BT-Drucksache 18/10705

Umsetzungsdefizite bei § 1a des Bundesversorgungsgesetzes zu Kriegsopferrenten

Vom 15. Dezember 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10705
18. Wahlperiode 15.12.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, Katja Keul,
Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu,
Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Umsetzungsdefizite bei § 1a des Bundesversorgungsgesetzes zu
Kriegsopferrenten

Seit nun mehr 18 Jahren kann laut § 1a des Bundesversorgungsgesetzes die
Kriegsopferrente für Berechtigte gestrichen werden, wenn „Berechtigte oder der-
jenige, von dem sich die Berechtigung ableitet, während der Herrschaft des Nati-
onalsozialismus gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlich-
keit verstoßen hat“ (§ 1a Absatz 1 des Bundesversorgungsgesetzes). Zum Zwecke
einer solchen Überprüfung übermittelte das Simon Wiesenthal Center von 1998
bis 2008 rund 76 000 Datensätze von Personen, die aus seiner Sicht gegen
Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen haben (siehe Dr. Klemp, Stefan/Hölzl,
Martin (2016): Die Neufassung des § 1a Bundesversorgungsgesetz (BVG): Strei-
chung von Kriegsopferrenten für NS-Täter. Bonn. S. 18.). Jedoch wurden bis zum
heutigen Tag nur 99 Streichungen durchgeführt, zu denen seit dem Jahr 2008
keine einzige Streichung hinzukam (Jüdische Allgemeine vom 23. November
2016).
Bei der Beurteilung, ob eine Person von der Liste der Empfänger der Kriegsop-
ferrente gestrichen wird, entscheidet ob sie „während der Herrschaft des Natio-
nalsozialismus durch sein individuelles Verhalten gegen Grundsätze der Mensch-
lichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen“ hat.
Im Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 28. November 2016 (Aktenzei-
chen 3 StR 49/16) wurde Oskar Gröning wegen Beihilfe zum Mord durch
Dienst im Konzentrationslager Auschwitz in 300 000 Fällen verurteilt. Damit
wurde klargestellt, dass alle die aktiv an der „Endlösung der Judenfrage“ mit-
gewirkt haben, sich auch schuldig gemacht haben. Von den vom Simon Wie-
senthal Center genannten 76 000 Namen besteht die Wahrscheinlichkeit, dass
eine unbekannt hohe Anzahl ähnliche Schuld auf sich geladen hat und trotz-
dem weiterhin eine Kriegsopferrente bezieht.

Drucksache 18/10705 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Plant die Bundesregierung Maßnahmen, um für eine konsequentere Anwen-
dung des § 1a des Bundesversorgungsgesetzes zu sorgen?
Wenn ja, welche?
Wenn nein, welche Schritte unternimmt die Bundesregierung, um sicherzu-
stellen, dass Personen, die während der Herrschaft des Nationalsozialismus
durch individuelles Verhalten gegen Grundsätze der Menschlichkeit oder
Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben, keine Kriegsopferrenten mehr bezie-
hen?

2. Inwiefern trägt die Rechtspraxis dem § 1a Absatz 2 des Bundesversorgungs-
gesetzes (BVG) nach Einschätzung der Bundesregierung tatsächlich Rech-
nung?

3. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass auch Täter wie Oskar
Gröning, der sich laut Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 28. Novem-
ber 2016 (Aktenzeichen 3 StR 49/16) der Beihilfe zum Mord in 300 000 Fäl-
len schuldig gemacht hat, unter die Ausschlussklausel des § 1a BVG fallen?

4. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 28. November 2016 (Ak-
tenzeichen 3 StR 49/16) im Fall Oskar Gröning in Bezug auf die Beurteilung
der Streichung von Kriegsopferrenten für Personen, die während der Herr-
schaft des Nationalsozialismus durch individuelles Verhalten gegen Grunds-
ätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben?

5. Wie wird gewährleistet, dass diese Rechtslage zu erneuten Überprüfungen
von Bundesversorgungsgesetzrenten an KZ-Lagerpersonal und SS-Angehö-
rige führt?
Falls dies nicht der Fall ist, wie rechtfertigt die Bundesregierung diese Nicht-
anwendung geltenden Rechts zugunsten von Kriegsverbrechern?

6. Welche Schritte plant die Bundesregierung, um die Länder bei der Umset-
zung des Gesetzes zu unterstützen – speziell in den Bereichen materieller und
personeller Ressourcen?

7. Inwiefern plant die Bundesregierung, konkrete Änderungen an dem Gesetz
vorzunehmen, um sicherzustellen, dass Personen, die während der Herr-
schaft des Nationalsozialismus durch individuelles Verhalten gegen Grund-
sätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben, und de-
ren Hinterbliebene keine Kriegsopferrente mehr erhalten?

8. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um sicherzustel-
len, dass mehr Fälle geprüft werden können?

Berlin, den 13. Dezember 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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