BT-Drucksache 17/9889

Studie zur Situation lesbischer und schwuler Jugendlicher - Stand der Umsetzung des Bundestagsbeschlusses "Schwule und lesbische Jugendliche - Mittendrin statt außen vor" vom 16.Juni 2005

Vom 7. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9889
17. Wahlperiode 07. 06. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulrich Schneider, Kai Gehring, Volker Beck (Köln),
Monika Lazar, Ekin Deligöz, Katja Dörner, Agnes Krumwiede, Tabea Rößner,
Krista Sager, Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann, Ingrid Hönlinger,
Memet Kilic, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Studie zur Situation lesbischer und schwuler Jugendlicher – Stand der Umsetzung
des Bundestagsbeschlusses „Schwule und lesbische Jugendliche – Mittendrin
statt außen vor“ vom 16. Juni 2005

Jugendliche machen eine Vielzahl für sie neuer Erfahrungen. Es beginnt mit den
Veränderungen ihres Körpers, geht weiter über die Abnabelung von ihren Eltern
und das Infragestellen vorgegebener Werte bis hin zum Erreichen finanzieller
und emotionaler Autonomie. Diese von Veränderungen geprägte Zeit ist für alle
Menschen schwierig, aber zumeist für lesbische und schwule Jugendliche noch
schwieriger. Sie merken, dass sie die an sie von Gesellschaft und Familie gestell-
ten Erwartungen nicht erfüllen können. In einer heteronormativen Welt begeg-
nen selbst erwachsene Lesben und Schwule vielen Vorbehalten. Jugendliche, die
noch in ihrem Reifungsprozess stecken und nicht so gefestigt gegen Angriffe
von Außen auf ihre Identität sind, bedürfen deshalb besonderer Unterstützung
und spezieller Beratungsangebote. In der vom Deutschen Jugendinstitut e. V.
(Prof. Dr. Uwe Sielert/Dr. Stefan Timmermanns) herausgegebenen „Expertise
zur Lebenssituation schwuler und lesbischer Jugendlicher in Deutschland – Eine
Sekundäranalyse vorhandener Untersuchungen“ schreiben die Verfasser: „Der
Schritt in die Gewissheit, einer sexuellen Minderheit anzugehören, ist auch
heute noch mit negativen Gefühlen wie Unsicherheit und Furcht verbunden. […]
Sich in Familie und Schule zu outen ist keine Selbstverständlichkeit und wird als
erheblicher Stressfaktor wahrgenommen.“ (S. 38).

Am 16. Juni 2005 hatte der 15. Deutsche Bundestag beschlossen, die Bundes-
regierung möge eine Bestandsaufnahme zur Situation der betroffenen Gruppen
erstellen („Schwule und lesbische Jugendliche – Mittendrin statt außen vor“ auf
Bundestagsdrucksache 15/5691). Es sollte festgestellt werden, welchen Be-
ratungsbedarf Jugendliche und ihre Angehörigen haben, wie groß der Bedarf
an Aufklärung über Lesben und Schwule ist und welche Vernetzungsangebote
Jugendliche insbesondere in ländlichen Räumen bedürfen.

Trotz der mehrfachen Nachfragen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

wurde die Durchführung einer solchen Studie bisher verweigert (vgl. etwa Ant-
wort auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bun-
destagsdrucksache 16/4818). Allerdings sagte das Bundesministerium für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend infolge der Debatte des Antrags „Schwule,
lesbische und transsexuelle Jugendliche stärken“ (Bundestagsdrucksache 17/
4546) eine erneute Prüfung des Anliegens zu.

Drucksache 17/9889 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Lebenssituation von
lesbischen und schwulen Jugendlichen?

2. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Interessen von lesbischen
und schwulen Jugendlichen gemäß Artikel 2 der UN-Kinderrechtskonven-
tion (vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls) gewahrt bleiben?

3. Inwieweit ist nach Auffassung der Bundesregierung gewährleistet, dass les-
bische und schwule Jugendliche ein Recht auf Informationen haben, welche
die Förderung ihres sozialen, seelischen und sittlichen Wohlergehens sowie
ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit zum Ziel haben (vgl. Artikel 13
Absatz 1 und Artikel 17 UN-Kinderrechtskonvention)?

4. Auf welchem Stand sind die konzeptionellen Vorüberlegungen der Bundes-
regierung zur Durchführung der vom Deutschen Bundestag beschlossenen
Bestandsaufnahme zur Situation von lesbischen und schwulen Jugendlichen?

5. Wie sieht der weitere Zeitplan der Bundesregierung für die Erstellung der
Bestandsaufnahme aus?

Welche konkreten, einzelnen Schritte sind in welchen konkreten Zeiträu-
men geplant?

6. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der vom Deut-
schen Jugendinstitut e. V. (Prof. Dr. Uwe Sielert/Dr. Stefan Timmermanns)
herausgegebenen „Expertise zur Lebenssituation schwuler und lesbischer
Jugendlicher in Deutschland – Eine Sekundäranalyse vorhandener Unter-
suchungen“?

7. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, dass Prof.
Dr. Uwe Sielert und Dr. Stefan Timmermanns in der in Frage 6 genannten
Studie nicht auf die Studien zur Jugendsexualität der Bundeszentrale für ge-
sundheitliche Aufklärung zurückgreifen, die quantitative Aussagen über die
Anzahl der Jugendlichen treffen, welche körperliche Kontakte zum eigenen
Geschlecht hatten?

Wird in einer von der Bundesregierung oder in ihrem Auftrag erstellten Be-
standsaufnahme der Situation lesbischer und schwuler Jugendlicher auf
diese Studien zurückgegriffen werden?

Wenn nein, warum nicht?

8. Wen wird die Bundesregierung mit der Durchführung der Bestandsaufname
beauftragen?

Inwiefern spielen die Antworten zu den Fragen 3 und 4 dabei eine Rolle?

9. Wie steht die Bundesregierung zu dem in der Expertise formulierten Proble-
men einer solchen Bestandsaufnahme, insbesondere dem Problem, dass
viele Betroffene sich in einer Befragung nicht als der Zielgruppe zugehörig
definieren würden?

10. Wie steht die Bundesregierung zu der Empfehlung der Expertise, die Befra-
gung dieser Zielgruppe internetbasiert durchzuführen?

Wenn die Bundesregierung dieser Empfehlung nicht positiv gegenüber
steht, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9889

11. Wie steht die Bundesregierung der Idee gegenüber, eine solche Bestands-
aufnahme um die im Antrag vom 16. Juni 2005 auf Bundestagsdrucksache
15/5691 nicht erwähnten Gruppen der transsexuellen und intersexuellen
Jugendlichen zu erweitern, die zwar einen anderen Prozess der Identitäts-
findung durchlaufen, aber auch eine Coming-Out Erfahrung machen?

Berlin, den 7. Juni 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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