BT-Drucksache 17/960

Ausgabenentwicklung und Wettbewerb in der privaten Krankenversicherung

Vom 5. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/960
17. Wahlperiode 05. 03. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgitt Bender, Dr. Harald Terpe, Elisabeth Scharfenberg,
Maria Klein-Schmeink, Kerstin Andreae, Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann,
Sven Kindler, Markus Kurth, Beate Müller-Gemmeke, Lisa Paus, Christine Scheel
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ausgabenentwicklung und Wettbewerb in der privaten Krankenversicherung

Der Bundesregierung liegt ein Gutachten „Die Bedeutung von Wettbewerb im
Bereich der privaten Krankenversicherungen vor dem Hintergrund der erwarte-
ten demografischen Entwicklung“ des Berliner Forschungsinstituts IGES GmbH
in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Dr. h. c. Bert Rürup vor. Nachdem in der Presse
mehrfach darüber berichtet worden ist, dass die Veröffentlichung des Gutachtens
von der Bundesregierung zurückgehalten wurde (z. B. „Ohrfeige für die privaten
Kassen“ im Handelsblatt vom 17. Februar 2010) ist es auf den Internetseiten des
IGES abrufbar (www.iges.de/leistungen/gesundheitspolitik). Darin kommen die
Autorinnen und Autoren zu dem Ergebnis, dass das Geschäftsmodell der pri-
vaten Krankenversicherung (PKV) mit risikoäquivalenten Beiträgen und Rück-
stellungen für steigende Gesundheitskosten im Alter die rund 8,7 Millionen pri-
vat Versicherten nicht besser vor den Folgen steigender Behandlungskosten
schützt, als die rund 70 Millionen Versicherten der gesetzlichen Krankenversi-
cherung (GKV). Die PKV kann demnach den Herausforderungen einer alternden
Gesellschaft nicht gerecht werden und ist nicht demografiefest. Ergebnis des
Gutachtens ist zudem, dass sich im PKV-System bislang kein Wettbewerb um
bessere Versorgungsansätze entwickelt hat und demzufolge die Grundlage für
einen an den Nachfragepräferenzen orientierten und somit effizienten Wett-
bewerb fehlt. Der versicherungstechnische Fortschritt bleibt auf diese Weise
stark gehemmt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist die Veröffentlichung des Gutachtens auf den Internetseiten des IGES mit
der Bundesregierung abgesprochen, und plant die Bundesregierung diese
oder eine überarbeitete Fassung selbst zu veröffentlichen?

Wenn ja, wann ist mit einer Veröffentlichung zu rechnen, und wenn nein, wa-
rum nicht?

2. Wie bewertet die Bundesregierung die in dem Gutachten getroffene Aussage,

nach der für die PKV ein deutlich stärkerer Anstieg der Versicherungsleistun-
gen in der Krankheitsvollversicherung (PKV) um etwa 82 Prozent zu ver-
zeichnen ist, während die Leistungsausgaben im gleichen Zeitraum von 1997
bis 2008 in der GKV um nur knapp 28 Prozent gestiegen sind?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die in dem Gutachten getroffene Aussage,
nach der alle Studien für Deutschland mit Daten der PKV darauf hindeuten,

Drucksache 17/960 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dass die Gesundheitsausgaben bei Älteren schneller wachsen als bei Jünge-
ren, und kann sie Angaben darüber machen, wie sich der demografische Wan-
del auf die Ausgabenentwicklung der PKV – im Unterschied zur GKV – aus-
wirkt?

4. Wie bewertet die Bundesregierung die in dem Gutachten getroffene Feststel-
lung, nach der sich die Beiträge je Versicherten in der Krankheitsvollversiche-
rung (PKV) im Zeitraum von 1997 bis 2008 um etwa 52 Prozent erhöht haben,
während in demselben Zeitraum die Beiträge je Versicherten in der GKV nur
um etwa 30 Prozent gestiegen sind?

5. a) Wie bewertet die Bundesregierung die im Gutachten enthaltenen Angaben
über die Höhe der Ausgabenentwicklung der PKV zwischen 1995 und
2007 differenziert nach Leistungssektoren (ambulant und stationär) und
Einrichtungen (Apotheken, Krankenhäuser, Arztpraxen, Zahnarztpraxen),
die in allen Leistungsbereichen höher ausfällt, als die Ausgabenentwick-
lung im gleichen Zeitraum in der GKV?

b) Wie bewertet die Bundesregierung den im Gutachten diskutierten Ver-
gleich der Ausgabenentwicklung von PKV und GKV differenziert nach
Leistungssektoren, der bestätigt, dass die Unterschiede für den ambulanten
Bereich – bedingt unter anderem durch die sehr ausgeprägten Vergütungs-
unterschiede zwischen GKV und PKV – deutlich größer sind als für den
stationären Bereich?

6. Liegen der Bundesregierung Studien darüber vor, ob und in welcher Höhe die
Beiträge in der GKV und die Prämien in der PKV in Zukunft steigen werden,
und wenn ja, zu welchem Ergebnis kommen diese?

7. Stimmt die Bundesregierung der im Gutachten aufgestellten Hypothese eines
mangelnden Bestandswettbewerbs in der PKV zu, für die unter anderem
spricht, dass ältere Versicherte in der PKV deutlich höhere Prämien zahlen als
jüngere und dass die Prämien gerade für Bestandsversicherte starken Steige-
rungen unterliegen?

Wenn ja, auf welche Weise will die Bundesregierung den Wettbewerb in der
PKV um Bestandsversicherte verbessern?

8. a) Wie bewertet die Bundesregierung die im Gutachten beschriebene Tatsa-
che, dass private Versicherer die Erstattung von Leistungen aufgrund „un-
angemessener Preise“ oder „schlechter Qualität“ nicht verweigern können,
solange nach der Gebührenordnung der Ärzte abgerechnet wird, und plant
die Bundesregierung hier Initiativen?

b) Wie bewertet die Bundesregierung die im Gutachten aufgestellte Behaup-
tung, dass in der PKV für aus medizinischer Sicht vergleichbare Leistun-
gen aufgrund der unterschiedlichen Vergütungssysteme höhere Preise ge-
zahlt werden als in der GKV, und gibt es konkrete Überlegungen wie sich
die privatärztliche Vergütung in Zukunft entwickeln soll?

c) Teilt die Bundesregierung die im Gutachten enthaltene Kritik, dass die pri-
vaten Krankenversicherungsunternehmen keine Möglichkeit haben, Preis,
Leistungsmengen und Qualität mit den Leistungserbringern auszuhan-
deln?

Wenn ja, auf welche Weise will die Bundesregierung entsprechende Ver-
tragsbeziehungen zwischen PKV und Leistungserbringern ermöglichen?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage der Gutachter, dass die ver-
meintliche „Quersubventionierung“ der GKV durch „Überzahlungen“ der
PKV-Versicherten tatsächlich zu Ineffizienzen führt und deshalb alternative

Finanzierungslösungen zu bevorzugen sind?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/960

10. a) Kann die Bundesregierung die Beobachtung der Gutachter bestätigen,
dass private Krankenversicherungen zunehmend versuchen, den Kosten-
steigerungen durch strengere Abrechnungsprüfungen zu begegnen und
Patientinnen und Patienten ihre Auslagen nicht erstattet bekommen?

Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung diese Beobachtung?

b) Liegen der Bundesregierung Angaben zur Zahl der Rechtsstreitigkeiten
zwischen Versicherten und Versicherungsunternehmen vor?

Wenn ja, wie hat sich diese Zahl in den letzten zehn Jahren entwickelt?

11. Stimmt die Bundesregierung der Hypothese der Gutachter zu, dass die Wett-
bewerbsmängel in der PKV wesentlich auf die Segmentierung des Kranken-
versicherungsmarktes in einen gesetzlichen und privaten Teil zurückzufüh-
ren sind?

Welche Schlussfolgerungen wird die Bundesregierung daraus gegebenen-
falls ziehen?

Berlin, den 5. März 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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