BT-Drucksache 18/2799

Überprüfung der Geeignetheit von Kapitalanlagen im Rahmen des gebundenen Vermögens von Versicherungsunternehmen

Vom 8. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2799
18. Wahlperiode 08.10.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann,
Lisa Paus, Kerstin Andreae, Sven-Christian Kindler, Dr. Tobias Lindner
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Überprüfung der Geeignetheit von Kapitalanlagen im Rahmen des gebundenen
Vermögens von Versicherungsunternehmen

Gemäß § 81 Absatz 1 Satz 2 und 5 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG)
ist es Aufgabe der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die
Anlegung des gebundenen Vermögens von Versicherungsunternehmen in ge-
eignete Vermögenswerte zu überwachen. Diese Aufgabe ist Teil der Beobach-
tungsfunktion im Rahmen der Finanzaufsicht über Versicherungsunternehmen.
Die Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen ist weitgehend verrechtlicht.
Der Anlagekatalog des § 54 Absatz 2 VAG sieht bestimmte Produktkategorien
vor, in die Versicherungsunternehmen ausschließlich investieren dürfen. Zudem
müssen die Vermögensanlagen im Einzelnen, aber auch im Gesamtportfolio,
den Grundsätzen des § 54 Absatz 1 VAG entsprechen. Mithin müssen die Ka-
pitalanlagen den Grundsätzen der Sicherheit und Rentabilität bei jederzeitiger
Liquidität des Versicherungsunternehmens sowie der angemessenen Mischung
und Streuung entsprechen. Der Grundsatz der großen Sicherheit genießt dabei
Priorität.
In der auf Grundlage von § 54 Absatz 3 VAG erlassenen Anlageverordnung
(AnlV) sind die zulässigen Anlageformen für das gebundene Vermögen präzi-
siert. Zusätzlich hat die BaFin ein Kapitalanlage-Rundschreiben 4/2011 (VA)
herausgegeben, in dem Hinweise zu den verschiedenen Anlageformen des An-
lagekatalogs enthalten sind. Die Hinweise im Kapitalanlage-Rundschreiben
stellen die Verwaltungspraxis der BaFin dar und binden die Versicherungsunter-
nehmen daher allenfalls nur mittelbar.
Über ihre gesamten Vermögensanlagen, aufgegliedert in Neuanlagen und Be-
stände, müssen die Versicherungsunternehmen in den von der BaFin festgeleg-
ten Formen und Fristen berichten (§ 54d Satz 1 VAG). Die Berichterstattung im
Sinne des § 54d VAG über Neuanlagen und Bestände des Versicherungsunter-
nehmens hat durch die von der BaFin festgelegten Nachweisungen 670 und 673
sowie über spezielle Vordrucke, die als Anlagen „Fonds“, „Immobilien“, „Streu-
ung“, „Hedgefonds“, „Rohstoffprodukte“ und „ABS/CLN“ der Sammelver-
fügung vom 21. Juni 2011 beigefügt sind, zu erfolgen. Daneben sind in einem
Vermögensverzeichnis die Bestände des Sicherungsvermögens einzeln einzu-
tragen (§ 66 Absatz 6 VAG). Auch dieses Verzeichnis ist der BaFin in den dafür
vorgesehenen Vordrucken einzureichen.
Sollte die BaFin die Kapitalanlagen der Versicherungsunternehmen einer risiko-
basierten und inhaltlichen Überprüfung unterziehen, um die Einhaltung der An-
lagegrundsätze – vor allem der Sicherheit – zu überprüfen, könnte man von einer

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weitgehend flächendeckenden Finanzproduktaufsicht in Deutschland sprechen,
da die Versicherungsunternehmen zu der größten Anlegergruppe am Kapital-
markt zählen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit, insbesondere in welchem Umfang unter Zuhilfenahme welcher

Methoden, überprüft die BaFin die Geeignetheit der Kapitalanlage im ge-
bundenen Vermögen von Versicherungsunternehmen, um ihren gesetz-
lichen Auftrag gemäß § 81 Absatz 1 Satz 2 und 5 VAG nachzukommen?

2. Inwiefern verfolgt die BaFin ein konkretes Aufsichtskonzept zur Über-
prüfung der Geeignetheit von Kapitalanlagen im Rahmen des VAG?

3. Welche konkreten Prüfkriterien legt die BaFin zugrunde, wenn sie die ein-
gereichten Anlagen und Nachweisungen (§ 54d VAG) sowie das Vermö-
gensverzeichnis (§ 66 Absatz 6 VAG) zur Überprüfung von den Versiche-
rungsunternehmen eingereicht bekommt?

4. Inwiefern erfolgt eine Überprüfung der jeweiligen Risikoeinschätzungen
der Versicherungsunternehmen durch die BaFin im Hinblick auf die einzel-
nen Anlagegegenstände im gebundenen Vermögen?

5. Inwiefern erfolgt dabei eine eigene Risikoeinschätzung oder eine ähnliche
Qualitätskontrolle (z. B. auf Grundlage von Risikomodellen, wie Chance-
Risiko-Profile oder Value-at-Risk-Modelle) der BaFin in Bezug auf das Ge-
samtportfolio respektive in Bezug auf jeden einzelnen Anlagegegenstand?

6. Inwieweit, insbesondere in welcher Größenordnung, erfolgt eine Überprü-
fung auf Grundlage von Stichproben?

7. Inwieweit dient die im Kapitalanlage-Rundschreiben 4/2011 beschriebene
Verwaltungspraxis als Überprüfungsmaßstab?

8. Inwieweit finden über die Prüfung der Einhaltung der Kriterien des Kapital-
anlage-Rundschreibens 4/2011 hinausgehende inhaltliche – insbesondere
risikobasierte – Überprüfungen der Kapitalanlagen durch die BaFin statt?

9. Inwieweit verwendet die BaFin bestimmte Prüfalgorithmen oder soft-
waregestützte Systeme, die die Nachweisungen nach § 54d VAG auswerten
und abgleichen, und werden insbesondere nur offensichtliche Abweichun-
gen, die das System generiert, von der BaFin überprüft?

10. Inwieweit ist der Prüfvermerk des Sondervermögentreuhänders ausschlag-
gebend für weitergehende Prüfungen der BaFin hinsichtlich der Qualifika-
tion von Vermögensgegenständen für das Sondervermögen von Versiche-
rungsunternehmen?

11. Sollte die BaFin keine eigenen inhaltlichen Risikoüberprüfungen der Kapi-
talanlagen durchführen, inwieweit erschöpft sich die Aufsichtstätigkeit in
einer reinen Überprüfung der ordnungsgemäßen Einrichtung von unterneh-
mensinternen Kapitalanlagemanagementsystemen von Versicherungen (As-
set-Liability-Management, Risikomanagement und Kontrollverfahren)?

12. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass zur Überprüfung der unter-
nehmensinternen Kapitalanlagemanagementsysteme auch eine Risikoüber-
prüfung der einzelnen Anlageprodukte durch die BaFin vorgenommen wer-
den müsste, um die Risikoeinschätzung der Versicherungsunternehmen
überprüfen und einschätzen zu können?

13. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung und/oder BaFin der Anteil
von Lebens- und Rentenversicherungen, die im Durchschnitt vorzeitig ge-
kündigt werden (bitte nach Lebens- und Rentenversicherungen aufgeschlüs-

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selt und einerseits gemessen an der Anzahl der Verträge und andererseits an
deren Gesamtvolumen dargestellt)?

14. Nach wie vielen Jahren durchschnittlicher Laufzeit werden Lebens- und
Rentenversicherungen nach Kenntnis der Bundesregierung und/oder BaFin
gekündigt (bitte nach Lebens- und Rentenversicherungen aufschlüsseln)?

15. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Stornoquote bei Le-
bens- und Rentenversicherungsverträgen in den letzten zehn Jahren ent-
wickelt?

16. Ist es angesichts der Anzahl der frühzeitig stornierten Verträge angemessen,
dass Versicherer über die kalkulatorischen und nicht über die tatsächlichen
Kosten informieren müssen (§ 2 der Verordnung über Informationspflichten
bei Versicherungsverträgen), und kann die Einführung einer Informations-
pflicht über die tatsächliche Kostenbelastung nach Ansicht der Bundes-
regierung dazu beitragen, dass Versicherte besser über das Kostenrisiko
einer vorzeitigen Kündigung des Versicherungsvertrages informiert sind?

Berlin, den 8. Oktober 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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