BT-Drucksache 18/2786

Kurzzeitig Beschäftigten vollständigen Zugang zur Arbeitslosenversicherung ermöglichen

Vom 9. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2786
18. Wahlperiode 09.10.2014
Antrag
der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Sigrid Hupach, Klaus Ernst,
Matthias W. Birkwald, Dr. Rosemarie Hein, Katja Kipping, Jutta Krellmann,
Cornelia Möhring, Harald Petzold, Azize Tank, Dr. Axel Troost, Kathrin Vogler,
Harald Weinberg, Birgit Wöllert, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Kurzzeitig Beschäftigten vollständigen Zugang zur Arbeitslosenversicherung
ermöglichen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Viele befristet Beschäftigte haben nur noch Arbeitsverträge von kurzer Dauer. 2010
gab es etwa 4,2 Millionen Beschäftigungsverhältnisse, die kürzer als zehn Wochen
dauerten. Das waren 14 Prozent der knapp 30 Millionen sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten (IAB-Forschungsbericht 9/2012, neuere Daten liegen nicht vor). Viele
der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind im Fall von Erwerbslo-
sigkeit nicht durch die Arbeitslosenversicherung abgesichert. Die Anzahl derjeni-
gen, die im Fall von Erwerbslosigkeit das Arbeitslosengeld I nach der Sonderrege-
lung für kurzzeitig Beschäftigte nach § 142 Absatz 2 des Dritten Buches Sozialge-
setzbuch (SGB III) erhalten haben, lag in den zurückliegenden Jahren lediglich zwi-
schen 211 und 242 jährlich. Ohnehin zu eng angelegt, läuft diese Sonderregelung
nun zum Jahresende 2014 auch noch aus. Es bedarf nicht nur einer Verlängerung
sondern darüber hinaus einer Änderung, mit der die bestehenden Defizite behoben
werden.

Ursprünglich wurden die Sonderregelungen zur Gewährung von Arbeitslosengeld
für kurzzeitig Beschäftigte insbesondere für die Berufe in der Kulturbranche ge-
schaffen. Aus diesem Bereich kommen auch die meisten Antragstellerinnen und An-
tragsteller. Zwischenzeitlich ist branchenmäßig die kurzzeitige Beschäftigung mit
21,8 Prozent am stärksten in der Leiharbeit vertreten und die Mehrzahl der Betroffe-
nen sind Migrantinnen und Migranten. Die meisten Berufe mit kurzen Befristungen
haben deutlich unterdurchschnittliche Verdienste (vgl. Antwort auf die Kleine An-
frage der Fraktion DIE LINKE. Bundestagsdrucksache 18/1381). Die Politik der De-
regulierung des Arbeitsmarktes und der Verschärfung des Drucks auf Erwerbslose
und Beschäftigte durch die Hartz-Reformen und die Agenda 2010 hat für die Wirt-
schaft die Bedingungen dafür geschaffen, dass sich kurzzeitige Beschäftigung mas-
siv ausweitet. Die Beschäftigten in diesen Arbeitsverhältnissen zahlen zwar i. d. R.
in die Arbeitslosenversicherung ein. Dennoch haben sie als Beitragszahlerinnen und
Beitragszahler nicht die gleichen Möglichkeiten unter den Schutzmantel der Arbeits-
losenversicherung zu gelangen. Sie werden umgehend auf das repressive, bedürftig-
keitsgeprüfte Hartz-IV-System verwiesen. Dies ist nicht hinnehmbar.
Drucksache 18/2786 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Ein Abbau der Hürden im Antragsverfahren könnte hunderttausenden Beschäftigten,
die über längere Zeit in kurzzeitig befristeten Beschäftigungsverhältnissen arbeiten,
den Zugang zum Arbeitslosengeld I eröffnen. Das Pendeln zwischen kurzzeitiger
Beschäftigung und Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug oder mit Hartz-IV-Bezug
muss beendet werden. Die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler müssen ein Recht
darauf haben, im Versicherungsfall auch Leistungen aus der Arbeitslosenversiche-
rung zu beziehen.

In Zukunft sollen alle Beitragszeiten für alle Beschäftigten gleichermaßen für die
Gewährung von Leistungen aus dem SGB III, insbesondere für die Gewährung des
Arbeitslosengeldes, berücksichtigt werden. Die Neuregelung von Rahmenfrist, An-
wartschaftszeit und Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wird den derzeitigen
Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt gerecht und schafft gleichzeitig komplizierte
Sonderregelungen ab. Unabhängig davon bleibt es ein wichtiges Anliegen, den Ur-
sachen der Ausweitung der kurzzeitigen Beschäftigung Einhalt zu gebieten, bei-
spielsweise durch eine strengere Regulierung der Befristung von Arbeitsverhältnis-
sen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf
vorzulegen, um

1. die Rahmenfrist in § 143 SGB III, innerhalb derer die Anwartschaftszeiten für
den Bezug von Arbeitslosengeld I erfüllt werden muss, von zwei Jahren auf
drei Jahre heraufzusetzen;

2. die Anwartschaftszeit in § 142 Absatz 1 Satz 1 SGB III generell auf sechs Mo-
nate zu verkürzen und die Regelung des § 142 Absatz 2 SGB III aufzuheben
sowie

3. die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß § 147 Absatz 2 SGB III
dahingehend zu erweitern, dass nach Versicherungsverhältnissen mit der Dauer
von insgesamt mindestens sechs Monaten für drei Monate Anspruch auf Ar-
beitslosengeld besteht, für Versicherungspflichtverhältnisse von einer Dauer
von acht Monaten für vier Monate Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht und
für Versicherungspflichtverhältnisse von einer Dauer von zehn Monaten für
fünf Monate Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht.

Berlin, den 9. Oktober 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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