BT-Drucksache 18/10439

Das vorläufige Curriculum für einen bundesweiten Orientierungskurs im Rahmen der Integrationskurse

Vom 23. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10439
18. Wahlperiode 23.11.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, Dr. Konstantin von Notz,
Katja Keul, Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Das vorläufige Curriculum für einen bundesweiten Orientierungskurs im Rahmen
der Integrationskurse

Im Mai 2016 hatte die Bundesregierung in der Meseberger Erklärung zur Integra-
tion angekündigt, die Orientierungskurse im Rahmen des Integrationskursange-
botes von bisher 60 auf 100 Unterrichtseinheiten aufzustocken und diese inhalt-
lich stärker auf Wertevermittlung ausrichten zu wollen. Diese Ankündigung
wurde dann im Rahmen der Reform der Integrationsverordnung operativ umge-
setzt. Im Oktober 2016 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein vor-
läufiges Curriculum für den erweiterten Orientierungskurs vorgelegt. Demnach
werden die beiden Kurs-Module „Politik in der Demokratie“ und „Mensch und
Gesellschaft“ von bislang 19 bzw. 13 auf jeweils 36 Unterrichtseinheiten aufge-
stockt. Das Modul „Geschichte und Verantwortung“ wird von 9 auf 16 Stunden
erweitert. Dementsprechend sollen sich die Teilnehmenden dann z. B. acht (statt
vier) Kursstunden mit dem Thema „Grundrechte“ und fünf (statt drei) Kursstun-
den mit dem Thema „Nationalsozialismus und seine Folgen“, sowie zwei (statt
drei) mit dem Thema „Familie und andere Formen des Zusammenlebens“ be-
schäftigen. Insgesamt ist in diesen drei Themenfeldern aber nur ein Stundenauf-
wuchs von acht Kursstunden zu verzeichnen. Darüber hinaus ergeben sich aus
einem Abgleich mit dem bisherigen Curriculum eine Reihe weiterer inhaltlicher
Veränderungen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Warum werden nach Kenntnis der Bundesregierung in den Orientierungs-

kursen die Themen „Rassismus“, „Antisemitismus“ und „Antiziganismus“
lediglich als historisches Thema in Bezug auf den Nationalsozialismus erör-
tert?
Inwiefern reicht diese Engführung nach Auffassung der Bundesregierung
aus, um die Teilnehmenden am Orientierungskurs in die Lage zu versetzen,
sich ausreichend gegen rassistische, antisemitische und antiziganistische
Straftaten zur Wehr setzen zu können?

2. Warum wird nach Kenntnis der Bundesregierung in dem vorläufigen Curri-
culum Diskriminierung nur in Bezug auf Frauen thematisiert („Diskriminie-
rung am Arbeitsplatz“)?

3. Inwiefern wird nach Auffassung der Bundesregierung in den Orientierungs-
kursen ein Verständnis der Grund- und Freiheitsrechte als Abwehrrechte des
Individuums gegenüber dem Staat vermittelt?

Drucksache 18/10439 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Warum ist nach Kenntnis der Bundesregierung in dem vorläufigen Curricu-
lum das bisherige Lernthema „Interreligiöse Beziehungen, Dialog und Kon-
flikt“ ersatzlos weggefallen – samt der darin zu behandelnden Themen
„Kopftuchdebatte“ und „Kruzifix-Urteil“?
Wie soll aus Sicht der Bundesregierung dieses Lernthema innerhalb des Ori-
entierungskurses kompensiert werden?

5. Warum werden nach Kenntnis der Bundesregierung in dem vorläufigen Cur-
riculum die bisherigen Themen „Zwangsheiraten“, „Gewalt in der Familie“
und „Ehrenmord“ nicht mehr erwähnt?
Wie sollen aus Sicht der Bundesregierung diese Lernthemen innerhalb des
Orientierungskurses kompensiert werden?

6. Warum ist nach Kenntnis der Bundesregierung in dem vorläufigen Curricu-
lum das bisherige Lernthema „Interkulturelles Zusammenleben“ ersatzlos
weggefallen?
Wie soll aus Sicht der Bundesregierung dieses Lernthema innerhalb des Ori-
entierungskurses kompensiert werden?

7. Warum werden die Begriffe „Judentum“, „jüdisches Lebens in Deutsch-
land“, „Israel“ und „Existenzrecht Israels“ nach Kenntnis der Bundesregie-
rung im „vorläufigen Curriculum“ nur durch den Hinweis thematisiert, dass
„Judentum“ einer von 100 Begriffen sein soll, „die im Orientierungskurs von
zentraler Bedeutung sind“ (vgl. S. 41 des „vorläufigen Curriculums“)?

8. Wieso vermeidet nach Kenntnis der Bundesregierung das „vorläufige Curri-
culum“ bei der Thematisierung von „Geschlechtsidentität, sexueller Orien-
tierung und Lebensweise“ die Verwendung einer klaren Begrifflichkeit –
also z. B. die Begriffe „Homosexuelle“, „Schwule“ oder „Lesben“?

9. Warum tauchen nach Kenntnis der Bundesregierung in dem „vorläufigen
Curriculum“ Begriffe wie „sexuelle Gewalt“, „Vergewaltigung“ oder „sexu-
elle Nötigung“ nicht auf?

10. Warum fehlt nach Kenntnis der Bundesregierung in dem „vorläufigen Cur-
riculum“ der zentrale gesellschaftspolitische Begriff der „sozialen und poli-
tischen Inklusion“, als Leitmotiv dessen, was auf S. 7 des „vorläufigen Cur-
riculums“ mit der Formel „Befähigung zur Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben (Handlungskompetenz)“ gemeint sein dürfte?

Berlin, den 21. November 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.