BT-Drucksache 18/12821

Geheimhaltung eines Sondervotums von 1994 zum 1. Untersuchungsausschuss der 12. Wahlperiode zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte (MfS/KoKo) des Bundestages nach über zwei Jahrzehnten aufheben

Vom 21. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12821
18. Wahlperiode 21.06.2017
Antrag
der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Irene Mihalic, Dr. Konstantin
von Notz, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Katja Keul, Renate Künast,
Monika Lazar, Özcan Mutlu und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Geheimhaltung eines Sondervotums von 1994 zum 1. Untersuchungsausschuss
der 12. Wahlperiode zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte (MfS/KoKo) des
Bundestages nach über zwei Jahrzehnten aufheben

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag hebt die im Mai 1994 vom damaligen 1. Untersuchungs-
ausschuss des Bundestages (MfS/KoKo) selbständig beschlossene Einstufung des
abweichenden Berichts der Berichterstatterin Abg. Ingrid Köppe als Verschluss-
sache-GEHEIM auf.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

soweit für vorgenannten Zweck erforderlich, etwa noch gültige Einstufungen aller im
vorgenannten Bericht erwähnten bzw. verwendeten Unterlagen als Verschlusssachen
nunmehr aufzuheben bzw. auf „offen“ herabzustufen.

Berlin, den 20. Juni 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

1) Der 12. Deutsche Bundestag setzte am 6.6.1991 einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) ein
zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte (Ministerium für Staatssicherheit [MfS], Bereich Kommerzielle Koordi-
nierung [KoKo] des Alexander Schalck-Golodkowski) sowie zum Verhalten westdeutscher Stellen hierzu.
Die damalige Berichterstatterin der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Abgeordnete Ingrid Köppe, legte
am 6.5.1994 namens ihrer Gruppe einen vom Mehrheitsbericht (BT-Drs. 12/7600) abweichenden Bericht (BT-
Drs. 12/7725) vor. Diesen stufte sogleich der damalige PUA-Vorsitzende und am 27.5.1994 der PUA mehrheit-
lich als Verschlusssache-GEHEIM ein und verfügte dessen Hinterlegung in der Geheimschutzstelle des Bundes-
tages. Dort liegt der Bericht offenbar bis heute.

Drucksache 18/12821 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Ein Antrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, diesen Minderheitsbericht zu veröffentlichen, indem die
Bundesregierung die darin verwendeten eingestuften Unterlagen auf „offen“ herabstufe (BT-Drs. 12/7743:
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/12/077/1207743.pdf ), fand keine Mehrheit in der Schlussberatung im Plenum
des Bundestags am 23.6.1994 (Plenarprotokoll, 235. Sitzung, S. 20580, 20604 C: gegen die Stimmen der
CDU/CSU-Fraktion sowie die Mehrheit der FDP-Fraktion bei Stimmenthaltung der SPD-Fraktion).
2) Der abweichende Bericht der Abgeordneten Köppe enthält gemäß ihrer Schilderung (Bundestags-Plenarpro-
tokoll a. a. O., S. 20589 C, 20590 A) umfangreiche Darstellungen – auch aus Verschlusssachen VS-Vertraulich
und VS-GEHEIM – zum frühzeitigen Wissen des BND über eigene Quellen von Machenschaften des MfS sowie
von Embargo-Verstößen der KoKo-Firmen auch im Zusammenwirken mit westlichen Unternehmen (weitere
Beispiele nannte der Abg. Lüder a. a. O., S. 20655 C). Diese Unterlagen seien jedoch schon 1994 nicht mehr
schutzbedürftig gewesen, weil die DDR nicht mehr bestand und die Quellen entweder schon tot waren oder sich
selbst enttarnt hatten.
3) 23 Jahre später besteht ein solches Bedürfnis nach Quellenschutz sowie nach Geheimhaltung erst recht nicht
mehr.
Die im fraglichen Bericht verwendeten Verschlusssachen entstammen aus der Zeit zwischen 1981 und 1990.
Seither sind also mindestens 25 Jahre vergangen. Folglich kann auch die in den herausgebenden Stellen verfügte
Schutzfrist schon abgelaufen sein oder zumindest auf Ersuchen verkürzt werden.
Der Bericht ist zudem seit Jahrzehnten im Internet frei zugänglich, z. B. unter https://berndpulch.files.word-
press.com/2012/02/koeppe-bericht_ht.pdf und unter http://cryptome.org/stasi-biz.htm. Auch zahlreiche Medien
berichteten schon kurz nach der Behandlung im Bundestag 1994 über die Inhalte darin.
Nach § 3 Abs. 3 der Geheimschutzordnung des Bundestags (GSO) sowie § 3 Abs. 3 der Ausführungsbestimmun-
gen hierzu kann für eine im Bundestag entstandene Verschlusssache (VS) – wie die hier in Rede stehende – der
Präsident oder eine von ihm bestimmte Stelle bestimmen, dass „VS von einem bestimmten Zeitpunkt an … offen
zu behandeln sind“.
Der 1. Untersuchungsausschuss der 12. Wahlperiode beschloss am 13.6.1991, „dass die Geheimhaltungsver-
pflichtung entfällt, wenn und insoweit die aktenführende Stelle bzw. der Untersuchungsausschuss die Einstufung
als VS-VERTRAULICH oder höher aufhebt“. Ferner beschloss dieser PUA am 20.4.1994: „Die Ausschussakten
werden mit dem Vermerk VS-NfD versehen. Dieser Vermerk verliert seine Gültigkeit am 31.12.2003 … Vom
Jahr 2015 an sollen die allgemeinen Vorschriften betreffend die Behandlung von Archivgut des Deutschen Bun-
destages Anwendung finden ... Ausfertigungen VS-Vertraulich oder höher eingestufter Unterlagen sind mit Auf-
lösung des Untersuchungsausschusses der Geheimschutzstelle des Bundestags zurückzugeben. Auf ihre Behand-
lung ist die Geheimschutzordnung des Bundestags anzuwenden“ (BT-Drs. 12/7600, S. 29 f.).
Folglich kann und soll heutzutage der Bundestag gemäß der GSO und den Vorschriften über die Behandlung von
Archivgut erneut über die Behandlung des fraglichen Berichts beschließen und diesen nunmehr öffentlich frei-
geben.
4) Soweit die Bundesregierung u. U. mitwirken muss als herausgebende Stelle der verwendeten Unterlagen, ist
davon auszugehen, dass die Schutzfrist fraglicher Unterlagen entweder ohnehin bereits abgelaufen ist oder diese
schon von Amts wegen auf „offen“ entstuft worden sind oder dass dies jedenfalls nun auf Ersuchen möglich ist,
weil die früheren Gründe für die VS-Einstufung inzwischen entfielen: u. a. weil die DDR nicht mehr existiert.
Denn es gilt nach der Verschlusssachenanweisung des Bundes (VS-A) Folgendes: „Auf VS-VERTRAULICH
und höher eingestuften VS ist der Zeitpunkt des Ablaufs der VS-Einstufung zu bestimmen. Die Regelfrist beträgt
30 Jahre, es kann eine kürzere Frist bestimmt werden“ (§ 8 Abs. 2). Ferner gilt gemäß § 9: „(1) Die herausgebende
Stelle oder deren Rechtsnachfolger hat den Geheimhaltungsgrad einer VS zu ändern oder aufzuheben, sobald die
Gründe für die bisherige Einstufung sich ändern oder weggefallen sind.“ Und gemäß § 9 Abs. 2: „Die Aufhebung
von VS-Einstufungen erfolgt, sofern auf der VS keine längere oder kürzere Frist bestimmt ist (vgl. § 8 Abs. 2)
… Nr. 2. für die Vorgänge der Jahre 1960 bis 1994 bis zum 1. Januar 2025, beginnend mit dem Ablauf des Jahres
2013 sind mindestens drei Jahrgänge pro Kalenderjahr in chronologischer Reihenfolge zu öffnen, ...“.

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/12/077/1207743.pdf
https://berndpulch.files.wordpress.com/2012/02/koeppe-bericht_ht.pdf
https://berndpulch.files.wordpress.com/2012/02/koeppe-bericht_ht.pdf
http://cryptome.org/stasi-biz.htm

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