BT-Drucksache 17/9926

Freiwilligendienste in zivilgesellschaftlicher Verantwortung stärken

Vom 12. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9926
17. Wahlperiode 12. 06. 2012

Antrag
der Abgeordneten Sönke Rix, Ute Kumpf, Petra Crone, Petra Ernstberger,
Iris Gleicke, Kerstin Griese, Gabriele Hiller-Ohm, Petra Hinz (Essen), Christel
Humme, Caren Marks, Franz Müntefering, Aydan Özog˘uz, Thomas Oppermann,
Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Stefan Schwartze, Dagmar Ziegler,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Ulrich Schneider, Ekin Deligöz, Katja Dörner,
Kai Gehring, Katrin Göring-Eckardt, Agnes Krumwiede, Monika Lazar,
Tabea Rößner, Krista Sager, Marieluise Beck (Bremen), Agnes Brugger,
Viola von Cramon-Taubadel, Britta Haßelmann, Katja Keul, Memet Kilic,
Sven-Christian Kindler, Ute Koczy, Tom Koenigs, Lisa Paus
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Freiwilligendienste in zivilgesellschaftlicher Verantwortung stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Ausstieg aus der Wehrpflicht und die damit einhergehende Aussetzung des
Zivildienstes war eine richtige und gute Entscheidung. Das System der Pflicht-
dienste war ungerecht und nicht mehr zeitgemäß. Angesichts einer veränderten
sicherheitspolitischen Lage, des massiven Eingriffs in die Freiheitsrechte jun-
ger Männer und des immer gravierenderen Mangels an Wehrgerechtigkeit war
die Umstellung auf ein System der Freiwilligkeit notwendig. Die große Enga-
gementbereitschaft Jugendlicher zeigt, dass die Warnungen vor Verwerfungen
im Sozialbereich infolge der Zivildienst-Aussetzung unbegründet und übertrie-
ben waren. Die erfreulich hohe Bereitschaft und Motivation junger Menschen,
sich freiwillig zu engagieren, eine starke Nachfrage nach den Angeboten des
Freiwilligen Sozialen und Freiwilligen Ökologischen Jahres in den letzten Jahr-
zehnten und nicht zuletzt rechtliche Gründe entziehen zudem jeder Diskussion
um einen allgemeinen sozialen Pflichtdienst die Grundlage.

Die Bundesregierung nahm diesen Wechsel zum Anlass, den neuen Bundesfrei-
willigendienst (BFD) einzuführen. Am 1. Juli 2011 trat das Gesetz über den
Bundesfreiwilligendienst (BFDG) in Kraft. Der Bundesfreiwilligendienst steht
sowohl jungen Männern als auch Frauen offen. Außerdem ist er im Gegensatz
zu den seit Jahrzehnten etablierten Jugendfreiwilligendiensten Freiwilliges So-

ziales Jahr (FSJ) und Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) altersoffen gestaltet
und steht so auch Menschen nach der Vollendung des 27. Lebensjahres offen.

Die Chance einer Weiterentwicklung der Freiwilligendienste in die Hände er-
fahrener zivilgesellschaftlicher Akteure zu legen, wurde vertan. Die Potentiale
zum Ausbau zivilgesellschaftlich organisierter Freiwilligendienste blieben
ungenutzt. Im Ergebnis gab es zahlreiche handwerkliche Mängel bei der Ein-
führung und Verabschiedung des Gesetzes zur Einführung eines Bundesfreiwil-

Drucksache 17/9926 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ligendienstes. Einsatzstellen, Träger und potentielle Freiwilligendienstleistende
mussten mit den daraus folgenden erheblichen Schwierigkeiten und Unsicher-
heiten umgehen, weil die Bundesregierung neben die gut funktionierenden Ju-
gendfreiwilligendienste einen staatlich organisierten Freiwilligendienst und
somit neue Strukturen setzte. Allein der hohen Engagementbereitschaft der
Jungen und der Lebensälteren sowie dem Einsatz und der Arbeit der Freiwilli-
gendienst-Träger ist es zu verdanken, dass mittlerweile 35 000 Plätze im Bun-
desfreiwilligendienst besetzt sind. In Anbetracht der Tatsache, dass die Nach-
frage beim FSJ und FÖJ stets höher war als das Platzangebot, verwundert das
große Interesse an einem BFD nicht. Erfreulich ist aber, dass trotz der Einfüh-
rung des BFD sowohl das FSJ als auch das FÖJ keine Einbußen hinzunehmen
hatten.

Freiwilligendienste müssen vollständig zivilgesellschaftlich organisiert wer-
den. In diesem Sinne sind folgende Änderungen dringend notwendig.

Trägerprinzip

Rechte und Pflichten der Freiwilligendienst-Trägerorganisationen sind im Ge-
setz zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes nicht verankert. Die Trä-
ger sind als Vertragspartner nicht vorgesehen. Dies entspricht in keiner Weise
ihrer wichtigen Rolle in der Praxis, denn sie übernehmen wichtige Aufgaben,
wie beispielsweise die Sicherung der Qualität der Freiwilligendienstplätze in
den Einrichtungen und die Organisation der pädagogischen Begleitung. Gleich-
zeitig sind sie wichtige Ansprechpartner für die Teilnehmenden. Ein Freiwilli-
gendienstestatusgesetz, das für alle Freiwilligendienste gilt, ist überfällig. In
diesem muss das Trägerprinzip für die Inland-Freiwilligendienste klar veran-
kert sein, das auch dem Subsidiaritätsgebot Rechnung trägt.

Bildung

Freiwilligendienste sind eine besondere Form des bürgerschaftlichen Engage-
ments. Ihr Kern ist die Definition als Lern- und Bildungsdienste. Dabei be-
schränkt sich die Bildung nicht auf die Seminarteilnahme der Teilnehmenden,
sondern schließt informelle und nonformale Bildungsprozesse im Alltag der
Einsatzstelle mit ein. Eine pädagogische Begleitung der Freiwilligendienst-
leistenden in der Einsatzstelle ist daher auch wesentlich für die Qualität als Bil-
dungs- und Lerndienst. Im Bundesfreiwilligendienst wurde diese Forderung
nicht realisiert. Dieser Mindeststandard muss Teil eines Freiwilligendienste-
statusgesetzes sein.

Das Konzept für die Bildungszentren des Bundes und das System der Bildungs-
gutscheine für die Seminare im FSJ und FÖJ haben sich in der Praxis nicht be-
währt. Im Gegenteil: Durch das Nichteinlösen der Bildungsgutscheine auf-
grund von organisatorischen Hindernissen bei den Bildungszentren verfällt ein
Teil der gerade erst aufgestockten Fördermittel für FSJ und FÖJ. Die Schwie-
rigkeiten bei der Umsetzung des Bildungsgutscheinsystems sind so gravierend,
dass ein anderes System greifen muss.

Die pädagogische Konzeption in den Bildungszentren des Bundes ist zu sehr
durch die Strukturen im Zivildienst geprägt. Deshalb bietet sie für die jüngeren
und minderjährigen Teilnehmenden kein passgenaues Angebot. Eine zielgrup-
pengerechte Pädagogik und einen umfassenden Bildungsbegriff praktizieren
die Trägerorganisationen der Jugendfreiwilligendienste FSJ und FÖJ. Diese
sollten Grundlage für die pädagogische Begleitung aller Freiwilligendienstleis-
tenden sein. Um dies zu gewährleisten, bedarf es einer grundlegenden Reform
des Bildungskonzepts für die Bildungszentren des Bundes.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9926

Anerkennung und Wertschätzung des freiwilligen Engagements fördern und
verbessern

Die Anerkennung und die Wertschätzung des freiwilligen Engagements sind
wesentliche Elemente, um Freiwilligendienste noch attraktiver zu machen und
die Bereitschaft, sich freiwillig zu engagieren, zu fördern. Nicht nur für Jugend-
liche, auch für ältere Menschen, die sich freiwillig engagieren, stärkt die posi-
tive Bestätigung die eigene Motivation. Mit einfachen Mitteln wie der Anre-
chenbarkeit des Freiwilligendienstes als Wartesemester oder als Praktikum für
eine spätere Ausbildung oder ein Studium, z. B. in Form von fachbezogenen
Creditpoints, oder die Zertifizierung dieses Engagements in Form von Kompe-
tenznachweisen kann dies erreicht werden. Ein einheitlicher und breit akzep-
tierter Freiwilligendienstausweis, der zu Ermäßigungen in öffentlichen (und
auch nichtöffentlichen) Einrichtungen berechtigt, ist ein wichtiger Baustein für
die Anerkennung eines geregelten Engagements.

Menschen, die bereits als junge Erwachsene erfahren, welchen Wert und wel-
che Bedeutung ihr freiwilliges Engagement für die Gesellschaft hat, werden
sich auch im weiteren Lebensverlauf und im Alter freiwillig engagieren. Ange-
sichts der demografischen Entwicklung ist damit enormes Potenzial für das
freiwillige Engagement verbunden.

Öffentlichkeitsarbeit und Werbung

Das FSJ und das FÖJ haben sich in den letzten Jahrzehnten so gut etabliert,
dass es auch ohne eine starke Öffentlichkeitsarbeit oder Bewerbung der Ju-
gendfreiwilligendienste immer genügend Bewerberinnen und Bewerber gab
bzw. die Nachfrage das Angebot an finanzierbaren Plätzen sogar überstieg.

Aktuell ist das Interesse an allen Freiwilligendienstformaten sehr hoch und alle
Plätze sind besetzt. Dies kann sich allerdings ändern, wenn sich beispielsweise
die Auswirkungen der doppelten Abiturjahrgänge entschärfen. Um alle For-
mate der Freiwilligendienste zu bewerben, aber auch um darüber aufzuklären,
was ein Freiwilligendienst ist, welche Rechte und Pflichten er beinhaltet und
welchen Gewinn Jugendliche aus dieser Form des geregelten Engagements zie-
hen, sollten regelmäßig in Schulen Informationsveranstaltungen stattfinden.
Hier können die Regionalbetreuer und Regionalbetreuerinnen berichten und
aufklären sowie die Träger und ehemaligen Freiwilligendienstleistenden selbst
stärker unterstützt werden.

Umgang von Arbeitgebern mit Freiwilligendiensten

Freiwilligendienste stellen nicht allein einen gesellschaftlichen und persön-
lichen Gewinn dar, sondern sind auch ein unmittelbarer Gewinn für Arbeit-
geber. Diejenigen, die einen Freiwilligendienst geleistet haben, bringen außer-
gewöhnliche Kompetenzen, Fertigkeiten und Erfahrungen in ihre Ausbildung,
Beruf und Arbeit ein, von denen Kolleginnen und Kollegen und Arbeitgeber
profitieren. Es sollten Anreize für Arbeitgeber geschaffen werden, die gegen-
über Freiwilligendiensten Offenheit praktizieren und das Engagement anerken-
nen – auch wenn dies einen temporären Ausstieg eines Mitarbeiters oder einer
Mitarbeiterin aus dem Beruf bedeutet.

Arbeitsmarktneutralität

Insbesondere durch die Altersöffnung beim BFD stellt sich die Frage der
Arbeitsmarktneutralität in den Freiwilligendiensten verstärkt. Aufgrund der ge-
ringeren Stundenzahl für Teilnehmende ab 27 Jahren sind Kombinationen mit

anderen Beschäftigungen im gleichen Bereich und daher sogenannte Mitnah-
meeffekte möglich. In den Freiwilligendiensten muss eine klare Abgrenzung zu

Drucksache 17/9926 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischen Maßnahmen wie auch zum Nied-
riglohnbereich erfolgen. Die Freiwilligendienste dürfen grundsätzlich nicht
zum Ersatz für soziale Arbeit, für arbeitsmarktpolitische oder Wiedereingliede-
rungsmaßnahmen werden. Tendenzen, die Freiwilligendienste als Ausfallbür-
gen für sozialstaatliche Aufgaben und ordentliche Beschäftigung zu verstehen,
gilt es stets vorzubeugen. Das Prinzip der Freiwilligkeit, Gemeinwohlorientie-
rung und Unentgeltlichkeit muss gewahrt sein.

Ombudsstelle

Die Zahl der Teilnehmenden an Freiwilligendiensten ist durch die zusätzliche
staatliche Förderung im Bundesfreiwilligendienst sehr hoch. Gleichzeitig stel-
len sich mit seiner Einführung neue Fragen, beispielsweise nach der Arbeits-
marktneutralität, aber auch nach dem grundsätzlichen Verständnis von Freiwil-
ligkeit. Deshalb benötigen die Teilnehmenden an einem Freiwilligendienst eine
zentrale und neutrale Anlaufstelle. Um dies zu gewährleisten, soll – auch als
ein Zeichen der Anerkennung und der gesellschaftlichen Bedeutung der Frei-
willigendienste – eine Ombuds- oder Vertrauensstelle eingerichtet werden.

Partizipationsmöglichkeiten

Ein wesentliches Merkmal bürgerschaftlichen Engagements ist sein partizipati-
ver Charakter, der über das Erbringen sozialer, kultureller und ökologischer
Dienstleistungen hinausweist. Im Mittelpunkt des Engagements stehen Fragen
von Mitentscheidung und Mitgestaltung in den gewählten Engagementberei-
chen. In den Freiwilligendiensten geht es eben nicht um das Ableisten einer
Dienstpflicht, sondern auch um eine selbst gewählte Form der Mitgestaltung.
Dazu müssen den Teilnehmenden entsprechende Partizipationsmöglichkeiten
untereinander, in ihrer Einsatzstelle und bei ihrem Träger eröffnet werden.

Rolle des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben
(BAFzA)

Das BAFzA nimmt eine problematische Doppelrolle ein:

Zum einen ist es koordinierende und steuernde Behörde des Bundes für den
Bundesfreiwilligendienst: Es ist verantwortlich für die Anerkennung von Ein-
satzstellen und -plätzen des BFD, es schließt die Verträge mit den Bundesfrei-
willigendienstleistenden, es führt die Aufsicht über die zivilgesellschaftlichen
Zentralstellen, es organisiert die Maßnahmen zur politischen Bildung und an-
dere Bildungsmaßnahmen in den Bildungszentren des Bundes und verwaltet
die Zuschüsse an die zivilgesellschaftlichen Zentralstellen und die ihnen ange-
schlossenen Träger und Einsatzstellen.

Zum anderen ist es selbst Träger der Zentralstelle für den BFD und für solche
Einsatzstellen der Jugendfreiwilligendienste, die sich keiner zivilgesellschaftli-
chen Zentralstelle anschließen wollen.

Diese beiden Rollen stehen in Konflikt zueinander. Außerdem verletzt die Trä-
gerrolle des BAFzA das für die Freiwilligendienste konstitutive Prinzip der
Subsidiarität. Es gibt keine hinreichende Transparenz bezüglich der Zentralstel-
lenaufgaben. Hinzu kommt, dass das BAFzA durch das Angebot kostenloser
Dienstleistungen als Konkurrent gegenüber zivilgesellschaftlichen Trägern auf-
tritt. Deshalb sollte die Rolle des BAFzA als Zentralstelle aufgegeben werden.
Somit wäre dem Subsidiaritätsgebot in den Freiwilligendiensten Rechnung ge-
tragen und die Konkurrenzsituation aufgelöst. Stattdessen müssen neue Struk-
turen für verbandsunabhängige und kleinere Freiwilligendienstträger initiiert

und etabliert werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9926

Rechtlicher Rahmen durch ein Freiwilligendienstestatusgesetz

Mittelfristig stellt sich die Frage nach einem einheitlichen Rechtsrahmen der
Freiwilligendienste – der jedoch mit einem Erhalt der Vielfalt und der zivilge-
sellschaftlichen Verankerung der Freiwilligendienste einher gehen muss.

Ein Freiwilligendienstestatusgesetz sollte u. a. dazu beitragen:

– die Übersichtlichkeit des Angebots für die potenziellen Nutzerinnen und
Nutzer zu gewährleisten,

– die gesellschaftliche Anerkennung und die strukturellen Rahmenbedingun-
gen zu verbessern,

– die Zuständigkeiten einheitlich und transparent zu regeln,

– die Vielfalt der Freiwilligendienste zu ermöglichen und auszubauen,

– die Qualität der Einsatzstellen zu sichern.

Wissenschaftliche Begleitung und Evaluation

Eine Evaluation des Bundesfreiwilligendienstes wurde ausgeschrieben, bis
Ende 2015 sollen Ergebnisse und ein Abschlussbericht vorliegen. Um weiteren
Fehlentwicklungen und Problemen im Bundesfreiwilligendienst wirksam ent-
gegensteuern zu können, sollten jedoch zeitnah Zwischenergebnisse vorgestellt
werden. Die Evaluation sollte in ihren Fragestellungen auch die erreichte Ziel-
gruppe unter dem Aspekt der sozialen Stellung und des Bildungsabschlusses
beleuchten sowie die Problematik der staatlichen Organisation von Freiwilli-
gendiensten untersuchen und mögliche Auswirkungen wie wachsender büro-
kratischer Aufwand, Einschränkungen in der individuellen Ausgestaltung und
Passung vor Ort beleuchten. Eine Öffnung der Freiwilligendienste für bisher
unterrepräsentierte Gruppen ist wünschenswert. Damit können systemische
Fehler ausgeräumt werden. Außerdem lassen sich bürokratische Hemmnisse
identifizieren und besser überwinden als nach einer längeren Phase der Etablie-
rung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der das Trägerprinzip im Gesetz über den
Bundesfreiwilligendienst (BFDG) verankert und diesem so schnell wie
möglich einen Entwurf eines Freiwilligendienstestatusgesetzes folgen zu
lassen;

2. die pädagogische Begleitung der Teilnehmenden an den unterschiedlichen
Freiwilligendienstformaten in der Einsatzstelle sicherzustellen und gesetz-
lich festzuschreiben, sowie eine ausreichende Betreuung und Begleitung zu
gewährleisten (Betreuungsschlüssel 1:40 in Anlehnung an die Regelungen
beim FSJ/FÖJ);

3. statt der Sachleistung (aktuelles Bildungsgutscheinsystem) und der damit
verbundenen kostenlosen Nutzung der Bildungszentren die Bildungszentren
zu reformieren, anzupassen und damit möglicherweise erzielte Einsparun-
gen für die Träger flexibel nutzbar zu machen;

4. die Notwendigkeit staatlicher Bildungszentren zu prüfen, ohne bindende
Angebote und Verpflichtungen den Trägern und Einsatzstellen gegenüber
zügig, neue, flexible, passgenaue und zielgruppengerechte Konzepte für die
Bildungszentren des Bundes zu entwickeln und umzusetzen und die Zahl der
Bildungszentren entsprechend anzupassen;

5. darauf hinzuwirken, dass das Ableisten eines Freiwilligendienstes mehr An-

erkennung erfährt als bisher. Dazu gehören

Drucksache 17/9926 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

a) die Einführung eines allgemein gültigen und breit akzeptierten Freiwilli-
gendienstausweises,

b) Vereinbarungen über die Bereitstellung von Vergünstigungen in öffent-
lichen Einrichtungen,

c) die Anerkennung als Wartesemester,

d) die Anrechenbarkeit als Praktikum für eine spätere Ausbildung und/oder
Studium,

e) Ausstellung von einheitlich und gemeinsam mit der Zivilgesellschaft
entwickelten Kompetenznachweisen und Zeugnissen und deren Be-
kanntmachung im Bildungssystem und in der Wirtschaft,

f) Transparenz der Anerkennungsinstrumente;

6. darauf hinzuwirken, dass in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen
regelmäßig Regionalbetreuer und -betreuerinnen über alle Freiwilligen-
dienstformate informieren;

7. Anreize für Arbeitgeber zu schaffen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die
Teilnahme an einem Freiwilligendienst zu erleichtern;

8. die Arbeitsmarktneutralität der Einsatzstellen sicherzustellen und regelmä-
ßig auf ihre Arbeitsmarktneutralität zu überprüfen. Wird die Arbeitsmarkt-
neutralität verletzt und handelt es sich bei der Einsatzstelle um einen regu-
lären Arbeitsplatz, so können hierfür keine Freiwilligen eingesetzt werden.
Wird ein Arbeitsverhältnis fälschlicherweise als Bundesfreiwilligendienst
bezeichnet, führt dies zu einem regulären Vergütungsanspruch des/der Frei-
willigen;

9. eine Ombudsstelle für Teilnehmende an einem Freiwilligendienst einzu-
richten;

10. Partizipations- und Einflussmöglichkeiten der Teilnehmenden in den Ein-
satzstellen und bei den Trägern strukturell zu ermöglichen und sicherzu-
stellen;

11. die Doppelrolle des BAFzA aufzulösen und Zentralstellenaufgaben abzu-
schaffen. Stattdessen müssen neue Strukturen für verbandsunabhängige
und kleinere Freiwilligendienstträger initiiert und etabliert werden;

12. den Freiwilligendienst so flexibel zu gestalten, dass er stärker von den Trä-
gern der vom Wegfall der Wehrpflichtbefreiung besonders betroffenen Be-
reiche des Katastrophenschutzes und der allgemeinen nichtpolizeilichen
Gefahrenabwehr in ihrer ehrenamtlichen Struktur genutzt werden kann;

13. Zwischenergebnisse der Evaluation des Bundesfreiwilligendienstes zügig
vorzulegen und daraus resultierende Handlungsempfehlungen im Dialog
mit betroffenen Akteuren und dem Deutschen Bundestag ernsthaft zu prü-
fen;

14. eine regelmäßige Evaluation der unterschiedlichen Freiwilligendienstfor-
mate zu gewährleisten;

15. zur Stärkung von Rahmenbedingungen, Mindeststandards und Transparenz
der einzelnen Freiwilligendienste ein intelligentes Freiwilligendienste-
statusgesetz vorzulegen. Dieses Freiwilligendienstestatusgesetz muss

– das bewährte Trägerprinzip für Inland-Freiwilligendienste festschrei-
ben,

– unter Berücksichtigung der besonderen Bedarfe der einzelnen Dienste
noch offene Förder- und Regelungsbedarfe in den Freiwilligendiensten

sowie ihren Status als „arbeitsmarktneutrale, gemeinnützige Bildungs-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/9926

dienste“ regeln, die Anerkennung der Freiwilligendienste steigern, den
sozialversicherungsrechtlichen und rechtlichen Status klären und damit
für Träger, Einsatzstellen und Freiwillige die Rechtssicherheit und
Transparenz erhöhen,

– den Bildungs- und Lerncharakter als wesentliche Definition von Frei-
willigendiensten und die pädagogische Begleitung stärken,

– Freiwilligendienste klar von Erwerbsarbeit und beruflicher Aus- und
Weiterbildung abgrenzen und dabei sicherstellen, dass sie nicht zum Er-
satz regulärer Beschäftigung genutzt werden,

– in Ergänzung zur bestehenden Obergrenze eine Taschengelduntergrenze
bzw. angemessene Aufwandsentschädigung für die Freiwilligendienst-
leistenden festlegen,

– eine Stärkung der Strukturen zur Mitbestimmung durch Freiwillige bei
der Programmentwicklung vorzusehen,

– eine Lösung für die Umsatzsteuerproblematik schaffen, ggf. muss diese
auf europäischer Ebene gefunden werden,

– die Anerkennung und Wertschätzung des freiwilligen Engagements ver-
bessern und stärker fördern (beispielsweise Freiwilligendienstausweis,
Anrechenbarkeit als Praktikum).

Berlin, den 12. Juni 2012

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion
Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.