wo sieht sie Lücken und Nachholbedarf?
Wenn ja, wie plant sie, diese Lücken zu schließen, und in welchem Maß soll
die friesische Volksgruppe hierbei beteiligt werden?

5. Sieht die Bundesregierung die im Rahmen der Vorlage der bisherigen Staa-
tenberichte zur Europäischen Charta für Regional- oder Minderheitenspra-
chen gemachten Empfehlungen bereits ausreichend umgesetzt, oder wo gibt
es nach Ansicht der Bundesregierung noch Nachholbedarf?

6. Sieht die Bundesregierung die von ihr im Rahmen der Europäischen Spra-
chencharta eingegangenen Verpflichtungen, beispielsweise zur Stärkung der
Regional- und Minderheitensprachen im Bereich von Bildungseinrich-
tungen, Schulen, Hochschulen, Verwaltung und Medien, bereits ausreichend
umgesetzt, oder wo gibt es nach Ansicht der Bundesregierung noch Nach-
holbedarf?

7. Hält die Bundesregierung die derzeitige Förderung durch den Bund für aus-
reichend, um den Erhalt der friesischen Kultur und Sprachenvielfalt zu ge-
währleisten?
a) Wenn nein, inwiefern will die Bundesregierung zum Fortbestehen der frie-

sischen Sprachenvielfalt beitragen, und plant sie darüber hinaus, die För-
derung für die friesische Minderheit zu erhöhen bzw. um andere Formen
der Bezuschussung (z. B. eine institutionelle Förderung) zu ergänzen?
In welcher Weise wurde die in dem Antrag der 16. Wahlperiode (Bundes-
tagsdrucksache 16/11773) ausgesprochene Empfehlung für die zeit-
gemäße Angleichung der Fördermechanismen durch die Bundesregierung
aufgegriffen?

b) Wenn ja, welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bun-
desregierung aus dem Umstand, dass immer weniger Menschen die frie-
sische Sprache erlernen und beherrschen, und worin sieht sie die vorherr-
schenden Gründe hierfür?

8. Wie schätzt die Bundesregierung den Bedarf und das Angebot für friesischen
Sprachunterricht an schleswig-holsteinischen und saterländischen Schulen
ein angesichts der Tatsache, dass die Bildungspolitik vor dem Hintergrund
des föderalen Systems zwar in die Zuständigkeit der Länder fällt, die Förde-
rung der Sprache und Kultur nationaler Minderheiten jedoch auch eine bun-
desdeutsche Verpflichtung darstellt und die Bundesregierung die Einhaltung
der Verpflichtungen aus der Europäischen Sprachencharta zugesagt hat?
Ist dieses Angebot nach Meinung der Bundesregierung bislang ausreichend?
Hält die Bundesregierung ein Angebot über die allgemeinbildenden Schulen
hinaus für sinnvoll?
Gibt es Überlegungen vonseiten der Bundesregierung, bestehende Angebote
auszubauen?
Wenn ja, welche konkret, und wird die friesische Volksgruppe an etwaigen
Überlegungen beteiligt?

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9. Inwieweit hält die Bundesregierung das Angebot von friesischem Unter-
richt in den Volkshochschulen in Schleswig-Holstein und im Landkreis
Cloppenburg für ausreichend?

10. Inwieweit hält die Bundesregierung das Friesischangebot in den Kinder-
gärten und Kindertagesstätten der Region für ausreichend?
Sollte dieses nach Ansicht der Bundesregierung ausgebaut werden, um das
Potential gerade kleiner Kinder besser nutzen zu können?

11. Hält die Bundesregierung das Angebot an Literatur in friesischer Sprache
sowohl für den Unterricht als auch für Lesende für derzeit ausreichend, um
die friesische Sprache nachhaltig zu schützen?

12. Welche sonstigen kulturellen Angebote sind für den Erhalt der friesischen
Kultur und Sprache nach Auffassung der Bundesregierung zentral?

13. Inwiefern schützt und fördert die Bundesregierung die Anwendung der frie-
sischen Sprachformen in Schrift und Wort?

14. Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, dass sich der Bund nach dem
Vorbild des Landes Schleswig-Holstein (vgl. § 3 des Friesisch-Gesetzes)
selber dazu verpflichtet, u. a. seine Gebäude in den betreffenden Regionen
freiwillig in Friesisch auszuschildern?
Wenn ja, plant die Bundesregierung, es zu tun?
Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

15. Inwieweit wurden die sonstigen, in dem Antrag aus der 16. Wahlperiode
(Bundestagsdrucksache 16/11773) ausgesprochenen Empfehlungen, bei-
spielsweise bezüglich der angeregten Vereinheitlichung der Ausführungs-
bestimmungen zum Erlernen von Minderheitensprachen in der Bundesrepu-
blik Deutschland oder der Schaffung von Fördermaßnahmen für Sprachen-
initiativen von Minderheiten mit den Gremien der Europäischen Union und
des Europarates, nach Ansicht der Bundesregierung umgesetzt?
Wo gibt es nach Ansicht der Bundesregierung noch Nachholbedarf?

Berlin, den 25. März 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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