BT-Drucksache 18/12201

Lage von Geflüchteten in Griechenland

Vom 27. April 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12201
18. Wahlperiode 27.04.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Franziska Brantner,
Claudia Roth (Augsburg), Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar,
Irene Mihalic, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Lage von Geflüchteten in Griechenland

Am 18. März 2016 haben die Mitglieder des Europäischen Rates und die Türkei
„zur Bewältigung der Migrationskrise“ unter anderem gemeinsam erklärt, dass
Asylsuchende, die ab dem 20. März 2016 aus der Türkei auf den griechischen
Inseln ankommen, wieder in die Türkei zurückgeführt werden, und für jeden aus
Griechenland in die Türkei rückgeführten syrischen Geflüchteten ein Syrer oder
eine Syrerin aus der Türkei in der EU neu angesiedelt wird. Die Vereinbarung
sieht auch vor, dass die Türkei Schutzsuchende mit allen erforderlichen Maßnah-
men daran hindert, dass sie über See oder Land aus der Türkei in die Europäische
Union gelangen. Die von der Europäischen Union eingerichteten sogenannten
Hotspots auf den Ostägäisinseln, die bis dato der Aufnahme und Registrierung
von Schutzsuchenden dienten, sollten zum Zwecke der Umsetzung der erklärten
Vereinbarung zu geschlossenen Einrichtungen werden.
Seit dem 20. März 2016 ist die Zahl der Asylsuchenden, die aus der Türkei kom-
mend die griechischen Inseln erreichen, stark zurückgegangen. Die Europäische
Kommission stellt in ihrem letzten Fortschrittsbericht (https://ec.europa.eu/trans
parency/regdoc/rep/1/2017/DE/COM-2017-204-F1-DE-MAIN-PART-1.PDF)
für den Zeitraum zwischen 8. Dezember 2016 und 26. Februar 2017 einen Rück-
gang auf nur noch 43 Personen pro Tag fest, während vor der Erklärung noch
durchschnittlich mehr als 1 700 Asylsuchende pro Tag verzeichnet wurden. Neu-
ankommende Asylsuchende in Griechenland überwiegen aber bei weitem die
Zahl der in die Türkei zurückgeführten Menschen. Ihre Zahl summierte sich der
Kommission zufolge seit Anfang Dezember 2016 auf 3 449 Menschen, während
im selben Zeitraum 151 Menschen rückgeführt wurden.
Aus Griechenland wurden seit dem 20. März 2016 insgesamt 1 014 Menschen
von den Inseln der Ostägäis in die Türkei abgeschoben. Gleichzeitig läuft die im
Europäischen Rat beschlossene Umverteilung von Schutzsuchenden aus Grie-
chenland in andere EU-Mitgliedstaaten noch immer schleppend (https://ec.
europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we-do/policies/european-
agenda-migration/20170302_tenth_report_on_relocation_and_resettlement_en.
pdf). Die Zahl der Schutzsuchenden, die derzeit noch in Griechenland ausharren
müssen, ist entsprechend hoch.

Drucksache 18/12201 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

Aufnahme und Asylverfahren in Griechenland
1. Wie viele Asylsuchende befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung

zum Zeitpunkt der Einbringung der Kleinen Anfrage in Griechenland im
Asylverfahren (bitte nach Herkunftsländern aufschlüsseln)?

2. Wie viele Asylsuchende befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung
zum Zeitpunkt der Einbringung der Kleinen Anfrage auf den griechischen
Ostägäisinseln (bitte nach Herkunftsländern aufschlüsseln)?

3. Wie viele Personen der derzeit auf den griechischen Ostägäisinseln befindli-
chen Asylsuchenden sind nach Kenntnis der Bundesregierung in sogenann-
ten Hotspots untergebracht?

4. Wie viele sogenannte Hotspots befinden sich nach Kenntnis der Bundesre-
gierung zum Zeitpunkt der Einbringung der Kleinen Anfrage auf den grie-
chischen Ostägäisinseln, wo befinden sich diese, wer betreibt sie, und wie
viele Personen können durch sie jeweils aufgenommen werden?

5. Wie bewertet die Bundesregierung die Unterbringung von Asylsuchenden in
den griechischen sogenannten Hotspots aus menschenrechtlicher Sicht?

6. Inwiefern hält die Bundesregierung die Unterbringung in Hotspots für ver-
einbar mit den Vorgaben der Grundrechte-Charta (insbesondere Artikel 6)
und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) (insbesondere
Artikel 5)?

7. Stimmt die Bundesregierung der Einschätzung des Deutschen Instituts für
Menschenrechte (www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/
Publikationen/Stellungnahmen/DIMR_Stellungnahme_Menschenrechtliche_
Bewertung_EU-Tuerkei-Vereinbarung_in_ihrer_Umsetzung_20_06_2016.
pdf) sowie des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen
(UNHCR) zu, demnach die pauschale Inhaftierung von Menschen in soge-
nannten Hotspots mit dem Recht auf Freiheit nicht vereinbar seien?

Falls nein, wie begrünet die Bundesregierung ihre Einschätzung?
8. Wie erklärt sich die Bundesregierung den Abzug des Personals zahlreicher

Nichtregierungsorganisationen, wie beispielsweise „Ärzte ohne Grenzen“,
seit Inkrafttreten der EU-Türkei-Vereinbarung (www.aerzte-ohne-grenzen.
de/beendung-arbeit-eu-hotspot-moria-lesbos) aus sogenannten griechischen
Hotspots?

9. Welche Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung aus diesem Abzug ge-
zogen, und wie wirkt sich dieser Abzug nach Kenntnis der Bundesregierung
auf die Versorgung der Asylsuchenden vor Ort aus?

10. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass in den sogenannten Hotspots
Asylsuchende bestimmter Nationalitäten (u. a. Algerier) pauschal als „Wirt-
schaftsflüchtlinge“ eingestuft werden, dadurch im Vergleich zu Angehörigen
anderer Nationalitäten erschwerten Zugang zu Registrierung und Asylan-
tragsprüfung haben, und aufgrund dieser Einstufung in Haft genommen
werden (vgl. www.hrw.org/news/2017/03/15/greece-year-suffering-asylum-
seekers)?
Wenn ja, wie bewertet sie dies mit Blick auf das Verbot unterschiedlicher
Behandlung nach Artikel 3 der Genfer Flüchtlingskonvention?

11. Bei wie vielen der zum Zeitpunkt der Einbringung der Kleinen Anfrage in
Griechenland befindlichen Asylsuchenden handelt es sich nach Kenntnis der
Bundesregierung um unbegleitete Minderjährige?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12201

12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Unterbringung und

Versorgung von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden in Griechen-
land, und wie bewertet sie diese, insbesondere vor der Hintergrund der UN-
Kinderrechtskonvention?

13. Über wie viele spezielle Plätze für unbegleitete minderjährige Asylsuchende
verfügt Griechenland nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte nach Orten
und jeweiliger Anzahl aufschlüsseln)?

14. Welche Maßnahmen unternimmt bzw. unterstützt die Bundesregierung, um
die Achtung der Grund- und Menschenrechte der in Griechenland befindli-
chen unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden sicherzustellen?

15. Bei wie vielen der zum Zeitpunkt der Einbringung der Kleinen Anfrage in
Griechenland befindlichen Asylsuchenden handelt es sich nach Kenntnis der
Bundesregierung um besonders Schutzbedürftige im Sinne des Artikels 21
der Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU) (bitte nach Personengruppe aufschlüs-
seln)?

16. Wie viele der in Griechenland registrierten Asylsuchenden haben nach Er-
kenntnis der Bundesregierung einen Antrag auf Übernahme nach Deutsch-
land im Rahmen der Dublin-Verordnung (wegen enger familiärer Bindun-
gen) gestellt, und wie viele davon sind in den Jahren 2016 und 2017 tatsäch-
lich nach Deutschland eingereist (bitte nach Monaten aufschlüsseln)?

17. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Unterbringung und
Versorgung der derzeit in Griechenland befindlichen Asylsuchenden außer-
halb von sogenannten Hotspots?

18. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Zugang zu unabhän-
giger Rechts- und Verfahrensberatung für Asylsuchende in Griechenland,
insbesondere in den sogenannten Hotspots (bitte nach Anbietern, Standorten
und Kapazitäten aufschlüsseln)?

19. Wie viele deutsche Beamtinnen und Beamte sind im Rahmen der Unterstüt-
zung des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) in Not-
lagen im Jahr 2017 in Griechenland tätig (bitte nach Monaten, entsendenden
Behörden und griechischen Einsatzorten aufschlüsseln)?

20. Wie viele deutsche Beamtinnen und Beamte sind im Rahmen von
Frontexmissionen im Jahr 2017 in Griechenland tätig (bitte nach Monaten,
entsendenden Behörden und griechischen Einsatzorten aufschlüsseln)?

21. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass sich EU-Mitgliedstaaten wei-
gern, Personal nach Griechenland zu schicken, weil sie aufgrund der instabi-
len Sicherheitslage auf den griechischen Inseln Gefahren für ihre Beamtin-
nen und Beamten fürchten (www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-in-
griechenland-eu-staaten-fuerchten-um-sicherheit-ihrer-beamten-a-1118701.
html), und wenn ja, um welche Mitgliedstaaten handelt es sich, und welche
Konsequenzen hat diese Tatsache für die Situation auf den griechischen In-
seln?

Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der Europäischen Union
22. Wie viele Asylsuchende wurden im Zuge der im Europäischen Rat im Sep-

tember 2015 verbindlich beschlossenen Umverteilung zum Zeitpunkt der
Einbringung der Kleinen Anfrage aus Griechenland in die Bundesrepublik
Deutschland umverteilt (bitte nach Staatsangehörigkeit und aufnehmendem
Bundesland aufschlüsseln)?

Drucksache 18/12201 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

23. Wie viele Asylsuchende haben nach Kenntnis der Bundesregierung bis ein-

schließlich April 2017 eine Umverteilungszusage nach Deutschland erhalten,
aber befinden sich noch auf die Umverteilung wartend in Griechenland (bitte
nach Monaten aufschlüsseln)?

24. Welche konkreten Defizite sieht die Bundesregierung in der derzeitigen Pra-
xis der Umverteilung aus Griechenland?
Welche Maßnahmen sind aus Sicht der Bundesregierung notwendig, um eine
zugesagte Umverteilung zügig voranzutreiben?

25. Wie erklärt die Bundesregierung die Differenz zwischen der Zahl der bisher
von der Bundesrepublik Deutschland zugesagten Plätze sowie der geringen
Zahl der bisher tatsächlich im Rahmen der Umverteilung aufgenommenen
Asylsuchenden?

26. Wie wirkt sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Verrechnung der Zahl
der aus der Türkei aufgenommenen Syrerinnen und Syrer mit der Zahl der
im Rahmen der Umverteilung aus Griechenland aufzunehmenden Schutzsu-
chenden (http://nachrichten.btg/index.php/news/detailansicht/ID/4332c36b7
81181e555d3532b26616a1d/type/tnews) auf die Situation in Griechenland
aus?

27. Wie viele Asylsuchende beabsichtigt die Bundesregierung bis September
2017 aus Griechenland nach Deutschland umzusiedeln?

Dublin-Rücküberstellungen
28. Wie wird die Bundesregierung sicherstellen, dass besonders schutzbedürf-

tige Personen, die zunächst von Dublin-Überstellungen nach Griechenland
ausgenommen werden sollen, als solche identifiziert werden (siehe Antwort
der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 10 vom 7. Februar 2017 auf
Bundestagsdrucksache 18/11119)?

29. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung vorgesehen, dass nach Griechenland
rücküberstellte Personen dort im Rahmen einer der eigentlichen Asylantrags-
prüfung vorgeschalteten Überprüfung der Zuständigkeit der Türkei als siche-
rer Drittstaat (sogenannte Admissibility Tests) in die Türkei weiterüberstellt
werden?
Inwiefern ist in diesem Fall eine individuelle Zusicherung der Einhaltung der
Standards der Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU) gewährleistet?

30. Sieht die Bundesregierung angesichts der wiederholten illegalen Rück-
schiebungen syrischer und afghanischer Flüchtlinge durch die Türkei (www.
amnesty.org/en/latest/news/2016/03/turkey-safe-country-sham-revealed-
dozens-of-afghans-returned/; www.proasyl.de/news/warum-der-deal-mit-
der-tuerkei-eine-schande-fuer-europa-ist/) den Schutz des Non-Refoule-
ment-Grundsatzes gemäß Artikel 33 der Genfer Flüchtlingskonvention im
Falle einer Weiterschiebung über Griechenland in die Türkei gewährleistet?

31. Wie bewertet die Bundesregierung die Auffassung der bis Juni 2016 zustän-
digen griechischen Asylberufungsausschüsse, die sich in einer Vielzahl
der ergangenen Entscheidungen gegen die Einstufung der Türkei als sicheren
Drittstaat wendeten und lediglich zwei der eingereichten Berufungen ab-
gelehnt hatten (www.ecre.org/wp-content/uploads/2016/12/HOTSPOTS-
Report-5.12.2016.pdf)?

32. Welche Aufnahmeeinrichtungen, die den Vorgaben der Aufnahmerichtlinie
(2013/33/EU) entsprechen, sind der Bundesregierung in Griechenland be-
kannt (bitte nach Orten, Betreiber, Größe und Auslastung aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12201

33. Sind angesichts der Engpässe bei der Unterbringung und Versorgung von

Asylsuchenden in Griechenland zusätzlich zu den von Griechenland gefor-
derten Zusicherungen nach Auffassung der Bundesregierung Monitoring-
Maßnahmen vorgesehen, um die Validität der zugesicherten menschenwür-
digen Unterbringung der überstellten Personen sicherzustellen?

34. Ist nach Auffassung der Bundesregierung der gesicherte Zugang zum Asyl-
verfahren sowie zu unabhängiger Rechtsberatung Bestandteil der von Grie-
chenland vor einer Rücküberstellung einzuholenden Zusicherung?

35. Ist nach Auffassung der Bundesregierung die gesicherte medizinische und
psychosoziale Versorgung und Betreuung Bestandteil der von Griechenland
vor einer Rücküberstellung einzuholenden Zusicherung?

36. Sieht die Bundesregierung in der Ankündigung, Dublin-Rücküberstellungen
nach Griechenland ab dem 15. März 2017 wieder aufzunehmen, bei gleich-
zeitig laufender Umverteilung zur Entlastung Griechenlands auf andere EU-
Mitgliedstaaten, einen Widerspruch?
Wenn nein, bitte begründen?

37. Wie viele Rückübernahmeersuche an Griechenland mit welchem Ergeb-
nis hat es zum Zeitpunkt der Einbringung der Kleinen Anfrage nach
Kenntnis der Bundesregierung gegeben (bitte nach Staatsangehörigkeit
aufschlüsseln)?

Berlin, den 25. April 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.