BT-Drucksache 17/8830

zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Diana Golze, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 17/4842 - Geschlechtergerechte Besetzung von Führungspositionen der Wirtschaft

Vom 1. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8830
17. Wahlperiode 01. 03. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Diana Golze, Agnes Alpers,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/4842 –

Geschlechtergerechte Besetzung von Führungspositionen der Wirtschaft

A. Problem

Die Antragsteller kritisieren, dass die fehlende paritätische Besetzung von Vor-
ständen und Aufsichtsräten der Privatwirtschaft durch Frauen und Männer dem
Gleichstellungsauftrag des Grundgesetzes (GG) widerspreche. Sowohl Artikel 3
GG als auch europäische Richtlinien verpflichteten die Bundesregierung zu ver-
bindlichen Festlegungen für die Besetzung von Führungspositionen durch
Frauen und Männer. Keine Bundesregierung sei bisher dieser Aufgabe nachge-
kommen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung e. V. habe ermittelt,
dass weniger als 1 Prozent der Vorstandsposten in den 100 größten deutschen
Unternehmen und nur 10 Prozent der Posten in Aufsichtsratsgremien weiblich
besetzt seien. Drei Viertel dieser Frauen gehörten dem Aufsichtsrat auf der
Arbeitnehmerseite an; ohne sie wäre Deutschland im europäischen Vergleich
gemeinsam mit Spanien und Italien absolutes Schlusslicht. Der bundesweite
Frauenanteil im Management von 17,37 Prozent sei eine gleichstellungspolitisch
und gesellschaftlich fragwürdige Verschwendung des Wissens der Mehrheit der
Bevölkerung, da in der Bundesrepublik Deutschland Frauen fast die Hälfte aller
Hochschulabsolventinnen und -absolventen stellten und dies mit deutlich besse-
ren Abschlüssen als Männer.

Die Erfahrungen des öffentlichen Dienstes wie auch solche anderer euro-
päischer Staaten wie Norwegen, Frankreich, Spanien und den Niederlanden
zeigten, dass gesetzgeberische Vorgaben, insbesondere Quoten, einen wesent-
lichen Impuls zur Herstellung der Geschlechtergerechtigkeit geben könnten.
Die Bundesregierung setze demgegenüber weiterhin auf eine freiwillige Selbst-
verpflichtung der Wirtschaft, die jedoch keine substantielle Wirkung erziele.
Zur Lösung des Problems sei eine Quotierung der Führungspositionen als allei-
nige Veränderung unzureichend. Der Führungskräftemonitor des Deutschen In-
stituts für Wirtschaftsforschung e. V. 2010 beklage, dass Frauen, wenn sie es in
die entsprechenden Positionen geschafft hätten, einen geringeren Verdienst und
auch weniger Sondervergütungen als ihre männlichen Kollegen erhielten. Der
Gender Pay Gap liege für Führungspositionen bei 28 Prozent und Deutschland
damit auf dem drittletzten Rang unter den EU-Staaten.

Drucksache 17/8830 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Antragsteller fordern die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zur
geschlechtergerechten Besetzung von Führungspositionen der Wirtschaft vor-
zulegen und schlagen detaillierte Regelungen vor. Neben grundsätzlichen Fest-
legungen zum Geltungsbereich des Gesetzes sind deren wesentliche Inhalte:

Das Ziel der geschlechtergerechten Besetzung aller Führungspositionen der
Unternehmen mit Frauen und Männern sei innerhalb einer Zeitspanne von zehn
Jahren zu erreichen, wobei innerhalb der ersten fünf Jahre in Vorständen und
Aufsichtsräten ein Anteil von mindestens einem Drittel Männer und einem
Drittel Frauen erreicht werden müsse. Ab dem zehnten Jahr nach Inkrafttreten
des Gesetzes würden die Unternehmen verpflichtet, einen Anteil von mindes-
tens 50 Prozent Frauen in allen Führungspositionen nachzuweisen, wobei diese
Quoten sowohl für die Arbeitgeber- als auch für die Beschäftigtenseite gelten
sollen. Um die personellen Voraussetzungen für eine fachlich fundierte Aus-
wahl von Frauen und Männern für Führungspositionen zu verbessern, seien die
Unternehmen zu verpflichten, ein Qualifizierungskonzept für Führungspositio-
nen zu erarbeiten und durchzuführen. Zum Abbau bestehender Entgeltgleich-
heit bei Führungspositionen müssten die Unternehmen einen Maßnahmenplan
zur gleichen Bezahlung von Frauen und Männern in Führungspositionen erar-
beiten. Über die Maßnahmen zum Erreichen der gesetzlichen Quote für Füh-
rungspositionen und zur Herstellung der Entgeltgleichheit müssten die Unter-
nehmen in ihren Jahresabschlüssen berichten.

Das Auswahlverfahren für Führungspositionen in Unternehmen müsse transpa-
renter werden. Hierzu gehöre eine frühzeitige Veröffentlichung der neu zu be-
setzenden Posten. Ein Nominierungsausschuss, dem auch Vertreterinnen und
Vertreter der Beschäftigtenseite angehörten, solle Mindestanforderungen für
die Kandidatinnen und Kandidaten aufstellen. Die entscheidungsrelevanten
Details zu den Kandidatinnen und Kandidaten sollten sodann datenschutzkon-
form auf der Internetseite des Unternehmens veröffentlicht und begründet wer-
den.

Bei Verstößen gegen das Gesetz sollten Sanktionen verhängt werden. Insbeson-
dere sollten neu gegründete Unternehmen nur dann in das Handelsregister ein-
getragen werden, wenn die geschlechterbezogene Zusammensetzung ihrer Füh-
rungsgremien den gesetzlichen Vorgaben entspreche. Für bei Inkrafttreten des
Gesetzes bereits gegründete Unternehmen führe ein Verstoß gegen die Quotie-
rungsregelung zur Nichtigkeit der Wahl/Benennung. Bei einem zweiten Ver-
stoß werde eine an die Höhe der Wertschöpfung des Unternehmens gekoppelte
Geldbuße verhängt.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, FDP
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8830

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/4842 abzulehnen.

Berlin, den 29. Februar 2012

Der Rechtsausschuss

Siegfried Kauder
(Villingen-Schwenningen)
Vorsitzender

Dr. Stephan Harbarth
Berichterstatter

Elisabeth Winkelmeier-Becker
Berichterstatterin

Dr. Eva Högl
Berichterstatterin

Marco Buschmann
Berichterstatter

Jens Petermann
Berichterstatter

Ingrid Hönlinger
Berichterstatterin

Drucksache 17/8830 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Dr. Stephan Harbarth Elisabeth Winkelmeier-Becker Dr. Eva Högl

Berichterstatter Berichterstatterin Berichterstatterin

Marco Buschmann
Berichterstatter

Jens Petermann
Berichterstatter

Ingrid Hönlinger
Berichterstatterin
Berlin, den 29. Februar 2012

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache
17/4842 in seiner 94. Sitzung am 25. Februar 2011 beraten
und an den Rechtsausschuss zur federführenden Beratung
sowie an den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, den
Ausschuss für Arbeit und Soziales und den Ausschuss für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Mitberatung über-
wiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat die
Vorlage auf Drucksache 17/4842 in seiner 61. Sitzung am
29. Februar 2012 beraten und empfiehlt mit den Stimmen
der Fraktionen CDU/CSU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktion der SPD, den Antrag abzuleh-
nen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Vorlage auf
Drucksache 17/4842 in seiner 92. Sitzung am 29. Februar
2012 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung
der Fraktion der SPD, den Antrag abzulehnen.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat die Vorlage auf Drucksache 17/4842 in seiner 58. Sitzung
am 29. Februar 2012 beraten und empfiehlt mit den Stimmen
der Fraktionen CDU/CSU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktion der SPD, den Antrag abzuleh-
nen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Dem Rechtsausschuss lagen mehrere Petitionen vor.

Der Rechtsausschuss hat die Vorlage auf Drucksache 17/4842
in seiner 47. Sitzung am 11. Mai 2011 anberaten und be-
schlossen, diese in die in der 33. Sitzung am 19. Januar
2011 zu der Vorlage auf Drucksache 17/3296 beschlossene
öffentliche Anhörung mit einzubeziehen. Die öffentliche
Anhörung wurde in der 48. Sitzung des Rechtsausschusses
am 11. Mai 2011 durchgeführt, die gemeinsam mit der
39. Sitzung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend stattfand. An dieser Anhörung haben folgende
Sachverständige teilgenommen:

Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das
Protokoll der 48. Sitzung des Rechtsausschusses und der
39. Sitzung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend vom 11. Mai 2011 mit den anliegenden
Stellungnahmen der Sachverständigen verwiesen.

Der Rechtsausschuss hat die Vorlage auf Drucksache
17/4842 in seiner 76. Sitzung am 29. Februar 2012 abschlie-
ßend beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimment-
haltung der Fraktion der SPD, den Antrag abzulehnen.

Stuart, Frankfurt am Main

Dr. Angelika Dammann Vorstandsmitglied Personal,
Arbeitsdirektorin der
SAP AG, Walldorf

Jutta Freifrau von Falken-
hausen, MPA (Harvard)

Vizepräsidentin des Vereins
Frauen in die Aufsichtsräte
(FidAR) e. V., Berlin

Prof. Dr. Heribert Hirte, LL.M.
(Berkeley)

Universität Hamburg,
Fakultät für Rechtswissen-
schaft,
Geschäftsführender Direktor
des Seminars für Handels-,
Schifffahrts- und Wirt-
schaftsrecht

PD Dr. Elke Holst Deutsches Institut für Wirt-
schaftsforschung, Berlin/
Universität Flensburg

Prof. Dr. Silke Ruth Laskowski Universität Kassel,
Institut für Wirtschaftsrecht

Prof. Dr. Heide Pfarr Direktorin des Wirtschafts-
und Sozialwissenschaft-
lichen Instituts und Mitglied
der Geschäftsführung in der
Hans-Böckler-Stiftung,
Düsseldorf

Prof. Dr. Ute Sacksofsky,
M.P.A. (Harvard)

Johann Wolfgang Goethe-
Universität Frankfurt am
Main, Fachbereich Rechts-
wissenschaft, Institut für
öffentliches Recht

Prof. Dr. Marlene Schmidt Deutscher Juristinnenbund
e. V., Berlin.
Bericht der Abgeordneten Dr. Stephan Harbarth, Elisabeth Winkelmeier-Becker,
Dr. Eva Högl, Marco Buschmann, Jens Petermann und Ingrid Hönlinger

I. Überweisung Yvonne Beiertz Personalberaterin beim Bera-
tungsunternehmen Spencer

t mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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