BT-Drucksache 18/10419

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/9200, 18/9202, 18/9824, 18/9825, 18/9826 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017)

Vom 22. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10419
18. Wahlperiode 22.11.2016
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Sven-Christian Kindler, Ekin Deligöz, Anja Hajduk,
Dr. Tobias Lindner, Kerstin Andreae, Dr. Julia Verlinden, Stephan Kühn
(Dresden), Matthias Gastel, Dr. Valerie Wilms, Markus Tressel, Tabea Rößner,
Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Britta Haßelmann, Bärbel Höhn,
Christian Kühn (Tübingen), Markus Kurth, Steffi Lemke, Peter Meiwald,
Beate Müller-Gemmeke, Oliver Krischer, Corinna Rüffer
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/9200, 18/9202, 18/9824, 18/9825, 18/9826 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2017
(Haushaltsgesetz 2017)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Klimaschutzabkommen von Paris war ein unverzichtbarer Schritt, um die men-
schengemachte Klimakrise doch noch im nötigen Maß eindämmen und die dadurch
drohenden Naturkatastrophen abwenden zu können. Gerade nach dem Scheitern der
Klimaverhandlungen in Kopenhagen waren die ambitionierten Ziele – allen voran die
Verständigung darüber, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen –
als wichtiges Signal gewertet worden, dass die globale Gemeinschaft in der Lage ist,
beim Klimaschutz, als der Herausforderung des 21. Jahrhunderts, zusammenzuarbei-
ten. Auch die schnelle Ratifizierung des Abkommens durch die zum Inkrafttreten des
Abkommens nötige Anzahl an Staaten hat die Zuversicht, dass mit Paris eine histori-
sche Wende in der Klimapolitik eingeläutet worden sei, gestärkt.
Umso fataler ist das Signal, das von dem Streit ausgeht, den die Bundesregierung im
Vorfeld der Weltklimakonferenz in Marrakesch um den im Koalitionsvertrag zwi-
schen CDU, CSU und SPD beschlossenen Klimaschutzplan 2050 führt. Dass nicht nur
das Bundeswirtschafts-, Bundesverkehrs- und Bundeslandwirtschaftsministerium,
sondern auch das Kanzleramt die bereits gestutzten Klimamaßnahmen der Bundesum-
weltministerin weiter zusammenstreicht und Bundeswirtschaftsminister Gabriel einen
CO2-Rabatt von weiteren 10 Mio. Tonnen bis 2030 für die Industrie durchgedrückt
hat, kommt einer Bankrotterklärung an die Einhaltung der Klimaschutzziele gleich.
Damit steigt die Gefahr weiter, dass Deutschland nicht nur seine für 2020 gesetzten

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Klimaschutzziele verfehlt, sondern auch langfristig bis 2050 daran scheitert, seinen
Teil zum globalen Klimaschutz beizutragen, und seiner Verantwortung als eines der
zehn Länder mit dem größten Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß nicht gerecht wird.
Die Blockade von CDU/CSU und SPD vor allem gegen den vollständigen Ausstieg
aus der Kohle ist symptomatisch für die Große Koalition: Klimaschutz bleibt ein Lip-
penbekenntnis – die praktische Umsetzung von Zusagen und Ankündigungen bleibt
die Bundesregierung national und international schuldig. Anstatt die notwendige
grundlegende und umfassende Politikwende in den Bereichen Energie, Verkehr und
Landwirtschaft einzuleiten, bremst die Bundesregierung die Energiewende aus und
pumpt stattdessen laut Berechnungen des Umweltbundesamtes (UBA) jährlich min-
destens 52 Mrd. Euro in umwelt- und klimaschädliche Subventionen. Ohne ein grund-
legendes Umsteuern und neue Prioritätensetzungen, die sich auch im Bundeshaushalt
widerspiegeln, wird Deutschland seine internationalen Verpflichtungen kurz- und
langfristig krachend verfehlen. Sowohl mit Blick auf die nationalen Klimaschutzziele
2020 als auch auf die im Klimaschutzabkommen von Paris vereinbarten Ziele ist klar,
dass die bislang ergriffenen Maßnahmen der Bundesregierung völlig unzureichend
sind und dass die Ziele ohne weitere Maßnahmen nicht erreicht werden können. Damit
Deutschland seinen Beitrag zum globalen Klimaschutz und der dafür nötigen Trans-
formation hin zu einer globalen nachhaltigen und menschenrechtsbasierten Entwick-
lung für alle Menschen leistet, müssen einerseits die auf internationalen Konferenzen
durch alle Geber immer wieder bekräftigten finanziellen Zusagen im Bereich der Ent-
wicklungszusammenarbeit, des Klimaschutzes und des Erhalts der biologischen Viel-
falt tatsächlich eingehalten und im Bundeshaushalt entsprechend dargestellt werden.
Zum anderen muss Deutschland seine nationalen Klimaschutzanstrengungen anpassen
und deutlich erhöhen. Das in Paris von der Weltgemeinschaft beschlossene Klima-
schutzziel, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu halten, bedeutet für uns,
dass Deutschland ab 2050 nur noch knapp 60 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr ausstoßen
darf – das ist ein Minus von 95 Prozent gegenüber 1990. Die von der Bundesregierung
angestrebte Reduzierung um 80 Prozent bis 2050 reicht also nach Paris nicht länger
aus. Angesichts der unabsehbaren Folgen, die das Verfehlen der Unter-2-Grad-Grenze
für das Weltklima hätte, und der enormen Kosten, die infolge einer weiteren Verschär-
fung der Klimakrise auch für den deutschen Bundeshaushalt entstehen würden, besteht
dringender Handlungsbedarf.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen und internationalen Zusagen einzuhalten und
bereits im Haushalt 2017 abzubilden. Außerdem wird die Bundesregierung aufgefor-
dert, die Chance des Klimaschutzes für eine Transformation in eine moderne, soziale
und klimaneutrale Gesellschaft mit neuen Arbeitsplätzen, Innovationen und nachhal-
tigem Wohlstand – bei uns und global – zu nutzen und dazu konsequent eine
Energie-, Verkehrs- und Agrarwende einzuleiten und den hohen CO2-Ausstoß in die-
sen Bereichen zu senken. Im Bundeshaushalt sind ausreichend Mittel einzustellen, um
folgende Ziele umzusetzen:

1.) Fairen deutschen Beitrag zum internationalen Klimaschutz verbindlich finanzieren
Die bislang unzureichende Beteiligung an der internationalen Klimafinanzierung sollte
noch im Rahmen der Haushaltsaufstellung 2017 behoben werden. Die von der Bun-
deskanzlerin auf dem Petersberger Klimadialog angekündigte Verdopplung der inter-
nationalen Klimamittel auf 4 Mrd. Euro bis 2020 sollte mit einem echten Mittelauf-
wuchs, d. h. mit frischen nicht schon an anderer Stelle zugesagten und nicht rückwir-
kend anzurechnenden reinen Haushaltsmitteln, um 800 Mio. Euro im Haushalt 2017
abgebildet werden. Auf die Anrechnung von Zuschussäquivalenten konzessionärer

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KfW-Kredite ist dabei zu verzichten und ein konstanter Aufwuchs in gleicher Höhe
bis 2020 sicherzustellen.
Das Umdeklarieren von Klimageldern in Entwicklungsmittel und umgekehrt sollte
grundsätzlich beendet werden. Statt der doppelten Anrechnung sollte durch eine aus-
reichende Mittelausstattung sowohl des Klimaschutzes als auch der Entwicklungshilfe
dafür gesorgt werden, dass die Herausforderungen beider Bereiche gelöst werden kön-
nen.
Die 7 bis 9 Mrd. Euro, auf die sich der faire Anteil Deutschlands an der in Kopenhagen
vereinbarten 100-Mrd.-Dollar-Zusage beläuft, sollten allergrößtenteils aus öffentli-
chen Mitteln finanziert werden.
Um die Klimawirksamkeit der Gelder zu gewährleisten, muss die Bundesregierung
sicherstellen, dass beim internationalen Klima- und Biodiversitätsschutz hohe verbind-
liche Qualitätsstandards angelegt werden, indem öffentliche Klimaschutzgelder die
Anforderungen der OECD-Rio-2-Marker erfüllen und auch für private Klimaschutz-
gelder Mindeststandards festgelegt werden, die sich mindestens an den Fördervoraus-
setzungen der KfW und Europäischen Investitionsbank (EIB) orientieren und eine Fi-
nanzierung fossiler und nuklearer Vorhaben ausschließen.

2.) Klima- und Finanzwende verbinden – mit Divestment öffentliche Mittel für nach-
haltige Ziele mobilisieren und bündeln
Die Überwindung fossiler Energiequellen ist auch ein wichtiger Baustein für die
Transformation hin zu einer klimafreundlicheren und sozial gerechteren Wirtschafts-
ordnung. Zur Finanzierung dieser Transformation spielen die Finanzmärkte eine zent-
rale Rolle. Hier entscheidet sich, ob finanzielle Ressourcen in Klimazerstörung oder
in klimafreundliche und sozial gerechte Projekte fließen. Gleichzeitig birgt die Über-
bewertung von fossilen Energieherstellern an den Finanzmärkten eine Gefahr für die
Märkte an sich und für Ersparnisse und Rentenansprüche der Bürgerinnen und Bürger.
Um hier die Weichen richtig zu stellen, müssen die öffentlichen Geldanlagen aus den
fossilen Energien abgezogen werden. Als ersten Schritt sollte die Bundesregierung die
beiden großen öffentlichen Rücklagenportfolios – den Fonds für Beamtenpensionen
und die Rücklagen der Bundesanstalt für Arbeit – divesten, indem die Aktien im Wert
von rund 100 Mio. Euro (Stand: 2015), die bei fossilen Unternehmen wie E.ON liegen,
verkauft und die Finanzmittel stattdessen in klimafreundliche Alternativen investiert
werden. Weiterhin muss der Bund die Anlagestrategien der Unternehmen überprüfen,
an denen der Bund beteiligt ist. Investments in Unternehmen, deren Geschäftsmodell
im Wesentlichen auf der Ausbeutung fossiler Brennstoffe beruht, müssen sukzessive
zugunsten von nachhaltigen Investments ersetzt werden. Außerdem sollen die Kredit-
anstalt für Wiederaufbau (KfW) und ihre Töchter unverzüglich jede Finanzierung von
internationalen Kohleprojekten vollständig beenden. Auch bei den Exportgarantien
braucht es eine Divestment-Strategie. Der Interministerielle Ausschuss soll keine
neuen Exportkreditgarantien, Investitionsgarantien und Ungebundenen Finanzkredite
für Braun- und Steinkohleprojekte im Energiebereich sowie im Ressourcenabbau mehr
bewilligen. Das Klimarisiko ist ein langfristiges und systemisches Risiko, das unbe-
dingt berücksichtigt werden muss, um neuen Finanzkrisen vorzubeugen, eine zu-
kunftsfähige wirtschaftliche Stabilität zu sichern und damit Risiken für den Bundes-
haushalt abzuwenden.

3.) Energiewende vollenden: Energieeffizienz vorantreiben, erneuerbare Energien för-
dern und Kohleausstieg einleiten
Um die Energiewende voranzutreiben, müssen die Fehlentwicklungen, die im Bereich
der Energieeffizienz zu beobachten sind, umgehend beendet werden. Dazu sollte ein
neues Wärme- und Strompaket mit einem Finanzvolumen von insgesamt 3 Mrd. Euro
aufgelegt werden. Das Paket soll insbesondere Haushalte mit kleinen Einkommen
beim Energiesparen unterstützen, um so den absehbaren sozialen Folgen steigender

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Energiepreise entgegenzuwirken. Auch stromsparende Maßnahmen sollen durch den
Fonds unterstützt werden. Um die Zielsetzungen zu erreichen, sind im Rahmen des
Wärme- und Strompakets im Haushalt 2017 folgende Mittel einzustellen:
− Die Umwandlung des KfW-Programms zur energetischen Stadtsanierung zu ei-

nem Quartierssanierungsprogramm „FAIRE WÄRME“ verbunden mit einer Auf-
stockung des Programmvolumens auf 2 Mrd. Euro, so dass das Programm analog
zu dem auf Einzelgebäude ausgerichteten CO2-Gebäudesanierungsprogramm der
KfW ausgestaltet ist;

− die Ausweitung der Förderung der energetischen Sanierung kommunaler Ge-
bäude auf 100 Mio. Euro;

− die Einführung eines Klimawohngelds in Höhe von 200 Mio. Euro p. a., das
WohngeldempfängerInnen das Wohnen in energieeffizientem Wohnraum ermög-
licht;

− sowie die über Ausschreibungen erfolgende Erweiterung der Energieeffizienz in
Kommunen und Unternehmen von 100 Mio. Euro auf 800 Mio. Euro pro Jahr.

Zusätzlich zum Strom- und Wärmepaket soll der Umstieg auf erneuerbare Energien
im Wärmesektor beschleunigt und die Sektorkopplung zwischen Strom- und Wärme-
markt über weitere Maßnahmen vorangetrieben werden:
− Die bisherige Förderung für den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen über das

CO2-Gebäudesanierungsprogramm der KfW wird sofort beendet.
− Das Marktanreizprogramm zur Förderung der Nutzung von erneuerbaren Ener-

gien (MAP) wird insgesamt auf 460 Mio. Euro aufgestockt.
− Außerdem wird ein 10.000-Wärmespeicher-Programm mit einem Volumen von

400 Mio. Euro zur Förderung der Sektorkopplung aufgelegt. Gemeinden oder
Stadtteile sollen damit darin unterstützt werden, durch den Bau von Wärmespei-
chern den Strom- und Wärmemarkt effizient zu verknüpfen.

− Die Mittel für das erfolgreiche PV-Batteriespeicherprogramm werden um
25 Mio. Euro pro Jahr aufgestockt und das Programm wird im Haushalt separat
ausgewiesen.

− Um die schlechte Klimabilanz Deutschlands zu verbessern, muss der hohe Anteil
der Kohleverstromung drastisch gesenkt werden. Daher soll der Kohleausstieg
verbindlich eingeleitet und der Umstieg auf erneuerbare Energien am Stromver-
brauch auf 100 Prozent schnellstmöglich umgesetzt werden. Zur Vorbereitung
des Ausstiegs sollte eine „Kommission Kohleausstieg“ eingesetzt werden, für de-
ren Arbeit – analog zur Endlagersuchkommission – Mittel aus dem Bundeshaus-
halt bereitgestellt werden.
4.) Klimaschutzpotential des Verkehrssektors mit der Verkehrswende nutzen
Die Verkehrspolitik muss endlich ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten und ent-
schlossen in umweltfreundliche Mobilität investieren. Rund 20 Prozent der energie-
bedingten Treibhausgasemissionen gehen auf den Verkehr zurück, wobei die CO2-
Emissionen im Verkehrssektor in den letzten 7 Jahren kontinuierlich angestiegen sind.
Um diese Entwicklung zu bremsen und einen Rückgang der CO2-Emissionen zu errei-
chen, sind eine massive Verkehrsverlagerung auf die Bahn sowie auf den Umweltver-
bund aus ÖPNV, Radverkehr und Fußverkehr und eine entschlossene Förderung der
Elektromobilität erforderlich. Dazu sollte der Bund das GVFG-Bundesprogramm zu
einem „Zukunftsprogramm Nahverkehr“, ausgestattet mit insgesamt 1 Mrd. Euro pro
Jahr, weiterentwickeln und für Sanierungsmaßnahmen und mehr Verkehrsverlagerung
auf Bus, Bahn und Fahrrad öffnen.
Elektromobilität als klimafreundliche Mobilitätsform muss verkehrsträgerübergrei-
fend gefördert werden. Lastenräder, Busse oder Bahnen sind in die Förderung einzu-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10419
beziehen. Hierzu sollte der Bund ein Elektrifizierungsprogramm für die Schiene auf-
legen, damit der Schienenverkehr auf mehr Strecken mit klimafreundlichem Strom
stattfinden kann. Dabei sollte die Finanzierungsgrundlage der Elektromobilität dahin-
gehend grundlegend verändert werden, dass die Finanzierung der Kaufprämie für
Elektroautos über ein Bonus-Malus-System bei der Kfz-Steuer erfolgt und nicht wie
bislang aus dem Energie- und Klimafonds.
Viele Autofahrten sind in Deutschland kürzer als 5 Kilometer. Der Radverkehr schöpft
seine Potentiale nicht aus, solange Radfahren mit hohen Unfallrisiken und Unsicher-
heit verbunden ist. Der Ausbau einer sicheren Radinfrastruktur muss deshalb Priorität
erhalten. Für eine flächendeckende intakte Radinfrastruktur und den Ausbau von Rad-
schnellwegen muss der Bund seine Verantwortung endlich wahrnehmen und ihre Fi-
nanzierung unterstützen. In diesem Rahmen sollten die Haushaltsmittel für Radwege
an Bundesfernstraßen auf 200 Mio. Euro pro Jahr verdoppelt und Radschnellwege mit
einem Volumen von 100 Mio. Euro pro Jahr gefördert werden.

5.) Mit der Agrarwende zu Ökologisierung der Landwirtschaft und Förderung ländli-
cher Entwicklung
Angesichts der steigenden CO2-Emissionen in der Landwirtschaft ist eine klima-
freundliche Wende in der Agrarpolitik unverzichtbar. Landwirtschaft muss zum
Schutz der natürlichen Ressourcen und der Biodiversität beitragen, statt sie zu zerstö-
ren. Um dies zu gewährleisten, sind der Umbau der Tierhaltung, der Ausbau des Öko-
landbaus und eine Ökologisierung der konventionellen Landwirtschaft nötig. Unmit-
telbar sollte die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küs-
tenschutzes“ (GAK) um 250 Mio. Euro aufgestockt werden, um aus diesen zusätzli-
chen Mitteln ein Aktionsprogramm bäuerlich-ökologische Landwirtschaft, einen Um-
bauplan zukunftsfähige Tierhaltung und die Weiterentwicklung der GAK hin zu einer
Gemeinschaftsaufgabe ländliche Entwicklung zu finanzieren.
Das Bundesprogramm ökologischer Landbau muss ausreichend finanziert und auf
seine Kernaufgaben konzentriert werden. Dafür muss das Programm auf 60 Mio. Euro
aufgestockt und um eine stärkere ökologische Zielsetzung in der Forschungsförderung
ergänzt werden.

6.) Subventionsabbau und ökologische Finanzreform konsequent vorantreiben
Die Subventionspolitik der Bundesregierung muss grundlegend überarbeitet und
klima- und umweltfreundlich ausgerichtet werden. Dass umwelt- und klimaschädli-
ches Verhalten trotz der sich immer weiter verschärfenden Klimakrise in Deutschland
nach wie vor in Form von Steuervergünstigungen und -ausnahmen belohnt wird, kon-
terkariert jedes Klimaschutzziel, weil klimaschädliche Subventionen schmutzige
Technologien im Markt halten und damit den notwendigen Umbau der Energieversor-
gung behindern und den Anreiz zu einer effizienten Energienutzung dämpfen. Um
diese doppelte Schädigung des Klimas zu beenden, sollten ökologisch schädliche Sub-
ventionen und Steuervergünstigungen konsequent abgebaut werden. Die dadurch zu
erzielenden Minderausgaben bzw. Steuermehreinnahmen, die sich kurz- bis mittelfris-
tig auf mindestens 12 Mrd. Euro jährlich belaufen, sollten zur Finanzierung von Kli-
maschutzprogrammen eingesetzt werden.
Es ist zum Beispiel völlig unverständlich, dass umweltschädliche Plastiktüten über die
Steuerbefreiung von Erdöl in stofflicher Nutzung massiv subventioniert werden. Die
Abschaffung allein dieser Steuerbefreiung schafft einen Spielraum von 1,6 Mrd. Euro
für Investitionen in die Energiewende oder die energetische Sanierung von Gebäuden.
Auch die Subventionierung von Kerosin im Inland, die mit 530 Mio. Euro pro Jahr im
Bundeshaushalt zu Buche schlägt, und die Subventionierung schwerer Dienstwagen in
Höhe von 800 Mio. Euro müssen abgeschafft werden. Statt die Flugindustrie und Sprit-
schlucker mit über 1 Mrd. Euro zu subventionieren, sollte das Geld in den Ausbau des

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ÖPNV investiert werden. Hier verspricht es eine zukunftsfähige Rendite für den Kli-
maschutz. Auch die Rabatte in Höhe von insgesamt 5 Mrd. Euro, die der Staat den
energieintensiven Unternehmen derzeit jährlich bei Strom- und Energiesteuern ge-
währt – Mineralölhersteller sind immer noch ganz von der Energiesteuer ausgenom-
men – sollten kurzfristig abgebaut werden. Das Gleiche gilt für die steuerliche Begüns-
tigung von Dieselkraftstoff gegenüber Benzin. Diese ist deutlich geringer, obwohl bei
dessen Verbrennung pro Liter mehr CO2 entsteht und zudem in erheblichem Umfang
gesundheitsgefährdende Stoffe emittiert werden.
Der doppelte Negativeffekt aus unmittelbarer Klimaschädigung und hohen haushalte-
rischen Belastungen, den umwelt- und klimaschädliche Subventionen verursachen,
sollte schnellstmöglich beendet und in eine doppelte Rendite für Klimaschutz und den
Bundeshaushalt umgekehrt werden, indem ökologische Steuern er- und angehoben
werden. Dabei soll die Empfehlung der EU-Kommission, den Anteil umweltbezogener
Steuern auf 10 Prozent am gesamten Steueraufkommen zu erhöhen, kurz- bis mittel-
fristig umgesetzt werden, was mehr als eine Verdopplung bedeutet, da der Anteil um-
weltbezogener Steuern in Deutschland aktuell bei nur 4,6 Prozent liegt.
Auch aus völkerrechtlichen Gründen ist ein schneller Abbau der klima- und umwelt-
schädlichen Subventionen geboten, da sich die Bundesrepublik Deutschland u. a. mit
der Ratifizierung der UN-Konvention zum Biodiveritätsschutz und der Zusatzproto-
kolle zum vollständigen Abbau umweltschädlicher Subventionen bis 2020 verpflichtet
hat. Ein Verzicht auf den Abbau oder gar ein weiterer Anstieg umweltschädlicher Sub-
ventionen stellt zudem eine klare Verletzung der Energie- und Klimaziele der EU dar
und steht im offenen Widerspruch zu den aktuellen Bestrebungen einer Ökologisie-
rung des europäischen Semesters.

7.) Verursacherprinzip einhalten – Atomwirtschaft an Kosten und Risiken beteiligen
Der Ausstieg aus der Atomenergie war und ist ein wichtiger Beitrag zum Umwelt- und
Klimaschutz. Die Nutzung von Atomkraft für die Stromerzeugung hat in den vergan-
genen Jahrzehnten massive Risiken und Belastungen für Mensch und Umwelt verur-
sacht, weshalb der Atomausstieg bis spätestens 2022 richtig ist. Da unabhängig vom
Atomausstieg externalisierte Kosten bestehen, die in die finanzielle Verantwortung der
Energieversorgungsunternehmen (EVU) fallen, sollte die Bundesregierung sicherstel-
len, dass diese Kosten – gemäß dem Verursacherprinzip – von den EVU getragen wer-
den und nicht zulasten des Bundeshaushalts gehen. Vor dem Hintergrund der jüngst
publik gewordenen Steuervermeidungstaktik der EVU, durch die Verschiebung des
Austauschs der Brennelemente auf das Jahr 2017 die für 2016 fällige Kernbrenn-
stoffsteuer zu umgehen, sollte die bisherige Befristung der Kernbrennstoffsteuer bis
zum 31.12.2016 erst recht aufgehoben und bis zum vollständigen Atomausstieg 2022
verlängert werden. Sowohl die 2016 zu erwartenden Steuermindereinnahmen in Höhe
von 678 Mio. Euro als auch die Mindereinnahmen, die anfallen, wenn die Kernbrenn-
stoffsteuer nicht bis zum Abschalten des letzten Atomkraftwerkes erhoben wird, ver-
stoßen gegen das Verursacherprinzip.
Angesichts der enormen Kosten, die bereits in der Vergangenheit für die Nutzung der
Atomkraft zulasten des Bundeshaushaltes entstanden sind, sollte bei der Fortführung
der Kernbrennstoffsteuer über das Jahr 2016 hinaus die Besteuerung von derzeit
145 Euro je Gramm Kernbrennstoff auf 220 Euro erhöht werden, um die externen Kos-
ten der Atomwirtschaft stärker zu internalisieren und die Schulden der Atomwirtschaft
gegenüber der Gesellschaft in Höhe von vielen Milliarden Euro wenigstens teilweise
zu begleichen.

Berlin, den 21. November 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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