BT-Drucksache 18/13276

Besserer Verbraucherschutz im Telekommunikationsbereich

Vom 7. August 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13276
18. Wahlperiode 07.08.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Nicole Maisch, Renate Künast, Dr. Konstantin von Notz,
Tabea Rößner, Katharina Dröge, Volker Beck (Köln), Britta Haßelmann,
Katja Keul, Monika Lazar, Özcan Mutlu, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Besserer Verbraucherschutz im Telekommunikationsbereich

Der Telekommunikationsbereich ist neben dem Bereich Finanzen und Versiche-
rungen das Feld, in dem Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Interessen am
wenigsten gut geschützt sehen (Verbraucherreport 2017 des Bundesverbands der
Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundes-
verband e. V. (vzbv): www.vzbv.de/pressemitteilung/verbraucherreport-2017-
vertrauen-politik-fehlt). Tatsächlich gibt es in diesem Bereich aus Sicht der Fra-
gestellenden einige lang bekannte Fehlentwicklungen, die dringend von den Be-
hörden oder der Bundesregierung angegangen werden müssten. In einer zuse-
hends digitalisierten Lebens- und Arbeitswelt sind Fragen der Telekommunika-
tion auch entscheidend für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Teilhabe. Die
technologische Innovationsdynamik eröffnet hier für die Branche wie für Ver-
braucherinnen und Verbraucher enorme Möglichkeiten, wirft jedoch auch ent-
sprechend weitreichende verbraucher- und datenschutzpolitische Probleme auf.
Zentrale Problemfelder, wie zum Beispiel der langsame Breitbandausbau, uner-
laubte Telefonwerbung, zu schwach gesicherte Netzneutralität und Datenschutz-
vorgaben oder ungenaue Werbeangaben bezüglich der Internetgeschwindigkeit,
wurden von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereits in früheren An-
fragen und Anträgen problematisiert, weshalb im Folgenden nur solche Aspekte
abgefragt werden, für die bislang keine oder keine aktuellen Erkenntnisse vorlie-
gen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie haben sich die Beschwerden bei der Bundesnetzagentur zum Telefon-

anbieterwechsel in den ersten sieben Monaten des Jahres 2017 in Relation zu
den Vergleichszeiträumen der letzten fünf Jahre (also die ersten sieben Mo-
nate der Jahre von 2012 bis 2016) entwickelt?
a) Wie viele Eskalations- bzw. Bußgeldverfahren wurden in diesem Zeit-

raum jeweils eingeleitet?
b) In wie vielen dieser Verfahren wurden in diesem Zeitraum jeweils Buß-

gelder verhängt, und in welcher Höhe?

Drucksache 18/13276 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Wie viele Beschwerden erreichten die Bundesnetzagentur zum Thema War-
teschleifen in den ersten sieben Monaten des Jahres 2017 in Relation zu den
Vergleichszeiträumen der letzten fünf Jahre?
a) Was waren jeweils die wichtigsten Beschwerdegründe?
b) Welche Auffälligkeiten bezüglich einzelner Anbieter oder Dienste gab es

hierbei?
c) Wie viele Bußgeldverfahren wurden in den ersten sieben Monaten des

Jahres 2017 eingeleitet?
d) In wie vielen dieser Verfahren wurden Bußgelder verhängt?
e) Wie lauten die Antworten entsprechend den Fragen 2c und 2d bezogen

auf die einzelnen Jahre seit 2012 jeweils?
3. Welche Informationen liegen der Bundesnetzagentur über die Entwicklung

und den aktuellen Stand der Länge der Wartezeiten vor (bitte gesondert für
einzelne Branchen angeben)?
Wie lang ist die durchschnittliche Wartezeit nach Kenntnis der Bundesregie-
rung, und welches sind die längsten Wartezeiten?

4. Hat die Bundesnetzagentur bezüglich der besonders langen Wartezeiten
beim Telekommunikationsunternehmen Telefónica (O2) Untersuchungen
vorgenommen (www.noz.de/deutschland-welt/gut-zu-wissen/artikel/791131/
o2-kunden-bei-servicehotline-tagelang-in-der-warteschleife)?
a) Wenn ja, auf Basis welcher rechtlichen Grundlage, und mit welchem Er-

gebnis?
b) Was hat die Bundesregierung für eine Verbesserung der Situation unter-

nommen?
5. Inwiefern sieht auch die Bundesregierung – wie die Fragestellenden – einen

höheren Personalbedarf in den Bereichen der Bundesnetzagentur, die sich
mit unerlaubter Telefonwerbung auseinandersetzen, wie dies in der Evalua-
tion der Gesetzgebung gegen unseriöse Geschäftspraktiken angemerkt
wurde (www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/StudienUntersuchungen
Fachbuecher/Evaluierung_unserioese_Geschaeftspraktiken_Schlussbericht.
pdf?__blob=publicationFile&v=1, S. 81 ff.)?
a) Sieht die Bundesregierung – wie die Fragestellenden – angesichts der star-

ken Zunahme der Beschwerden in jüngster Zeit (www.zeit.de/wirtschaft/
2017-07/verbraucherschutz-unerlaubte-telefonwerbung-beschwerden) ei-
nen noch höheren Personalbedarf als in der Evaluation beschrieben (Ant-
wort bitte begründen)?

b) Wie haben sich die Personalzahlen in den mit der Thematik befassten Per-
sonaleinheiten seit dem 31. Oktober 2016 entwickelt?

6. Welche Maßnahmen ergriff die Bundesregierung in der laufenden Legisla-
turperiode, um Empfängerinnen und Empfängern belästigender Werbung die
Durchsetzung ihrer Ansprüche zu erleichtern sowie insgesamt die fortbeste-
henden Anreize für Unternehmen zu verringern, ohne Furcht vor Identifizie-
rung sowie möglichen bzw. wirksamen Sanktionen rechtswidrig telekommu-
nikativ werben zu können?
a) Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung 2017 der Umfang beläs-

tigender telekommunikativer Werbung per Social-Media-/Messenger-
Diensten (wie Facebook, Twitter, Instagram, Snapchat u. a., bitte nach
Anbietern aufschlüsseln) entwickelt?

b) Wie viele Beschwerden erhielt die Bundesnetzagentur 2017 und im Ver-
gleichszeitraum der letzten fünf Jahre dazu?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13276
7. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass bei sprachgestützten neuarti-
gen Diensten, wie der Telefonauskunft der Deutschen Telekom AG, eine
Preisansagepflicht eingeführt werden soll, auch wenn die Kosten pro Minute
sich auf weniger als 2 Euro belaufen (Antwort bitte begründen)?

8. Wäre es aus Sicht der Bundesregierung zweckmäßig und umsetzbar, bei An-
rufen ins Nicht-EU-Ausland aus Transparenzgründen eine Preisansage-
pflicht einzuführen (Antwort bitte begründen)?

9. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass nach dem Wegfall der Ro-
aming-Gebühren im Juni 2017 zweckmäßigerweise auch bei Anrufen aus
Deutschland ins EU-Ausland etwaige zusätzliche Gebühren abgeschafft wer-
den sollen (bei Verneinung bitte begründen)?
a) Inwieweit setzt sich die Bunderegierung auf EU-Ebene für eine preisliche

Gleichbehandlung zwischen Anrufen im EU-Ausland und Anrufen aus
Deutschland ins EU-Ausland ein?

b) Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit, dass Mobilfunkan-
bieter zukünftig vermehrt rein nationale Tarife anbieten (z. B. www.sued
deutsche.de/digital/handy-tarife-so-tricksen-anbieter-beim-aus-fuer-
roaming-gebuehren-1.3540719), um so die neuen Roaming-Regelungen
zu umgehen?

Liegen der Bundesregierung Zahlen zu diesen Tarifen vor?
c) Wie wird von der Bundesregierung die Praxis von Unternehmen bewertet,

wenn sie die Umstellung auf die neuen Roaming-Regelungen nicht auto-
matisch vornehmen und beispielsweise erst eine SMS von der Kundin
bzw. vom Kunden versandt werden muss (www.deutschlandfunk.de/
kostenloses-roaming-mobilfunkanbieter-o2-kassiert-abmahnung.697.de.
html?dram:article_id=390221)?

10. Warum hat die Bundesregierung nicht – wie die Fragestellenden forderten –
eine monatliche Kündigungsfrist für Telekommunikationsverträge nach Ab-
lauf der Mindestvertragsdauer im Rahmen der Änderungen des Telekommu-
nikationsgesetzes (TKG) eingeführt, obwohl es selbst auf europäischer
Ebene Überlegungen hierzu gab?
Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, die maximale Mindestver-
tragsdauer bei Telekommunikationsverträgen auf zwölf Monate zu reduzie-
ren, auch angesichts der Tatsache, dass es sich um einen sich sehr schnell
entwickelnden Markt handelt?
Wie stuft die Bundesregierung die Erfahrungen in Belgien mit einer kürzeren
maximalen Mindestvertragsdauer ein (www.vzbv.de/sites/default/files/
downloads/2017/03/01/17-01-25_vzbv_stellungnahme_tk-kodex.pdf)?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die geplante partielle Vollharmonisierung
der Endnutzerrechte im Rahmen der Umsetzung des europäischen Kodex für
elektronische Kommunikation?
Inwieweit ergeben sich dadurch Vorteile bzw. Nachteile für deutsche Ver-
braucher und Verbraucherinnen?
Besteht aus Sicht der Bundesregierung die Gefahr, dass im Rahmen der Um-
setzung des europäischen Kodex für elektronische Kommunikation das deut-
sche Schutzniveau für den § 46 TKG, Anbieterwechsel und Umzug, herab-
gesenkt wird und Teile des Gesetzes rückgängig gemacht werden müssen
(Antwort bitte begründen)?
Wenn ja, was tat und tut die Bundesregierung dagegen?

Drucksache 18/13276 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

12. Wo sieht die Bundesregierung unter dem Stichwort „getarnte Sendeanlagen“

(§ 90 TKG) einen Unterschied zwischen dem Spielzeug My friend Cayla und
den Spielzeugen i-Que sowie Freddy Bär, wenn das erstgenannte vom Markt
genommen wurde (www.spiegel.de/netzwelt/gadgets/my-friend-cayla-
bundesnetzagentur-nimmt-sprechende-puppe-vom-markt-a-1135159.html),
die zweitgenannten Spielzeuge aber weiterhin verkauft werden dürfen (bitte
für die Spielzeuge differenziert ausführen)?
a) Welche Untersuchungen nahm die Bundesnetzagentur jeweils wann be-

züglich der Spielzeuge i-Que sowie Freddy Bär auf, und ggf. mit jeweils
welchen Ergebnissen?

b) Welche weiteren Prüfverfahren gab bzw. gibt es zur Thematik „getarnte
Sendeanlagen“ im Bereich Alltag bei der Bundesnetzagentur, und ggf. mit
jeweils welchen Ergebnissen?

c) Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, dass Behörden hier in Zu-
kunft schneller reagieren, als dies bei My friend Cayla (die Puppe wurde
bereits 2014 auf dem deutschen Markt eingeführt) der Fall war (Antwort
bitte begründen)?

d) Hätte die Puppe aus Sicht der Bundesregierung nicht eigentlich schon vor
Markteinführung verboten werden müssen (Antwort bitte begründen)?

e) Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, damit hier in Zu-
kunft früher eingriffen wird?

f) Wie will die Bundesregierung die IT-Sicherheit von (Kinder-)Spielzeug
allgemein besser regulieren?

g) Wie hat die Bundesregierung bei ihrer Bewertung der Frage 12f auch ge-
würdigt, dass § 90 TKG bisher nur einen eingeschränkten Anwendungs-
bereich hat und primär nicht die Sicherstellung von IT-Sicherheit bei
Spielzeugen bezweckt?

13. Welche Überlegungen und Konsequenzen resultieren bei der Bundesregie-
rung aus der Einschätzung des Präsidenten des Bundeskartellamtes, Andreas
Mundt, dass wettbewerbsrechtliche Probleme durch Geräte wie die Amazon-
Sprachbox Echo entstehen (www.wiwo.de/unternehmen/it/kartellamtschef-
mundt-amazons-alexa-womoeglich-ein-problem/20056116.html)?

14. Wird die Bundesregierung, falls weiterhin nur die Hälfte aller Nutzerinnen und
Nutzer mehr als 60 Prozent der versprochenen Bandbreite erreichen (www.
bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Verbraucher/
Breitbandmessung/Breitbandmessung-node.html), weitere Rechtsbehelfe zur
Wahrung der Verbraucherrechte einführen, etwa Ansprüche auf pauschalier-
ten Schadensersatz?
Warum unterließ die Bundesregierung trotz dieses bekannten Missstandes
entsprechende Initiativen während der letzten vier Jahre?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13276

15. Wie verträgt sich aus Sicht der Bundesregierung das Zero-Rating-Angebot

„StreamOn“ der Deutschen Telekom AG mit der Vorgabe aus der EU-Ver-
ordnung 2015/2120, dass Verkehrsmanagementmaßnahmen „nicht auf kom-
merziellen Erwägungen“ beruhen dürfen, sondern lediglich „auf objektiv un-
terschiedlichen technischen Anforderungen an die Dienstqualität bestimmter
Datenverkehrskategorien“, und dass ein solches „angemessenes Verkehrs-
management“ im Sinne der Verordnung nicht dauerhaft, sondern immer nur
solange wie erforderlich aufrecht erhalten werden darf?
Bis zu welchem Umfang und welcher Eingriffstiefe (bitte jeweils konkret
Rechtfertigungsgrundlage bzw. entsprechende OSI-Layer – Schichten des
Modells „Offenes System für Kommunikationsverbindungen“ – benennen)
einer Deep Packet Inspection, die zur Unterscheidung von Datenpaketen
durch Anbieter von Zero-Rating-Tarifen vorgenommen wird, sieht die Bun-
desregierung noch eine Vereinbarkeit mit der EU-Verordnung 2015/2120
insbesondere in Hinsicht auf das Überwachungsverbot „konkreter Inhalte“
(Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2) bzw. mit der entsprechenden Konkretisie-
rung in den Leitlinien des Gremiums Europäischer Regulierungsstellen für
elektronische Kommunikation (§§ 69 und 70) gewahrt?

Berlin, den 7. August 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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