BT-Drucksache 18/1927

Schusswaffen in Deutschland

Vom 25. Juni 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1927
18. Wahlperiode 25.06.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Claudia Roth (Augsburg),
Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Katja Keul, Renate Künast,
Monika Lazar, Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Schusswaffen in Deutschland

Infolge des Amoklaufs von Winnenden vollzog die Große Koalition im Juli
2009 einige Änderungen des Waffengesetzes (WaffG). Die Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN hat damals kritisiert, dass entscheidende Lücken des beste-
henden Waffengesetzes und seines Vollzugs dabei jedoch ungelöst blieben. Der
Massenmord mit halbautomatischen Schusswaffen auf der Insel Utoya im Som-
mer 2011 und weitere Amoktaten der letzten Jahre haben die Dimension der Ge-
fährlichkeit von Waffen immer wieder bestätigt. Im Rahmen einer notwendigen,
weitreichenden Prävention von Waffenmissbrauch gilt es vor allem auch die
Verfügbarkeit von und den Zugang zu Waffen erheblich zu erschweren bzw. zu
verhindern. Denn die Amoktaten der vergangenen Jahre in Deutschland wurden
mit legalen Waffen begangen. Solange einsatzfähige Waffen zusammen mit Mu-
nition in Privathaushalten zu finden sind, stellen sie ein Risiko für die öffentliche
Sicherheit dar. Die bestehenden Vorschriften zur Sicherung von Waffen und
Munition reichen nicht aus. Dies betrifft vor allem Besitz und Lagerung von
Sportwaffen und Munition sowie die Nutzung großkalibriger Waffen im Schieß-
sport.
Die europäische Richtlinie des Rates über die Kontrolle des Erwerbs und des
Besitzes von Waffen (91/477/EWG) verpflichtet alle Mitgliedstaaten der Euro-
päischen Union, bis spätestens 31. Dezember 2014 ein computergestütztes Waf-
fenregister auf nationaler Ebene zu schaffen und auf aktuellem Stand zu halten.
In § 43a WaffG ist festgelegt, dass bis zum 31. Dezember 2012 ein Nationales
Waffenregister zu errichten ist, in dem bundesweit insbesondere Schusswaffen,
deren Erwerb und Besitz der Erlaubnis bedürfen, sowie Daten von Erwerbern,
Besitzern und Überlassen dieser Schusswaffen elektronisch auswertbar zu erfas-
sen und auf aktuellem Stand zu halten sind.
Das Bundesverwaltungsamt nahm als Registerbehörde am 1. Januar 2013 die
Zentrale Komponente des Nationalen Waffenregisters (NWR) in Betrieb. Das
NWR ermöglicht es, Waffen sowie waffenrechtliche Erlaubnisse, Ausnahmen,
Anordnungen, Sicherstellungen oder Verbote den betroffenen Personen zuzu-
ordnen (§ 1 Absatz 1 des Nationalen-Waffenregister-Gesetzes – NWRG). Dem-
entsprechend werden alle Informationen zu Waffen, Erlaubnissen und anderen
behördlichen Entscheidungen in Verbindung mit den Personendaten gespei-
chert. Nach Auffassung der Bundesregierung (vgl. Antwort auf die Kleine An-
frage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/723, Antwort zu
Frage 1) ist davon auszugehen, dass die „alten“ Datenbestände zu den Erlaub-
nissen und Waffen jedoch teilweise unvollständig oder nicht eindeutig genug im

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Sinne des neu geschaffenen Standards und daher zwingend korrekturbedürftig
sind.
In der Folge sollen nun die Datensätze der einzelnen Waffenbehörden bis zum
gesetzlich festgelegten Stichtag (31. Dezember 2017) bereinigt werden. Hierzu
sei ein Zusammenwirken u. a. der Waffenbehörden, der Innenministerien der
Länder als Fachaufsichtsbehörden und des Bundesverwaltungsamts erforder-
lich. Um die Datenbereinigung systematisch und zielführend zu gestalten, sei
daher durch die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Län-
der (IMK) eingerichteten Bund-Länder-Arbeitsgruppe Nationales Waffenregis-
ter ein „Masterplan Datenbereinigung“ beschlossen worden. Die initiale Hand-
reichung sei bereits im ersten Quartal 2014 für die Waffenbehörden verfügbar
(vgl. www.bva.bund.de/DE/Organisation/Abteilungen/Abteilung_S/NWR/
Meldungen/Newsletter/2014-01_thema1.html).
Diese Kleine Anfrage hat vor allem zum Ziel, Erkenntnisse über das im Januar
2013 gestartete nationale Waffenregister zu erlangen. Ferner möchten die Frage-
steller nähere Informationen zum Gebrauch konkreter Schusswaffen sowie zum
Aspekt Sportschützen erhalten.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung hinsichtlich der gemäß

§ 8 Absatz 1 Satz 2 NWRG durch die Registrierbehörde durchzuführende
Schlüssigkeitsprüfung im Hinblick auf alle bislang übermittelten Daten-
sätze durch die Waffenbehörden vor?

2. In wie vielen Fällen wurde die Schlüssigkeit der übermittelten Daten bislang
verneint, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus?

3. In wie vielen Fällen haben Waffenbehörden nach einer Prüfung im Sinne
von § 8 Absatz 2 NWRG seit Aufnahme des Betriebes des NWR unverzüg-
lich berichtigte und vervollständigte Daten an die Registerbehörde übermit-
telt?

4. Welchen konkreten Inhalt haben der „Masterplan Datenbereinigung“ und
die initiale Handreichung?

5. Welche zusätzlichen Kosten werden voraussichtlich durch die Datenberei-
nigung anfallen?

6. In welcher Weise ist die in § 19 NWRG vorgesehene Auskunftserteilung an
Betroffene im Wege der Datenübertragung über das Internet sichergestellt?

7. Wie viele Schusswaffen sind derzeit in Deutschland im NWR registriert,
und wie hoch ist die Rate an Schusswaffen im Hinblick auf die Pro-Kopf-
Bevölkerung?

8. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Schusswaffen
in Privatbesitz und der Schusswaffenbesitzer seit dem Jahr 2000 entwickelt?

9. Wie viele erteilte waffenrechtliche Erlaubnisse gemäß § 2 Nummer 3
NWRG sind jeweils registriert?

10. Wie vielen Personen wurden seit der Einführung des NWR die Erlaubnis
des Waffenbesitzes entzogen (bitte nach dem registrierten Bedürfnis der
entzogenen Erlaubnis aufschlüsseln)?

11. Wie viele und welche behördlichen Ausnahmen, Anordnungen, Sicherstel-
lungen, Einziehungen, Verwertungen oder Waffenverbote sind jeweils re-
gistriert?

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12. Liegen der Bundesregierung Informationen dazu vor, ob Schützen unter
25 Jahren im Jahr 2013 vor Ausstellung einer Waffenbesitzkarte auf ihre
psychologische Eignung untersucht wurden, und wenn ja, wie viele, und
mit welchem Ergebnis?

13. Welche Schusswaffen sind jeweils im Zusammenhang mit welchen „Be-
dürfnissen“ (§ 8 WaffG) gemäß § 4 Absatz 1 Nummer 7 WaffG registriert
(bitte nach Bedürfnis, also Jäger, Sportschütze, Brauchtumsschütze, Waf-
fen- oder Munitionssammler, Waffen- oder Munitionssachverständiger,
gefährdete Person, als Waffenhersteller oder -händler oder als Bewachungs-
unternehmer, aufschlüsseln)?

14. Wie viele
a) Feuerwaffen,
b) vollautomatische Schusswaffen,
c) Repetierwaffen,
d) Einzelladerwaffen,
e) Langwaffen,
f) Kurzwaffen,
g) Schreckschusswaffen,
h) Reizstoffwaffen,
i) Signalwaffen, Druckluft- und Federdruckwaffen,
j) Kriegsschusswaffen der Nummern 29 und 30 der Kriegswaffenliste (An-

lage zu § 1 Absatz 1 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen),
k) als anderer Gegenstand getarnte Schusswaffen,
l) zivile halbautomatische Schusswaffen, die wie vollautomatische Kriegs-

waffen aussehen
sind im NWR registriert?

15. Wie werden im NWR Schusswaffen von historischem, folkloristischem
oder dekorativem Interesse (z. B. Schießpulverwaffen wie Vorderladepisto-
len und andere Kurzwaffen) erfasst, deren Munition nicht mehr gewerblich
hergestellt wird?
Wie viele solcher Waffen sind derzeit in Deutschland registriert, und bei wie
vielen dieser Waffen ist eine Blockierung der Schussfähigkeit eingetragen?

16. Wie viele Schusswaffen mit historischem, folkloristischem oder dekorati-
vem Interesse sind derzeit in Deutschland registriert, für die weiterhin Mu-
nition käuflich zu erwerben ist?
Bei wie vielen dieser Waffen ist eine Blockierung der Schussfähigkeit ein-
getragen?

17. Wie viele halbautomatische und wie viele vollautomatische Schusswaffen
sind derzeit im Zusammenhang mit dem Bedürfnis „Sport“ registriert, und
um welche Schusswaffen handelt es sich dabei?

18. Wie viele und welche Gruppen von Beamten sowie Angestellten des öffent-
lichen Dienstes des Bundes haben nach Kenntnis der Bundesregierung
Zugriff auf Schusswaffen und sind berechtigt, Schusswaffen in der Öffent-
lichkeit zu tragen (bitte jeweils auch Anzahl und Klassifizierung – halb- und
vollautomatisch – der verfügbaren bzw. in Gebrauch befindlichen Waffen
hinzufügen)?

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19. Wie viele dieser Personen haben nach Kenntnis der Bundesregierung eine
Berechtigung, Munition und/oder Waffe auch außerhalb der Dienststelle
aufzubewahren, und wie viele nehmen Anspruch von dieser Berechtigung?

20. Bei wie vielen registrierten Straftaten wurden nach Kenntnis der Bundesre-
gierung seit dem Jahr2000 illegale Schusswaffen verwendet (bitte um tabel-
larische Auflistung Jahr für Jahr)?

21. Wie viele Waffen, die nicht im nationalen Waffenregister registriert waren,
wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2013 beschlagnahmt?

22. Wie viele registrierte und wie viele illegale Schusswaffen wurden bei
Amokläufen in Deutschland mit Schusswaffeneinsatz seit dem Jahr 2000
nach Kenntnis der Bundesregierung von den Tätern verwandt?

23. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen
einer Studie des Epidemiologen Michael Siegel u. a. von der Boston Uni-
versity School of Public Health aus dem Jahr 2013, die ergeben, dass es eine
„robuste Korrelation“ zwischen der Zahl der Waffen im Umlauf und der
Häufigkeit von Morden gibt, in dem Sinne, dass umso häufiger Menschen
mit Schusswaffen getötet werden, je mehr davon im Umlauf sind, und wel-
che Konsequenzen sollten nach Ansicht der Bundesregierung aus den
Ergebnissen der genannten Studie in Bezug auf das geltende Waffenrecht
gezogen werden?

24. Hat sich aus Sicht der Bundesregierung die Beschränkung des nach dem
Amoklauf in Erfurt eingeführten Verbots von Vorderschaftrepetierflinten
(Pumpgun) auf solche, die einen Pistolengriff statt eines Hinterschaftes
bzw. Gewehrkolbens haben, bewährt, und aus welchen Gründen ist diese
Unterscheidung im Jahr 2002 getroffen worden?

25. Besteht aus Sicht der Bundesregierung der Bedarf, diese Differenzierung
aufzuheben und das Verbot auf alle Vorderschaftrepetierflinten auszuwei-
ten, da diese nach Information der Fragesteller mit einfachen technischen
Mitteln und Kenntnissen umgebaut werden können?

26. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem
Jahr 2000 in Deutschland mit einer Waffe getötet oder verletzt, deren Er-
laubnis sich auf das Bedürfnis „Sport“ bezog?

27. Wie hat sich die Mitgliederzahl der in Deutschland ansässigen Schützenver-
eine nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2000 entwickelt?

28. Wie hat sich die Mitgliederzahl der in Deutschland ansässigen Schützenver-
eine bei unter 18-Jährigen seit dem Jahr 2000 nach Kenntnis der Bundes-
regierung entwickelt?

29. Wie viele Schießsportverbände sind derzeit in Deutschland als solche im
Sinne von § 15 WaffG anerkannt?

30. In welchen olympischen Disziplinen werden nach Kenntnis der Bundes-
regierung Druckluftwaffen oder Laserlicht bzw. Lichtpunktpistolen einge-
setzt?

31. Ist es zutreffend, dass halbautomatische Sturmgewehre, wie beispielsweise
das Bushmaster-Sturmgewehr, von Sportschützen in Deutschland verwen-
det werden dürfen?

32. In welchen Schießsportarten finden in Deutschland nach Kenntnis der Bun-
desregierung Vorderschaftrepetierflinten (Pumpgun) beim Sportschießen
Anwendung?

33. Welche Argumente sprechen nach Auffassung der Bundesregierung für die
gesetzliche Zulässigkeit von großkalibrigen Schusswaffen für Sportschüt-
zen?

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34. Wie viele Anträge im Sinne von § 6 Absatz 3 der Allgemeinen Waffenge-
setz-Verordnung wurden seit dem Jahr 2000 gestellt, und wie wurden diese
jeweils beschieden?

35. Welche Schusswaffen, wie sie beispielsweise von Sportschützen verwendet
werden, wurden vorher ganz konkret als Waffe für die Polizei oder die Bun-
deswehr entwickelt?

36. Wie viele Ordonanzwaffen, also ursprünglich offiziell eingeführte Waffen
zur ausschließlich militärischen Nutzung, sind nach Waffengattungen auf-
geteilt im Waffenregister zur Verwendung im Sportschiessen registriert?

37. Dürfen Ordonanzwaffen, also echte Kriegswaffen, z. B. aus dem ersten
oder zweiten Weltkrieg, zum Sportschießen verwendet werden?
Wenn ja, welche?

38. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der am 23. April 2012 in der ARD erstausgestrahlten Dokumentation
„Waffen sind mein Leben“ getätigten Erklärung von Joachim Streitberger
(ab Minute 20:00) , Gründer des „Forum Waffenrechts“, dass er und das
Forum regelmäßig seitens der Bundesregierung schon zu einem sehr frühen
Zeitpunkt über Gesetzvorhaben im Waffenrecht (Zitat: „sog. Non-Papers“)
informiert wurden und werden?

39. Geschah die mögliche Weitergabe (Frage 38) unter Zustimmung des zustän-
digen Bundesministers oder anderer Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter des
Bundesministeriums, wenn nein, wurden aus dem Vorgang Konsequenzen
zum Beispiel in disziplinarrechtlicher Weise gezogen, und wenn nicht,
warum nicht?

Berlin, den 24. Juni 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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