BT-Drucksache 18/3555

Private Sicherheitsfirmen umfassend regulieren und zertifizieren

Vom 17. Dezember 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3555
18. Wahlperiode 17.12.2014
Antrag
der Abgeordneten Katja Keul, Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz,
Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Renate Künast, Monika Lazar, Özcan
Mutlu, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Private Sicherheitsfirmen umfassend regulieren und zertifizieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Ende September 2014 machten Presseberichte bekannt, dass in einer Notunterkunft
für Flüchtlinge im nordrhein-westfälischen Burbach Bewohner durch Mitarbeiter
des dort als Subunternehmen tätigen Sicherheitsdienstleisters misshandelt worden
sind. Die Beschuldigten sollen einschlägig vorbestraft sein und Tätowierungen mit
rechtsextremen Symbolen tragen. Dieser Vorgang setzt ein Schlaglicht darauf, dass
bisher nur unzureichende Regelungen für die Aufnahme eines Bewachungsgewerbes
und die Tätigkeit solcher Unternehmen in Deutschland bestehen. Das Land Nord-
rhein-Westfalen hat als eine erste Konsequenz aus dem Skandal einen Acht-Punkte-
Plan vorgelegt, der klarere Voraussetzungen für den Einsatz von Sicherheitskräften
in Asylbewerbereinrichtungen festlegt.

Nach den geltenden Vorschriften der Gewerbeordnung und der Bewachungsverord-
nung reicht es bisher für die Anmeldung eines Bewachungsgewerbes aus, dass die
betreffenden Personen ihre Zuverlässigkeit, die für den Gewerbebetrieb erforderli-
chen Mittel und Sicherheiten nachweisen sowie von der Industrie- und Handelskam-
mer über die für die Ausübung des Gewerbes erforderlichen rechtlichen Vorschriften
unterrichtet werden. Für diese Unterrichtung ist in der Bewachungsverordnung zur-
zeit lediglich ein Zeitrahmen von 80 Stunden vorgesehen. Für die Aufnahme einer
Beschäftigung bei einem solchen Unternehmen reicht eine 40-stündige Unterrich-
tung aus. Nur ausnahmsweise ist eine Sachkundeprüfung bei Kontrollgängen im öf-
fentlichen Verkehrsraum oder in Hausrechtsbereichen mit tatsächlich öffentlichem
Verkehr, bei Schutz vor Ladendieben und bei Bewachungen im Einlassbereich von
gastgewerblichen Diskotheken erforderlich. Damit gehört Deutschland zu den
Schlusslichtern in Europa, was die Zugangsvoraussetzungen von privaten Sicher-
heitsfirmen angeht.

Auf internationaler Ebene existieren mit dem International Code of Conduct for Pri-
vate Security Service Providers ein freiwilliger Verhaltenskodex für Sicherheitsfir-
men sowie mit dem Dokument von Montreux Vorschläge für Staaten, wie sie in ihrer
Gesetzgebung Regelungen für private Sicherheitsfirmen verankern können.

Die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte diese Problematik 2011
zunächst in einer Großen Anfrage zur „Regulierung privater Militär- und Sicher-

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heitsfirmen“ (Bundestagsdrucksache 17/4573) aufgegriffen. In ihrer Antwort be-
legte die Bundesregierung die geringen Hürden für Sicherheitsunternehmen, lehnte
aber zu diesem Zeitpunkt ein Handeln auf diesem Gebiet ab. Gleichzeitig erwuchs
allerdings aus der Gefahr durch Piraterie in der Region am Horn von Afrika eine
steigende Nachfrage nach dem Einsatz privater Sicherheitsteams an Bord von See-
schiffen, der zu diesem Zeitpunkt ebenfalls weitgehend unreguliert durch das deut-
sche Recht war. Aus diesem Grund brachte die Bundestagsfraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN im November 2011 einen Antrag in den Deutschen Bundestag
ein, der die Bundesregierung aufforderte, private Sicherheitsfirmen sowohl in ihrer
Tätigkeit im Inland als auch im Ausland umfassend zu regulieren und zertifizieren
(Bundestagsdrucksache 17/7640).

Als Reaktion auf den verstärkten Einsatz von bewaffneten Sicherheitsteams auf Han-
delsschiffen in durch Piraterie gefährdeten Seegebieten verabschiedete der Deutsche
Bundestag am 13. Dezember 2012 das Gesetz zur Einführung eines Zulassungsver-
fahrens für Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen. Durch dieses Gesetz dürfen
seit dem 1. Dezember 2013 nur noch vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhr-
kontrolle (BAFA) zugelassene Unternehmen zum bewaffneten Schutz von Seeschif-
fen unter deutscher Flagge herangezogen werden. Zuständig für die Erteilung der
Zulassung ist neben dem BAFA auch die Bundespolizei. Die Zulassungspflicht gilt
dann für in Deutschland niedergelassene Bewachungsunternehmen und für im Aus-
land niedergelassene Sicherheitsdienstleister, wenn diese auf Seeschiffen unter deut-
scher Flagge Bewachungsaufgaben durchführen wollen. Für die Zulassung müssen
die Sicherheitsunternehmen unter anderem gewährleisten, dass sowohl das leitende
als auch das eingesetzte Sicherheitspersonal über die fachliche und persönliche Ge-
eignetheit und Zuverlässigkeit verfügt. Die CDU/CSU/FDP-Koalition war damals
Forderungen der Opposition nicht nachgekommen, auch die Tätigkeit privater Si-
cherheitsunternehmen im Inland klarer zu regulieren.

Der im August 2013 veröffentlichte Abschlussbericht der länderoffenen Arbeits-
gruppe der Innenministerkonferenz zur Zertifizierung privater Sicherheitsunterneh-
men plädiert für die Aufnahme personenbezogener Anforderungen in § 34 a der Ge-
werbeordnung (GewO). Die Arbeitsgruppe spricht sich auch für ein Gesetz für pri-
vate Sicherheitsunternehmen aus, sieht darin derzeit aber keine realistische Option.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen gesetzlichen Rahmen für die Tätigkeit privater Sicherheitsfirmen im
In- und Ausland zu schaffen, und dabei insbesondere
a) zu prüfen, ob dieses Ziel besser mit einem sektorspezifischen Gesetz

für private Sicherheitsunternehmen oder einer Änderung des Gewerbe-
rechts, insbesondere des § 34 a GewO zu erreichen ist;

b) eine Registrierungspflicht für private Sicherheitsfirmen einzuführen;
c) ein Zulassungsverfahren zu entwickeln, das die Aufnahme von unter-

nehmerischer Tätigkeit im Sicherheitsbereich an klare Voraussetzun-
gen bindet; insbesondere durch klare Anforderungen an die persönliche
Zuverlässigkeit, Qualitätsstandards für die Ausbildung der Sicherheits-
kräfte sowie Transparenz in der unternehmerischen Tätigkeit;

d) regelmäßige Aus-, Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen der Gewerbe-
treibenden sowie des Personals u. a. im Bereich der Einhaltung von
Grundrechten und die Qualität sicherzustellen;

e) vergaberechtliche Möglichkeiten zu beleuchten, zusätzliche Anforde-
rungen an private Sicherheitsunternehmen zu stellen, beispielsweise
durch Präqualifizierungssysteme oder Anforderungen an die Fach-
kunde;

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2. sicherzustellen, dass private Sicherheitsfirmen gerade in der Kooperation
mit der Polizei die Bestimmungen des Datenschutzes für die zulässige Wei-
tergabe von Daten und Informationen einhalten;

3. an der Weiterentwicklung der DIN 77200 mitzuwirken;
4. die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an private Sicherheitsfirmen davon

abhängig zu machen, dass diese den International Code of Conduct for Pri-
vate Security Service Providers unterzeichnet haben sowie nach der ent-
sprechenden DIN-Norm zertifiziert sind;

5. klarzustellen, dass die Tätigkeit von privaten Sicherheitsunternehmen in
den Geltungsbereich von § 4 Absatz 1 des Außenwirtschaftsgesetzes fällt;

6. die im Montreux-Dokument niedergeschriebenen Good Practices for
Contracting States (Nr. 1 bis 23), for Territorial States (Nr. 24 bis 52) and
Home States (Nr. 53 bis 73) in nationales Recht umzusetzen;

7. sich für einheitliche Regulierungs- und Zertifizierungsregelungen auf EU-
Ebene einzusetzen, die
a) eine zentrale und öffentlich zugängliche Listung von Unternehmen,
b) Normen und Standards für Gründungen von Sicherheitsdienstleistern,
c) eine Dokumentierung der Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mit-

arbeiter,
d) eine Pflicht zur zeitnahen und detaillierten Unterrichtungen des Euro-

päischen Parlaments und der jeweiligen nationalen Parlamente über
Auftragsvergaben aus öffentlicher Hand,

e) eine Pflicht zur zeitnahen Berichterstattung von Verstößen gegen gel-
tende Rechtsvorschriften,

f) eine jährliche Berichtspflicht der Unternehmen über angenommene
Aufträge, deren Aufgabenspektrum, das Auftragsvolumen und den je-
weiligen Mittelansatz,

g) ein Verbot des Verkaufs bestimmter Waffentypen sowie
h) eine einheitliche Regelung des juristischen Zugriffs bei möglichen

Straftaten innerhalb sowie außerhalb der EU
beinhalten;

8. sich aktiv und konstruktiv für eine UN-Konvention zur Regulierung privater
Sicherheitsfirmen einzusetzen, insbesondere im Rahmen der dazu momen-
tan stattfindenden Verhandlungen im UN-Menschenrechtsrat.

Berlin, den 16. Dezember 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Die Wahrung der Inneren Sicherheit dient dem Schutz von Demokratie, Rechtsstaat und Sozialstaat, denn nur
der Staat ist umfassend an Recht und Gesetz gebunden und verfügt über ein Gewaltmonopol. Die Aufrechter-
haltung der Sicherheit gehört daher zu den primären Schutzpflichten der öffentlichen Hand. Die Privatisierung
im Bereich der Inneren und Äußeren Sicherheit schreitet jedoch seit Jahren voran. Dies zeigt sich deutlich in
der ständig wachsenden Zahl privater Sicherheitsfirmen, in der Ausdifferenzierung ihres Tätigkeitsfeldes sowie
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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in der Anzahl des beschäftigten Personals. Aus Sicht der Innenministerkonferenz sind die privaten Sicherheits-
unternehmen sogar bereits Teil der deutschen Sicherheitsarchitektur. Wird dieser Bereich nicht kontrolliert,
kann das Gewaltmonopol des Staates erodieren. Es steht zunehmend zu befürchten, dass auch nichtstaatliche
Akteure durch das steigende Angebot an privaten Sicherheitsdienstleistern ihre Interessen häufiger mit Gewalt
durchsetzen können. Indem er Teilbereiche der öffentlichen Sicherheit in die Hände privater Unternehmen legt,
macht sich der Staat von diesen zunehmend abhängig, da er selbst im Krisenfall die notwendigen Fähigkeiten
nicht mehr generieren kann. Ein Wettlauf um die günstigsten Lösungen hat fatale Auswirkungen auf rechts-
staatliche Standards bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. So muss deutlich sein, dass private Sicherheits-
firmen keine Hilfspolizei sind und über keinerlei hoheitliche Sonderrechte verfügen. Zudem wirft die Zusam-
menarbeit von Polizei und privaten Sicherheitsfirmen Fragen auf.

Der zunehmende Rückgriff von privater aber auch öffentlicher Seite auf private Sicherheitsunternehmen macht
es notwendig, sicherzustellen, dass sowohl die Gewerbetreibenden als auch das eingesetzte Personal Mindest-
standards an persönlicher Geeignetheit, Zuverlässigkeit und Sachkunde erfüllen. Hierbei ist zu berücksichtigen,
dass es im Aufgabenbereich von Sicherheitsunternehmen insbesondere um die Rechtsgüter des Schutzes von
Gesundheit, Leben und Eigentum sowie das Recht auf Sicherheit geht. Die länderoffene Arbeitsgruppe der
Innenministerkonferenz hat in ihrem Abschlussbericht zur Zertifizierung privater Sicherheitsunternehmen
2013 konkrete Vorschläge unterbreitet, wie einheitliche Standards für Unternehmen im privaten Sicherheits-
gewerbe erreicht werden können. Als wirksamstes Instrument benannte die Arbeitsgruppe entweder ein sek-
torspezifisches Gesetz für private Sicherheitsunternehmen oder eine Änderung im Gewerberecht, die vor allem
über die Schaffung eines neuen § 32 in der Gewerbeordnung oder die Neufassung des bestehenden § 34a GewO
erreicht werden könnte. Dabei müssen auch Vorschriften für die Aus-, Weiter- und Fortbildung Eingang finden,
die vor allem den Bereich der Grund- und Menschenrechte betreffen. Zudem gilt es, Kontrollmechanismen zu
entwickeln, durch die gewährleistet werden kann, dass private Sicherheitsfirmen gerade, wenn sie für öffentli-
che Auftraggeber tätig werden, die Vorschriften des entsprechenden Gesetzes oder der Gewerbeordnung ein-
halten; ebenso muss sichergestellt werden, dass – vor allem bei gemeinsamen Projekten mit polizeilichen Stel-
len – die Einhaltung der Bestimmungen des Datenschutzes durch die beteiligten privaten Sicherheitsfirmen
gewährleistet ist.

Der Einsatz privater Sicherheitsfirmen in internationalen Konflikten wird von den am Konflikt beteiligten Par-
teien genutzt, um eigene Ressourcen zu schonen bzw. Fähigkeiten, über die ihre eigenen Streitkräfte nicht
(mehr) verfügen, zu ersetzen. Dabei wird häufig übersehen, dass die beauftragten privaten Sicherheitsfirmen
ein Interesse daran haben könnten, den Konflikt zu verlängern, um die eigene Tätigkeit fortsetzen zu können.
Das Europäische Parlament hat dieses Problem in seine Entschließung zur Gemeinsamen Sicherheits- und Ver-
teidigungspolitik vom 11. Mai 2011 aufgenommen. Es fordert Regulierungsmaßnahmen für private Militär-
und Sicherheitsunternehmen auf EU-Ebene. Hierunter verstehen die EU-Parlamentarier ein umfangreiches
System von Normen für die Gründung, Registrierung, Zulassung, Überwachung und Berichterstattung über
Verstöße gegen die geltenden Rechtsvorschriften. Die vom EU-Forschungsprojekt Priv-War erarbeiteten Vor-
schläge zur effektiven Registrierung und Regulierung von privaten Militär- und Sicherheitsfirmen und des Ex-
ports ihrer Dienstleistungen in Drittstaaten bieten konkrete Anhaltspunkte für solch eine EU-weite Regulie-
rung.

Durch ein mehrstufiges Lizenzierungs- und Zertifizierungsverfahren ist es möglich, klare Regelungen für die
Sicherheitsbranche aufzustellen und einer Erosion des staatlichen Gewaltmonopols entgegenzuwirken, indem
klare Grenzen aufgezeigt werden, welche Bereiche einer Privatisierung entzogen bleiben. Private Firmen, die
im Sicherheitsbereich tätig werden wollen, haben dabei zunächst eine Lizenz für ein bestimmtes Tätigkeitsfeld
in bestimmten Ländern zu erwerben, die unter anderem Standards bezüglich der Qualifizierung der Angestell-
ten und der genauen Tätigkeiten im Sicherheitsbereich festlegt. Über das Außenwirtschaftsgesetz und die Au-
ßenwirtschaftsverordnung wird zudem sichergestellt, dass jeder einzelne Vertragsabschluss überprüft wird. So
kann gewährleistet werden, dass die Tätigkeiten, die diese Sicherheitsfirmen im Ausland durchführen wollen,
im Rahmen ihrer Lizenz liegen, nicht gegen die Sicherheitsinteressen Deutschlands verstoßen sowie das hu-
manitäre Völkerrecht und die internationalen Menschenrechte nicht verletzen.

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