BT-Drucksache 17/8794

Leiharbeit verbieten und in reguläre Beschäftigung umwandeln

Vom 29. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8794
17. Wahlperiode 29. 02. 2012

Antrag
der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze,
Matthias W. Birkwald, Dr. Martina Bunge, Sevim Dag˘delen, Heidrun Dittrich,
Klaus Ernst, Katja Kipping, Cornelia Möhring, Yvonne Ploetz, Dr. Ilja Seifert,
Kathrin Senger-Schäfer, Kathrin Vogler, Sahra Wagenknecht, Harald Weinberg,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Leiharbeit verbieten und in reguläre Beschäftigung umwandeln

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mittlerweile arbeiten rund 900 000 Beschäftigte als Leiharbeiterinnen und
Leiharbeiter und sind einer unsicheren Zukunft ausgesetzt. Sie können heute
hier und morgen dort eingesetzt werden, sie werden deutlich schlechter bezahlt
als Festangestellte und werden in Krisen als erste auf die Straße gesetzt.

Sie sind Beschäftigte zweiter Klasse. Damit muss Schluss sein. Es ist notwen-
dig, Leiharbeit in reguläre Beschäftigung im Einsatzbetrieb zu überführen.
Gleiches gilt für Beschäftigung auf Basis von sogenannten Scheinwerkverträ-
gen, bei denen es sich tatsächlich um illegale Leiharbeit handelt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, der Leiharbeit verbietet und die
entleihenden Unternehmen verpflichtet, die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter
zu den gleichen Bedingungen wie die Stammbeschäftigten in reguläre Anstel-
lungsverhältnisse zu übernehmen. Auch die Unternehmen, die Beschäftigte auf
Grundlage eines sogenannten Scheinwerkvertrages einsetzen, müssen ver-
pflichtet werden, diese in ein reguläres Anstellungsverhältnis zu übernehmen.

Berlin, den 29. Februar 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
Begründung

Die Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, die im Jahr 2011 vor-
genommen worden sind, lösen die Probleme nicht. Immer noch dürfen Leih-
arbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer schlechter bezahlt werden als die
Stammbelegschaft. Jeder zwölfte Leiharbeitsbeschäftigte muss zusätzlich zu
seinem Arbeitsentgelt aufstockende Hartz-IV-Leistungen in Anspruch nehmen,

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weil der Lohn die Existenz nicht sichert. Es ist nicht hinzunehmen, dass die
Steuerzahler und Steuerzahlerinnen das Lohndumping auch noch subventionie-
ren müssen. Auch die Dauer des Einsatzes im Entleihbetrieb ist immer noch
nicht zeitlich begrenzt. In vielen Betrieben ersetzen Leiharbeitskräfte Teile der
Stammbelegschaft.

Auf die Stammbeschäftigten wirkt der Einsatz von Leiharbeit disziplinierend.
Sie haben ständig vor Augen, wie leicht sie zu ersetzen sind: für weniger Lohn
und oft schlechten Arbeitsbedingungen. Leiharbeitskräfte können jederzeit zur
ihrer Leiharbeitsfirma zurückgeschickt werden. Bei ihrer Entlassung entstehen
dem Entleihbetrieb keine Kosten. Das alles erzeugt ein Klima der Angst. Die
Unternehmen nutzen dies strategisch. Die Belegschaften werden auseinander-
dividiert und die Konkurrenz erhöht. So werden Beschäftigte unter Druck ge-
setzt, um Zugeständnisse zu machen. Das drückt die Löhne und der Leistungs-
druck steigt.

Für die Leiharbeitsbeschäftigten ist aber nicht nur der Arbeitsplatz im Entleih-
betrieb unsicher. Auch bei ihrer Leiharbeitsfirma ist die Beschäftigung nicht
sicher, wie die vergangene Krise gezeigt hat. Leiharbeiterinnen und Leiharbei-
ter wurden als erste entlassen. Gab es vor Beginn der Krise noch 800 000 Leih-
arbeitskräfte, sank ihre Zahl währenddessen auf 520 000. Das gleiche Schicksal
droht vielen in Leiharbeit Beschäftigten, sollte es zu einer neuen Krise kom-
men. Hier ist die Politik gefordert, endlich die Verwerfungen auf dem Arbeits-
markt, die durch den immer noch weitgehend unregulierten Einsatz von Leihar-
beit entstehen, zu beenden.

Gleiches gilt für sogenannte Scheinwerkverträge. Bei einem Scheinwerkvertrag
handelt es sich um illegale Leiharbeit. Die Unternehmen vergeben Aufgaben
nicht an eine Leiharbeitsfirma, sondern schließen einen Werkvertrag ab, um die
ohnehin unzureichenden Regelungen der Leiharbeit noch zu unterlaufen. Insbe-
sondere die Umgehung des Mindestlohns für Leiharbeit ist dabei ein Ziel. Der
Umfang dieser Praxis ist bisher noch nicht statistisch erfasst, aber die Gewerk-
schaften verzeichnen eine erhebliche Zunahme und sehen dringenden Hand-
lungsbedarf. Auch hier ist die Politik gefragt, diese neue Strategie zur Deregu-
lierung von Arbeit und zur Aushöhlung von tariflichen Standards und Mit-
bestimmungsrechten zu unterbinden.

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