BT-Drucksache 18/11486

Share Deals am deutschen Portfoliomarkt

Vom 8. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11486
18. Wahlperiode 08.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Lisa Paus, Christian Kühn (Tübingen), Dr. Gerhard Schick,
Britta Haßelmann, Dr. Thomas Gambke, Sven-Christian Kindler,
Dr. Tobias Lindner, Corinna Rüffer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Share Deals am deutschen Portfoliomarkt

Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) erfasst in der
Datenbank Wohnungstransaktionen seit 1999 Transaktionen von großen Woh-
nungsportfolios ab 800 Wohnungen und seit dem zweiten Halbjahr 2006 zusätz-
lich Transaktionen kleinerer Wohnungsportfolios zwischen 100 und 800 Woh-
nungen. Die Datenbank basiert auf systematischen Recherchen unterschiedlicher
Print- und Internetquellen. Der Handel mit Mietwohnungsbeständen und Woh-
nungsunternehmen übertrifft alle Rekorde.
Das Transaktionsvolumen am Immobilienmarkt stieg bis 2015 stetig an – von
13,4 Mrd. Euro 2009 auf 79 Mrd. Euro 2015. Immobilien zirkulieren zunehmend
zwischen wenigen großen Marktteilnehmern. Der Anteil von Wiederverkäufen
an den gesamten Transaktionen großer Wohnungsbestände erreichte 2011 sowie
im ersten Halbjahr 2015 laut dem BBSR den Spitzenwert von 94 Prozent.
Immobilientransaktionen unterliegen grundsätzlich der Grunderwerbsteuer, wo-
bei die Einnahmen an die Länder gehen. Dies gilt vor allem dann, wenn das
Grundstück selbst direkt vom Käufer erworben wird (Asset Deal). Um Grunder-
werbsteuer zu vermeiden, werden daher oftmals nicht die Grundstücke selbst,
sondern Anteile an grundbesitzenden Unternehmen (Shares) verkauft. Für diesen
Fall fällt keine Grunderwerbsteuer an – jedenfalls dann nicht, wenn weniger als
95 Prozent der Unternehmensanteile erworben werden (Share Deal). Grunder-
werbsteuer fällt erst an, wenn mindestens 95 Prozent dieser Unternehmensanteile
(zum Beispiel Aktien) auf den Käufer übergehen.
Von dieser Gestaltungsmöglichkeit profitieren insbesondere große Marktteilneh-
mer. Um Grunderwerbsteuer zu vermeiden, führen sie oftmals solche Share Deals
durch und bleiben mit maximal 94,9 Prozent gekauften Anteilen gerade unter der
Grenze der Steuerpflicht. Bei einer Besteuerung von Share Deals würden sich der
Handel mit großen Immobilienbeständen und die Fusion großer Wohnungsunter-
nehmen weniger lohnen. Im Ergebnis würde die aus Verbrauchersicht hoch pro-
blematische Konzentration von Wohnungsbeständen in immer größeren Immobi-
lienunternehmen eingeschränkt. Die Konzentration von Wohnungsbeständen in
Händen großer Marktteilnehmer birgt die Gefahr steigender Mietpreise in Bal-
lungszentren und schwächt die Position der Mieterinnen und Mieter gegenüber
ihrem Vermieter.
Da durch Share Deals viele Immobilientransaktionen am Staat vorbei vollzogen
werden, ist eine genaue Berechnung, wie viele Einnahmen der Gesellschaft

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dadurch entgehen, nicht möglich. Schätzungen des hessischen Finanzministeri-
ums gehen im Zusammenhang von Share Deals mit Einnahmeverlusten in einer
Größenordnung von bis zu 1 Mrd. Euro pro Jahr aus.

Wir fragen die Bundesregierung:

Share Deals
1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie sich das Volumen

der Wohnimmobilientransaktionen in Deutschland seit dem Jahr 2000 ent-
wickelt hat (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

2. Wie viele Immobilienverkaufsvorgänge darunter waren Wiederverkäufe
(bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

3. Wie haben sich die Volumina veräußerter Wohneinheiten in den in Frage 1
erfragten Transaktionen entwickelt (bitte nach Jahren, weniger als 100 Wohn-
einheiten, zwischen 100 und 799 Wohneinheiten, 800 oder mehr Wohnein-
heiten aufschlüsseln)?

4. Wie bewertet die Bundesregierung diese Entwicklung?
5. Welche Herausforderungen ergeben sich durch den zunehmenden und rendi-

teorientierten Handel mit Wohnraum nach Ansicht der Bundesregierung für
die Verfügbarkeit bezahlbaren Wohnraums in den Ballungszentren?

6. Nimmt die Bundesregierung wahr, dass der renditeorientierte Handel mit
Wohnimmobilien in Gebieten mit Wohnraummangel an vielen Stellen zu
Preisen erfolgt, die nicht oder nur unvollständig aus bestehenden Miethöhen
in diesen Wohnimmobilien refinanziert werden können?

7. Besitzt die Bundesregierung Kenntnisse darüber, wie sich die Grunderwerb-
steuereinnahmen seit dem Jahr 1989 entwickelt haben (bitte nach Bundes-
land aufschlüsseln)?

8. Besitzt die Bundesregierung Kenntnisse über das Volumen der Steuermin-
dereinnahmen bei der Grunderwerbsteuer durch Share Deals (bitte nach Jahr
und Bundesland aufschlüsseln)?

9. Bei welchen in der Datenbank „Wohnungstransaktionen“ des BBSR im Zeit-
raum seit dem Jahr 1999 erfassten Wohnungstransaktionen handelte es sich
um Share Deals, in denen Anteile an einer Objektgesellschaft und nicht die
Objekte selbst Gegenstand der Transaktion waren (bitte nach Jahr, verkau-
fender und kaufender Wohnungsgesellschaft, Anzahl der Wohneinheiten,
Kaufpreis auflisten)?

10. In welchen der oben abgefragten Fälle lag die Übertragung von Anteilen und
Anteilsvereinigungen an grundstückshaltenden Gesellschaften unterhalb der
Quote von 95 Prozent und waren damit keine Erwerbsvorgänge im Sinne des
aktuellen Grunderwerbsteuergesetzes?

11. In welchen der oben abgefragten Fälle trat der öffentliche Sektor (städtische
oder kommunale Wohnungsgesellschaften oder sonstige Anstalten in öffent-
lichem Besitz) als Käufer auf?

12. In welchen der oben abgefragten Fälle trat der öffentliche Sektor (städtische
oder kommunale Wohnungsgesellschaften oder sonstige Anstalten in öffent-
lichem Besitz) als Verkäufer auf?

13. In welchen der oben abgefragten Fälle waren Wohnungsunternehmen invol-
viert, die Wohnungen in Berlin in ihrem Portfolio führen, und um wie viele
in Berlin gehandelte Wohneinheiten handelte es sich bei den jeweiligen
Transaktionen?

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14. In welchen der oben abgefragten Fälle handelte es sich um den Börsengang

eines Wohnungsunternehmens bzw. um den sukzessiven Exit von Investoren
über die Börse?

15. Wie hoch ist der Anteil von Share Deals an den gesamten Wohnungstrans-
aktionen am deutschen Portfoliomarkt seit 1999 gemessen an der Anzahl der
Transaktionen (bitte nach Jahr und nach Anteilskäufen von weniger und
mehr als 95 Prozent auflisten)?

16. Wie hoch ist der Anteil von Share Deals an den gesamten Wohnungstrans-
aktionen am deutschen Portfoliomarkt seit 1999 gemessen am Volumen der
gehandelten Wohneinheiten (bitte nach Jahr und nach Anteilskäufen von we-
niger und mehr als 95 Prozent auflisten)?

17. Wie hoch ist der Anteil von Share Deals an den gesamten Wohnungstrans-
aktionen am Berliner Portfoliomarkt im Zeitraum seit 1999 am Volumen der
gehandelten Wohneinheiten (bitte nach Jahr auflisten)?

Gewerbesteuereffizienz
18. Besitzt das BBSR Erkenntnisse darüber, wie viele vermögensverwaltende

Wohnungsunternehmen in Deutschland in der Rechtsform
a) einer Kapitalgesellschaft,
b) einer Personengesellschaft mit ausschließlich juristischen Personen als

Gesellschafter,
c) eines Einzelunternehmers bzw. einer Personengesellschaft mit natürli-

chen Personen als Gesellschafter betrieben werden?
Wenn ja, wie hoch ist die Anzahl in den Gruppen a, b, c, und wie hoch ist
deren Anteil am Immobilienbestand in Deutschland?

19. Sind dem BBSR Fälle bekannt, in denen Wohnungsunternehmen zur Gewer-
besteuereffizienz auf die sogenannte „erweiterte Grundbesitzkürzung“ nach
§ 9 Nummer 1 Satz 2 ff. des Gewerbesteuergesetzes zurückgegriffen haben?
Wenn ja, um welche Fälle handelt es sich, und gibt es Angaben oder Schät-
zungen, in welcher Höhe dadurch jeweils Gewerbesteuern eingespart werden
konnten?

Bestand öffentlicher Wohnungsunternehmen
20. Besitzt das BBSR Erkenntnisse über den derzeitigen Bestand kommunaler

und landeseigener Wohnungsunternehmen in Deutschland?
Wenn ja, wie ist der derzeitige Bestand in Deutschland (bitte nach Region,
Wohnungsbaugesellschaft und Wohneinheiten auflisten)?

21. Besitzt das BBSR Erkenntnisse über die Entwicklung des Bestands kommu-
naler und landeseigener Wohnungsunternehmen in Deutschland zwischen
1989 und 2016?
Wenn ja, wie hat sich der Bestand zwischen 1989 und 2016 in Deutschland
entwickelt?

Berlin, den 7. März 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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