BT-Drucksache 18/3233

Bundesteilhabegesetz und kommunale Entlastung

Vom 12. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3233
18. Wahlperiode 12.11.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Corinna Rüffer, Anja Hajduk, Britta Haßelmann,
Markus Kurth, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Ekin Deligöz, Dr. Tobias
Lindner, Beate Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer, Dr. Gerhard Schick
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bundesteilhabegesetz und kommunale Entlastung

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD ist festgelegt, dass die
Kommunen im Zuge der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes um jähr-
lich 5 Mrd. Euro von den Kosten der Eingliederungshilfe entlastet werden sol-
len. Gegenwärtig werden verschiedene Möglichkeiten diskutiert, in welcher
Form sich der Bund finanziell an diesen Kosten beteiligen könnte. Ein Konzept,
das bereits seit mehr als zehn Jahren diskutiert wird, ist ein sogenanntes Teilha-
begeld. Sofern es dem Zweck eines finanziellen Transfers von Bundesmitteln
auf die kommunale Ebene dienen soll, könnte es in Form einer pauschalen Geld-
leistung an Personen, die Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe
haben, gestaltet werden. Es würde auf eben diese Leistungen wieder angerech-
net. Auf diese Weise soll eine sachgerechte Mitfinanzierung der Kosten von
Teilhabeleistungen durch den Bund möglich werden. Als alternatives Modell
wurde kürzlich die (schrittweise) Übernahme der Kosten der Unterkunft (Zwei-
tes Buch Sozialgesetzbuch – SGB II) durch den Bund vorgeschlagen.
Es ist sowohl behindertenpolitisch als auch mit Blick auf die finanzielle Belas-
tung der Kommunen entscheidend, dass die inhaltliche Reform der Eingliede-
rungshilfe und die finanzielle Entlastung der Kommunen nicht voneinander ge-
trennt werden, sondern in einem Gesetzgebungsverfahren stattfinden. Es ist seit
Jahren offensichtlich, dass die bestehenden Probleme im Teilhaberecht nicht nur
den Anspruch behinderter Menschen auf gleichberechtigte Teilhabe verletzen,
sondern auch überflüssige Kosten verursachen. Die Verknüpfung von inhalt-
lichen und finanziellen Interessen führt nun dazu, dass der Reformprozess im
Leistungsrecht Fahrt aufgenommen hat. Eine Trennung beider Aspekte würde
die Möglichkeit, das Leistungsrecht auch inhaltlich weiterzuentwickeln, erheb-
lich verschlechtern.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Zu welchem Zeitpunkt wird voraussichtlich eine Einigung über die sinn-

vollste Form der Verknüpfung der Weiterentwicklung der Eingliederungs-
hilfe und der finanziellen Entlastung der Kommunen erzielt sein, und ist
sichergestellt, dass Menschen mit Behinderungen und ihre Verbände an den
Verhandlungsprozessen ausreichend beteiligt werden?

Drucksache 18/3233 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Welche Vorteile ergeben sich aus Sicht der Bundesregierung, würde der
Bund im Zuge der Reform des Teilhaberechts die Kosten der Unterkunft
komplett übernehmen (bitte jeweils für den Bund, die kommunale Finanz-
lage sowie die der Länder und für die leistungsberechtigten behinderten
Menschen aufschlüsseln)?

3. Welche Nachteile ergeben sich aus Sicht der Bundesregierung, würde der
Bund im Zuge der Reform des Teilhaberechts die Kosten der Unterkunft
komplett übernehmen (bitte jeweils für den Bund, die kommunale Finanz-
lage sowie die der Länder und für die leistungsberechtigten behinderten
Menschen aufschlüsseln)?

4. Welche Vorteile ergeben sich aus Sicht der Bundesregierung, würde der
Bund im Zuge der Reform des Teilhaberechts dem leistungsberechtigten
Personenkreis ein pauschales Teilhabegeld auszahlen, das auf die Leistun-
gen der Eingliederungshilfe angerechnet würde (bitte jeweils für den Bund,
die kommunale Finanzlage sowie die der Länder und für die leistungs-
berechtigten behinderten Menschen aufschlüsseln)?

5. Welche Nachteile ergeben sich aus Sicht der Bundesregierung, würde der
Bund im Zuge der Reform des Teilhaberechts dem leistungsberechtigten
Personenkreis ein pauschales Teilhabegeld auszahlen, das auf die Leistun-
gen der Eingliederungshilfe angerechnet würde (bitte jeweils für den Bund,
die kommunale Finanzlage sowie die der Länder und für die leistungsbe-
rechtigten behinderten Menschen aufschlüsseln)?

6. Welcher Personenkreis würde von einem solchen Teilhabegeld besonders
profitieren?

7. Für welchen Personenkreis entstünden durch ein solches Teilhabegeld mög-
lichweise Nachteile?

8. Welche Vorteile ergeben sich aus Sicht der Bundesregierung, würde die
Bundesagentur für Arbeit zuständig werden für alle Leistungen zur Teil-
habe am Arbeitsleben bei gleichzeitiger Einführung eines Bundeszuschus-
ses zur Gegenfinanzierung dieser Leistungen (bitte jeweils für den Bund,
die kommunale Finanzlage sowie die der Länder und für die leistungsbe-
rechtigten behinderten Menschen aufschlüsseln)?

9. Welche Nachteile ergeben sich aus Sicht der Bundesregierung, würde die
Bundesagentur für Arbeit zuständig werden für alle Leistungen zur Teil-
habe am Arbeitsleben bei gleichzeitiger Einführung eines Bundeszuschus-
ses zur Gegenfinanzierung dieser Leistungen (bitte jeweils für den Bund,
die kommunale Finanzlage sowie die der Länder und für die leistungsbe-
rechtigten behinderten Menschen aufschlüsseln)?

10. Welche Regelungen des heutigen Sechsten Kapitels des SGB XII (Einglie-
derungshilfe) kommen aus Sicht der Bundesregierung für länderindividu-
elle gesetzgeberische Gestaltungsspielräume infrage und sind daher Teil der
von der Bundesregierung in der Fragestunde am 5. November 2014 (Plen-
arprotokoll 18/62, Anlage 13) erwähnten Prüfung?

11. Welche Regelungen des heutigen Sechsten Kapitels des SGB XII (Einglie-
derungshilfe) kämen für länderindividuelle gesetzgeberische Gestaltungs-
spielräume grundsätzlich infrage?

12. Welche Vor- und Nachteile sieht die Bundesregierung in der teilweisen Ver-
lagerung der Gesetzgebungskompetenz für Leistungen zur Teilhabe auf die
Länder für die leistungsberechtigten behinderten Menschen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3233
13. Besteht nach Kenntnis der Bundesregierung gegenwärtig für Menschen mit
Unterstützungsbedarf in allen Bundesländern unabhängig vom Ausmaß
ihres Unterstützungsbedarfs die Möglichkeit, ambulante Unterstützungs-
angebote in Anspruch zu nehmen, sofern sie nicht in einer (stationären) Ein-
richtung leben, lernen oder arbeiten möchten, und wenn nicht, wie ist das
mit dem Ziel einheitlicher Lebensbedingungen im gesamten Bundesgebiet
vereinbar?

14. Sieht die Bundesregierung durch die nach Information der Fragesteller
stattfindende unterschiedliche Bearbeitungs- und Bewilligungspraxis der
Sozialhilfeträger heute faktische Hemmnisse, wenn Menschen mit Behin-
derungen mit Bedarf an Teilhabeleistungen umziehen möchten?
Welche Auswirkungen hätten erweiterte Kompetenzen der Länder unter
diesem Gesichtspunkt?

15. Wie sind die Überlegungen zu einer beschränkten Gesetzgebungskompe-
tenz der Länder für die Eingliederungshilfe mit dem Ziel der Bundesregie-
rung (vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD) vereinbar, ein
bundesweit einheitliches Verfahren zur Bedarfsfeststellung zu schaffen?

Berlin, den 12. November 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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