BT-Drucksache 18/11033

Ein Jahr Anti-Doping-Gesetz

Vom 25. Januar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11033
18. Wahlperiode 25.01.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Özcan Mutlu, Renate Künast, Monika Lazar, Dr. Harald Terpe,
Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Katja Keul, Irene Mihalic,
Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ein Jahr Anti-Doping-Gesetz

Im Hinblick auf Doping war das vergangene Jahr ein sehr turbulentes. Die Er-
mittlungen des Chefermittlers der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), Richard
McLaren, deckten organsiertes Staatsdoping in Russland auf, das systematisch
mit Hilfe des Geheimdienstes durchgeführt wurde. Kenia wurde als Dopingoase
europäischer und afrikanischer Sportlerinnen und Sportler entlarvt. Die Medail-
lenverteilung der vergangenen Olympischen Spiele in London, Sotschi und Pe-
king werden durch Nachtests der damaligen Dopingproben derzeit komplett
durchgewürfelt. So rückte beispielsweise eine US-amerikanische Hochspringe-
rin, die bei den Olympischen Spielen in Peking im Jahr 2008 Rang 6 erreichte,
inzwischen auf Platz 3 vor. Bisher gibt es bereits über 100 positive Nachtests.
Nationale und internationale Sportverbände, Anti-Doping-Agenturen und allen
voran Sportlerinnen und Sportler fordern Konsequenzen, nicht nur im Fall Russ-
lands, sondern darüber hinaus. Die Skandale des vergangenen Jahres zeigen, dass
neue Strukturen im Kampf gegen den Einsatz unerlaubter Mittel und Methoden
zur Leistungssteigerung im Sport notwendig sind. Die Glaubwürdigkeit und da-
mit die Zukunft des Sports stehen auf dem Spiel.
In Deutschland trat am 10. Dezember 2015 das Gesetz zur Bekämpfung von Do-
ping im Sport in Kraft. Die Bundesrepublik Deutschland beabsichtigte mit dem
Gesetz ein klares Zeichen gegen Doping im Sport zu setzen. In § 1 über den
Zweck des Gesetzes heißt es: „Dieses Gesetz dient der Bekämpfung des Einsatzes
von Dopingmitteln und Dopingmethoden im Sport, um die Gesundheit der Sport-
lerinnen und Sportler zu schützen, die Fairness und Chancengleichheit bei Sport-
wettbewerben zu sichern und damit zur Erhaltung der Integrität des Sports beizu-
tragen.“
Im Vorfeld der Einführung des Gesetzes gab es jedoch, unter anderem Seitens
des Deutschen Olympischen Sportbundes e. V. (DOSB) auch vielerlei Bedenken.
So gab es Vorbehalte bezüglich der Überlappung von Sportrecht und Strafrecht.
Während in einem sportrechtlichen Verfahren die Beweislast bei Sportlerinnen
und Sportlern liegt, sie sich mit einer Aussage also selbst entlasten müssen, kön-
nen ebendiese Aussagen in einem Strafrechtsverfahren, in dem die Beweislast bei
der Staatsanwaltschaft liegt, Sportlerinnen und Sportler also das Recht hätten, zu
schweigen, gegen sie verwendet werden.
Ebenso wurde der Austausch personenbezogener Daten der Nationalen Anti Do-
ping Agentur Deutschland (NADA), bei der Sportlerinnen und Sportler unter an-
derem durchgehend Aufenthaltsdaten angeben müssen, mit Ermittlungsbehörden

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kritisch gesehen. Kritikerinnen und Kritiker hinterfragten zudem die durch das
Gesetz ebenfalls eingeführte Strafbarkeit des Besitzes verbotener Substanzen.
Manche Sportlerinnen und Sportler zeigten sich besorgt über mögliche unterge-
schobene Dopingmittel, die dann nicht nur, wie bisher, ihre sportliche Existenz,
sondern mit Inkrafttreten des Gesetzes, ihre gesamte Existenz bedrohten.
Schließlich wurde kritisiert, dass die Strafbarkeit von Doping im Sport nur ge-
meinsam mit präventiven Maßnahmen einhergehen kann, die Sportlerinnen und
Sportler befähigen, sich gegen Doping zu entscheiden. Negative strukturelle Ein-
flüsse – wie hoher Leistungsdruck, die Abhängigkeit pekuniärer Erträge, fachli-
cher Unterstützung und Anerkennung von Siegen bei wichtigen Wettkämpfen,
starke Verbreitung von Doping in der Leistungsspitze verschiedener Sportarten
gepaart mit einer Sportkarriere am Existenzminimum und einer geringen Wahr-
scheinlichkeit, beim Doping ertappt zu werden – bieten starke Anreize, zu Mitteln
zur Leistungssteigerung zu greifen. Um Doping wirksam und nachhaltig zu be-
kämpfen, müssten diese Strukturen verändert werden. Höhere Strafen allein, so
die Bedenken, reichten nicht aus.
Daher stellt sich die Frage, ob das Gesetz gegen Doping im Sport sein beabsich-
tigtes Ziel, Doping im Sport entgegenzuwirken und auszutrocknen, erreichen
kann.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Sportlerinnen und Sportler wurden nach Kenntnis der Bundesre-

gierung seit Inkrafttreten des Anti-Doping-Gesetzes (Aufschlüsselung nach
Jahren) in Deutschland positiv auf verbotene Substanzen getestet bzw. der
Anwendung verbotener Methoden überführt?

2. Wie viele Sportlerinnen und Sportler wurden nach Kenntnis der Bundesre-
gierung in den fünf Jahren vor Inkrafttreten des Anti-Doping-Gesetzes posi-
tiv auf verbotene Substanzen getestet bzw. der Anwendung verbotener Me-
thoden überführt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

3. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die tatsächliche Zahl von Verstößen
gegen das Anti-Doping-Gesetz seit dessen Inkrafttreten, und auf welchen
Studien, Hochrechnungen etc. beruhen die Schätzungen der Bundesregie-
rung?

4. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die tatsächliche Zahl von Verstößen
gegen ANTI-DOPING-RICHTLINIEN der Sportverbände in den fünf Jah-
ren vor dessen Inkrafttreten, und auf welchen Studien, Hochrechnungen etc.
beruhen die Schätzungen der Bundesregierung?

5. Wie vielen Hinweisen auf den Gebrauch von Doping oder die Anwendung
verbotener Methoden gingen deutsche Behörden nach Kenntnis der Bundes-
regierung seit Inkrafttreten des Anti-Doping-Gesetzes nach?

6. Wie vielen Hinweisen auf den Handel mit Dopingmitteln gingen deutsche
Behörden nach Kenntnis der Bundesregierung seit Inkrafttreten des Anti-Do-
ping-Gesetzes nach?

7. Wie vielen Hinweisen auf den Handel mit Dopingmitteln gingen deutsche
Behörden nach Kenntnis der Bundesregierung in den fünf Jahren vor Inkraft-
treten des Anti-Doping-Gesetzes nach (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?
Wie vielen Hinweisen auf den Besitz von Dopingmitteln gingen deutsche
Behörden nach Kenntnis der Bundesregierung seit Inkrafttreten des Anti-Do-
ping-Gesetzes nach?

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8. Wie vielen Hinweisen auf die Verabreichung von Dopingmitteln oder die
Anwendung verbotener Methoden (an Sportlerinnen und Sportlern) gingen
deutsche Behörden nach Kenntnis der Bundesregierung seit Inkrafttreten des
Anti-Doping-Gesetzes nach?

9. a) Wie viele Fälle von Dopingmissbrauch wurden seit Inkrafttreten des Anti-
Doping-Gesetzes angezeigt, und durch wen?

b) Wie viele der angezeigten Verfahren wurden eingestellt, und aus welchen
Gründen?

c) Bei wie vielen Verfahren erfolgten Strafbefehle?
10. Welche Verstöße gegen das Anti-Doping-Gesetz führten seit seinem Inkraft-

treten zu Strafbefehlen?
11. Wie hat die Bundesregierung nach bzw. vor dessen Inkrafttreten über dessen

Inhalt informiert, und welche Informationsmaßnahmen über das Gesetz hat
die Bundesregierung wie unterstützt (bitte nach Informationsprojekten, Art
und Umfang der Unterstützung aufschlüsseln)?

12. Welche Mengen an im Anti-Doping-Gesetz relevanten Mitteln wurden von
deutschen Behörden (etwa vom Zoll) seit Inkrafttreten des Anti-Doping-Ge-
setzes beschlagnahmt (bitte nach einzelnen Mitteln und Menge aufschlüsseln)?

13. Welche Mengen an im Anti-Doping-Gesetz relevanten Mitteln werden nach
Schätzung der Bundesregierung jährlich nach Deutschland legal und illegal
importiert, und auf welchen Studien, Hochrechnungen etc. beruhen die
Schätzungen der Bundesregierung?

14. Welche Menge an im Anti-Doping-Gesetz relevanten Mitteln wird nach
Schätzung der Bundesregierung jährlich in Deutschland legal und illegal her-
gestellt, und auf welchen Studien, Hochrechnungen etc. beruhen die Schät-
zungen der Bundesregierung?

15. Wie viel Prozent der in den vorangegangenen Fragen geschätzten Gesamt-
menge der im Anti-Doping-Gesetz relevanten Mittel in Deutschland werden
nach Schätzung der Bundesregierung von Sportlerinnen und Sportlern mit
der Absicht, sich in einem Wettbewerb des organisierten Sports einen Vorteil
zu verschaffen, also strafrechtlich relevant, angewandt, und auf welchen Stu-
dien, Hochrechnungen etc. beruhen die Schätzungen der Bundesregierung?

16. Wie viel Prozent der in den vorangegangenen Fragen geschätzten Gesamt-
menge der im Anti-Doping-Gesetz relevanten Mittel in Deutschland werden
nach Schätzung der Bundesregierung von Menschen außerhalb des organi-
sierten Sports, also strafrechtlich nicht relevant, angewandt, und auf welchen
Studien, Hochrechnungen etc. beruhen die Schätzungen der Bundesregie-
rung?

17. Wie viel Prozent der in den vorangegangenen Fragen geschätzten Gesamt-
menge der im Anti-Doping-Gesetz relevanten Mittel in Deutschland werden
nach Schätzung der Bundesregierung von Menschen zu medizinischen Zwe-
cken, also strafrechtlich nicht relevant, angewandt, und auf welchen Studien,
Hochrechnungen etc. beruhen die Schätzungen der Bundesregierung?

18. Wie viele Menschen in Deutschland nehmen nach Kenntnis der Bundesre-
gierung „an Wettbewerben des organisierten Sports“ teil (bitte nach Sportar-
ten und Art der betroffenen Wettbewerbe aufschlüsseln)?

19. Ist der Bundesregierung bekannt, ob sämtliche Arzneimittel in Deutschland
mit der im Gesetz genannten Bezeichnung „Die Anwendung des Arzneimit-
tels [Bezeichnung des Arzneimittels einsetzen] kann bei Dopingkontrollen
zu positiven Ergebnissen führen“ geführt werden?

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20. Welche Präventionsmaßnahmen gegen Doping im Sport fördert die Bundes-

regierung, und in welcher Höhe (bitte nach Förderung und jeweiliger Summe
aufschlüsseln)?

21. Welche Präventionsmaßnahmen gegen Doping außerhalb des organisierten
Sports fördert die Bundesregierung seit dem Jahr 2005 in welcher Höhe (bitte
nach Jahren, Projekten und jeweiliger Summe aufschlüsseln)?

22. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung seit dem Jahr 2005, um
strukturellen Erfolgsdruck bei internationalen Wettbewerben auf deutsche
Sportlerinnen und Sportler in bekanntermaßen durch häufigen Dopingmiss-
brauch gezeichneten Sportarten zu verringern (bitte nach Jahren, Projekten
und jeweiliger Summe aufschlüsseln)?

23. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass eine Verknüpfung von Erfolgen
bei internationalen Wettbewerben mit der Höhe von Fördergeldern für Sport-
arten bzw. Disziplinen, wie dies im neuen Spitzensportförderkonzept des
Bundesministeriums des Innern und des DOSB vorgesehen ist, zu einem hö-
herem Erfolgsdruck auf Sportlerinnen und Sportler führt und dass dieser zu
stärkeren Anreizen zur Anwendung von Doping führt?

24. Sind konkrete Maßnahmen gegen Doping bisher im Konzept „Neustruktu-
rierung des Leistungssports und der Spitzensportförderung“ des DOSB und
des Bundesministeriums des Innern vorhanden?
a) Wenn ja, welche?
b) Wenn nein, warum nicht, und planen die Bundesregierung und der DOSB,

solche Maßnahmen noch in das Konzept aufzunehmen?
25. Sind Maßnahmen gegen Doping in der Attributenliste für das Potenzialana-

lysesystem (PotAS) vorhanden?
a) Wenn ja, welche?
b) Wenn nein, warum nicht, und planen die Bundesregierung und der DOSB,

solche Maßnahmen noch in die Attributenliste aufzunehmen, und falls
dies geplant ist, mit welcher Gewichtung sollen diese aufgenommen wer-
den?

26. a) Welche Auswirkung hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Kader-
zuordnung einer Athletin bzw. eines Athleten auf die Wahrscheinlichkeit,
eine Dopingprobe abgeben zu müssen?

b) Welche Auswirkung hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Kader-
zuordnung einer Athletin bzw. eines Athleten auf die Wahrscheinlichkeit,
dass es sich bei der Einnahme eines oder mehrerer im Anti-Doping-Ge-
setz relevanten Mittel um einen strafrechtlich relevanten Verstoß gegen
das Anti-Doping-Gesetz handelt?

c) Welche Auswirkung hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Kader-
zuordnung einer Athletin bzw. eines Athleten auf das Strafmaß im Fall
eines Verstoßes gegen das Anti-Doping-Gesetz?

d) Wie bewertet die Bundesregierung, dass Dopingkontrollen in verschiede-
nen Sportarten und Leistungsniveaus mit unterschiedlicher Häufigkeit
durchgeführt werden, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundes-
regierung daraus?

27. Welche personenbezogenen Daten wurden im Fall einer Anzeige seitens der
NADA an die Staatsanwaltschaft nach Kenntnis der Bundesregierung über-
mittelt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11033

28. Welche personenbezogenen Daten aus Strafverfahren werden von Staatsan-

waltschaften und Gerichten an die NADA übermittelt?
a) In wie vielen Fällen ist dies schon geschehen?
b) In wie vielen Fällen davon kam es daraufhin zu einem disziplinarrechtli-

chen Verfahren der NADA?
29. Wie häufig werden nach Kenntnis der Bundesregierung Fälle positiver Do-

pingproben von der NADA zur Anzeige gebracht?
30. Wie schätzt die Bundesregierung das Ausmaß falscher positiver Dopingpro-

ben und damit verbundener Ermittlungen bei unschuldigen Athletinnen und
Athleten ein?

31. Inwiefern fördert die Bundesregierung die Weiter-/Entwicklung von Do-
pingtests?

32. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung bezüglich der unterstützen-
den globalen Bekämpfung des Dopings und der Stärkung der Anti-Doping-
arbeit?

33. Welche konkreten Maßnahmen zur Stärkung der WADA hat die Bundesre-
gierung bisher unternommen, und welche plant sie für die Zukunft?

34. Welche konkreten Maßnahmen zur Stärkung der NADA hat die Bundesre-
gierung bisher unternommen, und welche plant sie für die Zukunft?

35. Wie evaluiert die Bundesregierung die Wirksamkeit des Anti-Doping-Geset-
zes, und liegen bereits Ergebnisse einer ersten Evaluation vor?
a) Wenn ja, welche Evaluationsergebnisse liegen vor, und welche Schluss-

folgerungen zieht die Bundesregierung daraus?
b) Wenn nein, wann liegen erste Evaluationsergebnisse vor?

Berlin, den 24. Januar 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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