BT-Drucksache 17/9945

Barrierefreiheit bei den beliebtesten Reisezielen in Deutschland

Vom 14. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9945
17. Wahlperiode 14. 06. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Kirsten Tackmann, Matthias W. Birkwald,
Dr. Martina Bunge, Roland Claus, Kornelia Möller, Yvonne Ploetz,
Ingrid Remmers, Kersten Steinke, Sabine Stüber, Alexander Süßmair,
Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Barrierefreiheit bei den beliebtesten Reisezielen in Deutschland

Barrierefreier Tourismus ist für die Bundesregierung ein Schwerpunkt. So steht
es in den von der Bundesregierung im Dezember 2008 beschlossenen touris-
muspolitischen Leitlinien und auch im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU
und FDP aus dem Jahr 2009.

Umso unverständlicher sind die Antworten der Bundesregierung auf Fragen
des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, tourismus- und behindertenpolitischer Spre-
cher der Fraktion DIE LINKE. Dazu vier Beispiele:

Auf seine Mündliche Frage 30: „Welche der 33 UNESCO-Welterbestätten in
Deutschland sind nicht barrierefrei?“ antwortete der Staatsminister Bernd
Neumann am 22. April 2009 (Plenarprotokoll 16/216, Anlage 20): „Für detail-
lierte Informationen, welche der Welterbestätten nicht barrierefrei sind, wäre
eine Abfrage bei den zuständigen Ländern erforderlich. Eine solche Abfrage
war in der Kürze der Zeit nicht möglich. Es liegt jedoch auf der Hand, dass
Flächendenkmale unter den UNESCO-Welterbestätten, wie zum Beispiel die
Stadt Quedlinburg oder das Mittelrheintal dem Anspruch auf Barrierefreiheit
weniger entsprechen können als Einzeldenkmale.

Nach Kenntnis der Bundesregierung sind sich die Welterbestätten ihrer Verant-
wortung gegenüber behinderten Menschen und der Notwendigkeit eines gleich-
berechtigten Zugangs aller bewusst. Eine Berücksichtigung dieser Personen-
gruppe ist vielfach auch ausdrücklich in den Denkmalschutzgesetzen der Län-
der vorgesehen. Diese werden flankiert von den Behindertengleichstellungsge-
setzen und Bauordnungen der Länder, die Fragen der Barrierefreiheit auf
Landesebene im Einzelnen regeln.

Nach Kenntnis der Bundesregierung sind Länder und Kommunen regelmäßig
bestrebt, einvernehmliche Lösungen mit der UNESCO bei der Erhaltung der
Welterbestätten zu finden, die die Anforderungen der Barrierefreiheit gleicher-

maßen berücksichtigen (Beispiel: Bei der Alten Nationalgalerie auf der Ber-
liner Museumsinsel ist ein Seitenaufzug vorhanden).“

Auf die Mündliche Frage 19 (Plenarprotokoll 16/216, Anlage 11) des Abgeord-
neten Dr. Ilja Seifert am selben Tag „Wie viele von den über 250 beantragten
Förderprojekten (siehe Pressemitteilung 065/2009 des Bundesministers für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Wolfgang Tiefensee, vom 4. April 2009)
widmen sich speziell der Schaffung von Barrierefreiheit, und welche der noch

Drucksache 17/9945 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nicht barrierefreien Welterbestätten können mit dem ‚Förderprogramm
UNESCO-Welterbestätten‘ barrierefrei umgestaltet werden, sofern das jewei-
lige Projekt der Antragsteller eine zustimmende Empfehlung von dem ‚unab-
hängigen Expertengremium‘ und ein entsprechendes Votum des Ministeriums
erhält?“, antwortete der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann:
„Bis zum 31. März 2009 sind rund 250 Projektanträge von Kommunen mit
Welterbestätten beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung ein-
gegangen. Die Projektanträge werden derzeit noch auf ihre Vollständigkeit und
die Übereinstimmung mit den Förderbedingungen hin überprüft. Förderfähig
sind: investive Maßnahmen an oder in baulichen Anlagen, investive Maßnah-
men im städtebaulichen Umfeld sowie investitionsvorbereitende und konzep-
tionelle Maßnahmen. Dieser Rahmen umfasst grundsätzlich auch Maßnahmen
zur Sanierung und Weiterentwicklung des Bestands, wie etwa Maßnahmen zur
Schaffung oder Verbesserung der Barrierefreiheit.“

Auf die Schriftliche Frage 51 von Dr. Ilja Seifert „Welche der im Ergebnis einer
Umfrage der DZT (Deutschen Zentrale für Tourismus e. V.) ermittelten 100 be-
liebtesten Sehenswürdigkeiten für ausländische Gäste (siehe DZT-Presseinfor-
mation vom 20. April 2012) sind barrierefrei?“ antwortete die Staatssekretärin
Anne Ruth Herkes am 3. Mai 2012 (Bundestagsdrucksache 17/9518): „Infor-
mationen, welche der 100 beliebtesten Sehenswürdigkeiten in Deutschland bar-
rierefrei sind, liegen der Bundesregierung nicht vor. Eine dazu erforderliche
Abfrage und die Beantwortung durch die zuständigen Länder ist in der Kürze
der Zeit nicht möglich.

Die Deutsche Zentrale für Tourismus e. V. wird für jede der 100 beliebtesten
Sehenswürdigkeiten eine App entwickeln und dabei das Thema Barrierefreiheit
berücksichtigen. Die Apps werden ab Sommer 2012 in Englisch und Deutsch
zur Verfügung stehen. Jede App wird neben den Informationen zu Öffnungszei-
ten, Eintrittspreisen und Anfahrt auch über die Möglichkeiten eines barriere-
freien Zugangs zu dem jeweiligen Kulturdenkmal oder Gebäude informieren.“

Auf die Schriftliche Frage 52 „Welche der nichtbarrierefreien Reiseziele aus
der Liste ‚Deutschlands TOP 100‘ erhielten seit 2009 Mittel des Bundes für
bauliche Investitionen, Marketingmaßnahmen usw. (bitte Art und Umfang der
Förderung einzeln nennen)?“ antwortete die Staatssekretärin: „Bei der Beant-
wortung der Frage nach bereitgestellten Mitteln des Bundes für bauliche In-
vestitionen, Marketingmaßnahmen usw. für die 100 beliebtesten Sehenswür-
digkeiten kann nicht nach barrierefreien und nichtbarrierefreien Sehenswürdig-
keiten unterschieden werden (vgl. Antwort zu Frage 51).“

So viel Unkenntnis ist – auch mit Blick auf die seit dem 26. März 2009 in
Deutschland rechtskräftige UN-Behindertenrechtskonvention – keine gute
Grundlage, um den barrierefreien Tourismus voranzubringen und Fördermittel
des Bundes gezielt und effizient einzusetzen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welchen Stellenwert in ihrer Tourismuspolitik haben für die Bundesregie-
rung die Schaffung von Barrierefreiheit bei UNESCO-Welterbestätten und
weiteren bedeutenden Sehenswürdigkeiten sowie die barrierefreie Anfahrt
zu diesen Stätten?

2. Wie erfolgt diesbezüglich die Zusammenarbeit mit den Ländern und Kom-
munen sowie den Akteuren der Tourismuswirtschaft?

3. Welche der 36 UNESCO-Welterbestätten in Deutschland sind nicht barriere-
frei, und welche Welterbestätten sind nur mit Einschränkungen zugänglich?
4. Welche der 36 UNESCO-Welterbestätten in Deutschland sind barrierefrei
mit der Eisenbahn, S- oder U-Bahn oder einem Linienbus erreichbar?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9945

5. Welche der 36 UNESCO-Welterbestätten in Deutschland haben seit 2009
Fördermittel des Bundes erhalten (bitte das jeweilige Programm und die
Förderhöhe nennen), und welche der ausgereichten Fördermittel waren mit
dem Kriterium der Schaffung von Barrierefreiheit verbunden?

6. Bei welchen der nichtbarrierefreien UNESCO-Welterbestätten in Deutsch-
land sind Maßnahmen zur Schaffung von (mehr) Barrierefreiheit in den Jah-
ren 2012 und 2013 vorgesehen?

7. Welche der im Ergebnis einer Umfrage der DZT ermittelten 100 beliebtesten
Sehenswürdigkeiten für ausländische Gäste (siehe DZT-Presseinformation
vom 20. April 2012) sind barrierefrei, welche nur mit Einschränkungen
(Einschränkungen bitte nennen), und welche sind nicht barrierefrei?

8. Welche der Reiseziele aus der Liste „Deutschlands TOP 100“ sind barriere-
frei mit dem öffentlichen Nah- bzw. Fernverkehr erreichbar?

9. Welche der Reiseziele aus der Liste „Deutschlands TOP 100“ erhielten seit
2009 Mittel des Bundes für bauliche Investitionen, Marketingmaßnahmen
usw. (bitte Art und Umfang der Förderung einzeln nennen)?

Berlin, den 14. Juni 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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