BT-Drucksache 17/7949

Erfahrungen mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit und den Veränderungen bei der Dienstleistungsfreiheit seit dem 1. Mai 2011

Vom 29. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7949
17. Wahlperiode 29. 11. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jutta Krellmann, Alexander Ulrich, Diana Golze, Matthias W.
Birkwald, Dr. Martina Bunge, Heidrun Dittrich, Werner Dreibus, Klaus Ernst, Katja
Kipping, Ulla Lötzer, Cornelia Möhring, Kornelia Möller, Yvonne Ploetz, Ingrid
Remmers, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Sabine Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Erfahrungen mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit und den Veränderungen bei der
Dienstleistungsfreiheit seit dem 1. Mai 2011

Seit dem 1. Mai 2011 ist für die acht EU-Staaten (EU-8-Staaten) Polen, Ungarn,
Tschechien, Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen die unein-
geschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit in Kraft getreten, gleichzeitig endeten
die sektoralen Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit. Für Bulgarien und
Rumänien enden die derzeit geltenden Übergangsbestimmungen im Dezember
2011, sofern die Bundesregierung keine Verlängerung dieser Regelungen um
zwei Jahre beantragt.

Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit gehören zu den Grund-
freiheiten der Europäischen Union. In der Bundesrepublik Deutschland ist eine
Kultur des Willkommens für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu etablie-
ren, die gleichzeitig verhindert, dass ausländische Arbeitskräfte schlechter be-
handelt werden, als inländische Arbeitskräfte. Die Entwicklung des deutschen
Arbeitsmarktes ist daher dahingehend zu untersuchen, wie sich die Arbeits-
bedingungen, das Lohngefüge in den einzelnen Branchen und auch die prekäre
Beschäftigung entwickeln, überdies stellt sich die Frage nach den Möglichkeiten
effektiver Kontrollen zum Schutz der Beschäftigten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Aus welchen europäischen Ländern sind Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt
in der Bundesrepublik Deutschland tätig, und wie hat sich die Zahl der aus-
ländischen Arbeitskräfte seit Januar 2011 monatlich in den einzelnen Bun-
desländern und in den einzelnen Branchen entwickelt (bitte nach Beschäftig-
ten, die im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit hier arbeiten, entsandten
Beschäftigten und nach Geschlecht differenzieren)?

2. Wie hat sich die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung der ausländi-

schen Beschäftigten in den einzelnen Monaten seit Januar 2011 in den
einzelnen Bundesländern entwickelt (bitte nach Geschlecht differenzieren)?

3. Gibt es einen Anstieg von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungs-
verhältnissen, von Niedriglohnbeschäftigung und von Arbeitnehmerüber-
lassung im östlichen grenznahen Raum, welcher sich deutlich vom Trend
abhebt, und wie stellt er sich in den einzelnen Grenzregionen jeweils dar?

Drucksache 17/7949 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Wie hat sich die ausschließlich geringfügige Beschäftigung der aus-
ländischen Beschäftigten nach Herkunftsländern und Geschlecht in den
einzelnen Monaten seit Januar 2011 in den einzelnen Bundesländern ent-
wickelt?

5. In welchen zehn Berufsgruppen sind die meisten ausländischen Beschäftig-
ten in den einzelnen Monaten seit Januar 2011 sozialversicherungspflichtig
tätig (bitte nach Bundesländern und Geschlecht differenzieren)?

6. In welchen zehn Berufsgruppen sind die meisten ausländischen Beschäftig-
ten in den einzelnen Monaten seit Januar 2011 ausschließlich geringfügig
tätig (bitte nach Bundesländern und Geschlecht differenzieren)?

7. Wie viele ausländische Selbständige (Einzel- oder Personengesellschaften)
sind seit Januar 2011 in den einzelnen Monaten und in den einzelnen
Bundesländern tätig geworden, und aus welchen europäischen Herkunfts-
ländern kommen diese Bürgerinnen und Bürger (wenn möglich auch je-
weils nach Geschlecht differenzieren)?

8. Ist seit dem 1. Mai 2011 ein Rückgang der Anzahl der Selbständigen aus
den EU-8-Staaten zu vermerken, und wenn ja, in welchem Umfang?

9. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zu den Entgelten von
Beschäftigten vor, die im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit aus den
osteuropäischen Staaten nach Deutschland kommen (sofern möglich bitte
im Vergleich zu den hiesigen Entgelten darstellen)?

10. Wie viele der ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder der
Selbständigen aus dem europäischen Ausland haben in welchen Bundes-
ländern ihren Wohnsitz genommen?

11. Gibt es zwischenzeitlich ein Konzept zur Erfassung der entsandten Be-
schäftigten, bei dem auch die Dauer der Entsendung und die Zahl der ge-
leisteten Arbeitsstunden erfasst wird, um auf diese Weise die Auswirkun-
gen der Entsendung auf den Arbeitsmarkt und das Lohnniveau abschätzen
zu können (wenn nicht, bitte begründen)?

12. Wie hat sich die Zahl der Gewerbeanmeldungen seit dem 1. Mai 2011
im Vergleich zu den Vorjahren verändert (bitte nach Bundesländern, Bran-
chen, Herkunftsländern und Geschlecht aufschlüsseln)?

13. Wie viele Genehmigungen zur Arbeitnehmerüberlassung wurden seit
Januar 2011 monatlich in den einzelnen Bundesländern an europäische
Unternehmen erteilt (bitte nach den Herkunftsländern der Leiharbeitsunter-
nehmen differenzieren)?

14. Wie wird die Kontrolle der Voraussetzungserfüllung für Leiharbeitsunter-
nehmen aus den EU-8-Staaten gewährleistet?

15. Wie viele Entsendungen wurden in den einzelnen Monaten seit Januar
2011 in die einzelnen Bundesländer vorgenommen (bitte nach Branchen
und Geschlecht differenzieren)?

16. Wie viele Entsendungen wurden im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung
in den einzelnen Monaten seit Januar 2011 in die einzelnen Bundesländer
vorgenommen (bitte nach Branchen und Geschlecht differenzieren)?

a) Plant die Bundesregierung die Übergangsregelungen für Rumänien und
Bulgarien über den 31. Dezember 2011 hinaus aufrechtzuerhalten?

Wenn ja, wann, und wie will sie die Kommission über ihre Gründe in-
formieren?
b) Wenn nicht, mit welcher Begründung?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7949

17. Wie will die Bundesregierung auf die von Herrn Pampel-Jabrane (Bundes-
finanzdirektion Mitte) auf dem Symposium „Sechs Monate volle Frei-
zügigkeit – eine erste Zwischenbilanz“ am 2. November 2011 in Berlin ge-
tätigte Aussage, dass viele Verfahren bezüglich von der Finanzkontrolle
Schwarzarbeit entdeckter Verstöße gegen die Einhaltung von Mindest-
löhnen und gegen Bestimmungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes ein-
gestellt werden, weil die Staatsanwälte und Richter mit den Verfahren
überfordert sind, reagieren?

18. Wie hoch waren die von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit verhängten
Bußgelder wegen Verstößen gegen die Einhaltung von Mindestlöhnen und
gegen Bestimmungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes in den ver-
gangenen Jahren, in wie vielen Fällen wurde dagegen geklagt, in wie vielen
Fällen waren diese Klagen erfolgreich, und um welche Summe haben sich
die Bußgelder auf diese Weise reduziert?

19. Wie viele Kontrollen zur Einhaltung von Mindestlöhnen und der Bestim-
mungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes wurden bis Oktober 2011
durchgeführt (bitte nach Branchen und Monaten differenzieren)?

20. Wie reagiert die Bundesregierung auf deutsche Personaldienstleister, wie
beispielsweise die APS Connect GmbH, wenn diese mit deutlich niedrigeren
Lohnerwartungen ausländischer Beschäftigter wirbt und damit offensicht-
lich Angebote zum Lohndumping unterbreitet, und wenn keine Reaktion er-
folgt, warum nicht?

21. Zu welchen Ergebnissen ist die Task Force zur Bekämpfung des Miss-
brauches der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit zwischenzeitlich
gelangt, und welche konkreten Maßnahmen wurden ergriffen?

22. Wie viele Beschäftigte arbeiten derzeit bei der Finanzkontrolle Schwarz-
arbeit, und wie viele davon sind im operativen Bereich tätig (bitte nach
Standorten aufschlüsseln)?

23. Wie hat sich die Anzahl der Beschäftigten bei der Finanzkontrolle
Schwarzarbeit in den letzten Jahren entwickelt, und wie sieht dies speziell
für die Beschäftigten im operativen Bereich aus (bitte nach Planstellen und
tatsächlich besetzten Stellen sowie nach Standorten aufschlüsseln)?

24. Nach welchen Kriterien wird der Personalbedarf der unterschiedlichen
Standorte bestimmt, und werden hier (derzeit oder zukünftig) die im Jahr
2010 erhobenen Strukturdaten (wie Einwohnerzahl, Zahl der Erwerbstäti-
gen etc.) zu Grunde gelegt bzw. werden die Bedarfszahlen der einzelnen
Standorte auf Basis dieser Daten angepasst?

25. Wie viele Stellen sind bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit derzeit nicht
besetzt (bitte nach Standorten aufschlüsseln)?

a) Warum wurden diese Stellen nicht besetzt?

b) Wie sehen die Ausschreibungsverfahren aus?

26. Plant die Bundesregierung für die Jahre 2012 und 2013 eine finanzielle und
personelle Aufstockung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (bitte nach
Standorten aufschlüsseln)?

a) Wenn ja, in welcher Höhe, und um wie viele Stellen (bitte operative
Stellen gesondert ausweisen)?

b) Wenn nicht, wie begründet sie dies?

Drucksache 17/7949 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
27. Wie verhält sich die Bundesregierung zur Forderung der Sozialpartner im
Baugewerbe, eine verpflichtende technische Aufzeichnung der Arbeits-
zeiten einzuführen, damit die Finanzkontrolle Schwarzarbeit Verstöße ge-
gen die Praxis, Vollzeitbeschäftigte nur als Teilzeitbeschäftigte zu melden,
praktisch ahnden kann?

Berlin, den 29. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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