BT-Drucksache 17/818

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung -17/654, 17/816 - Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1890 (2009) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

Vom 24. Februar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/818
17. Wahlperiode 24. 02. 2010

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Omid Nouripour, Kerstin Müller (Köln),
Ute Koczy, Katja Keul, Viola von Cramon-Taubadel, Wolfgang Wieland, Volker
Beck (Köln), Kai Gehring, Ulrike Höfken, Ingrid Hönlinger, Thilo Hoppe, Uwe
Kekeritz, Tom Koenigs, Agnes Malczak, Jerzy Montag, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 17/654, 17/816 –

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz
der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan
(International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO
auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) und folgender Resolutionen,
zuletzt Resolution 1890 (2009) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutschland hat unter dem Mandat der Vereinten Nationen, im Rahmen der
International Security Assistance Force (ISAF), auf Wunsch der afghanischen
Regierung und unter Beteiligung zahlreicher Bündnispartner, Verantwortung in
Afghanistan übernommen.

Wir stehen zu unserer Verantwortung gegenüber den afghanischen Frauen und
Männern, gegenüber den zivilen Helferinnen und Helfern und gegenüber den
Soldatinnen und Soldaten. Wir dürfen weder die Menschen in Afghanistan
noch die afghanische Regierung, oder die vielen zivilen Helferinnen und Helfer
im Stich lassen und müssen die Probleme gemeinsam mit unseren ISAF-Part-
nern lösen.

Nach mittlerweile achtjährigem Einsatz bleibt die Lage in Afghanistan un-
übersichtlich und besorgniserregend. Die Sicherheitslage hat sich weiter ver-
schlechtert, bisher erzielte Fortschritte beim zivilen Aufbau sind gefährdet. An-
gestoßen von der neuen US-Administration haben die internationale Gemein-

schaft und die afghanische Regierung auf die ernüchternde Bilanz des bis-
herigen Afghanistan-Einsatzes mit einem neuen Ansatz reagiert.

Die von Seiten der Bundesregierung angekündigte Erhöhung der Mittel für die
Entwicklungszusammenarbeit ist ein richtiger Schritt, den wir lange eingefor-
dert haben. Richtig ist die Verständigung auf eine Abzugsperspektive. Aller-
dings fehlen weiterhin konkrete Zwischenziele zur Umsetzung dieser Abzugs-

Drucksache 17/818 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

perspektive. Der von Präsident Hamid Karzai unternommene Versuch, eine
politische Verhandlungslösung mit allen Afghaninnen und Afghanen zu er-
zielen, wird durch die Mitfinanzierung eines Reintegrationsfonds unterstützt.
Die internationale Gemeinschaft muss dabei auf die Einhaltung der grund-
legenden Menschenrechte drängen. Viel zu kurz kommt erneut der strategisch
wichtige Polizeiaufbau. Unklar bleiben die militärische Strategie und der künf-
tige Charakter des Bundeswehreinsatzes, gerade nach dem Luftangriff auf zwei
Tanklastzüge am 4. September 2009 in der Provinz Kunduz. Unbeantwortet
bleibt zudem die Frage, warum die verstärkte Ausbildung der afghanischen
Armee nicht durch ein größeres Umschichten innerhalb des bestehenden
Mandats erreicht wird, beispielsweise durch einen Verzicht auf die ineffizienten
und kostspieligen RECCE-Tornados. Eine Erhöhung des Bundeswehrkontin-
gents ist vor dem Hintergrund dieser strategischen Unklarheiten nicht akzepta-
bel.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. dem Bundestag eine unabhängige Evaluierung und Wirksamkeitsanalyse
des bisherigen deutschen Engagements in Afghanistan unter Beurteilung der
Gesamtlage vorzulegen;

2. gerade nach dem Luftangriff am Kunduz-Fluss im Mandat klarzustellen,
dass ISAF als Stabilisierungseinsatz fortgeführt wird und nicht in eine mili-
tärisch offensive Aufstandsbekämpfung umgewandelt wird, die auf die phy-
sische Vernichtung möglichst vieler Gegner zielt und sich dabei auch für die
Beendigung der Operation Enduring Freedom einzusetzen;

3. Aufgaben, Inhalte und Ausgestaltung des „Partnerings“ mit den afghanischen
Sicherheitskräften verbindlich zu definieren und unverzüglich ein Konzept
über die deutsche Ausbildungsstrategie für die afghanische Armee vorzu-
legen;

4. dabei vor allem unverzüglich klarzustellen, dass auch nach einer veränder-
ten Bewertung der Situation in Afghanistan der Schutz von Zivilistinnen und
Zivilisten höchste Priorität hat und eine Bombardierung von Menschen-
ansammlungen und damit die Inkaufnahme von zivilen Opfern weder an-
gemessen noch zwangsläufig ist;

5. keine Aufstockung des Bundeswehrkontingents vorzunehmen, sondern statt-
dessen im bestehenden Kontingent – entsprechend der angepassten Auf-
gaben der Bundeswehr – umzuschichten und dafür auch den Abzug der weit-
gehend überflüssigen und kostspieligen RECCE-Tornados zu veranlassen;

6. den Bundestag umgehend darüber zu unterrichten, welchem Einsatzzweck
die Stationierung von rund 5 000 US-Soldatinnen und Soldaten im Regio-
nalbereich Nord folgt, welche konkreten Aufgaben diese Soldatinnen und
Soldaten übernehmen werden und wie sich das auf die Planungen und Ziele
der Bundeswehr auswirkt;

7. unverzüglich die Situation der Polizeiausbilderinnen und Polizeiausbilder in
Afghanistan gemeinsam mit den Bundesländern zu klären und – abhängig
davon – ein Konzept vorzulegen, wie die Polizeiausbildung deutlich ver-
stärkt werden kann. Dabei ist klarzustellen, dass die deutschen Polizei-
ausbilderinnen und Polizeiausbilder auch weiterhin entsprechend ihrem
gesetzlichen Auftrag nur für polizeiliche und andere nichtmilitärische
Zwecke eingesetzt werden. Gemessen an den Aufwuchszielen für die ANP
wären 2 000 europäische Polizeiausbilder, davon 500 aus Deutschland not-
wendig;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/818

8. bei der Formulierung des Mandats nicht nur den Einsatz des Militärs,
sondern auch eine umfassende Beschreibung des zivilen Engagements
Deutschlands in Afghanistan vorzunehmen;

9. die angekündigten zusätzlichen Mittel für die Entwicklungszusammen-
arbeit unverzüglich in den Haushalt einzustellen und das Engagement in
den Bereichen „Ländliche Entwicklung“ und „Bildung“ massiv auszu-
bauen;

10. die Androhungen von finanziellen Konsequenzen für Hilfsorganisationen
durch den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung, Dirk Niebel, falls sie nicht bereit sind die zivil-militärische
Zusammenarbeit zu verstärken, umgehend zurückzunehmen. Die Unab-
hängigkeit der Nichtregierungsorganisationen muss gewahrt bleiben und
darf nicht sanktioniert werden;

11. bis zur Konferenz in Kabul einen konkreten Zeitplan mit klaren Zwischen-
schritten für die Übergabe der neun Provinzen und 124 Distrikte im Norden
an die afghanische Regierung vorzulegen. Dazu gehört, einen zivilen Auf-
bauplan mit realistischen und verbindlichen Zwischenzielen für die Schlüs-
selbereiche Polizei, Justiz, Bildung, Infrastruktur, Landwirtschaft und wirt-
schaftliche Entwicklung sowie Menschenrechte zu vereinbaren. Dieser
muss mit afghanischen Regierungsvertreterinnen und -vertretern sowie der
Zivilgesellschaft auf lokaler und regionaler Ebene abgestimmt sein und die
Belange von Frauen besonders berücksichtigen;

12. bei der Unterstützung eines innerafghanischen Versöhnungsprozesses klar-
zustellen, dass sogenannte politische „rote Linien“, wie etwa der Bruch mit
Al Kaida oder die Akzeptanz der afghanischen Verfassung durch die
Taliban u. a., im Verhandlungsprozess nicht überschritten werden dürfen.
Die Wahrung und der Ausbau der Frauenrechte muss fester Bestandteil des
Verhandlungsprozesses sein;

13. bis zur Konferenz in Kabul eine verbindliche Auskunft über den Reintegra-
tionsfonds vorzulegen, die darlegt, welche Kriterien für den Zugang zur
Förderung aus dem Fonds angelegt werden sollen und wie eine nachhaltige
Wirkung des Fonds sichergestellt werden kann;

14. sich verstärkt dafür einzusetzen, dass in Afghanistan die Menschenrechte
gewahrt werden. Menschenrechtsorganisationen und die Vereinten Natio-
nen müssen Zugang zu allen Gefangenen haben. Geheimgefängnisse wie in
Baghram sind unverzüglich zu schließen.

Berlin, den 24. Februar 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Die Lage in Afghanistan bleibt unübersichtlich und besorgniserregend. Die
Sicherheitslage hat sich im letzten Jahr auch in Teilen des Nordens weiter
verschlechtert. Die schwierige Situation in Afghanistan drückt sich auch in der
rechtlichen Neubewertung der Bundesregierung aus, die mittlerweile von
einem „nicht internationalen bewaffneten Konflikt“ in Afghanistan spricht.

Im Zentrum des neuen Ansatzes der Bundesregierung steht das Ziel, selbst-

tragende Sicherheit und funktionsfähige staatliche Strukturen zu schaffen.
Dafür werden drei Dinge in den Mittelpunkt gestellt: Sicherheit, Regierungs-

Drucksache 17/818 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

führung und Entwicklung. Auf der Londoner Konferenz vom 28. Januar 2010
sind verschiedene Maßnahmen verabredet worden, um in den nächsten fünf
Jahren Stabilität in Afghanistan durch eine verstärkte militärische Präsenz
einerseits und eine politische Verhandlungslösung anderseits nachhaltige Stabi-
lität und Sicherheit in Afghanistan zu erzielen und so den zivilen Aufbau zu
gewährleisten. Damit soll in absehbarer Zeit ein schrittweiser Abzug möglich
werden, ohne dass das Land in einen neuen Bürgerkrieg zurückfällt. Von
weitergehenden Zielen wird immer stärker Abschied genommen. Vor diesem
Hintergrund wirft die mögliche Einbeziehung von Teilen der Talibanführungs-
spitze in zukünftige Regierungskonstellationen erhebliche Fragen nach der
demokratischen Zukunft des Landes auf, die zu den bisherigen Einsatzzielen
gehörte.

Wesentliche Bestandteile des neuen internationalen Ansatzes sind ein deut-
licher Aufwuchs der ISAF-Truppen. Die US-amerikanische Präsenz soll um
30 000 Soldatinnen und Soldaten aufgestockt werden. Viele NATO-Staaten er-
höhen ebenfalls ihre Kontingente. Die zusätzlichen Truppen sollen zur Aus-
bildung der afghanischen Armee eingesetzt werden und gemeinsam mit der
afghanischen Armee landesweit im Rahmen der Aufstandsbekämpfung operie-
ren. Dabei hat ISAF-Oberbefehlshaber McChrystal klargestellt, dass der Schutz
der Zivilbevölkerung oberste Priorität hat.

Der zivile Aufbau in seinen verschiedenen Komponenten soll durch eine „Ent-
wicklungsoffensive“ im Norden bei einer Steigerung der Mittel auf 430 Mio.
Euro jährlich deutlich verstärkt werden. Bis 2013 soll damit eine „kritische
Masse“ für eine wirksame Friedensdividende durch „mehr Signifikanz, mehr
Wirksamkeit und mehr in der Fläche“ erzielt werden. Eine konkrete Planung
dafür steht noch aus, die auf die Probleme durch personelle Engpässe, verbes-
serungswürdige Qualität und die Gefahren der Korruption eingeht. Die stärkere
Verpflichtung der afghanischen Regierung massiv gegen Korruption vorzu-
gehen, ist zu begrüßen. Ob die angekündigten Maßnahmen tatsächlich Korrup-
tion verhindern, muss überprüfbar gemacht werden. Entscheidend werden eine
effektivere Verwendung und eine bessere Koordinierung der zusätzlichen Mit-
tel sowie die Berücksichtigung der tatsächlichen Umsetzungskapazitäten vor
Ort und der Nachverfolgung der Wirksamkeit der Maßnahmen sein. Eine bloße
quantitative Erhöhung der Mittel ist unzureichend. Fließen die Mittel schneller
als die Strukturen wachsen können, sind eine Verschlechterung der Qualität und
eine Steigerung der Korruption vorprogrammiert. „Quick Impact-Projekte“ er-
teilen wir in dieser Situation eine Absage. Die Einbindung der lokalen afghani-
schen Bevölkerung bei der Mittelvergabe ist massiv zu verbessern.

Viel nachdrücklicher muss auf die Stärkung der Rechte der Frauen und Mäd-
chen hingearbeitet werden. Die afghanische Regierung und die Geberländer
müssen der Förderung und dem Schutz von Frauenrechten beim Aufbau des
Landes und in ihren politischen, wirtschaftlichen und militärischen Strategien
eine zentrale Stellung einräumen. Die von der Zivilgesellschaft gemachten Vor-
schläge zur Londoner Konferenz sind dabei zu berücksichtigen.

Die neue Ausrichtung des Entwicklungsministeriums, die zivile Aufbauarbeit
stärker mit der militärischen Seite zu verknüpfen ist kontraproduktiv. Die Ge-
fahr ist, dass zivile Helferinnen und Helfer als Handlanger des Militärs erschei-
nen und so zu Angriffszielen werden. Damit wäre zudem auch die Kooperation
mit der afghanischen Seite gefährdet und die Vertrauensbasis zerstört. Eine Ver-
mischung von humanitärer Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und militäri-
schem Einsatz lehnen wir daher strikt ab. Zudem sollte Entwicklungszusam-
menarbeit dort stattfinden wo der Bedarf besteht und sich nicht an militärischen
Prioritäten ausrichten. Für uns gilt, dass die Schaffung von Sicherheit nicht nur
Schutz vor Gewalt, sondern auch vor Armut, Hunger, Bedrohung und Recht-

losigkeit bedeutet.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/818

Erstmalig bekennt sich die Bundesregierung gemeinsam im transatlantischen
Bündnis zu einer klaren Abzugsperspektive. Der Abzug der Bundeswehr soll
2011 eingeleitet werden. In fünf Jahren soll dann die afghanische Regierung die
Verantwortung für die äußere und innere Sicherheit Afghanistans übernehmen.
Diese Zeitperspektive braucht aber präzise, qualitative Zwischenziele, damit
ein Abzug verantwortlich gelingen kann.

Im Bereich der Polizeiausbildung hat die Bundesregierung eine Erhöhung auf
200 Polizeikräfte für das bilaterale Polizeiprojekt angekündigt. Diese Erhöhung
reicht nicht aus, um den notwendigen Aufbau der afghanischen Polizei qualifi-
ziert und zeitnah voranzubringen. Gebraucht würden mindestens 2 000 zusätz-
liche europäische Polizeiausbilderinnen und Polizeiausbilder in Afghanistan,
davon mindestens 500 Polizeiausbilderinnen und Polizeiausbilder aus Deutsch-
land. Allerdings bestehen Unklarheiten, welche Auswirkungen die rechtliche
Neubewertung des Afghanistaneinsatzes als „nichtinternationaler bewaffneter
Konflikt“ für den Einsatz von deutschen Polizeikräften hat. Hier muss die
Regierung zusammen mit den Bundesländern zuerst Klarheit schaffen.

Ein wesentlicher Kurswechsel ist die Suche nach einer Verhandlungslösung in
Afghanistan. Der afghanische Präsident Hamid Karzai verhandelt mit Billigung
der internationalen Gemeinschaft mit allen Afghaninnen und Afghanen über
eine politische Lösung des Konfliktes. Die Bundesregierung flankiert diesen
Prozess durch die Mitfinanzierung eines Reintegrationsfonds. Dabei haben
weder die internationale Gemeinschaft noch die Bundesregierung deutlich ge-
macht, wie politische Mindeststandards – vor allem die Geltung der Menschen-
rechte und die Beteiligung von Frauen – gewährleistet werden.

Die Kontingentaufstockung begründet die Bundesregierung u. a. mit dem Ziel,
statt bisher 280 circa 1 400 Soldatinnen und Soldaten für die Ausbildung der
afghanischen Armee einzusetzen. Allerdings hat die Bundesregierung bereits
2008 die Erhöhung der Mandatsobergrenze von 3 500 auf 4 500 Soldatinnen
und Soldaten mit der Ausbildungsunterstützung für die afghanische Armee be-
gründet. Dass bis heute nur 280 Soldatinnen und Soldaten in der Ausbildung
eingesetzt sind, lässt an der Umsetzung der neuen Ankündigung zweifeln.
Unbeantwortet bleibt zudem die Frage, warum die verstärkte Ausbildung der
afghanischen Armee nicht durch ein größeres Umschichten innerhalb des be-
stehenden Mandats realisiert wird, beispielsweise durch einen Verzicht auf die
überflüssigen und kostspieligen RECCE-Tornados. Vor diesem Hintergrund hat
die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag bisher die Notwendigkeit einer
Kontingenterhöhung nicht ausreichend begründet.

Die Stationierung von rund 5 000 weiteren Soldatinnen und Soldaten der US-
Armee im Regionalbereich Nord führt auch für die Bundeswehr vor Ort zu
einer völlig neuen Situation. Zu befürchten ist eine Intensivierung der offen-
siven Aufstandsbekämpfung. Die Bundesregierung muss hier klären, welche
Auswirkungen dies für das deutsche Engagement und dessen Ausgestaltung in
Afghanistan hat. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Einführung des
„Partnerings“ durch die Bundeswehr, ein Konzept, welches in der Vergangen-
heit abgelehnt wurde und dessen Ausgestaltung und Umsetzung jetzt geklärt
werden muss.

Vor dem Hintergrund des Anspruches, verstärkt in der Fläche präsent und aktiv
zu sein, bestehen massive Zweifel an den Aussagen der Bundesregierung, die
Bundeswehr verfolge in Zukunft einen „defensiveren“ Ansatz. Dies verstärkt
die Skepsis über den künftigen Charakter des Bundeswehreinsatzes, die nach
dem Luftangriff auf zwei Tanklastzüge im September 2009 am Kunduz-Fluss
und dem Umgang der Bundesregierung mit diesen Vorfällen aufgekommen ist.
Viel Vertrauen in die Transparenz der militärischen Planungen wurde verspielt.

Es ist unklar, ob der Einsatz im Sinne des bisherigen zurückhaltenden militäri-
schen Auftretens fortgeführt werden soll. Damit ist eine Eskalation der Gewalt

Drucksache 17/818 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

zu befürchten, die auch negative Konsequenzen für den angestrebten politi-
schen Verhandlungsprozess haben wird. So besteht ein erheblicher Wider-
spruch zwischen der militärischen und der politischen Logik des neuen strate-
gischen Ansatzes.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.