BT-Drucksache 18/10282

Kommunen stärken - Kommunalisierung und Rekommunalisierung unterstützen

Vom 9. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10282
18. Wahlperiode 09.11.2016
Antrag
der Abgeordneten Kerstin Kassner, Susanna Karawanskij, Caren Lay, Sabine
Zimmermann (Zwickau), Herbert Behrens, Karin Binder, Matthias W. Birkwald,
Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, Katja Kipping, Sabine
Leidig, Ralph Lenkert, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze,
Birgit Menz, Dr. Petra Sitte, Dr. Kirsten Tackmann, Azize Tank, Kathrin Vogler,
Harald Weinberg, Birgit Wöllert, Hubertus Zdebel, Pia Zimmermann und der
Fraktion DIE LINKE.

Kommunen stärken ‒ Kommunalisierung und Rekommunalisierung
unterstützen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die umfangreichen Privatisierungen kommunalen Eigentums in den vergangenen
20 Jahren haben sich als verhängnisvolle Fehler erwiesen. Die Hoffnungen der Befür-
worter von Privatisierungen auf Kostenentlastungen für die Kommunen bei gleichzei-
tig steigender Qualität der kommunalen Daseinsvorsorge und sinkenden Preisen für
die Bürgerinnen und Bürger haben sich erwartungsgemäß nicht erfüllt. Im Gegenteil
stiegen häufig die Preise für die privatisierten Aufgaben der kommunalen Daseinsvor-
sorge. Gleichzeitig sank in vielen Fällen die Qualität der Leistungserbringung, die Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter der Unternehmen wurden nicht mehr tariflich bezahlt,
notwendige Investitionen in die Betriebe blieben aus, und die Kommunen verloren die
Möglichkeit der demokratischen Kontrolle und Einflussnahme. Einnahmen aus den
Verkäufen kommunalen Eigentums konnten oftmals nur kurzfristig die angespannte
Haushaltslage entlasten oder zusätzliche Investitionen möglich machen. Langfristig
erwiesen sich viele Verkäufe als kostenintensiver für die Kommunen. Dass es sich
dabei um ein strukturelles Problem handelt, das nicht mit dem Fehlverhalten einzelner
privater Investoren in der kommunalen Daseinsvorsorge erklärt werden kann, ist of-
fensichtlich. Die Absicht, maximalen Gewinn mit einer unternehmerischen Tätigkeit
zu erzielen, ist nicht vereinbar mit einer sicheren und nachhaltigen sowie sozialen und
ökologischen Aspekten genügenden kommunalen Daseinsvorsorge im Interesse der
Bürgerinnen und Bürger. Mit dem Eigentum schwindet auch die Möglichkeit der
Kommunen, über demokratisch legitimierte Entscheidungswege über die für die Men-
schen in den Kommunen wichtigen Dienstleistungen zu entscheiden. Privatisierungen
in diesem Bereich werden zwangsläufig immer zu ähnlichen Ergebnissen führen.
Nur wenn die Betriebe zur Erbringung von Aufgaben der kommunalen Daseinsvor-
sorge in öffentlicher Hand sind, können sie den notwendigen Ansprüchen dauerhaft

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genügen. Als Anstalt des öffentlichen Rechts und als Regiebetriebe haben die Kom-
munen die Möglichkeit, die Aufgabenerbringung so auszugestalten, dass für die Bür-
gerinnen und Bürger die Preise in einem akzeptablen und sozial vertretbaren Rahmen
gehalten werden und ihnen gleichzeitig ein Steuerungsinstrument erhalten bleibt.
Kommunale Betriebe sollen ausgabendeckend arbeiten, müssen aber – im Unterschied
zu privaten Unternehmen – nicht zwingend Gewinne erwirtschaften. Etwaige Über-
schüsse können dabei in die Betriebe investiert, für Preis- oder Mietsenkungen genutzt,
zur Verbesserung der Klimabilanz des Betriebes verwendet oder dem kommunalen
Haushalt für andere Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge zugeführt werden. In
jedem Fall aber fließen sie nicht aus der Kommune ab. Das vor Ort eingenommene
und erwirtschaftete Geld kommt somit den vor Ort lebenden Bürgerinnen und Bürgern
wieder zu Gute. Die Kommunen können darüber hinaus unmittelbaren Einfluss auf die
Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in diesen Betrieben nehmen. Zudem vergeben
kommunale Betriebe in öffentlicher Hand Aufträge eher an Unternehmen in der Re-
gion. Damit profitiert auch die private Wirtschaft vor Ort unmittelbar von der Leis-
tungserbringung öffentlicher Betriebe in der kommunalen Daseinsvorsorge. Dies
stärkt regionale Wirtschaftskreisläufe und kann Ersparnisse durch Synergieeffekte
bringen. Vor allem aber besteht für die Kommunen die Möglichkeit demokratisch le-
gitimierter Kontrolle und Einflussnahme auf die kommunalen Betriebe. Gewählte Ver-
treterinnen und Vertreter kommunaler Volksvertretungen können über die Aufsichts-
gremien und Gesellschafterversammlungen der Betriebe gegebenenfalls Fehlentwick-
lungen korrigieren.
Das Eigentum der öffentlichen Hand an den Betrieben der kommunalen Daseinsvor-
sorge allein garantiert nicht, dass die Leistungserbringung bestmöglich im Sinne des
Gemeinwohls erfolgt. Teilweise wird auch hier Gewinnerzielung vor Gemeinnützig-
keit und Gemeinwohlorientierung gestellt – besonders bei privaten Rechtsformen und
Beteiligung privater Eigentümer. Auch werden kommunale Betriebe mitunter zur Sa-
nierung kommunaler Haushalte in zu starker Weise herangezogen. Dadurch können
finanzielle Mittel nicht zum notwendigen Erhalt des Leistungsstandards und für die
Verfolgung wichtiger Ziele des Umwelt- und Klimaschutzes eingesetzt werden. Letzt-
lich hängt die Entwicklung der kommunalen Daseinsvorsorge durch Betriebe der öf-
fentlichen Hand von den handelnden Akteuren der Kommunalpolitik vor Ort, von der
rechtlichen Ausgestaltung der Betriebsformen sowie dem allgemeinen Zustand der
kommunalen Finanzen ab.
Der Bundestag begrüßt den erfreulichen Trend der Rekommunalisierung von Betrie-
ben der kommunalen Daseinsvorsorge in den letzten Jahren und ist bemüht die Kom-
munen in ihrem Bestreben zu unterstützen, die demokratische Kontrolle über die kom-
munale Daseinsvorsorge zurückzuerlangen. Dabei geht es nicht darum, einfach den
früheren Status wiederherzustellen. Die Rekommunalisierungen sollen vielmehr dazu
genutzt werden, die demokratische Kontrolle, die Mitbestimmung der Bürgerinnen
und Bürger sowie der Beschäftigten, die ökologisch und sozial nachhaltige Ausrich-
tung der Betriebe zu stärken.
Eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass privatisierte Leistungen wieder öffent-
lich erbracht bzw. weitere Privatisierungen verhindert werden können, ist eine solide
Finanzausstattung der Kommunen. Städte, Gemeinden und Landkreise brauchen Sta-
bilität, Planungssicherheit und höhere Einnahmen. Dazu bedarf es sowohl einer Steu-
erreform, die die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates insgesamt stärkt, als auch
einer Neuordnung der Finanzen zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowie der
Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zur Gemeindewirtschaftsteuer.
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II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. alle Geschäftsanteile des Bundes an der ÖPP-Deutschland AG schnellstmöglich
zu verkaufen;

2. den Entwurf eines Rekommunalisierungsgesetzes vorzulegen, das folgende Re-
gelungen beinhaltet:
a) In Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Län-

dern soll eine Rekommunalisierungsagentur zur Förderung von Rekommu-
nalisierungsprojekten eingerichtet werden. Aufgabe der Agentur ist es,
Kommunen bei der Umsetzung von Rekommunalisierungsprojekten zu be-
raten, bei rechtlichen und wirtschaftlichen Problemen zu unterstützen und
die Erfahrungen mit solchen Projekten für die Kommunen auszuwerten.

b) Es wird ein Rekommunalisierungsfonds gegründet, dessen Grundkapital die
Erlöse aus dem Verkauf der Geschäftsanteile an der ÖPP-Deutschland AG
sind und der je nach Bedarf jährlich aufgestockt wird.

c) Kommunen, die von ihrem Vorkaufsrecht beim Erwerb von Wohnungsun-
ternehmen, Wohnungsbeständen und Immobilien, die für den gemeinnützi-
gen sozialen Wohnungsbau genutzt werden sollen, Gebrauch machen, sollen
dabei vom Bund unterstützt werden. Zu zahlende Grunderwerbsteuern beim
Ankauf solcher zweckgebundenen Unternehmen und Liegenschaften sollen
vom Bund erstattet werden;

3. einen Entwurf zur Änderung des Gesetzes über Wettbewerbsbeschränkungen
(GWB) vorzulegen, in dem eindeutig klargestellt wird, dass die interkommunale
Zusammenarbeit vergaberechtsfrei erfolgt;

4. einen Entwurf zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) vorzulegen,
durch den § 56 WHG dahingehend geändert wird, dass die Bundesländer die Ab-
wasserbeseitigungspflicht ausschließlich an juristische Personen öffentlichen
Rechts übertragen können. Die Übertragung der Aufgabenerfüllung der Abwas-
serbeseitigungspflicht an Dritte bleibt davon unberührt;

5. auch aus Gründen des Schutzes der kommunalen Daseinsvorsorge und kommu-
naler Unternehmen das CETA-Abkommen abzulehnen, welches beispielsweise
u. a. die Regelung der Bereiche Wasser- und Abwasserversorgung nach gegen-
wärtigem Verhandlungsstand nicht ausschließt;

6. einen Entwurf zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) vorzule-
gen, der vorsieht, dass
a) die Direktvergabe ohne Auswahlverfahren (In-House-Vergaben) unter Be-

rücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben bei der Neuvergabe von
Konzessionen für Wegerechte für Energieleitungen zulässig ist;

b) die Kommunen bei Konzessionsvergabeverfahren für Energienetze grund-
sätzlich eigenverantwortlich die Entscheidung über den Gas- und Stromkon-
zessionspartner auf der Basis sachlich nachvollziehbarer Gründe treffen, um
kommunale Belange und der Energiewende dienliche regionale und ggf.
sektorenübergreifende Konzepte bei der Vergabe von Konzessionen stärker
berücksichtigen zu können;

c) für die Ermittlung von Netzrückkaufkosten der tarifkalkulatorische Rest-
buchwert zugrunde zu legen ist und der bisherige Nutzungsberechtigte dem
neuen Netzbetreiber die „für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versor-
gung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen“ eigentums-
rechtlich übertragen muss. Um eine objektive Prüfung sicherzustellen, muss
der Konzessionsnehmer der Gemeinde vier Jahre vor Ende des Konzessi-
onsvertrages sämtliche Informationen zur Ermittlung des Wertes der Netze

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und der Anlagen, zu Grundstücksrechten, über die Netzpläne zur Beurtei-
lung der Entflechtung und über die Absatzmengen im Versorgungsgebiet
übermitteln;

7. auf die Länder dahingehend einzuwirken, dass
a) die Einschränkungen der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen in den

Kommunalverfassungen/Gemeindeordnungen zurückgenommen werden;
b) in die Gemeinde- und Kreisordnungen in Bezug auf die wirtschaftliche Be-

tätigung im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge eine Präferenz zu-
gunsten der öffentlichen Hand festgeschrieben wird und dass insbesondere
die im Gemeindewirtschaftsrecht zugunsten der Privaten bestehenden Sub-
sidiaritätsklauseln abgeschafft werden;

c) Regelungen geschaffen werden, die beim wirtschaftlichen Zusammenwir-
ken von Kommunen und Privaten ein transparentes Verfahren ermöglichen,
so dass Mandatsträgerinnen und -träger sowie interessierte Bürgerinnen und
Bürger die für die öffentliche Hand zu erwartenden Kosten und Nutzen von
Privatisierungs- und Rekommunalisierungsprojekten realistisch einschätzen
können;

d) in allen Bundesländern nach dem Beispiel des Landes Berlin Regelungen
zur Offenlegung von Privatisierungsverträgen im Bereich der Daseinsvor-
sorge geschaffen werden;

e) laufende Planungen zur Privatisierung von öffentlicher Daseinsvorsorge
einzustellen sind;

f) sie mit Unterstützung des Bundes ihrer Aufgabe einer ausreichenden Finan-
zierung der Krankenhausinvestitionen gerecht werden;

8. Einfluss auf die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW –Banken-
gruppe) auszuüben, um
a) das Förderprogramm der KfW Bankengruppe „Kommunal investieren“ um-

zuwidmen. Anstatt ÖPP-Projekte zu fördern, wird ein Förderprogramm auf-
gelegt, das zinslose Kredite für Kommunen bei Rekommunalisierungspro-
jekten bereitstellt;

b) den Kommunen bei der KfW-Bankengruppe die Kreditaufnahme zu günsti-
gen Konditionen zum Rückkauf von Betrieben der kommunalen Daseins-
vorsorge auf möglichst unbürokratischem Weg zu ermöglichen;

9. zur besseren Transparenz und demokratischen Kontrolle einen Gesetzentwurf zur
Änderung des Aktiengesetzes vorzulegen, um zu regeln, dass die Aufsichtsrats-
mitglieder in Aktiengesellschaften und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen
an die Weisungen der entsendenden Gremien (Kommune, Betriebsrat etc.) ge-
bunden sind, ihre Rechenschaftspflicht ausgeweitet und ihre Verschwiegenheits-
pflicht gegenüber dem entsendenden Gremium aufgehoben werden. Der Vorrang
des Unternehmensinteresses vor der Gemeinwohlverpflichtung für aus Kommu-
nen entsandte Aufsichtsratsmitglieder ist aufzuheben;

10. eine bedarfsgerechte Finanzierung der Betriebskosten der Krankenhäuser zu
schaffen, die die notwendigen Ausgaben eines wirtschaftlich arbeitenden Kran-
kenhauses deckt und Gewinne wie Verluste damit weitgehend verhindert.

Berlin, den 8. November 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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Begründung

Eine stetig steigende Zahl von Kommunen versucht seit einigen Jahren wieder das Eigentum an Betrieben der
kommunalen Daseinsvorsorge zu gelangen, nachdem mit den umfangreichen Privatisierungen der Vergangenheit
nahezu ausnahmslos negative Erfahrungen gemacht wurden. Rekommunalisierungen und die öffentliche Hand
als Eigentümer dieser Betriebe bieten die Rückkehr zur Versorgungssicherheit der Bürgerinnen und Bürger als
oberste Priorität in der Leitung und Ausgestaltung dieser Betriebe. Zudem können die gewählten kommunalen
Gremien über Tariflöhne und gute Arbeitsbedingungen für die Angestellten in den kommunalen Betrieben ebenso
entscheiden wie über die Einhaltung ökologischer Standards. Aufträge der kommunalen Betriebe können in der
Region vergeben werden und etwaige Gewinne verbleiben ebenfalls in der Kommune.
In dem begrüßenswerten Bemühen der Kommunen die Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit Leistungen
der kommunalen Daseinsvorsorge langfristig zu sichern, sollten diese vom Bund unterstützt werden. Maßnah-
men, die der Rekommunalisierung entgegenwirken und Privatisierungen im Bereich der kommunalen Daseins-
vorsorge befördern, sind durch den Bund einzustellen.
Die ÖPP-Deutschland AG (Partnerschaften Deutschland/PD) wurde 2008 unter der Federführung des Bundes-
ministeriums der Finanzen sowie des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gegründet.
Anteilseigner sind u. a. Banken, diverse Bietergemeinschaften und andere potentielle Auftragnehmer. Selbst
wenn es sich um indirekte Beteiligungen handelt, liegt es auf der Hand, dass es im Interesse der Beteiligungsge-
sellschaft liegt, möglichst viele ÖPP-Projekte zu realisieren, und keine Neutralität erwartet werden kann. Die
Anteile des Bundes an der ÖPP-Deutschland AG sind daher zu verkaufen.
Kommunen können bei ihren Rekommunalisierungsprojekten Unterstützung gebrauchen. Sie stehen oft Unter-
nehmen gegenüber, die über große Rechtsabteilungen und erhebliche liquide Mittel verfügen, um eine solche
Entwicklung zu behindern oder aufzuhalten. Gerade bei den leitungsgebundenen Rekommunalisierungen kommt
es immer wieder zu jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Kommune und Privatwirtschaft.
Obwohl diese Auseinandersetzungen oft zum Teil oder ganz zugunsten der Kommune entschieden werden, stellt
dies die Verantwortlichen einer Gemeinde vor eine hohe Hürde. Mit der Rekommunalisierungsagentur wird eine
wichtige Anlaufstelle auf Bundesebene, die juristischen und ökonomischen Sachverstand und die Erfahrungen
anderer Projekte bei sich bündelt und weitergeben kann, für die Reaktivierung öffentlicher Leistungen bereitge-
stellt.
Ein Rekommunalisierungsfonds wird benötigt, um den Kommunen eine Hilfestellung für Rekommunalisierungs-
vorhaben zu geben und finanziell schwächere Kommunen besonders bei Rekommunalisierungsvorhaben zu för-
dern. Die Erlöse aus dem Verkauf der ÖPP-Anteile sowie weitere Mittel könnten fürs Erste den Fonds füllen.
Außerdem muss Kommunen ein Vorkaufsrecht eingeräumt werden, damit nicht allein der offizielle und inoffizi-
elle Markt die Verkäufe bestimmt und die Kommunen außen vor gelassen werden. Die Erfahrung zeigt, dass
Bürgerinnen und Bürger sich in Bürger- und Volksentscheiden meistens gegen Privatisierungen aussprechen.
Das Ergebnis dieser Bürger- und Volksentscheide soll vor allem den Kommunalvertreterinnen und -vertretern
bei ihren Entscheidungen helfen. Kommunen und öffentliche Verwaltungen dienen der Allgemeinheit. Dies muss
sich auch bei Nachfragen bei Forschungsdienstleistern durch Kommunen widerspiegeln.
Bereits bei der Vergaberechtsnovelle 2008 wollte die damalige Bundesregierung der Rechtsprechung des Euro-
päischen Gerichtshofes folgend im Gesetz über Wettbewerbsbeschränkungen klarstellen, dass die interkommu-
nale Zusammenarbeit vergaberechtsfrei ist. Der Bundesrat unterstützte diese Klarstellung ausdrücklich. Auf mas-
siven Druck vor allem des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e. V. (BDI) wurde dieser Satz aus dem
Gesetzentwurf gestrichen. Interkommunale Zusammenarbeit nimmt angesichts der prekären finanziellen Situa-
tion von Kommunen einen immer größeren Stellenwert ein. Insbesondere für kleinere und strukturschwächere
Gemeinden ist die Zusammenarbeit mit anderen Kommunen ein wichtiges Mittel, ihre Selbständigkeit und Hand-
lungsfähigkeit zu erhalten.
Nach § 56 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes ist Abwasser von juristischen Personen des öffentlichen Rechts
zu beseitigen, die nach Landesrecht dazu verpflichtet sind. Gleichzeitig gestattet es § 56 Satz 2 WHG den Län-
dern, zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Pflicht anderen als in Satz 1 genannten Abwasserbesei-
tigungspflichtigen obliegt. Dieser Passus wird zum Teil als Einladung zur Privatisierung einer hoheitlichen Auf-
gabe gelesen. Diese muss jedoch weiterhin klar bei Kommunen und ihren Verbänden liegen, denn die Beseiti-
gung von Abwasser, welche in der Regel verbunden ist mit Anschluss- und Benutzungspflichten, stellt ein na-

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türliches Monopol dar. Überdies ist sie geschichtlich aus hygienischen Gründen, insbesondere zur Seuchenvor-
beugung, eine öffentliche Aufgabe. Zudem kann ein flexibles, ökologisch und sozial nachhaltiges Management
der Wasserressourcen und der Abwasserbeseitigung nur mit hohen Kosten gegen privatwirtschaftliche Wider-
stände erfolgen. Demzufolge muss die Abwasserbeseitigungspflicht in der öffentlichen Hand bleiben. Unberührt
davon soll die mögliche Übertragung der Aufgabenerfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht oder Teilen davon
an Dritte bleiben, sei es an Gesellschaften der öffentlichen Hand oder an private Unternehmen.
Mit der Forderung, die Direktvergabe ohne Auswahlverfahren durchzuführen, soll klargestellt werden, dass § 46
EnWG eine privilegierte In-House-Vergabe nicht ausschließt. Ein Ausschluss des In-House-Privilegs im Rahmen
von Konzessionsverfahren nach § 46 Absatz 3 EnWG würde im Widerspruch zu den Wertungen des europäischen
Vergaberechts stehen, wonach Dienstleistungskonzessionen gem. Art. 17 der Vergabekoordinierungsrichtlinie
(RL 2004/18/EG) vom Anwendungsbereich des strengen Vergaberechts ausgeschlossen sind.
Mit der Forderung zur eigenverantwortlichen Entscheidung über den Gas- und Stromkonzessionspartner durch
Kommunen soll klargestellt werden, dass die Kommunen im Rahmen der Daseinsvorsorge in Ausübung ihres
Rechts auf kommunale Selbstverwaltung auch andere gemeindliche Ziele berücksichtigen können. Im Rahmen
der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes im Jahr 2011 wurde in § 46 Absatz 3 EnWG ein Verweis auf
§ 1 EnWG neu eingefügt. Dies hat in der Praxis zu Rechtsunsicherheiten geführt. Infolge dieser Rechtsunsicher-
heiten verneinen einzelne Gerichte eine Berücksichtigung gemeindlicher Ziele, die über die in § 1 EnWG ge-
nannten Ziele, nämlich „… eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umwelt-
verträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf er-
neuerbaren Energien beruht“, hinausgehen. Die bisherige Regelung in § 46 Absatz 3 EnWG bedarf daher einer
rechtlichen Klarstellung, um das Recht der kommunalen Selbstverwaltung zu stärken.
Während die Verkäufer der Netze den Sachzeitwert, also den Wiederbeschaffungswert, zugrunde legen, stellen
sich die Kommunen auf den Standpunkt, dass der tarifkalkulatorische Restwert anzulegen ist – also der Restwert,
der noch nicht über die Netzentgelte erstattet wurde. Der Gesetzgeber hat sich die Auffassung der Kommunen
insofern zu eigen gemacht, als er bei der Novellierung des Energiewirtschaftsrechts 2005 festgelegt hat, dass im
Rahmen der Netzentgeltkalkulation ausschließlich die kalkulatorischen Restwerte maßgeblich sind. Ein Eigen-
tümerwechsel ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Das heißt, selbst wenn die Kommune das Netz zum
Sachzeitwert kauft, kann sie nur den tarifkalkulatorischen Restwert bei ihrer Netzentgeltkalkulation berücksich-
tigen. Um zu verhindern, dass damit ein Netzrückkauf unrentabel wird, ist eine Klarstellung über die Ermittlung
des Netzkaufwertes in das EnWG einzufügen. Mit der Forderung, dass bei der Ermittlung der Netzrückkaufkos-
ten der tarifkalkulatorische Restbuchwert zugrunde gelegt wird, soll der Rückkaufwert gesetzlich zweifelsfrei
festgelegt werden. Außerdem soll der bisherige Nutzungsberechtigte dem neuen Netzbetreiber die „für den Be-
trieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen“ eigentums-
rechtlich übertragen, um dem häufigen Streitpunkt des Rückkaufwertes der Netze bei netzgebundenen Rekom-
munalisierungsprojekten entgegenzuwirken bzw. mehr Orientierung zu geben.
Ein weiterer, oft juristisch ausgetragener Streitpunkt sind Art und Umfang der Überlassung von Versorgungsan-
lagen. Mit der klaren Festlegung, dass es sich um eine eigentumsrechtliche Überlassung handeln muss sowie dass
darunter alle Anlagen fallen, die entweder ganz oder zu überwiegendem Teil für die örtliche Verteilung im Ge-
meindegebiet genutzt werden müssen, entfällt dieser Streitpunkt. Ist bei gemischt genutzten Netzen und Anlagen
eine Einigung unter den Nutzern möglich, so können durch eine messtechnische Entflechtung die Netzentflech-
tungskosten gesenkt werden, da der Bau neuer Leitungen und Anlagen vermieden werden kann. Deshalb sollte
das EnWG eine solche Möglichkeit vorsehen, sie aber ausdrücklich an die Zustimmung der Gemeinde knüpfen.
Wichtigste gesetzliche Rahmenbedingungen kommunalen Handelns sind die Regelungen der Kommunalverfas-
sungen/Gemeindeordnungen. Diese eröffnen den Kommunen sehr unterschiedliche Möglichkeiten wirtschaftli-
cher Betätigung je nach Bundesland. Die Bundesregierung wird deshalb aufgefordert, mit den Ländern in einen
Dialog zu treten, um die Regelungen dahingehend zu harmonisieren, dass die Beschränkungen der wirtschaftli-
chen Tätigkeit der Kommunen aufgehoben werden und eine Präferenz der kommunalen Dienstleistungserbrin-
gung festgeschrieben wird.
Die Stärkung des öffentlichen Einflusses in der Versorgung muss unabdingbar an die Herstellung von größerer
Transparenz, demokratischer Kontrolle und tatsächlicher Mitbestimmung von Bürgerinnen und Bürgern sowie
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geknüpft sein. Das gilt auch für rein öffentliche Unternehmen. Hier kön-
nen die Regelungen des Landes Berlin zur Offenlegung von Privatisierungsverträgen im Bereich der Daseins-
vorsorge als Vorbild genommen werden. Trotz der Landeszuständigkeit kann der Bund hier Anregungen und

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/10282
Hinweise geben, um weiteren Privatisierungen entgegenzuwirken und laufende Planungen zur Privatisierung von
Leistung der öffentlichen Daseinsvorsorge zu beenden.
Die meisten Rekommunalisierungsprojekte rechnen sich und bringen sogar Gewinne für den Kommunalhaushalt.
Zum Problem können angesichts der klammen Haushaltslage vieler Kommunen jedoch die Anfangsinvestitionen
werden. Deshalb muss das Förderprogramm „Kommunal investieren“ künftig für Rekommunalisierungsprojekte
aufgelegt werden, anstatt für ÖPP-Projekte. Außerdem muss es für Kommunen dauerhaft möglich sein, zinsgüns-
tige Kredite für den Rückkauf von Betrieben der kommunalen Daseinsvorsorge von der KfW zu erhalten, falls
sie sich außerhalb des o. g. Förderprogrammes für Rekommunalisierungsprojekte entscheiden.
Eine Aktiengesellschaft untersteht dem Aktiengesetz, auch wenn der Eigentümer die öffentliche Hand ist. Die
Interessen der Öffentlichkeit, also das Gemeinwohl, sind in die Entscheidungen des Aufsichtsrates zwar mit ein-
zubeziehen, allerdings nur insoweit Unternehmensinteressen nicht dagegenstehen. Gemäß einer Entscheidung
des Bundesgerichtshofes von 1984 sind Aufsichtsratsmitglieder im Falle vorliegender kollidierender Interessen
in erster Linie dem Wohl des Unternehmens verpflichtet. Spektakulärster Fall war die Entlassung des schleswig-
holsteinischen Energieministers Günther Jansen aus der Hamburgischen Electricitäts-Werke AG (HEW). Er
stünde als Atomkraftgegner in einer „tiefgreifenden, andauernden und unlösbaren Pflichtenkollision“. Es dürfe
ihm aber nicht um das Gemeinwohl gehen, sondern ausschließlich um das Wohl des Unternehmens (Hanseati-
sches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. Januar 1990): Das Oberlandesgericht bestätigte die Entlassung, ob-
wohl die HEW zu 71 Prozent in öffentlicher Hand war. Hier ist dringend eine Änderung des Aktiengesetzes
notwendig. Das Eigentum der öffentlichen Hand muss dem Gemeinwohl verpflichtet sein und als Möglichkeit
zur sinnvollen energiepolitischen Steuerung zugunsten von Bürgerinnen und Bürgern sowie der Umwelt genutzt
werden. Deshalb dürfen künftig die öffentlichen Aufsichtsratsmitglieder nicht vorrangig dem Wohl des Unter-
nehmens, sondern müssen dem der Bürgerinnen und Bürger verpflichtet sein. Bei der Gemeinwohlverpflichtung
sind natürlich auch die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens mit zu berücksichtigen.

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