BT-Drucksache 18/3909

Zu den Plänen der Bundesregierung für die NS-Aufarbeitung der Bundesressorts

Vom 28. Januar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3909
18. Wahlperiode 28.01.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Renate Künast, Ulle Schauws, Kai Gehring, Hans-Christian
Ströbele, Claudia Roth (Augsburg), Dr. Konstantin von Notz, Nicole Maisch,
Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Katja Keul, Monika Lazar, Irene Mihalic,
Özcan Mutlu und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zu den Plänen der Bundesregierung für die NS-Aufarbeitung der Bundesressorts

Obwohl die zeitgeschichtliche Forschung die NS-Zeit sowie die sachlichen und
personellen Kontinuitäten über diese Zeit hinaus bis in die Anfangsjahre der
Bundesrepublik Deutschland untersucht hat und auch private Unternehmen und
Institutionen ihre eigene Geschichte in vielen Fällen eigenständig wissenschaft-
lich aufgearbeitet haben, hinken die Ministerien und Behörden des Bundes auf
diesem Gebiet immer noch weit zurück. Dies ist umso mehr zu bedauern, als
diese Untersuchung einen Beitrag zur Aufklärung leisten kann, warum national-
sozialistisches Gedankengut weiterhin in der bundesdeutschen Gesellschaft
wirkt.
Das Auswärtige Amt hat – initiiert vom damaligen Bundesminister des Auswär-
tigen, Joschka Fischer – mit seinem Forschungsprojekt und dessen Schlussbe-
richt „Das Amt“ vor einigen Jahren damit begonnen, dieses Defizit abzubauen.
Nur wenige Ministerien und Behörden des Bundes sind ihm gefolgt. So hatte im
Jahr 2005 – initiiert von der damaligen Bundesministerin für Ernährung, Land-
wirtschaft und Verbraucherschutz, Renate Künast – das Bundesministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz eine Studie in Auftrag
gegeben, die im Jahr 2011 veröffentlicht wurde (www.bmel.de/SharedDocs/
Downloads/Ministerium/RolleReichsministeriumNSZeit.pdf?__blob=
publicationFile). Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
ist mit dem sogenannten Rosenburg-Projekt und einer „Aufarbeiterkonferenz“
insoweit einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden.
Wiederholt hat sich auch in der vergangenen Wahlperiode die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Kleinen Anfragen und Anträgen (Bundestags-
drucksache 17/3804, Bundestagsdrucksache 17/4586, Plenarprotokoll 17/86,
S. 9709C bis D, Bundestagsdrucksache 17/3929, Bundestagsdrucksache 17/
10068, Bundestagsdrucksache 17/12884) mit der Aufarbeitungsfrage auseinan-
dergesetzt.
In seiner Plenarrede vor dem Deutschen Bundestag am 25. November 2014 kün-
digte der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas, an,
dass der Abschlussbericht des Rosenburg-Projekts gegen „Ende des kommen-
den Jahres“ vorliegen soll (Plenarprotokoll 18/68, S. 6453 (B)). Bereits heute
zeichne sich ab, dass „die NS-Verstrickung der Nachkriegsjustiz und unseres
Ministeriums […] noch weitaus tiefer [war], als bekannt“.

Drucksache 18/3909 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Bundesressorts und nachgeordneten oberen Bundesbehörden haben

bislang Forschungsprojekte begonnen oder abgeschlossen, die die Historie
der NS-Ressorts oder -Behörden beleuchten, die die Aufgaben und Zustän-
digkeiten der heutigen Bundesressorts und nachgeordneten oberen Bundes-
behörden wahrgenommen haben (bitte mit Titel, Forschungsauftrag, verant-
wortlichen Forscherinnen und Forscher und Bearbeitungsstand auflisten)?

2. Welche dieser Forschungsprojekte erfassen auch die Zeit nach 1945 mit
ihren personellen und sachlichen Kontinuitäten?

3. Falls die Erforschung jener Kontinuitäten nicht Bestandteil von begonnenen
oder abgeschlossenen Forschungsprojekten der Bundesressorts und nachge-
ordneten oberen Bundesbehörden war bzw. ist, welche Erwägungen spra-
chen bei den einzelnen Projekten dagegen, sie einzubeziehen?

4. Welche Haushaltsmittel sind für diese Forschungsprojekte von den Bundes-
ressorts aufgewendet oder beantragt worden?

5. Auf welche Weise wird bzw. wurde bei den begonnenen oder abgeschlosse-
nen Forschungsprojekte der Bundesressorts und nachgeordneten oberen
Bundesbehörden die wissenschaftliche Unabhängigkeit der Forscherinnen
und Forscher bzw. Forschungsinstitutionen sichergestellt?

6. Haben die Forscherinnen und Forscher bzw. Forschungsinstitutionen je-
weils (bitte auflisten) uneingeschränkten Zugang zu den einschlägigen
Sach- und Personalakten?
Bestehen hier Restriktionen?
Wenn ja, welche, und warum?

7. Welche Bundesressorts und nachgeordneten oberen Bundesbehörden haben
bislang keine Forschungsprojekte begonnen oder abgeschlossen, die die His-
torie der NS-Ressorts oder -Behörden beleuchten, die die Aufgaben und
Zuständigkeiten der heutigen Bundesressorts und nachgeordneten oberen
Bundesbehörden wahrgenommen haben, und aus welchen Gründen (bitte
auflisten)?

8. Haben die in der Antwort zu Frage 7 benannten Bundesressorts zumindest
Planungen bezüglich solcher Forschungsprojekte?

9. Wie stellt die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag zwischen CDU,
CSU und SPD getroffene Vereinbarung, „die Aufarbeitung der NS-Vergan-
genheit von Ministerien und Bundesbehörden voranzutreiben“, sicher?

10. Welche konkreten Schritte der Umsetzung sind in dieser Legislaturperiode
bereits erfolgt?

11. Welche Institution der Bundesregierung koordiniert die Einhaltung dieser
Vereinbarung sowie die einzelnen Forschungsprojekte der Bundesressorts
und nachgeordneten oberen Bundesbehörden?

12. Beabsichtigen die Bundesressorts und nachgeordneten oberen Bundes-
behörden mitsamt den ihnen angeschlossenen Forschungsteams, der Öffent-
lichkeit Einblicke in ihre laufenden Arbeiten zu NS-Aufarbeitung zu ge-
währen?
Wenn ja, in welcher Form soll dieses erfolgen?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3909
13. Wie ist die Einbeziehung der Öffentlichkeit in die laufenden bzw. geplanten
Forschungsvorhaben organisiert bzw. vorgesehen?
Ist sie unter demokratischen Gesichtspunkten möglicherweise geradezu
zwingend?

14. Inwieweit sieht die Bundesregierung den vom Bundesministerium der
Justiz und für Verbraucherschutz eingeschlagenen Weg der „public history“
als Vorbild für partizipative Öffentlichkeitsbeteiligung an?
Welche Erfahrungen hat das Bundesministerium der Justiz und für Ver-
braucherschutz mit diesem Verfahren gemacht?

15. Wird das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mit dem
ihm angeschlossenen Forscherteam eine weitere „Aufarbeiterkonferenz“
durchführen?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, soll diese Veranstaltung auch der Öffentlichkeit zugänglich ge-
macht werden?

16. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Ergebnisse und Zwi-
schenergebnisse der einzelnen Forschungsprojekte der Bundesressorts und
nachgeordneten oberen Bundesbehörden einen öffentlichen Diskurs eröff-
nen müssen?
Wenn ja, in welcher Weise soll dieses bewerkstelligt werden?

17. Sieht die Bundesregierung darüber hinaus die Notwendigkeit, die Ergeb-
nisse der Forschungsarbeiten für die breite Öffentlichkeit nachhaltig zu
sichern?
Wenn ja, in welcher Weise soll dieses erfolgen (bitte einzeln nach den
Bundesressorts und nachgeordneten oberen Bundesbehörden aufschlüs-
seln)?

18. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung insoweit der Präsentation
durch Ausstellungen bei?
Bestehen vergleichbare konkrete Planungen der übrigen Ressorts, wie sie
das damalige Bundesministerium der Justiz in ihrer Antwort zu Frage 16
auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom
16. August 2012 „Finanzierung und Umfang des Forschungsprojekts zur
NS-Vergangenheit im Bundesministerium der Justiz“ (Bundestagsdruck-
sache 17/10495, S. 6) dargelegt hat?

19. Hat die Bundesregierung Haushaltsmittel für die Unterrichtung der Öffent-
lichkeit und eine nachhaltige Sicherung der Forschungsprojekte bereit-
gestellt?
Welche Ressorts haben hierfür bereits Haushaltsmittel eingeworben bzw.
beantragt?

20. Plant die Bundesregierung, die Ergebnisse der Forschungsarbeiten ver-
bindlich zur Schulung und Fortbildung der Bediensteten der Ressorts und
oberen Bundesbehörden einzusetzen?
Welche personellen und sachlichen Ressourcen stehen hierfür zur Ver-
fügung?

Drucksache 18/3909 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
21. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung diesbezüglich (vgl. Frage 20)
den Ergebnissen der Forschungsprojekte in didaktischer Hinsicht zu?
Teilt sie die von Prof. Dr. Micha Brumlik in der Anhörung von Sachverstän-
digen des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages
am 29. Februar 2012 vertretene Auffassung: „Vor allem ist es um einer Ver-
tiefung des demokratischen Ethos der Beamten und Angestellten der betrof-
fenen Ministerien unerlässlich, die Ergebnisse der Forschung den Mitarbei-
tern der jeweiligen Ministerien in Form einer obligatorischen Fort- und
einer fakultativen Weiterbildung zu vermitteln.“?

Berlin, den 28. Januar 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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