BT-Drucksache 18/11596

Ausfuhr von Uran-Brennstoffen für den Betrieb störanfälliger Atomkraftwerke im Ausland stoppen

Vom 21. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11596
18. Wahlperiode 21.3.2017
Antrag
der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay,
Herbert Behrens, Karin Binder, Matthias W. Birkwald, Heidrun Bluhm, Roland
Claus, Dr. Diether Dehm, Inge Höger, Ulla Jelpke, Susanna Karawanskij, Kers-
tin Kassner, Jutta Krellmann, Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Dr. Gesine Lötzsch,
Michael Leutert, Thomas Lutze, Birgit Menz, Niema Movassat, Dr. Kirsten
Tackmann, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Ausfuhr von Uran-Brennstoffen für den Betrieb störanfälliger Atomkraftwerke
im Ausland stoppen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutschland hat nach der Atomkatastrophe von Fukushima die schrittweise Abschal-
tung der Atomkraftwerke beschlossen, beginnend mit den ältesten und unsichersten
Anlagen. In den noch am Netz befindlichen Atomkraftwerken (AKWs) besteht wei-
terhin die Gefahr eines katastrophalen Störfalls bis hin zur Kernschmelze. Nur die so-
fortige Abschaltung kann dieses Risiko beenden.
Die Risiken des Betriebs von AKWs machen an Grenzen nicht halt. Der Atomausstieg
ist daher zum Schutz der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur
eine nationale, sondern auch eine europäische und internationale Aufgabe, für die sich
die Bundesregierung im Rahmen ihrer Möglichkeiten einsetzen muss.
Wachsende Risiken älter werdender Atommeiler auch in den Nachbarstaaten und Er-
kenntnisse über Materialprobleme und Schlampereien bei wichtigen Bauteilen erfor-
dern eine Politik des Atomausstiegs und der Energiewende in Europa.
Insbesondere bei den belgischen Atomkraftwerken Tihange 2 und Doel 3 gibt es auch
laut Bundesumweltministerium konkrete Hinweise dafür, dass diese angesichts tau-
sender Risse in den Reaktordruckbehältern den Material-Anforderungen bei schweren
Störfallen nicht gewachsen sein könnten. Das Bundesumweltministerium hat die Ab-
schaltung mindestens bis zur Beseitigung dieser Zweifel gefordert. Zweifel bestehen
auch bei AKWs in Frankreich und der Schweiz.
Selbst der heutige Chef der belgischen Atomaufsicht FANC, Jan Bens, schrieb jüngst
in Briefen an die Betreibergesellschaften Electrabel und Engie von der „Besorgnis über
die alarmierenden Wahrscheinlichkeitswerte einer Kernschmelze in den Reaktoren
Doel 3 und 4 sowie Tihange 1, 2 und 3“ im Falle eines Brands. Offen gesagt, seien die
Ergebnisse „desaströs“ bezüglich der Wahrscheinlichkeit eines Brandes in den unter-
suchten Einheiten, schreibt Bens (Quelle: http://www.rp-online.de vom 25. November
2016).
Die Uranfabriken in Gronau und Lingen sind vom Atomausstieg in Deutschland aus-
genommen. Sie versorgen Atomkraftwerke mit angereichertem Uran (Gronau) oder

http://www.rp-online.de/
Drucksache 18/11596 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

frischen Brennelementen (Lingen). Rund ein Drittel aller Atomkraftwerke weltweit
erhalten ihren Brennstoff „Made in Germany“. Zu den Kunden dieser Uranfabriken
gehören auch diejenigen AKWs, die in der Kritik selbst des Bundesumweltministeri-
ums stehen.
Die Gefahren der AKWs in Deutschland abzuschalten, ihren Betrieb aber im Ausland
durch Uran-Brennstoff-Lieferungen aus Deutschland zu ermöglichen, ist keine verant-
wortliche Politik zum Schutz der Bevölkerung.
Das Atomgesetz fordert, die Nutzung der Atomenergie zu beenden und setzt als höchs-
tes Schutzgut die Sicherheit und Gesundheit der Bevölkerung. Dies gilt auch für Ge-
fahren, die von Atommeilern in Nachbarländern ausgehen. Die Zulassung von Uran-
Brennstoff-Exporten zum Einsatz in diesen AKWs ist daher mit den Zielen des Atom-
gesetzes nicht vereinbar und muss umgehend beendet werden.
Kernbrennstoff-Exporte erfordern nach dem Atomgesetz eine Ausfuhrgenehmigung
und sind vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu genehmigen. In ei-
nem Rechtsgutachten im Auftrag der Ärzteorganisation IPPNW heißt es: „Zwingende
Genehmigungsvoraussetzung ist es nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 Atomgesetz, dass die auszu-
führenden Kernbrennstoffe nicht in einer die innere oder äußere Sicherheit der Bun-
desrepublik Deutschland gefährdenden Weise verwendet werden. Dabei werden
grundsätzlich alle aus der ‚Anwendung von Kernenergie‘ resultierenden Risiken er-
fasst. Eine Beschränkung auf eine militärische Perspektive gibt es nicht. Etwas anderes
wäre auch mit den Zwecksetzungen des § 1 Atomgesetz, an denen § 3 Abs. 3 Nr. 2
Atomgesetz ausgerichtet ist, nicht vereinbar. Erforderlich ist nach § 3 Abs. 3 Nr. 2
Atomgesetz zudem ein Handeln bereits aus Vorsorgegründen und nicht erst zur Ge-
fahrenabwehr“ (Rechtsanwältin Cornelia Ziehm: „Anordnung eines Exportstopps für
Brennelemente aus der Brennelementefabrik Lingen in die Atomkraftwerke Doel (Bel-
gien), Fessenheim und Cattenom (beide Frankreich)“ sowie Stellungnahme zur Ant-
wort des Bundesumweltministeriums vom 5. September 2016). Das Rechtsgutachten
betrachtete nur die Uranlieferungen aus Lingen an die genannten AKWs. Unter Ein-
beziehung der Urananlage in Gronau, für welche die zitierte Begründung ebenfalls
gültig ist, fallen auch weitere Anlagen wie Tihange, Beznau und Leibstadt unter ein
solches Exportverbot. Diese Rechtsauffassung teilt der Deutsche Bundestag. Exporte
von Uran-Brennstoff und dessen Nutzung in den genannten Atomkraftwerken tragen
direkt zur Sicherheitsgefährdung Deutschlands bei. Daher dürfen Ausfuhrgenehmi-
gungen nicht mehr erteilt werden. Eventuell müssen auch bereits erteilte Ausfuhrge-
nehmigungen widerrufen werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. ein sofortiges Exportverbot von Uran-Kernbrennstoffen aus den Anlagen in
Gronau und Lingen zum Einsatz in die die Sicherheit der Bundesrepublik
Deutschland gefährdenden Atomkraftwerke wie Doel, Tihange, Cattenom, Fes-
senheim, Beznau und Leibstadt anzuordnen, indem Ausfuhrgenehmigungen nach
§ 3 Abs. 3 Nr. 2 des Atomgesetzes nicht mehr erteilt und gegebenenfalls zurück-
genommen werden;

2. umgehend einen Gesetzentwurf zur Stilllegung von Anlagen zur Kernbrenn-
stoffversorgung, insbesondere der Urananlagen in Gronau und Lingen, vorzule-
gen, um den Atomausstieg in Deutschland umfassend zu machen;

3. angesichts bestehender Risiken schwerer Atomunfälle und zusätzlich gewachse-
ner Risiken durch Einwirkungen Dritter, die in Deutschland noch in Betrieb be-
findlichen Atomkraftwerke sofort abzuschalten.

Berlin, den 21. März 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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