BT-Drucksache 18/3391

Verantwortungsvolle Beschaffung von Rohstoffen

Vom 26. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3391
18. Wahlperiode 26.11.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Omid Nouripour,
Tom Koenigs, Peter Meiwald, Annalena Baerbock, Dieter Janecek, Marieluise Beck
(Bremen), Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, Dr. Tobias Lindner,
Cem Özdemir, Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin, Doris Wagner,
Dr. Thomas Gambke, Anja Hajduk, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver
Krischer, Corinna Rüffer, Dr. Gerhard Schick, Dr. Julia Verlinden und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verantwortungsvolle Beschaffung von Rohstoffen

Am 5. März 2014 veröffentlichte die Handelskommission der Europäischen
Union einen Regulierungsentwurf zur verantwortungsvollen Beschaffung von
Rohstoffen aus den Konfliktgebieten. Der Entwurf sieht eine freiwillige Selbst-
verpflichtung für eine menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung für die Schmelzerei,
die Raffinerien und die Händler vor, die die Rohstoffe Wolfram, Tantal, Zinn
und Gold aus den Konfliktregionen in die Europäische Union (EU) importieren.
Diese können eine Selbstzertifizierung entlang der Wertschöpfungskette veran-
lassen und berichten, wie sie ihre gebotene Sorgfaltspflicht gemäß der OECD
Due Diligence Guidelines (OECD – Organisation für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung) erfüllen. Als Anreiz für die Unternehmen zur freiwilli-
gen Selbstzertifizierung veröffentlicht die EU eine Liste mit den Unternehmen,
die bereits nachweisen können, dass sie verantwortungsvoll ihre Rohstoffe
beziehen und nicht zur Konfliktfinanzierung beitragen oder an gravierenden
Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind.
Der EU-Handelskommissionsvorschlag bleibt in seinen Forderungen an die Un-
ternehmen weit hinter anderen Regulierungen, wie beispielsweise dem Dodd
Frank Act in den USA, zurück. Auch die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und
Menschenrechte sowie die OECD-Standards (OECD Due Diligence Guidance
for Responsible Supply Chains of Minerals from Conflict-Affected and High-
Risk Areas) stellen weitreichendere Anforderungen an Unternehmen als die
Initiative der Kommission. Denn der EU-Handelskommissionsentwurf basiert
lediglich auf der freiwilligen Teilnahme der Unternehmen zur Beschaffung und
Verarbeitung von Rohstoffen aus Konfliktregionen.
Eine Vielzahl von zivilgesellschaftlichen Organisationen aus Europa, der Demo-
kratischen Republik Kongo und anderen Regionen sehen den Entwurf – auch in
Gesprächen mit den Fragestellern – sehr kritisch. Sie kritisieren die fehlende
Verbindlichkeit, die Fokussierung auf den „Upstream-Bereich“ (von der Mine
bis zur Schmelze bzw. Raffinerie), die mangelnde Einbindung des „Downstream-
Sektors“ (von der Schmelze zum Endkonsumenten), die intransparente Bericht-
erstattung und den eingeschränkten Umfang an betroffenen Rohstoffen. Die be-
reits bestehenden Abkommen und Regulierungen, wie die UN-Leitprinzipien
oder die OECD Due Diligence Guidance, umfassen jedoch die gesamte Liefer-
kette und gehen damit über den EU-Entwurf hinaus.

Drucksache 18/3391 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Vorschlag der

Europäischen Kommission zum verantwortungsvollen Handel mit Minera-
lien aus Konfliktgebieten vom 5. März 2014?

2. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswahl der unter die Verordnung
fallenden vier Rohstoffe?

3. Inwiefern setzt sich die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass der
Abbau von und der Handel mit anderen Rohstoffen in vielen Regionen der
Welt (z. B. Kohleabbau in Kolumbien, Diamanten in Myanmar oder
Simbabwe) auch als Finanzierungsquelle für Konfliktparteien und Gewalt-
akteuren dient, für die Erfassung weiterer Rohstoffe und Abbaugebiete
durch die EU-Regelung ein?

4. Inwiefern setzt sich die Bundesregierung für die Erfassung von Erdöl ein?
Wenn nein, warum nicht?

5. Inwiefern setzt sich die Bundesregierung für eine Ausweitung der Richtlinie
auf den Downstream-Bereich ein?
Wenn sie dies nicht tut, warum nicht?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit einer verbindlichen Be-
richtspflicht nach drei Jahren, wie sie – laut eines Berichts von „Report
München“ im April 2014 – der Entwurf des EU-Handelskommissionsvor-
schlags vom Januar 2014 noch vorsah?
Anhand welcher Indikatoren soll über die Notwendigkeit verbindlicher
Regelungen entschieden werden?

7. Warum wurde nach Kenntnis der Bundesregierung der Passus, der in einer
älteren Fassung des Richtlinienentwurfs vorsah, dass bei einem nicht erfolg-
reich evaluierten freiwilligen Regulierungsansatz verbindliche Maßnahmen
einer Nachweispflicht implementiert werden, aus dem vorliegenden Ent-
wurf gestrichen?

8. Liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor, warum die Version
des Entwurfs des EU-Handelskommissionsvorschlags vom Januar 2014
nicht weiterverfolgt wurde?
Wenn ja, welche?
Wenn nein, warum nicht?

9. Was versteht die Bundesregierung unter Konflikt- und Hochrisikogebieten?
10. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung eine Definition vonseiten der

Europäischen Kommission?
Wenn ja, welche?

11. Inwiefern setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass neben dem Aspekt
„konfliktfrei“ auch menschenrechtliche und ökologische Standards bei dem
Abbau und Handel mit Rohstoffen aus Konfliktregionen eingehalten wer-
den?

12. Welche menschenrechtlichen Implikationen ergeben sich aus Sicht der Bun-
desregierung aus dem Entwurf der Europäischen Kommission?

13. Auf Grundlage welcher Annahme vermutet die Bundesregierung, dass eine
Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bevölkerung in den
Abbaugebieten herbeigeführt wird?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3391
14. Wie viele deutsche Unternehmen aus welchen Sektoren werden voraus-
sichtlich von der EU-Regulierung betroffen sein (bitte nach Sektoren auf-
listen)?

15. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass Konfliktmineralien nicht über
die Importe von Halbfertig- und Zwischenprodukten an deutsche Endprodu-
zenten verkauft werden und so in Deutschland auf den Markt kommen?

16. Wird die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass der Vorschlag der
Europäischen Kommission vorsieht, über die öffentliche Beschaffung auf
EU-Ebene Anreize zu schaffen, damit Unternehmen freiwillig die Sorgfalts-
prüfungen vornehmen, durch eine Änderung des Gesetzes zur Öffentlichen
Beschaffung sicherstellen, dass auch die Bundesregierung keine Konflikt-
mineralien in ihren Computern, Dienstfahrzeugen etc. nutzt?

17. Welche Einrichtungen sind nach Einschätzung der Bundesregierung die
„zuständigen Mitgliedstaatsbehörden“, die für die Auditierung der betroffe-
nen Unternehmen zuständig sein werden?

18. Wieso hält die Bundesregierung diese Einrichtung für besonders geeignet?
Wie sollen die zuständigen Mitgliedstaatsbehörden die Anforderungen der
Richtlinie konkret umsetzen?

19. Wie schätzt die Bundesregierung den finanziellen Aufwand für die Einrich-
tung der Behörde ein?

20. Wie werden die Zivilgesellschaft und die Öffentlichkeit in den Prozess und
später in die Arbeit der zuständigen Mitgliedstaatsbehörden eingebunden,
um Transparenz zu gewährleisten?

21. Welche Anreize gibt es für produzierende Unternehmen, die sich nicht an
Ausschreibungen für öffentliche Beschaffung beteiligen, ihre gebotenen
Sorgfaltspflichten umzusetzen?

22. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass sie über ihr Explorationsför-
derprogramm keine Explorationen in Konflikt- oder Hochrisikogebieten
fördert?

23. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass durch die Aktivitäten der KfW-
Tochter DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH
nicht Institutionen gefördert werden, die mit Konfliktmineralien handeln
oder ihr Einkommen verdienen?

24. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass im Rahmen der Hermes-Ga-
rantie-Vergabe Unternehmen unterstützt werden, die mit Konfliktrohstoffen
handeln oder ihr Einkommen verdienen?

25. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass mit Ungebundenen Finanz-
krediten (UFK) keine Rohstoffbeschaffung aus Konflikt- oder Hochrisiko-
gebieten finanziert wird?

26. Welche Überprüfungsmechanismen nutzt die Bundesregierung, um das aus-
zuschließen?

27. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen des US-amerikani-
schen Dodd Frank Acts 1502 (DFA 1502) für deutsche (und europäische)
Unternehmen?

28. Wie viele deutsche Unternehmen sind vom DFA 1502 direkt oder indirekt
über die Berichtspflichten als Teil einer Lieferkette betroffen?

29. Sieht die Bundesregierung durch den DFA eine wirtschaftliche Benachteili-
gung bei den betroffenen deutschen Unternehmen?

Drucksache 18/3391 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
30. Sind der Bundesregierung die Auswirkungen von DFA 1502 in der Demo-
kratischen Republik Kongo und in den neun Nachbarländern bekannt, und
wenn ja, welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie daraus?

31. Setzt sich die Bundesregierung vor dem Hintergrund der in einer Studie der
niederländischen Organisation SOMO (November 2013) festgestellten
Sachlage, dass 79 Prozent der europäischen Unternehmen, die vom US-
amerikanischen DFA betroffen sind, bereits im Jahr 2013 Maßnahmen zur
gebotenen Sorgfaltspflicht durchführten, aber gleichzeitig nur 13 Prozent
der Unternehmen, die nicht dem verbindlichen DFA unterstehen, entspre-
chende Bemühungen anstellten, auf nationaler und europäischer Ebene für
eine verbindliche Regulierung ein?

32. Wenn nicht, was veranlasst die Bundesregierung zu der Überzeugung, dass
ein weiterer freiwilliger Ansatz wirksam sein wird?

33. Welche Erfahrungen hat die Bundesregierung mit der Zertifizierung von
Rohstoffen aus Konfliktregionen, beispielsweise mit dem BGR-Zertifizie-
rungsprojekt (BGR: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe)
in der Region der Großen Seen, gemacht?
Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung mit diesem Projekt lokale Ent-
wicklungsprozesse angestoßen?

34. Liegen der Bundesregierung Informationen vor, ob deutsche und euro-
päische Unternehmen statt Konfliktrohstoffe nun diese zertifizierten Roh-
stoffe nutzen?
Wenn ja, in welchem Umfang?
Und in Bezug auf welche Rohstoffe (bitte jeweils nach Unternehmen auflis-
ten)?

Berlin, den 26. November 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.