BT-Drucksache 18/11466

Höhe des gesetzlichen Mindestlohns und Umfang der Sonderregelungen und Übergangsvorschriften

Vom 2. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11466
18. Wahlperiode 02.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Sigrid Hupach,
Susanna Karawanskij, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Thomas Lutze,
Cornelia Möhring, Thomas Nord, Richard Pitterle, Michael Schlecht,
Dr. Axel Troost, Katrin Werner, Jörn Wunderlich und
der Fraktion DIE LINKE.

Höhe des gesetzlichen Mindestlohns und Umfang der Sonderregelungen und
Übergangsvorschriften

Seit dem 1. Januar 2017 gilt in Deutschland ein gesetzlicher Mindestlohn von
8,84 Euro brutto pro Stunde für die meisten Beschäftigungsverhältnisse, ausge-
nommen neu eingestellte Langzeitarbeitslose, Zeitungsboten und einzelne Bran-
chen mit abweichenden Tarifverträgen, Ausbildungsverhältnisse sowie unter be-
stimmten Bedingungen Praktika. Zahlreiche Untersuchungen machen indessen
deutlich, dass auch der erhöhte, seit Anfang Januar 2017 gültige Mindestlohn bei
Vollzeitbeschäftigung zu niedrig ist, sowohl mit Blick auf die europäischen Nach-
barn als auch mit Blick auf die Lebenshaltungskosten vor allem in Großstädten
und an Hochschulstandorten (vgl. etwa: Thorsten Schulten: Mindestlohnregime
in Europa. Friedrich-Ebert-Stiftung 2014, http://library.fes.de/pdf-files/id-moe/
10529.pdf, SPIEGEL ONLINE: Geringverdiener müssen an den Stadtrand,
erschienen am 23. Juli 2014, abgerufen am 30. Januar 2017, www.spiegel.de/
wirtschaft/service/mindestlohn-grossstadtmieten-sind-fuer-geringverdiener-zu-
teuer-a-975726.html).
Diese Kleine Anfrage ergänzt die Kleine Anfrage 18/8498 vom Mai 2016, die
weitgehend entsprechende Daten erfragt, basierend auf dem seinerzeit geltenden
gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Die vorliegende Kleine An-
frage aktualisiert die Abfrage aufgrund der neuen Rechtslage mit dem aktuellen
Mindestlohn von 8,84 Euro.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Höhe dürfen nach der Kenntnis der Bundesregierung die tatsächli-

chen Kosten der Unterkunft und Heizung maximal betragen, damit bei einer
alleinstehenden Person (Steuerklasse I, kinderlos, keine Kirchensteuer) mit
einer Wochenarbeitszeit von 37,7 Stunden (durchschnittliche tarifliche Wo-
chenarbeitszeit) ein Stundenentgelt in Höhe des aktuellen Mindestlohns von
8,84 Euro ausreicht, um die SGB-II-Bruttolohnschwelle (SGB II: Zweites
Buch Sozialgesetzbuch) zu erreichen (Regelbedarf + Kosten der Unterkunft
und Heizung + Freibetrag)?

Drucksache 18/11466 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die durchschnittlichen
tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung pro Bedarfsgemeinschaft
(bitte aufgeschlüsselt nach Single-Bedarfsgemeinschaften und Bedarfsge-
meinschaften mit mehreren Personen, letztere unter Nennung der Personen-
zahl, nach Bundesländern sowie Landkreisen und kreisfreien Städten und für
Single-Bedarfsgemeinschaften ergänzt um die Differenz zum in Frage 1 ab-
gefragten Wert beantworten)?

3. In welchen Kreisen und kreisfreien Städten liegen nach Kenntnis der Bun-
desregierung die durchschnittlichen tatsächlichen Kosten der Unterkunft und
Heizung für einen Ein-Personen-Haushalt über dem in Frage 1 ermittelten
Wert, wie hoch sind diese, und wie hoch ist die sich daraus ergebende rech-
nerische Brutto-Stundenlohnschwelle gemessen an einer Vollzeitbeschäfti-
gung (37,7 Stunden pro Woche)?

4. Wie viele Single-Bedarfsgemeinschaften haben nach Kenntnis der Bundes-
regierung tatsächliche Kosten der Unterkunft über dem in Frage 1 ermittelten
Wert (sofern möglich bitte aufgeschlüsselt nach Vollzeit-, Teilzeit-, gering-
fügiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit sowie absolut und rela-
tiv zur Gesamtzahl der Single-Bedarfsgemeinschaften beantworten)?

5. Welche Höhe dürfen nach der Kenntnis der Bundesregierung die durch-
schnittlichen tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung maximal be-
tragen, damit bei einer alleinerziehenden Person mit einem Kind unter sieben
Jahren (Steuerklasse II, keine Kirchensteuer oder Steuerklasse I mit entspre-
chendem Freibetrag, ebenfalls ohne Kirchensteuer, ggf. gemittelt zwischen
beiden) mit einer Wochenarbeitszeit von 37,7 Stunden (durchschnittliche ta-
rifliche Wochenarbeitszeit) ein Stundenentgelt in Höhe des aktuellen Min-
destlohns von 8,84 Euro ausreicht, um die SGB-II-Bruttolohnschwelle zu er-
reichen (Regelbedarf + Kosten der Unterkunft und Heizung + Freibetrag +
Mehrbedarf)?

6. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die durchschnittlichen
tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung pro Bedarfsgemeinschaft
eines/einer Alleinerziehenden mit einem Kind entsprechend Frage 5 (bitte
aufgeschlüsselt nach Bundesländern sowie Landkreisen und kreisfreien
Städten und ergänzt um die Differenz zum in Frage 5 abgefragten Wert be-
antworten)?

7. In welchen Kreisen und kreisfreien Städten liegen nach Kenntnis der Bun-
desregierung die durchschnittlichen tatsächlichen Kosten der Unterkunft und
Heizung für einen Alleinerziehendenhaushalt mit einem Kind (entsprechend
Frage 5) über dem in Frage 5 ermittelten Wert, wie hoch sind diese, und wie
hoch ist die sich daraus ergebende rechnerische Brutto-Stundenlohnschwelle
gemessen an einer Vollzeitbeschäftigung (37,7 Stunden pro Woche)?

8. Wie viele Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehender mit einem Kind (ent-
sprechend Frage 5) haben nach Kenntnis der Bundesregierung tatsächliche
Kosten der Unterkunft über dem in Frage 5 ermittelten Wert (sofern möglich
bitte aufgeschlüsselt nach Vollzeit-, Teilzeit-, geringfügiger Beschäftigung
und selbstständiger Tätigkeit sowie absolut und relativ zur Gesamtzahl der
Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehender mit einem Kind beantworten)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11466
9. Wie viele Personen haben nach Kenntnis der Bundesregierung seit Einfüh-
rung des gesetzlichen Mindestlohns Leistungen nach SGB II (ergänzende
Leistungen für Erwerbstätige) bezogen (sofern möglich bitte aufgeschlüsselt
nach Jahren sowie Landkreisen und kreisfreien Städten, nach Single-Be-
darfsgemeinschaften, diese differenziert nach Geschlecht, Bedarfsgemein-
schaften Alleinerziehender, sofern möglich differenziert nach Anzahl der
Kinder, und Bedarfsgemeinschafen mit mehreren Personen sowie differen-
ziert nach Vollzeitanstellung, Teilzeitbeschäftigung, geringfügiger Beschäf-
tigung, selbstständiger Tätigkeit beantworten)?

10. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die finanziellen Mittel,
die seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns für ergänzende Leistun-
gen für Erwerbstätige nach SGB II gezahlt wurden (bitte monatlich aufge-
schlüsselt nach Bundesländern sowie Landkreisen und kreisfreien Städten
und differenziert nach Vollzeit-/Teilzeitbeschäftigten angeben)?

11. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung von Übergangs-
und Sonderregelungen für die Anwendung des Mindestlohngesetzes nach
§ 22 und § 24 des Mindestlohngesetzes (MiLoG) betroffen?

12. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung von den Son-
derregelungen nach § 22 MiLoG betroffen (falls möglich bitte differenziert
nach dem Grund für die Nichtanwendung des Mindestlohngesetzes nach
§ 22: Praktikum, Einstiegsqualifizierung, keine abgeschlossene Berufsaus-
bildung bzw. laufende Berufsausbildung, Langzeitarbeitslosigkeit, sofern
möglich unter Nennung der Differenz zum gesetzlichen Mindestlohn ange-
ben)?

13. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung von den für das
Jahr 2017 noch geltenden Übergangsregelungen vom gesetzlichen Mindest-
lohn nach § 24 MiLoG (Übergangsregelung für Branchen mit abweichenden
Tarifverträgen sowie Zeitungszustellerinnen und Zeitungszusteller) betrof-
fen (bitte unter Angabe des jeweils gültigen Stundenlohns sowie für die Re-
gelungen abweichender Tarifverträge aufgeschlüsselt nach Branchen und
Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrags aufführen)?

14. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, bei denen Studierende, die sich für
ein nach ihrer Studienordnung nicht verpflichtendes Praktikum in einem Be-
trieb beworben haben oder ein solches absolvieren, anstelle eines Prakti-
kumsvertrag aufgefordert wurden, eine selbstständige Tätigkeit anzumelden
und anstelle des gesetzlichen Mindestlohns für ihre geleistete Arbeit Rech-
nungen zu stellen?
Wenn ja, von wie vielen Fällen hat die Bundesregierung Kenntnis, und wie
hoch sind die durchschnittlich vereinbarten Honorare dieser Studierenden
pro Stunde (bitte mit Angabe der Anzahl der betroffenen Studierenden, so-
fern möglich der Branche des Praktikumsanbieters, des Studienfachs der be-
troffenen Studierenden und der vereinbarten Honorare aufführen)?

15. Haben nach Kenntnis der Bundesregierung Prüfungen der zuständigen Fi-
nanzbehörden Hinweise darauf geliefert, dass Studierende häufiger als vor
der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns auf Honorarbasis oder auf Ba-
sis eines Werkvertrages entlohnt werden?
Wie hat sich die Zahl der Studierenden in den letzten zehn Jahren entwickelt,
die Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit beziehen?

16. Hat die Bundesregierung andere Hinweise, die darauf hindeuten, dass Unter-
nehmen den Mindestlohn für nicht verpflichtende Praktika zu umgehen ver-
suchen?

Drucksache 18/11466 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

17. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die durchschnittlichen

Honorare von Studierenden, die einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen,
pro Stunde (bitte getrennt nach Branche und Studienfach angeben)?

Berlin, den 2. März 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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