BT-Drucksache 18/1548

Probleme im elektronischen Terminvergabeverfahren der deutschen Botschaft in Beirut und an anderen Standorten

Vom 22. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1548
18. Wahlperiode 22.05.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Luise Amtsberg, Omid Nouripour, Volker Beck (Köln),
Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar,
Irene Mihalic, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Probleme im elektronischen Terminvergabeverfahren der deutschen Botschaft in
Beirut und an anderen Standorten

Die humanitäre Lage in Syrien ist dramatisch. Aufgrund des Bürgerkriegs wur-
den nach Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen
(UNHCR) bisher über 2,5 Millionen Syrerinnen und Syrer als Flüchtlinge in den
Nachbarländern registriert oder warten auf ihre Registrierung. In ihrem eigenen
Land wurden bisher 6,5 Millionen Syrer vertrieben. Zehntausende von ihnen su-
chen Schutz in Deutschland. Neben der bereits überzeichneten Kontingentauf-
nahmeprogramme für bisher insgesamt 10 000 Flüchtlingen haben Syrerinnen
und Syrer mit Familienangehörigen in Deutschland, basierend auf den Erlassen
aller Bundesländer (außer Bayern), die Möglichkeit, im Rahmen der Familien-
zusammenführung einzureisen. Die bisher geringe Zahl der in diesem Rahmen
aufgenommenen Syrerinnen und Syrer ist zum einen auf die hohen bürokrati-
schen Erfordernisse zurückzuführen. Zum anderen ist es für die Antragstellerin-
nen und Antragsteller nach Information der Fragesteller nahezu unmöglich, ei-
nen Termin bei der deutschen Botschaft in Beirut zu vereinbaren.
Die deutsche Botschaft nutzt ein elektronisches Verfahren, bei welchem die
Antragstellenden über eine Onlinemaske einen Termin auswählen können. Be-
richten der „WELT am SONNTAG“ vom 7. April 2014 zufolge, ist es bei die-
sem Verfahren in der Vergangenheit zu systematischen Manipulationen bei der
Vergabe von Terminen gekommen. Wegen einer Lücke im Schutz des Systems
konnten die Termine von illegalen Schwarzhändlern geblockt werden und waren
nur noch auf dem Schwarzmarkt gegen Geld zu erwerben. Dieses Problem be-
traf gleichermaßen die Reservierungssysteme für alle Formen der Einreise (Tou-
ristenvisa, Familiennachzug, Visa für Studien- oder Arbeitsaufenthalte).
Die Bundesregierung hat auf die Schriftlichen Fragen 12 bis 14 der Abgeordne-
ten Luise Amtsberg auf Bundestagsdrucksache 18/1197 erklärt, dass das Aus-
wärtige Amt seit Oktober 2013 von den Missbräuchen bei der Onlinetermin-
vergabe an der deutschen Botschaft in Beirut wusste. Das System zur Termin-
vergabe wurde jedoch erst Mitte März dieses Jahres abgeschaltet und durch ein
überarbeitetes Terminbuchungssystem am 7. April 2014 ersetzt. Die Bundes-
regierung gab in diesem Kontext an, durch eine Erhöhung der Kapazitäten in der
deutschen Botschaft nun über ausreichend freie Termine zu verfügen, um den
Überhang an Antragstellerinnen und Antragsteller bedienen zu können, der
durch die monatelangen Probleme entstanden war. Berichte etlicher Betroffener
aus Syrien und dem Libanon widersprechen diesen Aussagen.

Drucksache 18/1548 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Über die Manipulationsanfälligkeit von Terminbuchungssystemen auch in ande-
ren deutschen Auslandsvertretungen wurde bereits in der Vergangenheit wieder-
holt berichtet. Entsprechende Hinweise hat die Bundesregierung bisher demen-
tiert (Bundestagsdrucksache 18/1212).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hoch waren nach Kenntnis der Bundesregierung die Preise, für die ein

Termin in der deutschen Botschaft in Beirut auf dem Schwarzmarkt verkauft
wurde, und welche weiteren konkreten Erkenntnisse liegen der Bundes-
regierung über die Hintergründe des Schwarzmarkthandels mit Terminen an
der deutschen Botschaft in Beirut vor?

2. Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung Ermittlungen durch die libane-
sischen Behörden aufgrund des Schwarzmarkthandels mit Terminen an der
deutschen Botschaft in Beirut, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

3. Wie begründet die Bundesregierung den Sachverhalt, dass von Oktober
2013 an mehr als ein halbes Jahr vergangen ist, um auf die in der Vorbemer-
kung der Fragesteller geschilderten Manipulationen bei der Onlinetermin-
vergabe mit konkreten Maßnahmen zu reagieren und das Terminbuchungs-
system zu überarbeiten?

4. Was sind die konkreten Überarbeitungen, die im Onlinesystem in Beirut un-
ternommen wurden, „mit denen einer automatisierten Eintragung in das be-
stehende Onlineterminbuchungssystem von persönlichen Daten von An-
tragstellern entgegengewirkt werden kann“ (Antwort der Bundesregierung
auf die Schriftlichen Fragen 12 bis 14 der Abgeordneten Luise Amtsberg
auf Bundestagsdrucksache 18/1197)?

5. Wie beabsichtigt die Bundesregierung künftig zu vermeiden, dass in Zu-
kunft die Schutzmaßnahmen des Systems gegen illegale Buchungen auf
neuen Wegen überlistet werden?

6. Mit welcher Begründung wird syrischen Flüchtlingen die Möglichkeit zur
persönlichen Terminvergabe an der deutschen Botschaft in Beirut verwehrt,
während das Verfahren für libanesische und palästinensische Antragsteller
am 14. März 2013 auf persönliche Terminvergaben umgestellt wurde (Ant-
wort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 12 der Abgeordneten
Luise Amtsberg auf Bundestagsdrucksache 18/1197)?

7. In welcher Weise und zu welchem Zweck verwenden Agenturen das Logo
der deutschen Botschaft in Beirut, und welche Antwort haben die libanesi-
schen Behörden der deutschen Botschaft auf eine entsprechende Unterlas-
sungsbitte gegeben (Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Fra-
ge 12 der Abgeordneten Luise Amtsberg auf Bundestagsdrucksache 18/1197)?

8. Wie bemisst die Bundesregierung eine ausreichende Menge verfügbarer
Termine in der deutschen Botschaft in Beirut?

9. Wie lange sind nach Kenntnis der Bundesregierung die derzeitigen Warte-
zeiten für einen Termin bei der deutschen Botschaft in Beirut (bitte Warte-
zeit für syrische Antragstellerinnen und Antragsteller einzeln angeben), und
wie lang im Voraus sind die Termine online vergeben?

10. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass Antragstellerinnen und
Antragsteller, die von den Terminmanipulationen betroffen waren, keine
Nachteile durch lange Wartezeiten haben?

11. Was sind die Auswirkungen der erschwerten Terminvergabe für die Auf-
nahme syrischer Flüchtlinge, denen im Rahmen der Familienzusammenfüh-
rung durch die Erlasse der Bundesländer eine Einreise nach Deutschland
gewährt werden soll?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1548
12. Unterscheiden die Visastellen in den Anrainerstaaten Syriens bei der Ter-
minvergabe nach der Staatsangehörigkeit des Antragstellers?
Wenn ja, welche Staatsangehörigen erhalten an welcher Visastelle schneller
Termine (bitte aufschlüsseln nach Visakategorie)?

13. In welchen deutschen Auslandsvertretungen wird nach Kenntnis der Bun-
desregierung ein Onlineverfahren zur Terminvergabe für Visaanträge ge-
nutzt, und welches Terminbuchungssystem wird dafür verwendet (bitte alle
Auslandsvertretungen ggf. mit den jeweils technisch unterschiedlichen Ter-
minbuchungssystemen auflisten)?

14. In welchen Auslandsvertretungen lagen nach Kenntnis der Bundesregierung
seit dem Jahr 2010 Beschwerden über Manipulationen bei der Onlineter-
minvergabe vor, und was waren die jeweiligen Maßnahmen der Bundes-
regierung, um den Beschwerden nachzugehen und die Mängel ggf. zu kor-
rigieren (bitte einzeln ausführen)?

15. Zu welchem Zeitpunkt wurde wegen der Manipulationen der Onlineauftritte
von Auslandsvertretungen das Bundesamt für die Sicherheit in der Informa-
tionstechnik (BSI) informiert und hinzugezogen, und zu welchem Ergebnis
kam deren Befassung?

16. Plant die Bundesregierung eine Zusammenarbeit mit zertifizierten externen
Unternehmen, wie sie nach Information der Fragesteller beispielsweise in
der Deutschen Botschaft Ankara (Türkei) mit dem System IDATA zwecks
Beratung und Erstbearbeitung bei Visaanträgen eingesetzt wird, auch in an-
deren Auslandsvertretungen (z. B. Beirut), und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 22. Mai 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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