BT-Drucksache 18/11762

Deutsch-französischer Vorschlag zur Verteilung von Asylsuchenden

Vom 22. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11762
18. Wahlperiode 22.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Dr. Franziska Brantner,
Omid Nouripour, Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic,
Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Deutsch-französischer Vorschlag zur Verteilung von Asylsuchenden

Am 26. und 27. Januar 2017 fand ein informeller Rat für Justiz und Inneres in
Valletta auf Malta statt. Dort wurde unter anderem ein deutsch-französisches Pa-
pier zur Verteilung von Asylsuchenden anhand eines Phasenmodells diskutiert.
Der Vorschlag sieht eine Verteilung nach sogenannten Belastungsstufen vor. In
einer ersten Phase, also bei geringen Ankunftszahlen von Asylsuchenden ist vor-
gesehen, das Zuständigkeitssystem nach der Dublin-Verordnung weiter anzuwen-
den. Ab Erreichen eines bestimmten Schwellenwertes beim Zugang von Asylsu-
chenden soll in einer zweiten Phase jeder Mitgliedstaat ein sogenanntes Minimum
an Flüchtlingen aufnehmen. Die Eintrittsschwelle dazu soll vorab vereinbart wer-
den. Eingeleitet werden kann die Phase zwei nur durch eine Entscheidung des
Rates mit qualifizierter Mehrheit. In einer dritten Phase, bei sehr hohen Zugangs-
zahlen, sollten Schutzsuchende an sichere Orte außerhalb der Europäischen
Union (EU) zurückgeführt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Ressorts innerhalb der Bundesregierung waren an der Erstellung des

Phasenmodells beteiligt?
2. Wurde das Phasenmodel zur Verteilung von Asylsuchenden zwischen den

Ressorts der Bundesregierung und dem Bundeskanzleramt abgestimmt?
a) Wenn ja, welche Positionen vertraten die einzelnen Ressorts der Bundes-

regierung, das Bundeskanzleramt und die Integrationsbeauftragte der
Bundesregierung zu dem skizzierten Modell?

b) Wenn nein, warum nicht?
3. Wann und in welchem Rahmen wurde das Phasenmodell erstmalig innerhalb

der Bundesregierung, zwischen der deutschen und der französischen Regie-
rung und auf EU-Ebene verhandelt und veröffentlicht?

4. Waren an der Erstellung des Phasenmodells auch externe Institutionen bzw.
Expertinnen und Experten, auch aus dem Bereich der Nichtregierungsorga-
nisationen, beteiligt?
a) Wenn ja, welche nicht (bitte detailliert auflisten)?
b) Und wenn nein, warum?

Drucksache 18/11762 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
5. Inwiefern hat die Bundesregierung ihre Unterrichtungsverpflichtung gegen-
über dem Deutschen Bundestag in EU-Angelegenheiten gemäß dem Gesetz
über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag
in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) eingehalten und hat
den Deutschen Bundestag unter Beachtung des Schriftlichkeitserfordernisses
umfassend, zum frühestmöglichen Zeitpunkt und fortlaufend gem. § 2, § 3,
und § 4 Absatz 2 Nummer 1 und 2 EUZBBG unterrichtet?

6. Welche Positionen vertreten die anderen EU-Mitgliedstaaten jenseits von
Deutschland und Frankreich zu dem vorgestellten Phasenmodell?
a) In welcher Form wurden sie von Deutschland und Frankreich konsultiert?
b) Gab es kritische Gegenpositionen, und wenn ja, welche Mitgliedstaaten

waren dies, mit welchen Positionen?
7. Welcher Zeitplan schwebt der Bundesregierung für eine weitere Behandlung

des Phasenmodells und für dessen Umsetzung vor?
8. Bis wann rechnet die Bundesregierung mit einer Einigung, und ab wann soll

nach Einschätzung der Bundesregierung die Phase Drei operationalisierbar
sein?

9. Was wäre nach Ansicht der Bundesregierung ein geeigneter Schwellenwert
beim Zugang von Asylsuchenden, um die zweite Phase des Modells einzu-
leiten?

10. Nach welchen Kriterien und von wem soll bei Erreichen des vorher festge-
legten Schwellenwertes entschieden werden, wie viele Schutzsuchende je-
weils auf einen Mitgliedstaat entfallen?

11. Was sind nach Einschätzung der Bundesregierung sichere Orte außerhalb der
Europäischen Union, an die Schutzsuchende im Zusammenhang mit Phase
Drei zurückgeschickt werden sollen?

12. Welche Kriterien und völkerrechtlichen Standards müssen sichere Orte nach
Auffassung der Bundesregierung erfüllen?

13. Wer und nach welchen Kriterien nimmt die Einschätzung eines „sicheren
Ortes“ im Sinne der Phase Drei vor?

14. Inwiefern unterscheiden sich nach Kenntnis der Bundesregierung sichere
Orte, wie sie in dem Phasenmodell skizziert werden von dem Konzept siche-
rer Drittstaaten und von dem Konzept des Bundesministers des Innern,
Dr. Thomas de Maizière, von sog. Auffanglagern oder Aufnahmezentren in
nordafrikanischen Staaten?

15. Wie soll nach Einschätzung der Bundesregierung, im Zusammenhang mit
Phase Drei des vorgeschlagenen Modells, für in Drittstaaten überstellte Asyl-
suchende dort Rechte aus der Genfer Flüchtlingskonvention, einschließlich
des Zugangs zu den Gerichten, und das Recht auf die Beachtung des Ver-
hältnismäßigkeitsprinzips, grund- und europarechtliche Standards über eine
freie und unabhängige Rechtsberatung und rechtliche Vertretung sowie das
Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz sichergestellt werden?

16. Wie begründet die Bundesregierung, dass sie bei der Rückführung von Asyl-
suchenden in sogenannte sichere Orte, im Zusammenhang mit Phase Drei
des vorgeschlagenen Modells, nicht gegen das völkerrechtliche Refoule-
ment-Verbot verstößt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11762

17. Wie soll nach Einschätzung der Bundesregierung im Zusammenhang mit

Phase Drei des vorgeschlagenen Modells gewährleistet werden, dass Asyl-
suchende infolge ihrer Rückführung in einen Drittstaat außerhalb der Euro-
päischen Union nicht allein wegen ihrer Eigenschaft als Schutzsuchende in-
haftiert werden würden?

Berlin, den 21. März 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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