BT-Drucksache 18/3647

Offene Fragen zum Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 aufklären

Vom 22. Dezember 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3647
18. Wahlperiode 22.12.2014
Antrag
der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, Dr. Dietmar
Bartsch, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus,
Annette Groth, Kerstin Kassner, Ralph Lenkert, Michael Leutert, Dr. Gesine
Lötzsch, Thomas Lutze, Dr. Kirsten Tackmann, Hubertus Zdebel und der
Fraktion DIE LINKE.
sowie der Abgeordneten Matthias Gastel, Cem Özdemir, Harald Ebner, Christian
Kühn (Tübingen), Kerstin Andreae, Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger,
Sylvia Kotting-Uhl, Stephan Kühn (Dresden), Beate Müller-Gemmeke, Dr. Gerhard
Schick, Tabea Rößner, Markus Tressel, Dr. Valerie Wilms, Annalena Baerbock,
Bärbel Höhn, Steffi Lemke, Nicole Maisch, Peter Meiwald, Friedrich Ostendorff,
Dr. Julia Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Offene Fragen zum Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 aufklären

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Kosten von Stuttgart 21 haben sich bereits vor dem offiziellen Baubeginn im
Vergleich zu den ursprünglichen Kostenannahmen erheblich erhöht und sind seit
dem Baubeginn am 2. Februar 2010 schon um weitere 50 % angestiegen. Angesichts
neuer und noch ausstehender Kostenschätzungen – so wird eine Neubewertung der
S21-Kosten durch den Bundesrechnungshof erwartet – muss mit weiteren erhebli-
chen Steigerungen der Projektkosten gerechnet werden. Es entsteht ein großer Scha-
den für die Deutsche Bahn AG, bei dem sich die Frage stellt, ob dieser vom Unter-
nehmen verkraftet und von dessen Eigentümer verantwortet werden kann.

Stuttgart 21 genügt den essentiellen Anforderungen an einen zukunftsfähigen Bahn-
betrieb nicht. Dies ist der Fall hinsichtlich der Kapazität (sie ist geringer als diejenige
eines modernisierten Kopfbahnhofs und lässt erst recht das seitens der Politik immer
wieder geforderte Wachstum des Schienenverkehrs nicht zu), der Bedienqualität (ein
Integraler Taktfahrplan wird in der baden-württembergischen Landeshauptstadt
nicht realisierbar sein) und der Sicherheit (nach wie vor fehlende Brandschutzgeneh-
migung; die Gleisneigung liegt sechsfach über dem Sollwert von 2,5 Promille). Es
entsteht somit ein großer Schaden für das System Schiene in der Region Stuttgart
und darüber hinaus.

Mit dem Baubeginn des Projekts trotz der nicht geklärten Probleme und einer noch
immer fehlenden und weiterhin zeitlich nicht absehbaren Planfeststellung bei Teilen
des Projekts (u. a. PFA 1.3 = „Filderabschnitt“) sind die Deutsche Bahn AG und alle
Projektpartner ein erhebliches Risiko eingegangen. Mit dem Beschluss des DB-Auf-

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sichtsrates im März 2013 zugunsten des Weiterbaus von Stuttgart 21 und der Absi-
cherung der Mehrkosten bis zu 6,5 Milliarden Euro wurde eine Reihe fataler Fehl-
entscheidungen fortgesetzt und eine weitere Chance für einen Projektausstieg ver-
passt.

Einer der fragwürdigsten Planfeststellungsabschnitte stellt der Filderbereich (PFA
1.3) dar. Auch zwölf Jahre nach Antragstellung zur Planfeststellung durch die Deut-
sche Bahn AG im Oktober 2002 besitzt diese noch immer kein Baurecht, um die
Züge der Gäubahn über die S-Bahn-Bestandsstrecke an den Flughafen zu führen.
Die Sinnhaftigkeit dieser geplanten Streckenführung muss u. a. wegen der Gefähr-
dung der Verlässlichkeit der S-Bahnen und zahlreicher Zwangspunkte wie der ni-
veaugleichen Einfädelung der Gäubahn auf die S-Bahn-Trasse, der Mischverkehr
und der vorgesehene Rückbau des S-Bahnhofes Flughafen/Terminal erheblich be-
zweifelt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. dafür Sorge zu tragen, dass die aktuelle Kostenentwicklung des Projekts Stutt-
gart 21 kurzfristig offengelegt und eine neue Kosten-Nutzen-Berechnung durch-
geführt wird;

2. den aktuellen Bericht des Bundesrechnungshofs zu Stuttgart 21 umgehend nach
dessen Fertigstellung dem Bundestag und der Öffentlichkeit vorzulegen;

3. die unternehmerischen Risiken und die Rechtslage für den Bahnkonzern und
seinen Aufsichtsrat bei weiter steigenden Kosten und nachweislicher Unwirt-
schaftlichkeit des Projekts darzustellen;

4. auf die Projektpartner dahingehend einzuwirken, auf den bisher geplanten Flug-
hafenanschluss durch die Gäubahn zu verzichten und stattdessen die Anbindung
vom Bahnhof Stuttgart-Vaihingen zum Flughafen durch eine vertaktete S-Bahn
sicherzustellen;

5. sich für eine neue Kapazitätsberechnung von Stuttgart 21 unter Berücksichti-
gung von u. a. dem Verzicht auf einen Linientausch bei den S-Bahnen und Um-
planungen im PFA 1.6b (Abstellbahnhof Untertürkheim; Wegfall von zwei bis-
her geplanten Überwerfungsbauwerken usw.) einzusetzen;

6. den Bedenken des Bundesrechnungshofs zu folgen und sicherzustellen, dass die
Mittel des Bundes aus der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung II (LuFV
II) nicht zur Finanzierung von Mehrkosten bei Stuttgart 21 verwendet werden
können.

Berlin, den 16. Dezember 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3647
Begründung

Die Kostenentwicklung bei Stuttgart 21

Die Kosten für das Projekt Stuttgart 21 wurden 1995 in der Machbarkeitsstudie auf 4,804 Milliarden DM (2,45
Milliarden Euro) beziffert. Laut Finanzierungsvertrag vom 30. März 2009 sollten die gesamten S21-Kosten bei
2,8104 Milliarden Euro, fortgeschrieben und nominalisiert bei 3,076 Milliarden Euro liegen.

Im November 2009 wurde bekannt, dass DB-interne Berechnungen Baukosten in Höhe von 4,9 Milliarden
Euro ergaben. Als Ergebnis von „Nachbesserungen“ gab das Unternehmen schließlich die neue Summe von
4,1 Milliarden Euro als Gesamtkosten an. Bahnchef Rüdiger Grube bezeichnete in diesem Zusammenhang 4,5
Milliarden Euro als „Reißmarke“.

Am 12. Dezember 2012 musste die DB AG die nächste Kostensteigerung bekannt geben. Am 5. März 2013
entschied der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG trotz dieser Kostenexplosion zugunsten des Weiterbaus des
Bahnprojekts Stuttgart 21 – auf Basis einer Kostenannahme von 6,5 Milliarden Euro.

Über Kanzleramtsminister Ronald Pofalla hatte die Bundesregierung im Vorfeld die drei Staatssekretäre des
Finanz-, Verkehrs- und Wirtschaftsministeriums des Bundes zu einer Zustimmung bewogen („Bahnhof der
Eitelkeiten“, www.zeit.de vom 28. Februar 2013). Noch am Tag der Abstimmung wurden weitere Mitglieder
des Aufsichtsrats bedrängt, der Kostensteigerung zuzustimmen („Pofalla-Debatte löst Führungschaos bei der
Bahn aus“, www.tagesspiegel.de vom 7. Januar 2014). Die Zustimmung des Staatssekretärs im Wirtschaftsmi-
nisterium hatte der damalige Wirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler auf Anforderung des FDP-Generalsekre-
tärs Patrick Döring „geregelt“ („Anruf beim Minister“, Wirtschaftswoche vom 18. März 2013).

Vor der Aufsichtsratsentscheidung war ein kritisches Dossier des damaligen BMVBS zu den Projektkosten
bekannt geworden. Dennoch stimmten die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat für den Weiterbau,
sofern nicht krankheitsbedingt verhindert. Auch die weiteren Aufsichtsräte stimmten zu, bis auf eine Enthal-
tung und die eine Gegenstimme des Vertreters der GDL im Aufsichtsrat. Dem DB-Aufsichtsrat hatte als eine
Grundlage der Entscheidung eine „Plausibilisierung“ der Kosten in Form einer Ausarbeitung der Wirtschafts-
prüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) „Vermerk - Zwischenergebnis DB AG“ vorgelegen, wie
die Beschlussvorlage der Aufsichtsratsentscheidung ausweist (TOP 2, S. 4 und 10).

In dem PwC-Dokument wurden bereits weitere Kostensteigerungen identifiziert. So heißt es dort hinsichtlich
des Stuttgart-21-Projektmanagement: „Die Voraussetzungen für ein möglichst geringes Nachtragsvolumen
sind in der Projektorganisation des Großprojektes noch nicht etabliert“. Darüber hinaus wird seitens PwC fest-
gehalten, dass mit „einem im Vergleich zum GWU [Gesamtwertumfang] erheblichen Nachtragsvolumen“, also
mit mehreren Milliarden Euro weiteren Kostensteigerungen über die letzte Kostenexplosion auf 6,8 Milliarden
Euro hinaus, zu rechnen sei (PwC Nr. 24), dass das für das Nachtragsmanagement nötige Personal nicht ein-
gestellt worden (Nr. 25), die Grundstücke noch nicht gesichert worden(Nr. 26-28), weitere Kosten für zu ver-
legende Leitungen übersehen worden (Nr. 29, 30) sowie Terminrisiken noch nicht bewertet worden (Nr. 31)
und die Personalsituation kritisch seien (Nr. 32). Auch könne der Abstellbahnhof nicht in der geplanten/gefor-
derten Größe gebaut werden, was als Kostenersparnis eingerechnet wurde (Nr. 122), wofür aber zusätzliche
Abstellkapazitäten im Umland gebraucht würden, was bei den Kosten bislang ebenfalls nicht berücksichtigt
worden sei.

Der Bundesrechnungshof kündigte bereits im Frühjahr 2013 eine neue Analyse der Kostenentwicklung für das
Projekt Stuttgart 21 an. Er teilte im Oktober 2013 mit, dass diese „frühestens Ende des Jahres 2013“ vorliegen
werde und verwies darauf, dass der Zeitpunkt, an dem diese Kostenschätzung vorliegen werde, unter anderem
im Zusammenhang mit der „Kooperationsbereitschaft des Bundesverkehrsministeriums“ und „schwierigen
Diskussionen mit der Deutschen Bahn AG über die Reichweite der Prüfungsbefugnisse des Bundesrechnungs-
hofs“ zu sehen sei (Brief des BRH vom 22.10.2013 an MdB Harald Ebner).

Kapazität von Stuttgart 21

Im bestehenden Kopfbahnhof lag 2011 die gefahrene maximale Zahl der Züge bei 39 Zügen in der Stunde.
2014 waren es 38. Konsens ist, dass 1970 auf der Bahnsteiggleisanlage schon 45,5 Züge pro Stunde abgefertigt
worden waren. Seitens der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg wurde für das MVI eine Kapazität
des Kopfbahnhofs von 50 Zügen auf Basis eines Gutachtens der Verkehrsberatung Vieregg-Rössler bestätigt.

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In der Werbung für das Projekt S21 und in der Beantragung der Förderung durch die Europäische Kommission
wurde eine Verdopplung der Kapazität versprochen. Dies wurde zuletzt in der Anhörung zum PFA 1.3 bekräf-
tigt (Stellungnahme des Vorhabenträgers zur „Kritik an der Leistungsfähigkeit des Gesamtprojekts“ vom
24.07.2014). Verbindlich vorgegeben wurde für Stuttgart 21 im Finanzierungsvertrag von 2009 eine Zunahme
des „Zugangebots“ um ca. 50 % gegenüber 2001 (Finanzierungsvertrag vom 02.04.2009 Anl. 3.2a Anh. 1 S.
6). Und im Erläuterungsband zu PFA 1.3 (Anl. 1 Teil 1 S. 30) wird gefordert: „Das Betriebsszenario 2025 sieht
für die Zukunft eine Erhöhung des Zugangebots um ca. 30 % im Bahnhof Stuttgart Hbf gegenüber dem Ange-
bot von 2011 vor.“ Nachdem nicht spezifiziert wird, dass sich zeitlicher Verlauf oder Struktur der Belastung
zukünftig grundlegend ändert, ergibt sich mit den 34 Zügen, die 2001 in der Stunde ab 7:00 Uhr, und den 39
Zügen, die 2011 in der Stunde ab 06:50 Uhr im Stuttgarter Hbf fuhren, jeweils eine Leistungsanforderung von
51 Zügen. Diese Zahl wurde seitens der Deutschen Bahn AG auch in der Anhörung zum Planfeststellungab-
schnitt PFA 1.3 am 7. Oktober 2014 bestätigt.

Dass der neue 8-gleisige Durchgangsbahnhof als Ersatz des bestehenden 17-gleisigen Kopfbahnhofs das ge-
forderte Wachstum ermöglichen würde, wurde seit Beginn des Projekts in Frage gestellt. Tatsächlich wurde
inzwischen festgestellt, dass der Tiefbahnhof eine Leistung von maximal 32 Zügen pro Stunde hat. Dies wurde
auf vier unabhängigen Wegen nachgewiesen:

Erstens mit den Aussagen der Gutachter der Deutschen Bahn AG selbst: Die wesentlichen Gutachten der Plan-
feststellung von 2005 und des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg von 2006 belegen le-
diglich 32 Züge pro Stunde. Das sind weniger als die 38 Züge pro Stunde, die 1996 zur Zeit der Planung in
Stuttgart fuhren. Prof. Gerhard Heimerl hatte 1997 das Auslegungsbetriebsprogramm für Stuttgart 21 mit ma-
ximal 32 Zügen pro Stunde festgelegt. Prof. Wulf Schwanhäußer hatte 1997 aufgrund der Limitierung in den
Zulaufstrecken für die geplante Infrastruktur maximal 32,8 Züge festgestellt. Die Professoren Heimerl und
Schwanhäußer hatten umfassend mit der Kennzahl Belegungsgrad zur Plausibilisierung argumentiert. Werden
ihre Aussagen für die Haltezeit des Stresstests angewandt, verbleiben erneut nicht mehr als 32 Züge für Stutt-
gart 21. Prof. Ullrich Martin hatte zwar 2005 für Stuttgart 21 einen „optimalen Leistungsbereich von 42 bis 51
Zügen“ festgestellt, dann 2012 seine Aussagen dahingehend korrigiert, dass die praktische Kapazität am unte-
ren Ende, also nahe 42 Zügen, zu sehen ist. Wird von Prof. Martins extrem kurzer Haltezeit von im Mittel 1,6
Minuten auf realistische Haltezeiten übergegangen, verbleiben auch hier nicht mehr als 32 Züge.

Zweitens auf Basis eines Vergleichs mit anderen Großbahnhöfen. Es gibt auf der Welt keinen Knoten-Durch-
gangsbahnhof vergleichbarer Größe und Konzeption wie Stuttgart 21, welcher eine höhere Leistung als 32
Züge in der Spitzenstunde (bei acht Gleisen) bei guter bis optimaler Betriebsqualität aufweisen würde. Der neu
gebaute Wiener Hauptbahnhof mit ebenfalls acht Gleisen für Fern- und Regionalverkehr soll auch nicht mehr
als 32 Züge je Stunde abfertigen. Der Kölner Hbf leistet geringfügig mehr Züge, ist aber massiv überlastet, was
eine deutlich niedrigere Pünktlichkeitsquote als bei vergleichbaren Bahnhöfen zur Folge hat. Die zu S21 relativ
gut vergleichbaren Hauptbahnhöfe Hannover und Düsseldorf liegen schon deutlich unter einem Äquivalent
von 32 Zügen.

Drittens auf Grundlage der Dimensionierung von S21 für die Reisenden. Auch die Unterdimensionierung der
Fußgängeranlagen lässt nicht mehr als 32 Züge zu. Die DB AG hatte der „Dimensionierung der Fußgängeran-
lagen“ ein Betriebsprogramm mit 32 Zügen pro Stunde vorgegeben. Dies ist einerseits ein weiterer Beleg für
die Auslegung des Bahnhofs auf diesen Wert. Zusätzlich verdecken aber auch unzulässig verringerte Prämissen
die darüber hinausgehende Unterdimensionierung: So wurde zur Bewertung der Personenströme eine Bahn-
steigräumzeit von vier Minuten vorgegeben, obwohl hierfür die zwei Minuten Zugfolgezeit anzusetzen wären.
Entgegen der Zusage für einen „hohen“ Komfort mit „internationaler Vorbildfunktion“ reduzierte die DB AG
die für S21 vorgegebene Qualität um eine Stufe von C auf D, was eine um 75 % höhere Personendichte auf
den Bahnsteigen zulässt. Die acht Engpässe pro Bahnsteig neben Rolltreppen und Fluchttreppenhäusern von
zumeist nur 2,05 m Breite stellen darüber hinaus eine hohe Gefahren- und Stauquelle, insbesondere für die
vielen S-Bahn-Umsteiger, die diese passieren müssen, dar. Unter anderem zu diesen Punkten hatte die DB AG
den Stuttgarter Gemeinderat, also einen Finanzierungspartner, am 26. Juli 2012 unzutreffend informiert und
insbesondere unzählige der trotz gesenkter Hürden überlasteten Durchgänge aus ihrer Darstellung herausge-
lassen. Die Veröffentlichung der vom Projekt-Kommunikationsbüro angekündigten „detaillierten Prüfung“
dieser Kritik und des Vorwurfs der Täuschung eines Finanzierungspartners steht seit anderthalb Jahren aus.

Viertens in Form einer Kritik hinsichtlich der Belastbarkeit des Stresstestes: Im Juli 2011 wurden die Ergeb-
nisse des sogenanntes Stresstestes für Stuttgart 21 vorgestellt. Danach, so der Auditor, das Unternehmen SMA,

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hat die „Prüfung der Simulationsergebnisse […] gezeigt, dass die geforderten 49 Ankünfte im Hauptbahnhof
Stuttgart in der am meisten belasteten Stunde und mit dem der Simulation unterstellten Fahrplan mit wirtschaft-
lich optimaler Betriebsqualität abgewickelt werden können. […] Die vom Schlichter geforderten anerkannten
Standards des Eisenbahnwesens sind eingehalten." (zitiert in: DER SPIEGEL vom 21. Juli 2011).

Abgesehen davon, dass die 49 Züge des Stresstests nur knapp über der Leistung des Kopfbahnhofs von 45,5
Zügen im Jahr 1970 liegen, und dass dieser Wert unter demjenigen liegt, der im Gutachten von Vieregg-Rössler
als Kapazitätsmaximum für den Kopfbahnhof bestätigt wurde, weist der „Stresstest“ zahlreiche leistungsüber-
höhende Fehler und Richtlinienverstöße auf (siehe nachfolgend). Die grobe Abschätzung einer Korrektur für
diese Fehler rechtfertigt erneut nicht mehr als 32 Züge.

Auch die Bundesregierung bezog sich mehrfach auf den „Stresstest“ und gab an, bei diesem wären „die Regeln
der Richtlinie 405 vollumfänglich eingehalten“ worden (Drs. 17/8529 Frage 21/22). Tatsächlich hatte die Deut-
sche Bahn AG jedoch schon in einem Austausch über das Landesverkehrsministerium Baden-Württemberg,
wie auch zuletzt in ihrer Stellungnahme zur Anhörung zum PFA 1.3 zahlreiche Verstöße gegen die maßgebli-
che Richtlinie 405 eingeräumt: Ein Verspätungsaufbau von einer Minute markiert nicht, wie von der DB AG
dargestellt, die Grenze zur risikobehafteten, sondern zur mangelhaften Betriebsqualität. Die Zulaufstrecken
wurden entgegen der Richtlinie nur so weit ausgewertet, wie sie noch eine günstige Betriebsqualität aufwiesen.
Die Belegungsgrade waren nicht, wie von der Richtlinie gefordert, ausgewiesen worden. Die Bahn behauptet,

das nicht tun zu müssen, kann aber die entsprechende Passage der Richtlinie nicht nennen. Die eingebrachten
Verspätungen wurden entgegen der in der Richtlinie geforderten Statistik gekappt. Die Verwendung von nicht
zugelassenen Zeitanteilen im Verspätungsabbau wurde von der Bahn damit gerechtfertigt, dass man immerhin
darauf verzichtet habe, auch andere nicht zugelassene Zeitanteile zu verwenden. Durch eine Fehleingabe in
das Simulationsprogramm wurden Verspätungen schon abgebaut, bevor sie überhaupt in die Simulation Ein-
gang gefunden hatten. Darüber hinaus war verschiedentlich auch die Forderung der Richtlinie nach realisti-
schen Prämissen verletzt worden: Die Belastung des Bahnhofs in der morgendlichen Spitzenstunde war un-
realistisch um die in dieser Zeit in Stuttgart eingesetzten Züge entlastet worden. Für diese Züge wird aber auch
zukünftig Bedarf sein. Nicht erklären konnte die Bahn, warum für die S-Bahn ein Pünktlichkeitswert von 98
% verwendet wurde, für den zuvor ein Wert von 82,3 % veröffentlicht worden war.

Anlässlich der Anhörung zum Planfeststellungabschnitt 1.3 durch das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart
vom 22. September bis zum 7. Oktober 2014 legte die Deutsche Bahn AG mit Datum 24. Juli 2014 eine
umfangreiche Stellungnahme vor. Die u. a. durch diese Stellungnahme teilweise komplettierten Daten weisen
Widersprüche auf, die entweder bedeuten, dass die Dokumentation des Stresstests fehlerhaft ist oder der finale
Simulationslauf unfahrbar ist und gar nicht stattgefunden hatte (DB Netz AG: Stresstest Stuttgart 21, Finaler
Abschlussbericht zur Fahrplanrobustheitsprüfung; 77 Seiten, vom 15. September 2011; www.bahnprojekt-
stuttgart-ulm.de). Um nur einige Beispiele zu nennen: Zwei Züge haben das Bahnsteiggleis schon verlassen,
noch bevor sie sich in Bewegung gesetzt hatten. Es gibt einen unauflösbaren Fahrstraßenkonflikt durch die
Wiederbelegung einer noch belegten Trasse. Bereits damit steht fest: Mit diesen Werten konnte die Simulation
nicht durchgeführt worden sein. Allerdings lässt sich ohne Stellungnahme der DB AG nicht entscheiden, wo
der Fehler liegt.

Darüber hinaus weist die Fahrplankonstruktion des Stresstests unzählige Fahrplankonflikte und Überlastungs-
merkmale auf [3 S. 56 f.], mindestens: fünfmal werden die Pufferzeit im Zulauf, 16-mal die Bahnsteigwieder-
belegungszeiten und dreimal die Trennungszeiten verletzt. Zwei Züge können lediglich vorrücken und nicht
gleich abfahren. Es kommt zu zehn bis elf Doppelbelegungen (ca. jeder 2. Zug ist betroffen). Vier Züge ver-
fehlen die vereinbarte Planhaltezeit. Drei ICE-Züge verfehlen die Verkehrshaltezeit der Richtlinie. 15 Züge
verfehlen den Zeitbedarf für Fahrgastwechsel. Es gibt 17 geschwindigkeitsreduzierte Ein- oder Ausfahrten, um
Fahrstraßenkonflikte zu vermeiden. Es ist nicht plausibel, dass ein Fahrplan, der schon in seiner Konstruktion
(gezwungenermaßen) eine so hohe Zahl von Regelverletzungen aufweist, eine „wirtschaftlich optimale“ Be-
triebsqualität erreichen soll. Für die hohe Zahl von seriellen Doppelbelegungen (bei denen der vordere den
hinteren Zug blockiert) gibt es keinen vergleichbaren Praxisfall, der einen solchen Betrieb als stabil erscheinen
lassen würde. Die ermittelten mindestens 17 geschwindigkeitsreduzierten Ein- und Ausfahrten zur Vermeidung
von Trassenkonflikten sind ein weiteres Anzeichen für Überlastung. Sie relativieren die Aussage der DB AG,
man könne bei S21 wesentlich schneller ein- und ausfahren. Dies bestätigt die Bundesregierung in ihrer Ant-
wort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drs. 18/2349). Demnach
können die Züge mit bis zu 100 km/h in den geplanten Tiefbahnhof einfahren. Bei einer Doppelbelegung eines
Gleises im Bahnhof muss die Einfahrtgeschwindigkeit jedoch auf 20 km/h reduziert werden. Damit werden die

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Einfahrtgeschwindigkeiten in der Praxis höchst unterschiedlich aussehen und die Fahrplangestaltung nicht ver-
einfachen. Wird zusätzlich das hohe Längsgefälle der Bahnsteiggleise von 15 ‰ berücksichtigt, ergeben sich
weitere Geschwindigkeitsreduzierungen. So können alle Einfahrten des wichtigen Zulaufs aus Feuerbach nur
mit 60 km/h erfolgen wegen der verlängerten Durchrutschwege. Die Darstellung der DB AG [2 S. 26] gilt also
nur ohne Gefälle und ist damit unzutreffend.

Der Stresstest konnte so wie dokumentiert gar nicht durchgeführt worden sein. Die eingestandenen Richtlini-
enverstöße entwerten das Testat des Auditors SMA vollständig. Der Stresstest kann nicht mehr als Leistungs-
nachweis für S21 herangezogen werden. Nach Abschätzung der zu korrigierenden Fehler verbleiben voraus-
sichtlich nicht einmal 32 Züge pro Stunde.

Die Belege für diese Leistungskritik finden sich im Detail in der Einwendung des BUND zur Anhörung zum
PFA 1.3 des Projekts Stuttgart 21. Sie wurden in keinem Punkt von der Stellungnahme des Vorhabenträgers
zur „Kritik an der Leistungsfähigkeit des Gesamtprojekts“ vom 24. Juli 2014 entkräftet, was im Einzelnen in
dem Nachforderungskatalog von Dr. Christoph Engelhardt vom 29. September 2014 dargelegt wurde (www.rp-
stuttgart.de/servlet/PB/show/1394067/rps-ref24-14-10-07-Engelhardt-Nachfkatalog.pdf). Dessen Beantwor-
tung durch die DB AG ist in der Anhörung vom 7. Oktober 2014 vereinbart worden. Wir erwarten eine nach-
vollziehbare Entkräftung der dort angeführten Kritikpunkte und Widersprüche in den Darstellungen der DB
AG. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drs.
18/2416) bestätigt die Bundesregierung die erheblichen betrieblichen Einschränkungen im geplanten Tiefbahn-
hof. So ist kein Integraler Taktfahrplan möglich, da Züge den Bahnhof mit seinen nur noch acht Gleisen aus-
schließlich zum Ein- und Aussteigenlassen der Fahrgäste und zur umgehenden Weiterfahrt befahren können.
Betriebliche Maßnahmen wie Zugbildungen sind nicht möglich.

Die zahlreichen unabhängigen Wege, auf denen inzwischen die tatsächliche Kapazität von Stuttgart 21 doku-
mentiert werden kann, ergeben ein eindeutiges Bild: In Stuttgart wird mit einer sehr hohen Summe an Geldern,
die letzten Endes von den Steuerzahlenden und den Fahrgästen aufzubringen sind, ein Abbau bestehender
Kapazität des Stuttgarter Hauptbahnhofs betrieben.

Nicht einmal der aktuelle Bedarf kann bewältigt werden. Es gibt keine nötigen Reserven für die Zukunft, ob-
wohl alle maßgeblichen politischen Parteien davon reden, mehr Verkehr auf die Schiene verlagern zu wollen.

Die ungeklärten Sicherheitsfragen bei Stuttgart 21

Höchst fragwürdig ist der Weiterbau des Projekts auch aufgrund des Fehlens von nachvollziehbaren Lösungs-
konzepten für die wichtigsten Sicherheitsfragen:

Die Längsneigung der Bahnsteiggleise von Stuttgart 21 wird mit 15,143 ‰ sechsfach über dem Sollwert der
Eisenbahnbau- und Betriebsordnung (EBO) von 2,5 ‰ liegen. In der Planfeststellung zu Stuttgart 21 wurde
ein „Nachweis gleicher Sicherheit“ wie im ebenen Bahnhof behauptet, aber von der Deutschen Bahn AG in
ihren Antragsunterlagen nicht nachvollziehbar belegt. Es gibt weder eine technische Sicherung gegen ein Weg-
rollen der Züge noch gegen das Rollen von Kinderwagen oder Rollstühlen vom Bahnsteig in das Gleis.

Während in Deutschland früher 2,5 ‰ nicht überschritten werden „durften“ wurde dieses Kriterium in der EBO
von 1967 in „soll“ aufgeweicht. Dass damit auch 15 ‰ ermöglicht werden sollten, erscheint undenkbar. Tat-
sächlich haben moderne Züge aufgrund der verwendeten Rollenachslager gegenüber den früheren Gleitlagern
sehr viel geringere „Losbrechwiderstände“, setzen sich also sehr viel schneller in Bewegung. International wird
demzufolge eine Verschärfung dieser Vorgaben beobachtet. So gibt es im chinesischen Hochgeschwindigkeits-
verkehr die Vorgabe „absolut horizontal“, im Ausnahmefall bis zu 1‰, mehr als 2,5 ‰ Neigung sind vollkom-
men unzulässig. In Köln Hbf kam es wiederholt – auch in den vergangenen Monaten – bei viel geringerer
(ausnahmsweise genehmigter) Gleisneigung von 3,2 bis 6,8 ‰ zu 13 belegten Zwischenfällen mit insgesamt
sechs verletzten Personen. Auch auf Gleis 7 mit lediglich 3,68 ‰ Neigung rollte ein Zug mit geöffneten Türen
eine ganze Wagenlänge zurück. Für Stuttgart 21 ist keine technische Sicherung gegen das Wegrollen der Züge
vorhanden, wie beispielsweise in der Faktenschlichtung zu Stuttgart 21 für rückwärtsrollende Züge bestätigt
wurde.

Die Gleisneigung bedeutet auch für die Reisenden auf den Bahnsteigen eine erhebliche Gefährdung. Auf die
Längsneigung der Bahnsteige wird mit einer zusätzlichen Querneigung von 20 ‰ reagiert. Diese verschärft
noch die Gefahr, dass Gefährte mit größeren Rädern wie Kinderwagen oder Rollstühle von selbst losrollen.
Folgen sie anfangs dem Gefälle, nehmen sie sogar noch auf der Gegensteigung weiter Fahrt auf und stürzen

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ins Gleis. Die Bahn begegnet der Gefahr lediglich mit Bänken und „Mülltonnen“ in Bahnsteigmitte, die jedoch
keine durchgehende Teilung des Bahnsteigs vornehmen können.

Ein abgestimmtes Brandschutzkonzept für den Tiefbahnhof liegt immer noch nicht vor, obwohl für August
2014 angekündigt. Selbst die Zahl der zu entfluchtenden Personen ist aktuell unklar. Diese Zahl war in der
Planfeststellung noch vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA) auf 16.164 Personen für die Bahnsteighalle festgelegt
worden, denselben Wert, der auch dem gleichgroßen Bahnhof Berlin Hauptbahnhof Tief vorgegeben worden
war. Nun soll diese Zahl für Stuttgart 21 aber auf nur noch 6.500 Personen reduziert werden, obwohl in Stuttgart
mehr Verkehr geplant wird als in Berlin. Doppelbelegungen waren schon Bestandteil des Auslegungsbetriebs-
programms mit nur 32 Zügen pro Stunde. Im Stresstest betreffen sie fast jeden zweiten Zug. Sie bewirken, dass
auf einem einzigen der vier Bahnsteige nach dem EBA-Formalismus mehr als 6.000 Personen zu entfluchten
wären. Damit wären für die Entfluchtungszeit Faktoren über den Annahmen der DB AG anzusetzen.

Für die Tunnelanlagen liegt ebenfalls kein Brandschutzkonzept vor, obwohl dieses laut der Tunnelrichtlinie
des Eisenbahn-Bundesamts schon vor der Planfeststellung hätte vorliegen müssen. Entfluchtung und Entrau-
chung sind unklar bzw. ungelöst. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die zusätzlichen Treppen und Auf-
züge die Bahnsteige im engen Bahnhofstrog weiter verschmälern, was insbesondere Menschen im Rollstuhl,
mit Kinderwagen oder viel Gepäck negativ in ihrer Mobilität beeinträchtigt.

Die Summe der Fehlplanungen und offenen Risiken erreicht bei Stuttgart 21 tatsächlich eine absurde Häufung
(siehe auch: wikireal.org/wiki/Stuttgart_21). Die Deutsche Bahn AG als Bauträger und der Bund als Eigentü-
mer der DB AG müssen sich die Frage stellen, ob sie das Projekt Stuttgart 21 verantworten können.

Planfeststellungsabschnitt 1.3 (Anbindung der Gäubahn an den Flughafen)

Die Deutsche Bahn AG besitzt für diesen Planfeststellungsabschnitt zwischen der geplanten Rohrer Kurve und
der Anbindung an die Neubaustrecke am Flughafen inklusive Flughafenbahnhof noch immer kein Baurecht,
obwohl bereits vor über zehn Jahren das Planfeststellungsverfahren eingeleitet wurde. Die Regional- und IC-
Züge der Gäubahn aus Richtung Zürich kommend sollen, so die Planungen, über die neue Rohrer Kurve auf
die bestehende S-Bahn-Trasse eingeschleift werden. Da diese Trasse ausschließlich für den S-Bahn-Verkehr
gebaut und bislang ausschließlich für diesen betrieben wird, bedarf es einer Ausnahmegenehmigung für andere
Zugverkehre. Das Eisenbahn-Bundesamt als Genehmigungsbehörde wollte diese Genehmigung jedoch nicht
erteilen. Daraufhin hat der damalige Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer im Jahr 2010 eine Ausnah-
megenehmigung erteilt. Diese enthält eine Reihe betrieblicher Einschränkungen und ist außerdem zeitlich be-
fristet bis zum Jahr 2035. Die Führung von Fernzügen auf der für den S-Bahn-Betrieb ausgerichteten Trasse
birgt zahlreiche Konfliktpunkte:

Erstens die niveaugleiche Ein- und Ausfädelung über die wenig leistungsfähig geplante Rohrer Kurve. Züge in
Richtung Zürich müssen hierbei das Gleis der Gegenrichtung queren. Da davon auszugehen ist, dass die Züge
des Fernverkehrs in aller Regel gegenüber den S-Bahnen bevorrechtigt werden, sind Beeinträchtigungen im S-
Bahn-Verkehr zu befürchten.

Zweitens: Zusätzliche Züge auf der S-Bahn-Strecke, die entlang von Wohngebieten führt, sorgen für mehr
Lärm und Erschütterung. Ob es zum Schutz der Anwohnerinnen und Anwohner Maßnahmen gegen Lärm- und
Erschütterungen geben wird, ist ungeklärt. Die Deutsche Bahn AG musste bei der Anhörung im Rahmen des
Planfeststellungsverfahrens das Fehlen entsprechender Gutachten einräumen.

Drittens: Für einen Halt am bisherigen S-Bahnhof „Flughafen/Terminal“ soll eines der beiden Gleise für die
Züge der Gäubahn umgebaut werden. Den S-Bahnen und den Zügen der Gäubahn soll dann jeweils ein Gleis
zur Verfügung stehen, das jeweils im Zweirichtungsverkehr genutzt werden soll. Dies ist der wohl gravie-
rendste Eingriff in den S-Bahn-Verkehr, der die betriebliche Flexibilität massiv einschränkt und im Ver-
spätungsfall zu einem weiteren Verspätungsaufbau führt. Alternativen, aber auch mit erheblichen Nachteilen
verbundene Bahnhofsalternativen wurden diskutiert. Die Deutsche Bahn AG hat bislang die Übernahme ver-
muteter Mehrkosten abgelehnt, obwohl sie für den Bau dieses Bahnhofs verantwortlich ist. Hier zeigt sich, dass
der DB AG der Halt am Flughafen – dies gilt sowohl für den Halt am S-Bahnhof wie auch für den geplanten
neuen Fernbahnhof für die Züge aus/in Richtung München – von der früheren CDU/FDP-Landesregierung
politisch aufgezwungen wurde.
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Drucksache 18/3647 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die Anbindung von Flughäfen (mit Ausnahme des bundesweit bedeutsamen Flughafens in Frankfurt am Main)
an den Schienenfernverkehr ist grundsätzlich kritisch zu hinterfragen. Die Deutsche Bahn AG hat die Verbin-
dungen an die Flughäfen Düsseldorf, Leipzig/Halle und Köln/Bonn nach und nach teilweise erheblich ausge-
dünnt (siehe die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN, Drs. 18/1606).

Bei der Anhörung zum Planfeststellungsverfahren haben Gutachter der Uni Dresden nachgewiesen, dass es zu
Konflikten zwischen Zügen der Gäubahn und S-Bahnen kommen kann und sich bei den S-Bahnen Verspätun-
gen aufbauen würden. Er sprach daher von einer „ungenügenden Betriebsqualität“.

Die Anbindung der Gäubahn an den Flughafen muss generell in Frage gestellt werden. Es käme zu den be-
schriebenen betrieblichen Problemen mit negativen Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit der S-Bahn. Außer-
dem konnte die DB AG bis heute nicht nachweisen, dass Fahrgäste aus der Region Zürich und den Einzugsge-
bieten der nachfolgenden Bahnhöfe in nennenswertem Umfang an den Flughafen reisen wollen. Der Bedarf
für eine solche Anbindung wurde nicht belegt. Daher sollte dringend die Streckenführung der Gäubahnzüge
über Stuttgart-Vaihingen und die sog. „Panoramastrecke“ – weitgehend identisch wie heute – an den Haupt-
bahnhof geplant werden. In Vaihingen kann dann ein attraktiver Umsteigebahnhof mit Verbindungen zum
Flughafen und als Zu- und Ausstieg für die Filderbevölkerung eingerichtet werden. Dies entspricht auch dem
Willen einer Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger, die sich im Sommer 2012 in den Bürgerbeteiligungsprozess
des „Filderdialoges“ eingebracht hatten.

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