BT-Drucksache 17/9029

Programm zur Unterstützung der Sicherung des Fachkräftebedarfs mit Mitteln des Aufenthaltsrechts

Vom 20. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9029
17. Wahlperiode 20. 03. 2012

Antrag
der Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig), Rüdiger Veit, Petra Ernstberger,
Iris Gleicke, Gabriele Fograscher, Wolfgang Gunkel, Michael Hartmann
(Wackernheim), Petra Hinz (Essen), Frank Hofmann (Volkach), Ute Kumpf,
Christine Lambrecht, Kirsten Lühmann, Thomas Oppermann, Aydan Özog˘uz,
Gerold Reichenbach, Dr. Dieter Wiefelspütz, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der
Fraktion der SPD

Programm zur Unterstützung der Sicherung des Fachkräftebedarfs mit Mitteln
des Aufenthaltsrechts

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutschland ist reich an Vielfalt und reich an Erfahrung im Zusammenleben von
Menschen unterschiedlicher Herkunft. Der demographische Wandel wird diese
Entwicklung fortsetzen und die Zukunft unserer Gesellschaft prägen: Wir wer-
den weniger, älter und „bunter“. Damit der Arbeitsmarkt unter diesen Bedingun-
gen zukunftsfähig bleibt, muss der Fachkräftebedarf unseres Landes gesichert
sein. Dabei spielt auch die Weiterentwicklung des Aufenthaltsrechts eine wich-
tige Rolle. Daneben bedarf es aber auch weiterer Anstrengungen zur besseren
Integration aller Menschen in unserem Land. Aus sozial-, bildungspolitischen
und auch humanen Gründen müssen wir das Aufenthaltsrecht ändern, um einer-
seits mehr qualifizierte Fachkräfte in unserem Land zu halten und andererseits
Deutschland attraktiver für die Einwanderung qualifizierter Fachkräfte zu ma-
chen. Dafür bedarf es Anstrengungen in drei Bereichen. Erstens müssen die
Chancen der hier lebenden Menschen für einen beruflichen Ein- und Aufstieg
verbessert werden, um die Integration in den Arbeitsmarkt zu verbessern und die
Erwerbsbeteiligung deutlich zu erhöhen. Zweitens brauchen wir attraktive Ar-
beitsplätze und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt einschließlich gerechter Löhne
und wirksamer Weiterqualifizierung. Drittens muss Deutschland attraktiver für
qualifizierte und hochqualifizierte Einwanderer werden. Eine Fortentwicklung
des Einwanderungsrechts darf Bemühungen in der Arbeitsmarkt- und Bildungs-
politik weder ersetzen noch zurückdrängen. Vielmehr ist sie ein Baustein neben
den eben genannten. Auch darf sie nicht zur gezielten dauerhaften Abwerbung
dringend benötigter Fachkräfte in Entwicklungsländern führen (brain drain).

Zur Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik liegen detaillierte Vorschläge vor (siehe

Papier des SPD-Präsidiums vom 6. Dezember 2010, Allianz für Fachkräfte).
Zur Einwanderungspolitik sollen die folgenden Vorschläge umgesetzt werden.

Drucksache 17/9029 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

ein aufenthaltsrechtliches Programm zur Sicherung des Fachkräftebedarfs fol-
genden Inhalts aufzulegen:

1. Erschließung von Potentialen im Inland

a) Die Bemühungen um ausländische Hochschulabsolventen werden verstärkt:

– Das Beratungsangebot für in Deutschland studierende Drittstaatsangehö-
rige wird unabhängig evaluiert. Zu klären ist, ob sie ausreichende Infor-
mationsangebote darüber erhalten, welche Aufenthalts- und Beschäfti-
gungsmöglichkeiten sie in Deutschland im Anschluss an das Studium
haben. Dabei sind insbesondere absolventenspezifische Privilegierungen
wie die einjährige Frist zur Arbeitssuche nach § 16 Absatz 4 Satz 1 des
Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) oder der vorrangprüfungslose Zugang
zum Arbeitsmarkt nach § 27 Satz 2 der Beschäftigungsverordnung
(BeschV) in den Blick zu nehmen.

– Die bislang einjährige Frist nach § 16 Absatz 4 AufenthG, innerhalb derer
ausländische Absolventen einer deutschen Hochschule sich einen Arbeits-
platz suchen können, wird auf 18 Monate verlängert.

– Die nach § 16 Absatz 4 AufenthG geforderte Angemessenheit der Beschäf-
tigung von ausländischen Hochschulabsolventen wird gesetzlich wie folgt
konkretisiert: Angemessen ist die angestrebte Tätigkeit, die unabhängig
von der Fachrichtung der Hochschulausbildung üblicherweise einen aka-
demischen Abschluss voraussetzt und bei der die mit der Hochschulausbil-
dung erworbenen Kenntnisse zumindest teilweise oder mittelbar benötigt
werden. Die weiterhin erforderliche Prüfung der Gleichwertigkeit der Ar-
beitsbedingungen bleibt hiervon unberührt.

– Die Zuverdienstmöglichkeiten für studentische Nebentätigkeiten nach
§ 16 Absatz 3 Satz 1 AufenthG werden von derzeit 90 ganzen bzw. 180
halben Tagen auf 120 ganze bzw. 240 halbe Tage ausgeweitet.

b) Die Arbeitsmarktintegration von Geduldeten wird weiter verbessert:

– Es wird eine weitergehende Bleiberechtsregelung für langjährig Gedul-
dete geschaffen. Die mit § 25a AufenthG eingeführte stichtagsunabhän-
gige Regelung wird nach dem Vorbild des Gesetzentwurfs auf Bundes-
tagsdrucksache 17/7933 ausgebaut.

– Bei Minderjährigen, die einen Schulabschluss in Deutschland gemacht
haben, soll kein Gebrauch von § 11 der Beschäftigungsverfahrensverord-
nung (BeschVerfV) gemacht werden, wenn sie eine betriebliche Ausbil-
dung aufnehmen möchten.

c) Subsidiär Schutzberechtigte mit einem Aufenthaltstitel nach § 25 Absatz 3
AufenthG erhalten mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis eine gesetz-
liche Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit.

2. Nachfrageorientierte Regelungen

Innerhalb der nachfrageorientierten Arbeitsmigration für qualifizierte Fach-
kräfte nach § 18 i. V. m. § 39 AufenthG werden folgende Schritte unternommen:

a) Um Engpässen am Arbeitsmarkt zu begegnen, werden folgende Maß-
nahmen ergriffen:

– Der Bedarf an Fachkräften wird jährlich ermittelt. Dabei sind auch die
Tarifparteien zu beteiligen und Bedarfsmeldungen der Bundesagentur für
Arbeit zu berücksichtigen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9029

– Auf Grundlage des ermittelten Bedarfs wird gegebenenfalls die Liste der
Beschäftigungen, bei denen die Bundesagentur für Arbeit der Erteilung
eines Aufenthaltstitels nach den Abschnitten 2 bis 5 BeschV zustimmen
kann, durch Verordnung gemäß § 42 Absatz 1 Nummer 2 AufenthG er-
weitert. Dieses Verfahren beinhaltet die Vorrangprüfung ebenso wie die
Prüfung gleichwertiger Arbeitsbedingungen.

– Auf Grundlage des ermittelten Bedarfs wird außerdem verstärkt Ge-
brauch von § 39 Absatz 2 Nummer 2 erste Alternative AufenthG ge-
macht. Hiernach kann die Bundesagentur für Arbeit für einzelne Berufs-
gruppen feststellen, dass die Besetzung der offenen Stellen mit auslän-
dischen Bewerbern arbeitsmarkt- und integrationspolitisch verantwortbar
ist. Für diese Berufsgruppen wird somit ein genereller Bedarf festgestellt,
so dass im Einzelfall keine Vorrangprüfung mehr erforderlich ist. Die
Prüfung gleichwertiger Arbeitsbedingungen erfolgt auch hier.

b) Jenseits der in Buchstabe a dritter Spiegelstrich genannten Mangelberufe
bleibt es beim Erfordernis der Vorrangprüfung. Sie wird aber durch einen
neuen § 39 Absatz 2 Satz 4 AufenthG ergänzt: Erfolgt die Entscheidung über
die Vorrangprüfung trotz Beachtung aller Formalien seitens des Antragstellers
nicht innerhalb von vier Wochen, gilt die Vorrangprüfung als zugunsten des
Antragstellers entschieden (Entscheidungsfiktion).

c) Es wird eine unabhängige Evaluation der bestehenden aufenthaltsrecht-
lichen Beratungsangebote für potentielle Arbeitgeber durchgeführt.

3. Umsetzung der Richtlinie 2009/50/EG (sog. Blue Card-Hochqualifizierten-
Richtlinie)

Die Richtlinie 2009/50/EG, die sog. Hochqualifizierten-Richtlinie der EU, wird
europarechtskonform und unter Beachtung eines qualifikationsangemessenen
Lohnes umgesetzt. Dafür ist unter anderem Folgendes zu berücksichtigen:

a) Für die Berechnung des Anderthalbfachen des jährlichen innerstaatlichen
durchschnittlichen Bruttoeinkommens i. S. d. Artikels 5 Absatz 2 der Richt-
linie 2009/50/EG wird auf § 1 Absatz 2 der Verordnung der Bundesregierung
über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2012 zurückge-
griffen. Das Anderthalbfache des dort für 2012 genannten Betrages von
32 446 Euro liegt bei 48 669 Euro.

b) Es wird kein Gebrauch von der Öffnungsklausel gemacht, wonach die
Mindestgehaltsschwelle nach Artikel 5 Absatz 5 der Richtlinie 2009/50/EG
für bestimmte Mangelberufe auf das 1,2-Fache des jährlichen innerstaatli-
chen durchschnittlichen Bruttoeinkommens reduziert werden kann.

4. Angebotsorientierte Regelungen

Im Rahmen eines Modellprojekts wird ein Punktesystem eingeführt. Hiernach
können Ausländer, die anhand ihrer Qualifikationen einen bestimmten Punkte-
stand erreichen, unabhängig von einem konkreten Arbeitsplatzangebot eine
Aufenthalts- und Beschäftigungserlaubnis erhalten. Es gelten folgende Maßga-
ben:

– Die Bewertungskriterien orientieren sich an dem Konzept des § 20 des
Zuwanderungsgesetzes (ZuwG) 2003 (Bundestagsdrucksache 15/420). Ins-
besondere sind als Bewertungskriterien das Alter des Antragstellers, die
schulische und berufliche Qualifikation, Berufserfahrung, der Familienstand,
die Sprachkenntnisse und Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland zu
berücksichtigen.
– Das Punktesystem wird befristet und von Beginn an fortlaufend unabhängig
evaluiert. Anschließend wird über eine Verlängerung entschieden.

Drucksache 17/9029 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– Antragsteller erhalten zunächst eine auf ein Jahr befristete Aufenthalts-
erlaubnis. Diese wird nur verlängert, wenn sie eine Beschäftigung gefunden
haben. Im Übrigen gelten die allgemeinen Regeln zur Aufenthaltsverfesti-
gung.

– Zur näheren Ausgestaltung wird eine Verordnungsermächtigung für das
Bundesministerium des Innern geschaffen. Insbesondere wird dieses zur
Einführung einer jährlichen Quote ermächtigt. So soll das Konzept mit einer
zunächst eng begrenzten, gleichwohl repräsentativen Menge an Personen
erprobt werden.

5. Evaluierung der Einwanderung Selbständiger

Die Anwendung von § 21 AufenthG wird evaluiert. Insbesondere wird geprüft,
ob das Regelbeispiel des § 21 Absatz 1 Satz 2 AufenthG, wonach die Voraus-
setzungen als in der Regel gegeben angesehen werden, wenn mindestens
250 000 Euro investiert und fünf Arbeitsplätze geschaffen werden, dazu führt,
dass Aufenthaltstitel für andere, unterhalb dieser Zahlen liegende Vorhaben
trotz erfolgversprechenden Geschäftsmodells nicht erteilt werden. Auch wird in
die Prüfung einbezogen, ob diesbezüglich die Situation ausländischer Absol-
venten deutscher Hochschulen besonders zu berücksichtigen ist.

6. Werbung um Potentiale im Ausland

Das Informationsangebot über das Studium in Deutschland und anschließende
Aufenthaltsperspektiven einschließlich spezieller Angebote für Absolventen
deutscher Auslandsschulen wird evaluiert.

7. Aufenthaltsrechtliche Rahmenbedingungen attraktiver gestalten

a) Der Kindernachzug in sonstigen Fällen nach § 32 Absatz 4 AufenthG wird
erweitert. Minderjährigen Kindern kann über die Regelfälle des Kindernach-
zugs nach § 32 Absatz 1 und 2 AufenthG hinaus der Nachzug gestattet wer-
den, wenn der Elternteil, zu dem sie nachziehen, einen Aufenthaltstitel nach
Abschnitt 4 AufenthG – Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit – hat.

b) Das Erfordernis des Spracherwerbs vor Einreise beim Ehegattennachzug
nach § 30 Absatz 1 Nummer 2 AufenthG wird abgeschafft.

c) In Deutschland lebende Ausländer sollen ihre Aufenthaltserlaubnis ins-
besondere in zwei Konstellationen nicht nach § 51 Absatz 1 Nummer 7 erste
Alternative AufenthG wegen einer länger als sechs Monate dauernden Ab-
wesenheit verlieren:

– Sie sollen die Aufenthaltserlaubnis nicht verlieren, wenn sie zur Pflege
von Verwandten vorübergehend, aber länger als sechs Monate das Land
verlassen.

– Sie sollen die Aufenthaltserlaubnis auch nicht verlieren, wenn sie im
Rahmen einer vorübergehenden, entwicklungspolitisch sinnvollen Tätig-
keit in das Herkunftsland bzw. die -region wandern, um beispielsweise
am Aufbau von Betrieben oder an der Schaffung von Arbeits- und Aus-
bildungsplätzen mitzuwirken.

Um eine dementsprechenden Anwendung von § 51 Absatz 1 Nummer 7 zweite
Alternative AufenthG, der auf die Möglichkeit der Einräumung einer längeren
Frist durch die Ausländerbehörde verweist, sicherzustellen, sind entsprechende
Hinweise in die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz auf-
zunehmen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9029

8. Initiative „Bei uns sind Sie gut aufgehoben“

Es wird ein länderübergreifender Austausch über Best-Practice-Beispiele für
integrationsfreundlichere, offensiv um qualifizierte Einwanderer werbende
Ausländerbehörden organisiert.

9. Registrierung und statistische Erfassung von Entsendetatbeständen

In Bezug auf entsandte Arbeitnehmer wird im Bereich der Kontrolle und Regis-
trierung dafür gesorgt, dass

– eine Registrierung von Entsendungen bei der Sozialversicherung zur Pflicht
wird. Diese Meldung muss vor Aufnahme der Tätigkeit stattfinden und muss
für alle Branchen verpflichtend sein und

– eine statistische Erfassung von Entsendetatbeständen geschaffen wird.

10. Zirkuläre Migration

Die Bundesregierung legt einen Bericht zu den bisherigen Erfahrungen mit
Pilotprojekten zur temporären Arbeitsmigration mit Indonesien, Vietnam,
Albanien und Bosnien und Herzegowina vor. Sie zieht zur Bewertung den inter-
fraktionellen Beschluss des Deutschen Bundestages „Diaspora – Potenziale von
Migrantinnen und Migranten für die Entwicklung der Herkunftsländer nutzen“
(Bundestagsdrucksachen 16/4164 sowie 16/5119) heran und berücksichtigt ins-
besondere, dass der Gewinn für beide Partnerländer (brain gain) ein wesent-
liches Ziel sein muss.

Berlin, den 20. März 2012

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

Begründung

Zu Nummer 1

Zu Buchstabe a

Insgesamt

Die Anzahl ausländischer Absolventen hat sich seit den späten 90er-Jahren
mehr als verdreifacht (Bundesministerium des Innern, Bundesamt für Migra-
tion und Flüchtlinge, Migrationsbericht 2010, S. 66).

2010 haben 35 472 ausländische Studenten ihr Studium in Deutschland abge-
schlossen (a. a. O., S. 67). Die hohe Qualität der Lehre bei gleichzeitig niedrigen
Studiengebühren macht den Studienstandort Deutschland beliebt.

Die Bedingungen für ausländische Absolventen deutscher Hochschulen wurden
in den letzten Jahren verbessert. Diese haben zum einen nach Abschluss ihres
Studiums gemäß § 27 Satz 2 BeschV ohne Vorrangprüfung Zugang zum Ar-
beitsmarkt. Zum anderen können sie nach § 16 Absatz 4 AufenthG eine bislang
auf ein Jahr befristete Aufenthaltserlaubnis zur Suche eines ihrer Qualifikation
angemessenen Arbeitsplatzes erhalten. Diese Entwicklung gilt es fortzuschrei-
ben, um hier ausgebildete Fachkräfte zum Bleiben zu motivieren. Derzeit blei-
ben nach Abschluss des Studiums rund 26 Prozent aller Absolventen (OECD,
International Migration Outlook 2011 SOPEMI, OECD Publishing 2011, S. 67).

Diese Zahl gilt es zu erhöhen.

Drucksache 17/9029 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Erster Spiegelstrich

Unklar ist, ob drittstaatsangehörige Studenten ausreichende Beratungsangebote
über ihren möglichen weiteren Aufenthalt in Deutschland haben. Befragungen
weisen darauf hin, dass hier ein erhebliches Maß an Unsicherheit herrscht. So
gaben 2010 72 Prozent der drittstaatsangehörigen Studenten an, dass sie Infor-
mationen zum Aufenthaltsrecht nach dem Studium für sehr wichtig hielten
(Bundesministerium für Bildung und Forschung, Internationalisierung des Stu-
diums – Ausländische Studierende in Deutschland – Deutsche Studierende im
Ausland, Ergebnisse der 19. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks
durchgeführt durch HIS Hochschul-Informations-System, Berlin 2010, S. 54).
Zufrieden oder sehr zufrieden mit den entsprechenden Angeboten waren aber
nur 17 Prozent (a. a. O., S. 55).

Ausländische Studierende werden zu Beginn und während ihres Aufenthaltes
von den Studentenwerken betreut. Diese bieten ein umfassendes Angebot durch
Wohnheimtutoren, Beratung zu Alltagsangelegenheiten wie Unterkunft, Ver-
pflegung, Semestergebühren und Versicherungsfragen, besondere Begrüßungs-
veranstaltungen, Kontakt- und Patenprogramme, finanzielle Unterstützung in
Not- oder Examensphasen sowie Infopoints mit speziellem Informations- und
Veranstaltungsangebot an. Dies sichert die Integration der Betroffenen, ist aber
insbesondere auf die Studienphase selbst ausgerichtet. Spezielle Programme,
die auf das Ziel der an das Studium anschließenden Beschäftigung in Deutsch-
land gerichtet sind, gibt es nicht oder nur vereinzelt.

Auch die Akademischen Auslandsämter bieten Projekte zur Integration in den
Arbeitsmarkt an, welche sich aber grundsätzlich an alle Studierenden wenden
statt speziell an Drittstaatsangehörige. Das Gleiche galt lange auch für die
Career Services der Hochschulen. Vereinzelte Hochschulen bieten jedoch spe-
zielle Programme zum Berufseinstieg für ausländische Studenten an. Insgesamt
ist zu evaluieren, ob innerhalb der bestehenden Angebote auf die Informations-
bedürfnisse ausländischer Studenten ausreichend eingegangen wird oder ob es
weiterer, eigenständiger Programme bedarf.

Zweiter Spiegelstrich

Für die Absolventen muss das Bleiben ermöglicht und attraktiv gestaltet wer-
den. Dazu gehört auch eine Verlängerung der Zeit, während derer sie einen
Arbeitsplatz suchen können. Das gilt insbesondere, um konjunkturelle Schwan-
kungen auffangen zu können. Hier gilt es, die erfolgreiche Suche nach einem
Arbeitsplatz auch bei Schwächephasen – wie etwa während des Konjunkturein-
bruchs 2008/2009 – realistisch zu ermöglichen.

Dritter Spiegelstrich

In der Praxis kommt es vielfach zu Auseinandersetzungen wegen unterschied-
licher Auslegungen des Begriffes „angemessen“. Dieser sollte jedoch groß-
zügig gehandhabt werden. Nur so kann die Abwanderung hoch qualifizierter,
hier ausgebildeter Akademiker in andere Industrieländer vermieden werden.

Der Formulierungsvorschlag folgt dem des Freistaates Sachsen auf Bundesrats-
drucksache 185/11 in Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb, der
auch von der Hamburger Bürgerschaft übernommen worden ist (HambB 20/1811).
Zur Begründung heißt es in Bundesratsdrucksache 185/11, S. 10 zutreffend: „Die
Entwicklungen in der Arbeitswelt zeigen, dass Arbeitsstellenausschreibungen
nicht mehr überall klassischen Berufsbildern entsprechen. Häufig werden fach-
übergreifende Experten gesucht. Der Begriff des ,angemessenen Arbeitsplatzes‘
ist daher weit zu verstehen und richtet sich nach den im Einzelfall bestehenden

Besonderheiten. Die Änderung nimmt eine Konkretisierung des Begriffes ,ange-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/9029

messen‘ vor und eröffnet mehr Flexibilität. Ziel der Hochschulausbildung sind
nicht nur fachliche Spezialkenntnisse, sondern vor allem auch wissenschaftliche
Methodik, die fächerübergreifende grundlegende Befähigung ist. Beispielsweise
sind Theologen oder Physiker auch gesuchte Qualifikationen in Unternehmens-
beratungen. Die Gefahr des Missbrauchs ist als gering einzuschätzen, da zu-
nächst für den Aufenthaltstitel nach § 16 Absatz 4 ein erfolgreich abgeschlosse-
nes Studium erforderlich ist und der Aufenthaltstitel ohnehin auf ein Jahr befris-
tet ist. Ferner liegt die Arbeitslosigkeit bei Akademikern derzeit bei unter 3 %.“

Vierter Spiegelstrich

In der Praxis wird vielfach beklagt, dass die Zuverdienstmöglichkeiten nicht
ausreichten. Das muss geändert werden, damit ausländische Studenten ihr Stu-
dium ausreichend finanzieren können. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass
§ 16 Absatz 3 Satz 1 AufenthG verhindern soll, dass der Aufenthalt zum Stu-
dium faktisch zu einem Aufenthalt zu Erwerbszwecken umgewidmet wird,
womit die diesbezüglichen Kontrollmöglichkeiten in Bezug auf Zugang und
Arbeitsbedingungen umgangen würden. Die Neuregelung greift beide Aspekte
auf, indem sie die Stundenzahl ausweitet, sich dabei aber immer noch eindeutig
im Rahmen einer Teilzeittätigkeit bewegt.

Zu Buchstabe b

Erster Spiegelstrich

Trotz verschiedener Bleiberechtsregelungen lebten am 30. Juni 2011 nach wie
vor 87 312 Ausländer geduldet in Deutschland, davon 51 224 länger als sechs
Jahre (Bundestagsdrucksache 17/6816, S. 6). Hier gilt es, die im Inland vor-
handenen Potentiale zu nutzen und den Betroffenen eine Perspektive für eine
gesellschaftliche Integration zu geben. Für Einzelheiten wird auf Bundestags-
drucksache 17/7933 verwiesen.

Zweiter Spiegelstrich

Nach § 11 BeschVerfV darf geduldeten Ausländern die Ausübung einer Be-
schäftigung nicht erlaubt werden, wenn sie sich in das Inland begeben haben,
um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, oder wenn
bei diesen Ausländern aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeen-
dende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Zu vertreten hat ein Aus-
länder die Gründe hiernach insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis
durch Täuschung über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit oder durch
falsche Angaben herbeiführt.

§ 11 BeschVerfV wird in der Praxis häufig angewandt. Er ist ein wichtiges Mit-
tel, um Missbrauch zu bekämpfen. Gerade bei Minderjährigen stellt sich jedoch
oft das Problem, dass er restriktiv angewandt wird oder Handlungen der Eltern
dem Minderjährigen angelastet werden. Gerade Minderjährigen werden jedoch
langfristig Perspektiven verbaut, wenn sie keinerlei Zugang zu Ausbildung
haben. Das ist für die Betroffenen ein langfristiges Problem. Es ist jedoch auch
für die Aufnahmegesellschaft ein langfristiges Integrationsproblem, wenn sich
herausstellt, dass der Betroffene dauerhaft nicht wird ausreisen können.

Für Ausnahmefälle wird den Behörden durch die Soll-Formulierung ein Spiel-
raum belassen.

Zu Buchstabe c

Es handelt sich um eine überfällige Anpassung an Artikel 26 Absatz 1 der Richt-

linie 2011/95/EU (zuvor Artikel 26 Absatz 3 der Richtlinie 2004/83/EG, sog.

Drucksache 17/9029 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Qualifikationsrichtlinie). Nach derzeitiger innerstaatlicher Rechtslage kann sub-
sidiär Schutzberechtigten im Ermessenswege nach § 39 Absatz 3 AufenthG eine
Arbeitserlaubnis erteilt werden. Europarechtlich gebietet Artikel 26 Absatz 3
der Richtlinie 2004/83/EG jedoch die zwingende Erteilung einer Arbeitserlaub-
nis.

Zu Nummer 2

Zu Buchstabe a

Erster Spiegelstrich

Für die Ermittlung des Fachkräftebedarfs kann auf das Arbeitskräfte-Monito-
ring zurückgegriffen werden, wie es vom Bundesministerium des Innern und
vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rahmen des Aktionspro-
gramms der Bundesregierung zur Sicherung des Fachkräftebedarfs in der
16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages vorgeschlagen wurde.

Zweiter Spiegelstrich

Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Beschäftigung kann nach gelten-
dem Recht nur erteilt werden, wenn es sich um eine Beschäftigung handelt, die
in der BeschV als zustimmungsfähig aufgeführt ist. Jenseits von einzelnen Be-
rufsgruppen ist schon jetzt die Beschäftigung von Akademikern unabhängig
von der Fachrichtung gemäß § 27 BeschV zustimmungsfähig. Folglich ist eine
gegebenenfalls erforderliche Erweiterung der zustimmungsfähigen Berufe ins-
besondere in Bezug auf nichtakademische Fachkräfte – etwa im Pflege- und
Gesundheitsbereich – zu prüfen.

Dritter Spiegelstrich

Wo ein starker Bedarf an bestimmten Berufsgruppen besteht, sind Antragsteller
dieser Fachrichtungen von der individuell durchzuführenden Vorrangprüfung
zu befreien. So kann schnell und flexibel auf Engpässe am Arbeitsmarkt rea-
giert werden.

Zu Buchstabe b

Die durchschnittliche Dauer der Vorrangprüfung wird nicht statistisch erfasst.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) geht jedoch von einer Bearbeitungszeit von
durchschnittlich einer bis vier Wochen aus (Bundestagsdrucksache 17/4444,
S. 3). Arbeitgeber berichten dennoch, dass es bisweilen zu Verzögerungen
kommt. Ist dies der Fall, kann der Arbeitgeber die Stelle nicht besetzen. Der
Arbeitnehmer kann nicht planen und nimmt möglicherweise eine andere Stelle
an.

Die Vorrangprüfung als solche ist als Kontrollinstrument sinnvoll. Sie darf aber
kein übermäßiges Hindernis für Arbeitgeber und -nehmer werden. Die nun-
mehr eingeführte Frist von vier Wochen orientiert sich am oberen Ende dessen,
was die BA als geschätzte durchschnittliche Bearbeitungszeit angibt. Die Frist
setzt die Arbeitsverwaltung also nicht über Gebühr unter Druck. Sie verhindert
lediglich zeitliche Ausreißer nach oben.

Zu Buchstabe c

Bereits jetzt gibt es verschiedene Beratungsangebote im In- und Ausland. Die
Bundesagentur für Arbeit bietet Onlineinformationen an und unterhält die
Zentrale Auslands- und Fachvermittlung, die Arbeitgeber und -nehmer in auf-

enthaltsrechtlichen Fragen berät.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/9029

Auch Institutionen wie die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskam-
mern oder die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände halten Informa-
tionsmaterial oder individuelle Beratungsangebote vor.

In Hamburg bietet das von der Stadt unterhaltene Welcome Center ebenfalls
eine aufenthaltsrechtliche Beratung für Personalabteilungen an. Auch gibt es
Kooperationen wie den Business Immigration Service in Berlin, wo die Indus-
trie- und Handelskammer eine gemeinsame Beratung mit der Ausländerbe-
hörde anbietet.

Bislang gibt es aber keine umfassenden Erkenntnisse darüber, ob solche Ange-
bote flächendeckend vorhanden sind und ob sie alle potentiellen Adressaten er-
reichen. Gerade kleinere Unternehmen ohne Rechtsabteilung sind angesichts
des komplizierten Arbeitsmigrationsrechtes auf effektive Beratungsstrukturen
angewiesen. Das gilt umso mehr, als Arbeitgeberverbände berichten, dass
manch kleinere Betriebe die Rekrutierung ausländischer Fachkräfte mangels
rechtlichen Wissens bislang gar nicht in Betracht ziehen. Durch ein breiteres,
auch regional verfügbares Beratungsangebot könnten sie künftig hierzu ermun-
tert werden. Deshalb soll mit der Evaluation geprüft werden, ob diesbezüglich
Verbesserungsbedarf besteht.

Zu Nummer 3

Die Bundesregierung hat im Dezember 2011 einen Gesetzentwurf vorgelegt,
der unter anderem der Umsetzung der genannten Richtlinie dient (Bundesrats-
drucksache 848/11).

Zu Buchstabe a

Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie 2009/50/EG fordert ein Mindestgehalt von
mindestens dem Anderthalbfachen des durchschnittlichen Bruttojahresgehalts
in dem betreffenden Mitgliedstaat.

Das durchschnittliche Jahresgehalt beträgt für das Jahr 2012, wenn man das
vorläufige Durchschnittsentgelt für 2012 nach § 1 Absatz 2 der Verordnung der
Bundesregierung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für
2012 zugrunde legt, 32 446 Euro. Das Anderthalbfache hiervon liegt bei 48 669
Euro.

In dem neuen § 41a Absatz 1 BeschV des oben genannten Gesetzentwurfs der
Bundesregierung wird das Mindestgehalt hingegen festgesetzt mit zwei Dritteln
der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung.
Das seien, so die Begründung (Bundesratsdrucksache 848/11, S. 34), 44 000
Euro.

Die Beitragsbemessungsgrenze liegt nach § 3 der genannten Verordnung bei
67 200 Euro. Zwei Drittel hiervon sind 44 800 Euro. Damit ist nicht nur der in
der Begründung angegebene Wert falsch. Vielmehr liegt auch der in § 41a Ab-
satz 1 BeschV abstrakt angegebene Wert, also die Bezugsgröße von 3 869 Euro,
unter dem europarechtlich gebotenen Mindestgehalt. Die von der Bundesregie-
rung vorgesehene Umsetzung ist europarechtswidrig.

Zu Buchstabe b

Artikel 5 Absatz 5 der Richtlinie 2009/50/EU erlaubt eine Abweichung für
Mangelberufe nach unten. Die Gehaltsschwelle darf bei diesen bei dem 1,2-Fa-
chen des durchschnittlichen Jahresbruttogehalts liegen.

Die Gehaltsgrenze für Mangelberufe soll nicht genutzt werden. Sie ist politisch

kritikwürdig: Artikel 5 Absatz 5 der Richtlinie 2009/50/EU erlaubt die Abwei-
chung nach unten. Er verpflichtet aber nicht dazu. Die maximale Abweichung

Drucksache 17/9029 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nach unten – zumal hier der europarechtlich erlaubte Betrag noch unterschrit-
ten wird – birgt die Gefahr des Lohndumpings in den hochqualifizierten Be-
rufsgruppen der Naturwissenschaftler, Mathematiker und Ingenieure.

Das 1,2-Fache des in § 1 Absatz 2 der Verordnung der Bundesregierung über
maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2012 angegebenen
Durchschnittsgehalts von 32 446 Euro beträgt 38 935 Euro. Nimmt man etwa
die Entgeltstufe 13 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst als Bezugs-
gruppe für Akademiker, so liegt hier schon das Einstiegsgehalt eines Berufsein-
steigers in der Entgeltstufe 1 bei 39 174 Euro über der genannten Größe.

Es besteht kein Bedarf, bei Mangelberufen die Höhe des Gehalts nach unten zu
drücken. Vielmehr kann auf einen Mangel mit einem generellen Aussetzen der
Vorrangprüfung in Mangelberufen reagiert werden (s. hierzu Abschnitt II Num-
mer 1 Buchstabe a dritter Spiegelstrich).

Im Übrigen sei darauf verwiesen, dass die Bundesregierung auch hier in § 41a
Absatz 2 BeschV eine fehlerhafte Bezugsgröße zugrunde legt.

Zu Nummer 4

Das Punktesystem war bereits im ursprünglichen Entwurf des Zuwanderungs-
gesetzes 2003 vorgesehen (Bundestagsdrucksache 15/420, § 20). Es soll das
traditionell nachfrageorientierte deutsche Arbeitsmigrationsrecht um ein ange-
bots- bzw. potentialorientiertes Element ergänzen.

Bislang gibt es in Deutschland keine Erfahrungen mit diesem Ansatz. Insbeson-
dere wird zu erproben sein, inwiefern es sich bei den Strukturen des deutschen
Arbeitsmarktes bewährt. So wird etwa zu klären sein, welche Erfahrungen aus
anderen Ländern angesichts unterschiedlicher arbeitsrechtlicher Regelungen
und daraus resultierender unterschiedlicher Flexibilität übertragbar sind. Inso-
fern kann das Punktesystem Potential entfalten, sollte zunächst aber erprobt
werden. So wird auch ausreichende Akzeptanz für das Konzept geschaffen.
Deshalb erhält es vorläufig Modellcharakter durch eine Befristung samt Eva-
luation, zunächst enge Quotierung und eine konditional befristete Aufenthalts-
erlaubnis.

Die Quotierung kann im Übrigen länderspezifisch ausgestaltet werden. Sofern
Hochqualifizierte aus Entwicklungs- und Schwellenländern einwandern, gilt es
Brain-drain-Effekte zu vermeiden.

Zu Nummer 5

§ 21 Absatz 1 Satz 1 AufenthG formuliert als Voraussetzung für die Erteilung
eines Aufenthaltstitels an Selbständige, dass ein übergeordnetes wirtschaftliches
Interesse oder ein besonderes regionales Bedürfnis bestehen muss, die Tätigkeit
positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten lassen muss und die Finan-
zierung der Umsetzung durch Eigenkapital oder durch eine Kreditzusage ge-
sichert sein muss. „Im Übrigen richtet sich die Beurteilung der Voraussetzungen
nach Satz 1 insbesondere nach der Tragfähigkeit der zu Grunde liegenden Ge-
schäftsidee, den unternehmerischen Erfahrungen des Ausländers, der Höhe des
Kapitaleinsatzes, den Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Ausbildungs-
situation und dem Beitrag für Innovation und Forschung.“

Satz 2 formuliert zu den in Satz 1 genannten Voraussetzungen ein Regelbei-
spiel. Die Voraussetzungen sind danach in der Regel gegeben, wenn mindestens
250 000 Euro investiert und fünf Arbeitsplätze geschaffen werden.

Aus der Praxis wird vielfach berichtet, dass das Regelbeispiel zur faktischen

Tatbestandsvoraussetzung wird. Eine eigenständige Prüfung der Tatbestands-
voraussetzungen finde, so berichten Rechtsanwälte, oftmals nicht statt, wenn

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/9029

das Mindestinvestitionsvolumen und die Mindestanzahl zu schaffender Stellen
unterschritten würden.

Zu Nummer 6

Auch im Ausland gibt es bereits jetzt Informationsangebote, etwa durch den
Deutschen Akademischen Auslandsdienst. Auch hier fehlt jedoch bislang eine
systematische Übersicht über bestehende Angebote und ihre Effektivität.

Neben der generellen Werbung um ausländische Studierende ist auch zu eva-
luieren, ob es spezielle Informationsangebote für Absolventen deutscher Aus-
landsschulen gibt. Sie sind beim Zugang zum Arbeitsmarkt privilegiert: Nach
§ 27 Satz 1 Nummer 4 i. V. m. Satz 2 BeschV kann ihrer Beschäftigung ohne
Vorrangprüfung zugestimmt werden. Eine qualifizierte betriebliche Ausbildung
können sie gemäß § 2 Absatz 1 BeschV ohne Zustimmung aufnehmen. Gerade
diese Zielgruppe sollte deshalb gesondert angesprochen werden.

Zu Nummer 7

Zu Buchstabe a

Die Regelung soll insbesondere die Einwanderung alleinerziehender, aber nicht
allein sorgeberechtigter Fachkräfte ermöglichen. Diese ist bislang verbaut: Der
Nachzug von Kindern setzt in den Regelfällen des § 32 Absatz 1 oder 2
AufenthG voraus, dass beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte
Elternteil in Deutschland leben. Eine Ausnahme besteht nach § 32 Absatz 4
AufenthG für besondere Härten.

Die besondere Härte wird eng ausgelegt. Sie kann „in Betracht kommen, wenn
eine familiäre Situation vorliegt, in der nach deutschem Kindschaftsrecht eine
Personensorgerechtsübertragung möglich wäre […], jedoch die Herbeiführung
eines alleinigen Personensorgerechts des im Bundesgebiet ansässigen Eltern-
teils entsprechend dem nach § 1626 BGB vorgesehenen Rechteumfang nach
der Rechtsordnung oder der Rechtspraxis im Heimatstaat nicht vorgesehen
bzw. aussichtslos ist.“ (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthalts-
gesetz, Bundesratsdrucksache 669/09, Nummer 32.0.4).

Bei der Arbeitsmigration kann es Fälle geben, in denen der Zuzug des Eltern-
teils wünschenswert, der Kindernachzug aber nach geltendem Recht nicht mög-
lich ist. Ein Beispiel wäre ein alleinerziehender Elternteil, der sich das Sorge-
recht mit seinem ehemaligen Partner teilt. Es ist denkbar, dass dieser Elternteil
nach Deutschland einwandern möchte, um eine Beschäftigung anzunehmen
und die Eltern sich einig sind, dass das Kind weiter bei diesem Elternteil leben
soll. Eine Härte im eben genannten Sinne liegt nicht vor. Hier kann die fehlende
Möglichkeit des Kindernachzugs den migrationswilligen Elternteil vom Schritt
nach Deutschland abhalten. Um auf solche Fälle angemessen reagieren zu kön-
nen, ist eine Ermessensnorm zu schaffen.

Zu Buchstabe b

Das Spracherfordernis vor Einreise beim Ehegattennachzug begegnet Kritik
unter verschiedenen Gesichtspunkten. Auch für den Nachzug qualifizierter
Fachkräfte kann es eine Hürde darstellen. Zwar sind nachziehende Ehegatten
gemäß § 30 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 AufenthG vom Nachweis einfacher
Deutschkenntnisse befreit, sofern der Ehegatte, zu dem sie nachziehen, eine
Aufenthaltserlaubnis als Hochqualifizierter nach § 19, als Forscher nach § 20
oder als Selbständiger nach § 21 AufenthG hat.

Inhaber der eben genannten Aufenthaltstitel machen aber die Minderheit aus.

2010 erhielten 219 Personen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19, 54 eine nach

Drucksache 17/9029 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

§ 20 und 711 eine nach § 21 AufenthG (Bundesministerium des Innern, Bun-
desamt für Migration und Flüchtlinge, Migrationsbericht 2010, S. 98, 101,
100).

Die Mehrheit ausländischer Fachkräfte, gerade im akademischen Bereich, erhält
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Absatz 4 AufenthG. Auf dieser Grundlage
erhielten im Jahr 2010 17 142 Fachkräfte, also Akademiker oder solche mit
einer qualifizierten Berufsausbildung, eine Aufenthaltserlaubnis (a. a. O.,
S. 79). Für deren Ehegatten kann das Spracherfordernis eine Hürde sein. Bei
ihnen wird gemäß § 30 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 AufenthG nur vom Nachweis
einfacher Deutschkenntnisse abgesehen, wenn sie erkennbar geringen Integra-
tionsbedarf nach § 4 Absatz 2 der Integrationskursverordnung (IntV) haben – ins-
besondere also, wenn sie selbst Akademiker sind – oder aus anderen Gründen
keinen Anspruch nach § 44 AufenthG auf einen Sprachkurs haben. Sofern die
Ehegatten nicht unter die Ausnahme fallen, müssen sie vor ihrer Einreise ein-
fache Sprachkenntnisse nachweisen. Das kann qualifizierte Arbeitskräfte, die
schnell und unkompliziert mit ihren Ehegatten einwandern wollen, abschrecken.

Es wird allerdings daran festgehalten, dass nachziehende Ehegatten aus Dritt-
staaten Deutsch können oder, wo dies nicht der Fall ist, Deutsch lernen müssen.
Die Verpflichtung zum Deutsch Lernen soll allerdings erst in Deutschland be-
stehen, also nach der Einreise. Das ist für die eheliche Lebensgemeinschaft we-
niger belastend.

Zu Buchstabe c

Erster Spiegelstrich

Bisweilen wünschen junge Ausländer, Deutschland vorübergehend zu verlas-
sen, um Angehörige im Ausland zu pflegen. In diesen Fällen sollte ihnen die
Rückkehr weder verbaut noch verkompliziert werden. Dies ist aufgrund der in
§ 51 Absatz 1 Nummer 7 zweite Alternative AufenthG enthaltenen Möglichkeit
einer längeren Fristsetzung möglich. Um eine entsprechende Anwendung si-
cherzustellen, erfolgt jedoch ein Hinweis in der Allgemeinen Verwaltungsvor-
schrift zum Aufenthaltsgesetz.

Zweiter Spiegelstrich

Häufig zeigt sich, dass Investitionsprojekte von Migranten aufgrund der Kennt-
nisse des Herkunftslandes auf solideren Beinen stehen als die von ausländi-
schen Investoren. Durch die neuen Kommunikationsmittel ist Wissenstransfer
nicht mehr nur an die dauerhafte Rückkehr von Fachkräften in ihre Herkunfts-
länder gebunden. Bedeutsamer ist die Mobilität in beide Richtungen bzw. die
globale Mobilität. Wirtschaftliches Handeln von in Deutschland lebenden und
arbeitenden Migranten in ihren Herkunftsländern ist wirtschafts- und entwick-
lungspolitisch erwünscht. Die Rückkehr nach Deutschland darf in diesen Fällen
deshalb auch nach sechs Monaten nicht verwehrt werden. Maßgebend sollte
vielmehr der für die erfolgreiche wirtschaftliche Tätigkeit notwendige Zeitraum
sein. Auch dies ist aufgrund der in § 51 Absatz 1 Nummer 7 zweite Alternative
AufenthG enthaltenen Möglichkeit einer längeren Fristsetzung möglich. Um
eine entsprechende Anwendung sicherzustellen, erfolgt auch hier ein Hinweis
in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz.

Zu Nummer 8

In vielen Landkreisen und Städten gibt es Ausländerbehörden, die nach einem
modernen Leitbild umstrukturiert wurden. Statt verwaltungsrechtlicher Gefah-

renabwehr steht der Integrationsgedanke im Vordergrund.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/9029

Die Schaffung eines offenen, willkommen heißenden Klimas spielt gerade für
qualifizierte Einwanderer eine wichtige Rolle. Der Besuch der Ausländerbehörde
gehört zu den ersten Kontakten mit Vertretern des neuen Aufenthaltsstaates. Hier
gilt es, diejenigen, die umworben werden sollen, nicht abzuschrecken.

Der Bund hat für die Ausgestaltung des Behördenverfahrens keine Kompetenz.
Da allerdings Bundesrecht vollzogen wird, hat er zumindest ein Interesse an der
Ausgestaltung des Behördenvollzugs. Deshalb liegt es nahe, hier einen länder-
übergreifenden inhaltlichen Austausch zu organisieren.

Zu Nummer 9

Derzeit gibt es keine Erfassung von Entsendetatbeständen außerhalb des An-
wendungsbereichs des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Eine Möglichkeit dazu
ist eine gewerberechtliche Erfassung bei grenzüberschreitenden Dienstleistun-
gen.

Zu Nummer 10

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und die Bun-
desagentur für Arbeit führen derzeit Pilotprojekte zur temporären Arbeits-
migration in Zusammenarbeit mit den Staaten Indonesien, Vietnam, Albanien
und Bosnien und Herzegowina durch.

Das Konzept der temporären oder zirkulären Migration hat durchaus Potential:
Es kann dem Wunsch vieler Migranten nach vorübergehender Arbeitsmigration
begegnen, es birgt entwicklungspolitische Chancen für die Herkunftsstaaten
und es kann die beschäftigungspolitischen Bedürfnisse des Aufnahmestaates
aufgreifen. Zugleich wird es aber auch kritisiert, etwa weil befürchtet wird,
dass man die Fehler der so genannten Gastarbeiteranwerbung wiederholen
könnte und neben ökomomischen Aspekten solche der Integration zu kurz
kommen könnten. Für die weitere Debatte ist zunächst eine Klärung wün-
schenswert, nach welchem Konzept und mit welchen Zwischenergebnissen die
oben genannten Projekte durchgeführt werden und welche Erfahrungen aus der
Praxis bislang vorliegen. Deshalb sollen sie evaluiert werden. Dabei soll die
Evaluation auch aufgreifen, inwiefern und mit welchen aufenthalts- und sozial-
politischen Zielen derartige Projekte nicht nur Bestandteil eines entwicklungs-,
sondern auch eines einwanderungsrechtlichen Gesamtkonzepts sein können.

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