BT-Drucksache 18/1342

Begrenzung von Dispositions- und Überziehungszinsen

Vom 7. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1342
18. Wahlperiode 07.05.2014

Antrag
der Abgeordneten Nicole Maisch, Renate Künast, Luise Amtsberg, Volker
Beck (Köln), Kai Gehring, Katja Keul, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan
Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele, Markus Tressel
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Begrenzung von Dispositions- und Überziehungszinsen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Dispo- und Überziehungszinsen in Deutschland sind bei vielen Banken nach
wie vor zu hoch. So werden für ein Konto im erlaubten Rahmen (Dispokredit)
Zinsen fällig, die im Schnitt bei 11,31 Prozent und mehr liegen.1 Überzieht man
das Konto im „geduldeten Rahmen“ weiter, kommen weitere Zinsen (Überzie-
hungszinsen) hinzu. Dafür müssen Bankkunden nach Beobachtung von Experten
derzeit mit einem Zinssatz bis zu 22,5 Prozent rechnen.

Bei einem historisch niedrigen Leitzins der Europäischen Zentralbank von derzeit
0,25 Prozent2 und einem Tiefststand bei den Einlagenzinsen, sind diese hohen
Zinssätze für private Girokonten nicht mit Unkosten der Kreditinstitute begründbar
und nicht akzeptabel. Laut Bundesbank wurden in Deutschland im Juli 2013 rund
39 Mrd. Euro Überziehungskredite genutzt. Jeder Prozentpunkt an Zinsen kostet
nach Angaben der Bundesbank die verschuldeten Bankkundinnen und -kunden
demnach rund 390 Mio. Euro.

Nachdem festgestellt wurde, dass Zinserhöhungen deutlich schneller an die Kun-
den weitergegeben wurden als Zinssenkungen, reagierte die Europäische Kommis-
sion mit der Verbraucherkreditrichtlinie (2008/48/EG). Gemäß dieser sollten künf-
tige Steigerungen der Dispo- und Überziehungszinsen sich an der Entwicklung
eines Referenzzinssatzes orientieren, um eine symmetrische Umsetzung von Zins-
erhöhungen und -senkungen zu gewährleisten. Das Gesetz zur Umsetzung der
Verbraucherkreditrichtlinie trat am 11. Juni 2010 in Kraft und damit zu einem
Zeitpunkt, als die Zinsen historische Tiefstände aufwiesen und die Spanne zwi-
schen Refinanzierungskosten und Dispozinsen so hoch war wie nie zuvor.

Die Regelung, die eigentlich zum Schutz der Verbraucher intendiert war, verkehrt
sich damit ins Gegenteil. Sie sichert den Banken üppige Margen und schreibt den
überhöhten Zins für die Zukunft fest.

1 Stiftung Warentest; Finanztest; Ausgabe September 2013. Im Juni 2013 wurden alle Kreditinstitute in Deutschland angeschrie-
ben und nach den Zinssätzen für Dispositionskredite und den Regeln gefragt, nach denen der Zins verändert wird. Nur 413
Institute haben die Anfrage beantwortet, die Konditionen weiterer 519 Institute wurden über das Internet erhoben.

2 .www.ecb.europa.eu/stats/monetary/rates/html/index.en.html (Zugriff: 28.04.2014)

Drucksache 18/1342 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

In jüngster Zeit haben jedoch vereinzelt Banken ihren Dispozins deutlich gesenkt
und die Trennung zwischen Dispo- und Überziehungszins aufgehoben. Dies zeigt,
dass ein wirtschaftliches Handeln auch zu niedrigeren Zinsen möglich ist.

Die Abzocke mit überhöhten Dispo- und Überziehungszinsen findet sich bei allen
Arten von Bankinstituten. Ein Verbraucher im ländlichen Raum hat aufgrund eines
dünnbesiedelten Filialnetzes nicht die Möglichkeit, einfach das Geldinstitut zu
wechseln, sondern ist oftmals an die Bank vor Ort gebunden. Hier finden sich Wu-
cherzinssätze von über 13Prozent .3

Selbstverpflichtungen und Mahnungen gegenüber Kreditinstituten haben sich als
wirkungslos erwiesen. Deshalb ist eine Begrenzung von Dispo- wie auch Überzie-
hungszinsen notwendig, die Verbraucherinteressen und die Risikokosten, die mit
Dispositionskrediten für Kreditinstitute verbunden sind, berücksichtigt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. Dispositions- und Überziehungszinsen gesetzlich auf ein aus der Sicht des
Verbraucherschutzes sowie den Refinanzierungs- und Risikokosten der Ban-
ken vertretbares Zinsniveau zu begrenzen;

2. Kreditinstitute zu verpflichten, VerbraucherInnen bei beträchtlicher Dauer
einer geduldeten Kontoüberziehung auf die Möglichkeit des Abschlusses eines
anderen Kreditprodukts hinzuweisen, wenn dieses Alternativprodukt für Ver-
braucherInnen kostengünstiger ist und nach Bonitätsprüfung in Betracht
kommt;

3. Maßnahmen zur verbesserten Preistransparenz bei Dispo- und Überziehungs-
krediten festzulegen. Dazu müssen:
a) bei Inanspruchnahme des Dispo- und Überziehungsrahmens die laufenden

Kosten in Euro und Cent und der Zinssatz stets an prominenter Stelle der
Kontoinformation ausgewiesen werden,

b) zusätzlich müssen klar verständliche und einfach zugängliche Informatio-
nen im Internet sowie

c) deutlich sichtbare Aushänge in den Filialen gewährleistet sein;
4. eine Ergänzung der europäischen Verbraucherkreditrichtlinie bei der EU-

Kommission anzuregen, wonach alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union
der Europäischen Zentralbank nach einheitlichen Kriterien und aufgeschlüsselt
nach vergleichbaren Kreditformen Daten zu eingeräumten und geduldeten
Überziehungen übermitteln. Dabei sollte mindestens zwischen Immobiliendar-
lehen und gewöhnlichen Verbraucherdarlehen bzw. Überziehungskrediten dif-
ferenziert werden. Die Bundesregierung sollte ergänzend hierzu jährlich einen
entsprechenden Bericht vorlegen.

Berlin, den 6. Mai 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

3 Stiftung Warentest; Finanztest; Ausgabe September 2013.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1342

Begründung

Dispositionskredite sind vor allem zur zeitlich begrenzten Überbrückung von ungeplanten Liquiditätsengpäs-
sen geeignet. Viele VerbraucherInnen nutzen Dispositionskredite jedoch nicht nur zeitlich begrenzt zur
Überbrückung, sondern dauerhaft. Seit Jahren kann beobachtet werden, dass einige Banken Dispo- und Über-
ziehungszinsen in nicht nachvollziehbarer Höhe berechnen. Dabei ist nicht klar ersichtlich, ob die Zinsbedin-
gungen vieler Banken leistungsbezogen sind.

Problematisch ist, dass für VerbraucherInnen bei einer Kontoeröffnung die Höhe des Dispozinssatzes oftmals
kein Kriterium für die Wahl der Bank ist. Wenn die Inanspruchnahme des Dispokredits erfolgt, ist ein einfa-
cher Wechsel zu einer anderen Bank jedoch keine Option mehr. Auch die Hürden für eine Ablösung eines
Dispokredits sind hoch, so dass Kunden in den teuren Dispokonditionen gefangen gehalten werden.

Selbst wenn Kunden den Dispo nur vorrübergehend nutzen, können hohe zweistellige Dispozinssätze nicht
erklärt werden und nutzen oftmals eine Zwangslage aus. Exorbitante Zinssätze können VerbraucherInnen
immer mehr in die Verschuldung treiben und so den Weg in die Schuldenspirale bahnen. Im Oktober 2013
zählt Deutschland 6,58 Millionen überschuldete Privatpersonen, so der Schuldner Atlas Deutschland, 2013.

Auch die SPD und ihr Spitzenkandidat Peer Steinbrück forderten noch im letzten Wahlkampf eine Deckelung
der Dispozinsen („Aufschlag von maximal acht Prozentpunkten auf den Basiszinssatz der Bundesbank“). Im
Koalitionsvertrag ist von dieser Forderung nichts enthalten. Der Koalitionsvertrag schlägt ein zweistufiges
Verfahren vor. Dieses besteht aus einem verpflichtenden Warnhinweis der kontoführenden Bank vor der
Inanspruchnahme des Dispokredits und einer Beratungspflicht der kontoführenden Bank, wenn sich ein Kun-
denkonto über längere Zeit im Soll befindet. Diese Maßnahmen reichen nicht aus und sind ungeeignet, um
das Problem überzogener Dispo- und Überziehungszinsen zu lösen und einen ausreichenden Schutz der Ver-
braucherInnen vor erhöhten Kosten im Dispositionsrahmen zu erreichen.

Zu 1:

Dispositions- und Überziehungszinsen müssen auf ein aus Sicht des Verbraucherschutzes sowie der Refinan-
zierungs- und Risikokosten der Banken vertretbares Zinsniveau begrenzt werden. Hierzu ist eine gesetzliche
Deckelung notwendig, die gewährleistet, dass insbesondere Kleinunternehmer und einkommenschwache
Menschen Zugang zu einem Dispokredit erhalten. Eine sinnvolle Deckelung der Dispozinsen muss daher
neben den Refinanzierungskosten der Banken auch Ausfallraten für riskante Kreditnehmer und weitere Kos-
ten berücksichtigen, damit Dispokredite weiterhin angeboten werden. Verschiedene Vorschläge werden in
Fachkreisen seit Jahren diskutiert:

So könnte die Abzocke mit Dispo- und Überziehungszinsen durch eine Präzisierung der bestehenden Wu-
chergrenze (§ 138 BGB) beendet werden. Der Markt und die Ausfallquoten bei Dispo- und Überziehungs-
krediten geben keinen Anlass dazu, diese Konsumentenkreditart im Bereich des Wuchers grundsätzlich an-
ders zu behandeln. Eine Koppelung der Wuchergrenze an den Markt der ungesicherten Konsumentenkredite
an sich ist daher sowohl aus Verbraucherperspektive wünschenswert als auch von Anbieterseite her umsetz-
bar.

Alternativ ist eine gesetzliche Deckelung der Zinsen für Dispositions- und Überziehungskredite auf Basis
eines marktabhängig schwankenden Referenzzinses in Anlehnung an den Verzugszins gemäß § 288 BGB
und die Bestimmung eines gesetzlichen Referenzzinssatzes für Dispo- und Überziehungskredite umsetzbar.
Eine sinnvolle Deckelung der Dispozinsen muss neben den Verbraucherinteressen auch die Refinanzierungs-
kosten der Banken sowie Ausfallraten für riskante Kreditnehmer und weitere Kosten berücksichtigen. Da
diese Kosten bisher nicht bekannt sind, muss das Bundesministerium der Finanzen vorab diese Kosten inner-
halb einer Untersuchung in Erfahrung bringen. Auf Basis dieser Risikokosten für Kreditinstitute in Verbin-
dung mit einem marktabhängig schwankenden Referenzzinssatz ist eine flexible Deckelung für Dispositions-
und Überziehungszinsen zu ermitteln. Bei der Wahl eines möglichen Referenzzinssatzes kommt der Leitzins
der Europäischen Zentralbank, der sogenannte Hauptrefinanzierungssatz oder aber der Euribor in Frage. Die-
ser würde die allgemeine Zinsentwicklung berücksichtigen und zugleich für mehr Transparenz sorgen.
Drucksache 18/1342 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Zu 2:

Im Fall, dass sich VerbraucherInnen eine beträchtliche Dauer in einer geduldeten Kontoüberziehung befin-
den, sollen Banken auf die Möglichkeit des Abschlusses eines anderen Kreditprodukts objektiv hinweisen.
Ein Alternativprodukt zum Dispositionskredit muss dabei kostengünstiger sein und einer Bonitätsprüfung
der VerbraucherInnen standhalten. Die Unterbreitung eines objektiv möglichen alternativen Finanzierungs-
angebotes sollte eine absichernde Sanktion vorsehen. Wünschenswert wäre hier eine Sanktion, die sicher-
stellt, dass sich die Zins- und Kostenbelastung für betroffene VerbraucherInnen auf ein Maß reduziert, wie
sie bei der Erfüllung der Pflicht möglich gewesen wäre. Wie auch bei § 494 BGB sollte dabei eine Vereinfa-
chung vorgenommen werden.

Zu 3:

Maßnahmen zur verbesserten Preistransparenz im Sinne des Verbraucherschutzes sind notwendig. Bei der
geplanten Einführung eines Warnhinweises ist entscheidend, dass die Benachrichtigung unmittelbar erfolgt,
wenn mit der Nutzung des Dispositionskredits begonnen wird. Dies verweist auf eine aktive Benachrichti-
gung durch die Kreditinstitute unabhängig vom Zyklus der Kontoauszüge. Während der Inanspruchnahme
des Dispo- und Überziehungsrahmens ist wichtig, dass die laufenden Kosten stets an prominenter Stelle der
Kontoinformation ausgewiesen werden, sei es auf dem Kontoauszug oder der Kontoübersicht beim Online-
Banking. Es muss sichergestellt sein, dass VerbraucherInnen die Information über die Kosten des Dispositi-
onskredits zur Kenntnis nehmen können. Die Kosten müssen dabei sowohl in Bezug auf den bereits angefal-
lenen Betrag seit Beginn der Nutzung als auch als Projektion, wenn das bestehende Debetsaldo drei weitere
Monate lang nicht zurückgeführt werden würde, angegeben werden. Denn auch wenn sich VerbraucherInnen
bewusst sind, dass das Konto überzogen ist, entsteht daraus nicht notwendig ein Bewusstsein für die zusätzli-
chen Kosten und den Zinseszinseffekt, der durch die Belastung des Disporahmens mit den laufenden Zinsen
entsteht.

Zu 4:

Vertrauen auf den Finanzmärkten braucht Kontrolle. Immer wieder werden unverständliche und nicht leis-
tungsgerechte Zinsen und Gebühren von den Kreditinstituten erhoben. Um eine Kontrolle des Marktes zu
gewährleisten, bedarf es Daten zum Verbraucherverhalten im Kreditmarkt, die jährlich nach einheitlichen
Kriterien und aufgeschlüsselt nach vergleichbaren Kreditformen zu eingeräumten und geduldeten Überzie-
hungen übermittelt werden müssen. Dabei sollte mindestens zwischen Immobiliendarlehen und gewöhnli-
chen Verbraucherdarlehen bzw. Überziehungskrediten differenziert werden. Die Bundesregierung sollte er-
gänzend hierzu jährlich einen entsprechenden Bericht vorlegen.

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