BT-Drucksache 18/1546

Entwicklung des Menschenhandels

Vom 22. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1546
18. Wahlperiode 22.05.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ulle Schauws, Katja Dörner, Katja Keul,
Luise Amtsberg, Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu,
Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwicklung des Menschenhandels

Die Europaratskonvention gegen Menschenhandel ist am 1. Februar 2008 in
Kraft getreten. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten zu umfassenden Maßnahmen
zur Prävention von Menschenhandel, der Strafverfolgung der Täterinnen und
Täter und dem Schutz der Opfer. Die Umsetzung der Europaratskonvention und
der Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschen-
handels und zum Schutz seiner Opfer steht noch aus. Die Frist zur Umsetzung
ist bereits abgelaufen.
Menschenhandel ist ein komplexes Problem, das im nationalen, europäischen
und internationalen Kontext auftritt. Immer mehr Menschen werden in diesem
Zusammenhang Opfer von physischer und psychischer Gewalt. Fallzahlen in
den Wirtschaftsbereichen Gastronomie- und Hotelgewerbe, Sexindustrie, Land-
wirtschaft, Baubranche, der Fleisch verarbeitenden Industrie sowie in Privat-
haushalten, in der Pflege oder bei Au-Pairs nehmen nach einer europäischen Stu-
die aus dem Jahr 2013 zu.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Fälle nach § 232 (bzw. nach den §§ 180a und 181 des Strafgesetz-

buchs – StGB – alte Fassung, zusammen: Menschenhandel zum Zweck der
sexuellen Ausbeutung) und § 233 StGB (Menschenhandel zum Zweck der
Ausbeutung der Arbeitskraft) erfasste das Bundeskriminalamt (BKA) seit
dem Jahr 2000 (bitte nach Jahren unterteilt auflisten)?

2. Gegen wie viele Tatverdächtige wurde nach Kenntnis der Bundesregierung
seit dem Jahr 2000 aufgrund des § 232 StGB (Menschenhandel zum Zweck
der sexuellen Ausbeutung) und § 233 StGB (Menschenhandel zum Zweck
der Ausbeutung der Arbeitskraft) ermittelt, und wie viele Verurteilungen gab
es in diesem Zeitraum (bitte nach Jahren unterteilt auflisten)?

3. Wie hoch schätzt die Bundesregierung aktuell die Anzahl der Menschen, die
zur Prostitution gezwungen werden?
Auf welchen Studien oder Erhebungen basieren diese Schätzungen?
Was tut die Bundesregierung, um konkrete Zahlen zu erheben?

Drucksache 18/1546 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Wie hoch schätzt die Bundesregierung aktuell die Anzahl der Menschen ein,
die zur Arbeit gezwungen werden (§ 233 StGB)?
Auf welchen Studien oder Erhebungen basieren diese Schätzungen?
Was tut die Bundesregierung, um konkrete Zahlen zu erheben?
Kann die Bundesregierung bestätigen, dass sich nach Angaben des BKA die
Anzahl der mutmaßlichen Opfer von insgesamt 926 im Jahr 2000 auf 612
im Jahr 2012 um 34 Prozent verringert hat und im Vergleich zum Jahr 2003
(1 235 Fälle) sogar um 50 Prozent zurückgegangen ist (vgl. Bundeslagebild
Menschenhandel 2000, 2003 und 2012)?

5. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in den Bundesländern, in denen
es ein verdachtsunabhängiges Recht der Polizei zur Kontrolle von Prostitu-
tionsstätten gibt, eine höhere Verurteilungsquote wegen Menschenhandels
als in denen ohne diese Möglichkeit?

6. Wie viele Opfer von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeu-
tung wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2001 von
Opferberatungsstellen zum Thema beraten (bitte nach Jahren aufschlüs-
seln)?

7. Wie viele Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel zum Zweck der
sexuellen Ausbeutung gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung, und mit
welchen Mitteln werden diese durch die Bundesregierung gefördert?

8. Wie viele Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel zum Zweck der
Ausbeutung der Arbeitskraft gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung,
und mit welchen Mitteln werden diese durch die Bundesregierung geför-
dert?

9. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der Opfer, die
von Opferberatungsstellen betreut wurden, und welche Maßnahmen wird
die Bundesregierung ergreifen, um den Anteil zu erhöhen?

10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Anzahl von Ermitt-
lungsverfahren wegen Menschenhandels, die durch die Hinweise von Frei-
ern eröffnet werden?

11. Welche anderen gesicherten Zahlen zur Anzahl der Opfer von Menschen-
handel kennt die Bundesregierung für die Jahre 2000 bis 2014, und welche
Entwicklung kann die Bundesregierung hier erkennen (bitte nach Jahren
aufschlüsseln)?

12. Bleibt die Bundesregierung bei ihrer Haltung, keine Studie zur Ermittlung
des Dunkelfelds des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeu-
tung in Deutschland in Auftrag zu geben (vgl. Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bundes-
tagsdrucksache 17/12504)?

13. Vertritt die Bundesregierung entgegen den erfassten Fällen des BKA die
Auffassung, dass die Liberalisierung der Prostitution durch das Prostitu-
tionsgesetz im Jahr 2002 zu einer Ausweitung des Phänomens des Men-
schenhandels von Frauen zum Zweck der sexuellen Ausbeutung geführt hat,
und mit welcher Rechtstatsache begründet die Bundesregierung diese Auf-
fassung?

14. Plant die Bundesregierung Änderungen im Aufenthaltsrecht, um Opfern
von Menschenhandel einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt und
einen sicheren Aufenthaltsstatus zu gewährleisten, um die Opfer besser zu

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1546
schützen, eine Aufhellung des Dunkelfelds und eine Verbesserung der Straf-
verfolgung von Tätern zu erreichen?
Wenn ja, welche sind dies?
Wenn nein, wieso nicht?

15. Wie viele Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Opfer von
Menschenhandel nach § 25 Absatz 4a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG)
wurden seit Einführung der Regelung im Jahr 2007 jährlich nach Kenntnis
der Bundesregierung gestellt (falls keine Informationen vorliegen, bitte Be-
gründung, weshalb diese Informationen nicht vorliegen)?

16. Wie viele der in Frage 15 genannten beantragten Aufenthaltserlaubnisse
wurden seit dem Jahr 2008 nach § 25 AufenthG im Ausländerzentralregister
gespeichert?

17. Bei wie vielen Opfern nach den §§ 232, 233 StGB bestand eine Ausreise-
pflicht, und wie viele haben nach Kenntnis der Bundesregierung Deutsch-
land verlassen (bitte einzeln nach Jahren aufschlüsseln)?

18. Wird die Bundesregierung Opfern von Menschenhandel, unabhängig von
deren Aussage- und Anzeigebereitschaft, ein Aufenthaltsrecht aus Gründen
des Opferschutzes durch Vorlage eines Gesetzentwurfs einräumen?
Falls nein, warum nicht?

19. Wie stellt sich die Bundesregierung die Einführung einer Strafbarkeit von
Menschenhandel vor, die unabhängig von der Aussage des Opfers ist?

20. Inwiefern plant die Bundesregierung die Einführung einer Strafbarkeit von
Freiern von Menschenhandelsopfern?

Berlin, den 22. Mai 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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