BT-Drucksache 18/1740

Geplante Einführung eines Textilsiegels durch die Bundesregierung

Vom 11. Juni 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1740
18. Wahlperiode 11.06.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Renate Künast, Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Nicole
Maisch, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Katja Keul, Monika Lazar, Irene
Mihalic, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Geplante Einführung eines Textilsiegels durch die Bundesregierung

Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,
Dr. Gerd Müller, kündigte am 6. April 2014 an, dass die Bundesregierung ein
„Textilsiegel“ vorbereite (WELT am SONNTAG vom 6. April 2014, S. 5). In
der 16. Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des
Deutschen Bundestages am 7. Mai 2014 bestätigte der Bundesminister der
Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas, dieses Vorhaben.
Am 30. April 2014 initiierte die Bundesregierung unter Federführung des
Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(BMZ) im Rahmen eines Runden Tisches ein „Textil-Bündnis“ (vgl. Schreiben
des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,
Dr. Gerd Müller, an die Vorsitzende des Ausschusses für Recht und Verbraucher-
schutz, Renate Künast, vom 15. Mai 2014) mit Vertreterinnen und Vertretern
von 27 Unternehmen, Verbänden, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisatio-
nen und Zertifizierern. Dabei habe man sich auf die Erarbeitung gemeinsamer
Ziele in drei Dimensionen verständigt: (1) Transparenz in der textilen Liefer-
kette, (2) Wirksamkeit der Maßnahmen zur Förderung der Sozial- und Umwelt-
standards und (3) Orientierung an den Bedürfnissen der Verbraucherinnen und
Verbraucher. „Bis zum Sommer“ (2014) beabsichtigt die Bundesregierung einen
Aktionsplan, mit dem sich die Akteure auf Umsetzungsschritte mit konkreten
Zeitzielen für diese gemeinsamen Standards verpflichten sollen. In der Textil-
industrie erfolgt die Produktion entlang äußerst komplexer Wertschöpfungs-
ketten. Vom Baumwollanbau über das Spinnen, Weben und Färben von Garnen
und Stoffen, bis hin zur Konfektionierung der Kleidungsstücke, muss eine Viel-
zahl von Prozessen überwacht werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welches Bundesministerium ist für die geplante Einführung eines Textil-

siegels federführend zuständig?
2. Wenn die federführende Zuständigkeit nicht beim BMZ liegen sollte,

a) welche Erwägungsgründe sprechen dagegen,
b) in welchen Bereichen wird das BMZ beteiligt?

Drucksache 18/1740 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Wenn die federführende Zuständigkeit nicht beim Bundesministerium der
Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) liegen sollte,
a) welche Erwägungsgründe sprechen dagegen,
b) in welchen Bereichen wird das BMJV beteiligt?

4. Wenn die federführende Zuständigkeit nicht beim Bundesministerium für
Arbeit und Soziales (BMAS) liegen sollte,
a) welche Erwägungsgründe sprechen dagegen,
b) in welchen Bereichen wird das BMAS beteiligt?

5. In welcher Höhe und aus welchen Ressorts sollen Haushaltsmittel für die
Erarbeitung des Siegels bereitgestellt werden?

6. Gibt es, ungeachtet der Federführung, konkrete Vorschläge, die Zusammen-
arbeit der drei betroffenen Ministerien bei der Erarbeitung des Siegels zu
koordinieren, um Konflikten bei der Zuständigkeit vorzubeugen?

7. Welche 27 Akteure waren an dem ersten Runden Tisch vom 30. April 2014
beteiligt?
Nach welchen Kriterien wurden diese ausgesucht?

8. Plant die Bundesregierung die Einbindung von Stakeholdern aus den be-
troffenen Produktionsländern entlang der Lieferkette?

9. Welche Rolle spielen deutsche und ausländische Gewerkschaften bei der
Konzipierung des Siegels?

10. Inwieweit werden bestehende Multistakeholder-Initiativen, wie die Fair
Wear Foundation, in den Erarbeitungsprozess des Siegels eingebunden?

11. Haben alle Akteure ihre Bereitschaft signalisiert bzw. zugesagt, sich an der
weiteren Arbeit im Rahmen des „Textil-Bündnisses“ zu beteiligen?
Wenn nein, welche Akteure nicht, und aus welchen Gründen?

12. Welche unterschiedlichen Zielsetzungen und Standpunkte lassen sich in
diesem frühen Stadium der Beratungen zwischen den unterschiedlichen
Akteuren erkennen?

13. Wie soll sich das Siegel von bereits bestehenden Siegeln unterscheiden?
Welchen Mehrwert erhofft sich die Bundesregierung von der Erarbeitung
eines eigenen Textilsiegels?

14. Wie ist die konkrete Aufgabenverteilung unter den Akteuren zur Erarbei-
tung des Aktionsplanes?

15. Was ist die konkrete Rolle der Bundesregierung bei der Erarbeitung des
Aktionsplanes?

16. Wird sich der Aktionsplan nur mit die Umsetzbarkeit und Einführung des
Siegels befassen oder geht es auch um die Kontrolle der Einhaltung der
angelegten Standards?

17. Wenn auch die Kontrolle der Einhaltung der angelegten Standards im
Aktionsplan enthalten sein soll (Frage 16), wie kann die Bundesregierung
die Kontrolle der gesamten Lieferkette übernehmen?

18. Wie schätzt die Bundesregierung angesichts dessen (Frage 17) die Gefahr
des staatlich zertifizierten Green- bzw. Fair Washing ein, bzw. wie will sie
dieses verhindern?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1740
19. Wenn die Kontrolle der Einhaltung der angelegten Standards nicht im
Aktionsplan enthalten sein soll (Frage 16), wie soll die Einhaltung der
Standards sichergestellt werden?

20. Besteht für interessierte potentielle Akteure (insbesondere aus der Zivil-
gesellschaft, politischen Stiftungen, politischen Parteien, internationalen
Organisationen oder nationalen Parlamenten) die Möglichkeit, sich eben-
falls an dem „Textil-Bündnis“ zu beteiligen, also zusätzlich zu den bislang
beteiligten 27 Akteuren zu den weiteren Beratungen hinzuzukommen und
gegebenenfalls bereits an der Erarbeitung des Aktionsplanes „bis zum
Sommer“ mitzuwirken?
a) Wenn ja, wie?
b) Wenn nein, warum nicht?

21. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass der „Runde Tisch Textilsiegel“
keine Doppelstruktur zum „Runden Tisch Verhaltenskodizes“ darstellt, und
in welchem Verhältnis werden diese beiden Initiativen in Zukunft zueinan-
der stehen?

22. Bis zu welchem Zeitpunkt beabsichtigt die Bundesregierung, ein Textil-
siegel einzuführen, und welche organisatorischen Zwischenschritte sind bis
dahin erforderlich?

23. Ist insbesondere die Ankündigung des Bundesministers für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller, realistisch, ein Textil-
siegel „noch in diesem Jahr“ (WELT am SONNTAG, 6. April 2014, S. 5)
einzuführen?

24. Welche Marktdurchdringung wird das Textilsiegel nach Einschätzung der
Bundesregierung ein Jahr nach seiner Einführung haben?
Welche Marktdurchdringung strebt die Bundesregierung bis zum Ende der
Legislaturperiode an?

25. Ist nur die „deutsche Textilwirtschaft“ (vgl. WELT am SONNTAG, 6. April
2014, S. 5), aufgerufen sich an dem „Textil-Bündnis“ zu beteiligen?

26. Wann ist nach Auffassung der Bundesregierung ein Unternehmen im Sinne
dieser Ankündigung ein „deutsches“ Unternehmen?

27. Wann ist nach Auffassung der Bundesregierung ein Unternehmen im Sinne
dieser Ankündigung ein Unternehmen der „Textilwirtschaft“?

28. Sind auch Unternehmen zur Beteiligung an dem „Textil-Bündnis“ auf-
gerufen, die ihren Sitz im Ausland haben, aber in Deutschland Textilien ver-
treiben?
a) Wenn nein, warum nicht?
b) Wenn ja, welche Unternehmen werden konkret von der Bundesregierung

dazu aufgerufen?
Und steht die Bundesregierung bereits in Kontakt mit ausländischen
Unternehmen?

29. Ab welcher Größe sind Unternehmen aufgerufen, sich an dem Siegel zu
beteiligen?

30. Plant die Bundesregierung, das angedachte Textilsiegel auf multilateraler
Ebene einzuführen?
a) Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 18/1740 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
b) Wenn ja, mit welchen anderen Staaten und Organisationen verhandelt die
Bundesregierung hierüber bzw. beabsichtigt sie, künftig zu verhandeln?

c) Wenn ja, welcher Zeitrahmen ist dafür vorgesehen?
31. Strebt die Bundesregierung darüber hinaus die Einrichtung eines Textil-

siegels auf europäischer Ebene an?
a) Wenn ja, bis zu welchem Zeitpunkt, und was hat sie diesbezüglich bereits

unternommen?
b) Wenn nein, warum nicht?

32. Soll es sich nach Ansicht der Bundesregierung bei dem geplanten Textil-
siegel um eine freiwillige Selbstverpflichtung handeln?
Wenn ja, welche Erwägungen sprechen nach Ansicht der Bundesregierung
für eine freiwillige Lösung?

33. Soll der Prozess zur Erarbeitung des Textilsiegels von weiteren Maßnahmen
flankiert werden?
Wenn ja, welche sind dies konkret?

34. Beabsichtigt die Bundesregierung nach wie vor (vgl. WELT am SONNTAG,
6. April 2014, S. 5) „einen gesetzlichen Rahmen vor[zu]geben“, wenn eine
Selbstverpflichtung „nicht auf freiwilliger Basis funktioniert“?
a) Wenn nein, warum nicht?
b) Welchen Maßstab legt die Bundesregierung für Erfolg oder Misserfolg

des Siegels an?
c) Wenn ja, wie kann solch ein gesetzlicher Rahmen geregelt werden?

35. Die Einhaltung welcher konkreten Standards soll das geplante Textilsiegel
bezeugen,
a) bei sozialen (insbesondere arbeitsrechtlichen) Standards,
b) bei ökologischen Standards,
c) bei menschenrechtlichen Standards,
d) bei sonstigen Standards?

36. Wird sich das Siegel mit der Frage der fairen Entlohnung befassen?
a) Wenn nein, warum nicht?
b) Wenn ja, werden sich die Löhne am so genannten existenzsichernden

Lohn orientieren?
37. Welche Verletzungen der in Frage 35 genannten Standards durch die an-

gesprochenen Unternehmen der Textilwirtschaft sind der Bundesregierung
bekannt?

38. Welche konkreten Maßnahmen müssten nach Ansicht der Bundesregierung
vonseiten der Textilwirtschaft getroffen werden, um angesichts der in
Frage 37 genannten Verletzungen die in Frage 35 genannten Standards ein-
zuhalten?

39. Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass sich die Verpflichtung
zur Einhaltung der in Frage 35 genannten Standards auf die gesamte Liefer-
kette bezieht?

40. Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung, durch die Einführung eines
Textilsiegels zur Umsetzung der UN-Guidelines on Business and Human
Rights beizutragen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1740
41. Inwieweit wird das Auswärtige Amt diesbezüglich bei der Erarbeitung des
Textilsiegels beteiligt, das die Federführung für den Nationalen Aktionsplan
zur Umsetzung der UN-Guidelines on Business and Human Rights über-
nommen hat?

42. Welche konkreten Prinzipien der UN-Guidelines on Business and Human
Rights können und sollen durch die Einführung eines Textilsiegels um-
gesetzt werden?

43. Bestehen seitens der Bundesregierung oder des gesamten „Textil-Bündnis-
ses“ Pläne, die Idee eines eigenen Textilsiegels mit bestehenden Siegeln,
wie GOTS oder dem der Fair Wear Foundation, abzustimmen, mit ihnen
zusammenzuarbeiten, die Siegel zusammen zu führen oder den bereits be-
stehenden Siegeln beizutreten?
a) Wenn nein, warum nicht?
b) Wenn ja, wann und mit wem haben diesbezüglich bereits Gespräche

stattgefunden bzw. sind Gespräche diesbezüglich geplant?
c) Wenn ja, werden die Organisatoren dieser Siegel künftig in das „Textil-

Bündnis“ aufgenommen?
44. Wie passt es zusammen, dass das BMZ plant, einen Schwerpunkt auf

Transparenz in der Lieferkette zu legen, die Bundesregierung aber auf
europäischer Ebene seit Jahren Transparenzvorgaben verhindert
(vgl. CorA Netzwerk www.cora-netz.de/cora/themen/rechenschafts-und-
publizitatspflichten/)?

45. Welche Pläne verfolgt die Bundesregierung in Zukunft hinsichtlich der
Transparenzrichtlinie der Europäischen Union?

46. Wird sich die Bundesregierung im Rahmen der Transparenzrichtlinie für
verbindliche soziale, ökologische und menschenrechtliche Offenlegungs-
pflichten entlang der gesamten Lieferkette einsetzen?
Wenn nein, warum nicht?

47. Bestehen seitens der Bundesregierung oder des gesamten „Textil-Bündnis-
ses“ Pläne, die Entwicklung eines Fairtrade-Textilstandards zu unter-
stützen?
Gedenkt die Bundesregierung, TransFair e.V. hierzu mit Mitteln zu unter-
stützen?
Wenn ja, in welcher Höhe?

48. Gibt es seitens der Bundesregierungen Bemühungen, dass die Task Force
der Europäischen Kommission zu einer möglichen Erweiterung des EU-
Ecolabels hinsichtlich sozialer Standards ihre Arbeit wieder aufnimmt?

49. Wäre nach Ansicht der Bundesregierung eine Erweiterung der Öko-Ver-
ordnung (EG) Nr. 834/2007 um die Produktkategorie „Textil“ sinnvoll und
denkbar?
a) Wenn nein, warum nicht?
b) Wenn ja, gibt es diesbezüglich bereits konkretere Überlegungen?

Berlin, den 11. Juni 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.