BT-Drucksache 18/3150

Hasskriminalität wirkungsvoll statt symbolisch verfolgen

Vom 12. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3150
18. Wahlperiode 12.11.2014
Antrag
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, Kai Gehring, Katja Keul,
Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von
Notz, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hasskriminalität wirkungsvoll statt symbolisch verfolgen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In Deutschland werden Menschen Ziel von Gewaltdelikten, weil die Täter aus Hass
und Verachtung beispielsweise gegen Menschen anderer Herkunft oder Hautfarbe
handeln oder gegen Schwule, Lesben und Transgender, gegen Juden, Muslime, Je-
siden oder gegen Menschen mit Behinderung. Kennzeichen solcher Hasskriminalität
ist die Auswahl der Opfer aufgrund ihrer tatsächlichen oder auch nur zugeschriebe-
nen Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe. Die Taten richten
sich nicht auf ein bestimmtes Verhalten der Opfer, sondern auf ihre gesamte Existenz
und Identität.
Hasskriminalität zielt damit nicht nur gegen die Menschen als Individuen, sondern
insbesondere darauf, ganze Bevölkerungsgruppen einzuschüchtern und sie in ihrer
Freiheit, sich im öffentlichen Raum zu bewegen, einzuschränken. Neben der Präven-
tion von Hasskriminalität kommt daher auch der wirksamen Strafverfolgung eine
besondere gesellschaftliche Bedeutung zu. Hierfür bedarf es keines Sonderrechts,
keiner neuen Straftatbestände und keiner Erhöhung von Strafrahmen. Beweggründe
und Ziele des Täters sowie die Gesinnung, die aus einer Tat spricht, müssen bereits
nach geltendem Recht bei der Strafzumessung berücksichtigt werden (§ 46 Abs. 2
des Strafgesetzbuches). Um dies wirksam zu gewährleisten, sind vielmehr Klarstel-
lungen in bestehenden Vorschriften notwendig, die es Polizei und Justiz in der Praxis
erleichtern, Hasskriminalität zu erkennen und diese Erkenntnisse in der Ermittlungs-
arbeit bzw. in der strafrechtlichen Bewertung der Taten angemessen zu berücksich-
tigen.
Empirische Erkenntnisse, historische Erfahrungen und Daten aus anderen Ländern,
die Statistiken über Hassverbrechen führen, belegen, dass Menschen insbesondere
wegen der ethnischen Herkunft, der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidenti-
tät, der Religion oder Weltanschauung oder einer Behinderung zum Ziel von Hass-
kriminalität werden. Mindestens diese Erscheinungsformen von Hasskriminalität
und damit Motive wie Rassismus, Antiziganismus, Homo- und Transphobie, Anti-
semitismus, Islamophobie und Behindertenfeindlichkeit müssen daher bei rechtspo-
litischen Maßnahmen ausdrücklich in den Blick genommen werden. Über die mög-
liche Einbeziehung weiterer Kategorien muss intensiv beraten werden.

Drucksache 18/3150 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. gemeinsam mit den Ländern die Richtlinien für das Strafverfahren und das Buß-
geldverfahren (RiStBV) mindestens dahingehend zu ergänzen, dass
a) das öffentliche Interesse an der Verfolgung von Straftaten in der Regel zu

bejahen ist, wenn der hinreichende Verdacht besteht, dass diese durch die
abwertende und verachtende Einstellung von Täterinnen und Tätern gegen-
über Menschen wegen deren tatsächlichen oder zugeschriebenen ethnischen
Herkunft, sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität, Religion, Weltan-
schauung oder Behinderung motiviert sind. Dies gilt insbesondere in Hin-
blick auf die Möglichkeit der Einstellung nach den §§ 153, 153a der Straf-
prozessordnung sowie auf die Erhebung der öffentlichen Klage in Privat-
klagesachen (§ 376 der Strafprozessordnung);

b) das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bei Mischan-
tragsdelikten (wie z. B. Körperverletzung, Nachstellung und Sachbeschädi-
gung) in der Regel zu bejahen ist, wenn der hinreichende Verdacht besteht,
dass sie aus den unter a) genannten Gründen motiviert sind;

2. einen Entwurf für ein Gesetz zu Klarstellungen im Straftatbestand der Volks-
verhetzung (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches) vorzulegen. Der Entwurf
soll mindestens regeln, dass zu den dort bereits als mögliche Ziele von Volks-
verhetzung beispielhaft hervorgehobenen Teilen der Bevölkerung („nationale,
rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppen“)
zusätzlich die Merkmale sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität, Weltan-
schauung und Behinderung ausdrücklich benannt werden;

3. eine Kommission aus Vertreterinnen und Vertretern von Wissenschaft, zivilge-
sellschaftlichen Organisationen, Polizei und Justiz zu berufen, die binnen eines
Jahres prüft und Empfehlungen erarbeiten soll, ob weitere Kriterien wie z. B.
Geschlecht, Alter, gesellschaftlicher Status oder politische Einstellungen eben-
falls in der RiStBV und in § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB ausdrücklich benannt werden
sollen. Dabei sollen auch Empfehlungen erarbeitet werden, wie Hasskriminalität
gegen Wohnungslose und andere sozial Ausgegrenzte präzise erfasst und kennt-
lich gemacht werden kann;

4. das Aus- und Fortbildungsangebot für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Po-
lizeibehörden des Bundes (Bundespolizei, Bundeskriminalamt), des General-
bundesanwalts und für das Personal der Bundesgerichte in Hinblick auf ihre
Sensibilisierung für die Motive von Hasskriminalität und den Umgang mit Op-
fern solcher Straftaten auszubauen;

5. nach Abschluss der unter Nummer 3 benannten Kommissionarbeit eine bundes-
weite Studie über den Umgang der Ermittlungsbehörden und Gerichte mit Hass-
kriminalität in Auftrag zu geben, unter Berücksichtigung der unter Nr. 1 genann-
ten Motive sowie der von der Kommission getroffenen Empfehlungen.

Berlin, den 11. November 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3150
Begründung

Hasskriminalität zielt darauf, ganze Bevölkerungsgruppen einzuschüchtern und sie in ihrer Freiheit, sich im
öffentlichen Raum zu bewegen, empfindlich einzuschränken. Hinter solch gruppenbezogener Menschenfeind-
lichkeit steht eine Ideologie der Ungleichwertigkeit. Historische Erfahrungen und Daten aus anderen Ländern,
die Statistiken über Hassverbrechen führen, belegen, dass Menschen insbesondere wegen der ethnischen Her-
kunft, der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität, der Religion oder Weltanschauung oder einer Be-
hinderung zum Ziel von Hasskriminalität werden (vgl. z. B. die Hate Crime Statistik des us-amerikanischen
Federal Bureau of Investigation, FBI, www.fbi.gov, zuletzt abgerufen am 06.10.2014).

Mindestens diese Motive für Hasskriminalität müssen daher bei rechtspolitischen Maßnahmen in diesem Be-
reich ausdrücklich in den Blick genommen werden. Diese Herangehensweise entspricht auch dem Ansatz der
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Auch sie hebt hervor, dass es ihr bei der
Erfassung von „Hasskriminalität“ um die Fälle geht, in denen solche Menschen angegriffen werden, die schon
in der Vergangenheit gesellschaftlich unterdrückt und diskriminiert wurden (OSZE, Gesetze gegen „Hate
Crime“, Warschau 2011, S. 40).

Hasskriminalität zielt darauf, bestimmte Gruppen in die gesellschaftliche Unsichtbarkeit zu treiben. Wenn em-
pirisch und historisch gut belegte Zielgruppen von Hasskriminalität in rechtspolitischen Maßnahmen aus poli-
tischen Gründen ausgespart und nicht beim Namen genannt werden, reproduziert dies die zu Grunde liegenden
menschenfeindlichen Einstellungen wie z. B. Homophobie oder Transphobie und wirkt seinerseits diskrimi-
nierend.

In der wissenschaftlichen Literatur zur Hasskriminalität werden über die oben aufgeführten Kritierien mitunter
noch weitere genannt, z. B. Geschlecht, Alter, gesellschaftlicher Status oder politische Einstellungen. Daher
wird vorgeschlagen, eine Kommission aus Vertreterinnen und Vertretern von Wissenschaft, zivilgesellschaft-
lichen Organisationen, Polizei und Justiz zu berufen, die prüft und Empfehlungen erarbeiten soll, ob diese und
ggfs. weitere Kriterien in rechtspolitischen Maßnahmen ebenfalls ausdrücklich benannt werden sollten. Dabei
sollen auch Empfehlungen erarbeitet werden, wie Hasskriminalität gegen Wohnungslose und andere sozial
Ausgegrenzte präzise erfasst und kenntlich gemacht werden kann. Diese Gewalttaten zeichnen sich häufig
durch besonders menschenverachtende Brutalität aus. Tatopfer wie z. B. Wohnungslose werden von rechten
Tätergruppen als „Asoziale“ diskriminiert und herabgewürdigt. In der derzeitigen Praxis bei der Erfassung
politisch motivierter Kriminalität wird das Merkmal „gesellschaftlicher Status“ als Sammelkategorie verwen-
det, das brutale Überfälle auf Obdachlose genauso umfasst wie z. B. Delikte im Zusammenhang mit Protesten
gegen Gentrifizierung (vgl. BT-Drs. 17/14754, S. 8 f.). Das verschleiert die Dimensionen der rechten Gewalt
gegen sozial ausgegrenzte Menschen.

Eine konsequente Ermittlung der Motive und die Verfolgung von Hasskriminalität hat eine überragende Be-
deutung. Die Taten sollten regelmäßig zur Anklage kommen. Insofern knüpft der Antrag an die Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteil vom 11.03.2014 – Abdu ./. Bulgarien, Rz. 44) und
des Ausschusses der Vereinten Nationen für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (Entscheidung No.
48/2010 vom 26.02.2013 – Sarrazin, Rz. 12.2-12.3 = EuGRZ 2013, 266) zur Verfolgung von rassistisch moti-
vierten Taten an.

Der Abschlussbericht des 2. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Nationalsozialistischen Unter-
grund (NSU) hat in den gemeinsamen Empfehlungen festgehalten, dass „in allen Fällen von Gewaltkriminali-
tät, die wegen der Person des Opfers einen rassistisch oder anderweitig politisch motivierten Hintergrund haben
könnten, dieser eingehend geprüft und diese Prüfung an geeigneter Stelle nachvollziehbar dokumentiert werden
muss, wenn sich nicht aus Zeugenaussagen, Tatortspuren und ersten Ermittlungen ein hinreichend konkreter
Tatverdacht in eine andere Richtung ergibt. Ein vom Opfer oder Zeugen angegebenes Motiv für die Tat muss
von der Polizei beziehungsweise der Staatsanwaltschaft verpflichtend aufgenommen und angemessen berück-
sichtigt werden. Es sollte beispielsweise auch immer geprüft werden, ob es sinnvoll ist, den polizeilichen
Staatsschutz zu beteiligen und Informationen bei Verfassungsschutzbehörden anzufragen. Dies sollte in die
Richtlinien für das Straf- und das Bußgeldverfahren (RiStBV) sowie in die einschlägigen polizeilichen Dienst-
vorschriften aufgenommen werden“ (BT-Drs. 17/14600, S. 861).

Drucksache 18/3150 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Zwar haben die Justizministerinnen und Justizminister der Länder die Aufnahme einer Regelung in die RiStBV
angekündigt, nach der Ermittlungen auf das etwaige Vorliegen „menschenverachtender Tatmotive“ zu erstre-
cken sind (Beschluss der 84. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 12.–13.06.2013). Dar-
über hinaus sollen nach einem Gesetzentwurf des Bundesjustizministers „rassistische, fremdenfeindliche oder
sonstige menschenverachtende“ Ziele und Beweggründe fortan ausdrücklich in § 46 Abs. 2 des Strafgesetz-
buchs erwähnt werden. Nach dieser Norm müssen Beweggründe und Ziele des Täters sowie die Gesinnung,
die aus einer Tat spricht, jedoch schon jetzt bei der Strafzumessung berücksichtigt werden. Das gilt insbeson-
dere auch für menschenfeindliche Beweggründe (zu rassistischen Motiven, vgl. BT-Drs. 17/3124, S. 8 m. w. N.,
MüKo-Miebach, Strafgesetzbuch, 2. Aufl. 2012, § 46 Rn. 79). Damit wird eine effektive Verfolgung von Hass-
kriminalität weiterhin nicht umfassend gewährleistet. Deshalb fordern die Antragstellerinnen und Antragsteller
die Ergänzung der RiStBV durch weitere Bestimmungen.

Zum einen soll das öffentliche Interesse an der Verfolgung von Hasskriminalität in der Regel bejaht werden.
Dies hat zur Folge, dass die Staatsanwaltschaften die Verfolgung nicht wegen Geringfügigkeit nach § 153 der
Strafprozessordnung einstellen können. Eine Einstellung bei Erfüllung von Auflagen und Weisungen nach
§ 153a der Strafprozessordnung wird zwar weiterhin möglich sein, doch muss der besondere Unrechtsgehalt
der Tat bei der Festlegung von Art und Intensität der Auflagen und Weisungen berücksichtigt werden. Zudem
soll verhindert werden, dass die Staatsanwaltschaften die Verletzten in Privatklagesachen (etwa Beleidigung)
mangels öffentlichen Interesses (§ 376 der Strafprozessordnung) auf den Privatklageweg verweisen. Den Ver-
letzten werden mithin die Kosten einer Privatklage erspart.

Zum anderen soll das besondere öffentliche Interesse an der Verfolgung solcher Straftaten (etwa Körperverlet-
zung, Nachstellung und Sachbeschädigung), ebenfalls in der Regel bejaht werden. Ansonsten werden Mischan-
tragsdelikte nämlich nur auf Strafantrag verfolgt, der jedoch zuweilen aus Angst oder Scham nicht gestellt
wird.

Den zwingenden Vorgaben des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates zur strafrechtlichen Bekämpfung
bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit entspricht das deutsche
Strafrecht nach der Änderung von § 130 des Strafgesetzbuches im Jahre 2010 bereits. Neben „nationale[n],
rassische[n], religiöse[n] oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte[n] Gruppe[n]“ sollten in § 130 des
Strafgesetzbuches aber ausdrücklich mindestens auch Gruppen aufgenommen werden, die nach der – tatsäch-
lichen oder vermeintlichen – sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität, Weltanschauung oder einer Behinde-
rung bestimmt bzw. konstruiert sind. Zugehörige dieser Gruppen sind nämlich ebenso schutzbedürftig wie Zu-
gehörige der bereits jetzt in § 130 des Strafgesetzbuches erwähnten Gruppen. Zwar erstreckt sich der Schutz
von § 130 des Strafgesetzbuches auch gegenwärtig schon auf diese Gruppen, da diese anerkanntermaßen „Teile
der Bevölkerung“ im Sinne der Strafvorschrift sind (Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, Strafgesetzbuch, 29.
Aufl. 2014, § 130 Rn. 3 f.). Die vorgeschlagene Ergänzung des Straftatbestandes hat daher klarstellenden Cha-
rakter. Die ausdrückliche Aufnahme weiterer relevanter Gruppen, die auch bereits jetzt von der Definition der
Politisch motivierten Kriminalität erfasst sind, dient einer konsequenteren Sensibilisierung der Ermittlungsbe-
hörden und der Justiz.

Die Arbeit des 2. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum NSU hat auch gezeigt: Die Berücksichti-
gung der benannten Motive setzt voraus, dass sie als solche von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei-
behörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte überhaupt erkannt werden. Dies setzt ein entsprechendes Aus-
und Fortbildungsangebot voraus. Die gemeinsamen Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses for-
dern, dass die Aus- und Fortbildung der Polizeibehörden insbesondere für den Staatsschutz, die Grundlage
dafür legen muss, dass Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in ihrer Gefährlichkeit nicht unterschätzt
werden. Zudem sollen in die Aus- und Fortbildung auch die Wissenschaft und zivilgesellschaftliche Organisa-
tionen einbezogen werden. Eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jedoch ergeben,
dass „die Vermittlung aller einzelnen Formen von Hassdelikten sowie der spezifischen Diskriminierung … bei
der Ausbildung der Bundespolizei grundsätzlich nicht [erfolgt]“ und dass „die Aus- und Fortbildung der Bun-
despolizei zum sachgerechten Umgang mit Opfern, Zeuginnen und Zeugen von Straftaten nicht auf die der
Politisch Motivierten Kriminalität – rechts spezifiziert [wird]“ (BT-Drs. 17/14752, S. 13). Insofern besteht
sowohl Handlungsspielraum als auch Handlungsbedarf. Die Bundesregierung soll daher das Aus- und Fortbil-
dungsangebot für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizeibehörden des Bundes, des Generalbundesan-
walts und der Bundesgerichte ausbauen und etwa Menschenrechtsarbeit und interkulturelle Bildung als festen
Bestandteil in der Ausbildung verankern. Von diesem Angebot soll insbesondere auch der Umgang mit Opfern

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3150
und Zeugen von Hasskriminalität erfasst sein. Im Zuständigkeitsbereich der Länder sind die Landesregierungen
zu entsprechendem Handeln gefordert.

Schließlich soll die Bundesregierung perspektivisch eine bundesweite Studie über die Berücksichtigung der
benannten Motive durch die Ermittlungsbehörden und Gerichte in Auftrag geben. Dabei soll insbesondere auch
untersucht werden, inwiefern die Strafzumessungsregel des § 46 Abs. 2 des Strafgesetzbuches in Hinblick auf
Hasskriminalität greift. Damit wird die Empfehlung der Europäischen Kommission gegen Rassismus und In-
toleranz (ECRI) nach einer umfassenden Erfassung dieser Straftaten aufgegriffen (vgl. ECRI-Bericht über
Deutschland vom 25.02.2014, S. 18, 41). Zwar sind diese Motive nach § 46 Abs. 2 des Strafgesetzbuches
bereits jetzt in die Strafzumessung einzubeziehen. Rassistische Beweggründe etwa führen regelmäßig zu einer
Strafschärfung (vgl. BT-Drs. 17/3124, S. 8 m. w. N.). Es gibt jedoch bislang keine ausreichende Rechtstatsa-
chenforschung darüber, ob alle benannten Motive konsequent bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.
Beispielsweise seien hier Gewalttaten, die durch die tatsächliche oder vermeintliche Geschlechtsidentität bzw.
sexuelle Orientierung des Opfers motiviert sind genannt. In den USA machen die gegen Lesben, Schwule und
Transgender gerichteten Gewalttaten nahezu ein Fünftel der erfassten Hassverbrechen aus. In Deutschland liegt
für diesen Bereich praktisch gar keine Rechtstatsachenforschung vor. Das gilt auch hinsichtlich weiterer Grup-
pen, die besonders von Hasskriminalität bedroht sind.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.