BT-Drucksache 17/7448

Bundesstiftung Magnus Hirschfeld

Vom 24. Oktober 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7448
17. Wahlperiode 24. 10. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Ingrid Hönlinger,
Memet Kilic, Claudia Roth (Augsburg), Hans-Christian Ströbele,
Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bundesstiftung Magnus Hirschfeld

Am 31. August dieses Jahres hat das Bundeskabinett die Einrichtung einer
„Bundesstiftung Magnus Hirschfeld“ beschlossen. In einem Schreiben an die
Fraktionen des Deutschen Bundestages vom 20. September 2011 beruft sich die
Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, darauf, dass
„bereits im Jahr 2000 … der Deutsche Bundestag einstimmig gefordert (hatte),
als Beitrag zum kollektiven Ausgleich des an Homosexuellen begangenen NS-
Unrechts eine Stiftung zu errichten.“

In dem von der Bundesregierung in Anspruch genommenen Bundestags-
beschluss heißt es im Wortlaut: „Der Deutsche Bundestag ersucht die Bundes-
regierung, … gegebenenfalls Vorschläge zu entwickeln, wie Lücken bei der
Entschädigung, Rückerstattung und beim Rentenschadensausgleich für homo-
sexuelle NS-Opfer geschlossen werden können. Dabei ist heute vor allem an
einen kollektiven Ausgleich zu denken, der die Anerkennung des Unrechts ver-
deutlicht und der Förderung homosexueller Bürger- und Menschenrechtsarbeit
gewidmet ist (z. B. in Form einer Stiftung in Gedenken an Magnus Hirschfeld,
einer Preisverleihung und ähnlicher Maßnahmen)“ (Bundestagsdrucksache 14/
4894, S. 4).

Von der vom Deutschen Bundestag gewünschten „Förderung homosexueller
Bürger- und Menschenrechtsarbeit“ ist im Stiftungszweck der „Bundesstiftung
Magnus Hirschfeld“ aber nicht die Rede. Die Förderung von Bürger- und Men-
schenrechtsarbeit wäre nach diesem Stiftungszweck nicht möglich – etwa eine
Unterstützung von bereits existierenden Bürgerrechtsgruppen im In- und Aus-
land. Dabei ist gerade die aktive Bürgerrechtsarbeit und internationale Men-
schenrechtsarbeit die notwendige politische Konsequenz aus der Beschäftigung
mit der Homosexuellenverfolgung in der Geschichte.

In den vergangenen Jahren ist auch die Menschenrechtsgewährleistung für
trans- und intersexuelle Menschen stärker in den Fokus gerückt. Es wird be-
gonnen, die Verfolgungsgeschichte dieser Gruppen aufzuarbeiten. Auch der
Namensgeber der Stiftung, Dr. Magnus Hirschfeld, hat zur Trans- und Inter-

sexualität gearbeitet. Dennoch finden trans- und intersexuelle Menschen in der
Satzung der Stiftung keine Erwähnung

Drucksache 17/7448 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Warum hat die Bundesregierung, obwohl sie sich auf einen Beschluss des
Deutschen Bundestages beruft, das Parlament bei der Ausgestaltung der
„Bundesstiftung Magnus Hirschfeld“, insbesondere der Formulierung des
Stiftungszwecks und der Rechtsform der Stiftung, nicht beteiligt?

2. Warum hat die Bundesregierung die privatrechtliche Rechtsform gewählt
und so das Vorhaben der parlamentarischen Beratung entzogen, wie sie bei
einem Stiftungsgesetz erforderlich ist?

3. Warum ist unter den Stiftungszwecken die Förderung homosexueller Bür-
ger- und Menschenrechtsarbeit nicht berücksichtigt, obwohl der Deutsche
Bundestag in seinem einstimmigen Beschluss aus dem Jahr 2000 ausdrück-
lich betont hat, dass eine etwaige Stiftung in Gedenken an Magnus Hirsch-
feld „der Förderung homosexueller Bürger- und Menschenrechtsarbeit ge-
widmet“ sein solle?

4. Welche Gründe hatte die Bundesregierung, im Entwurf zur Satzung der
„Bundesstiftung Magnus Hirschfeld“ das Aufgabenfeld, gesellschaftlicher
Diskriminierung entgegenzuwirken, auf Deutschland zu beschränken und
die europäische und internationale Menschenrechtsarbeit somit nicht zu be-
rücksichtigen?

5. Hat die Bundesregierung ihr Vorhaben angesichts des Stiftungszwecks
„Förderung von Bildung sowie von Wissenschaft und Forschung“ und der
Länderkompetenzen in diesem Bereich (Artikel 70 ff., Artikel 91b des
Grundgesetzes) mit den Bundesländern beraten?

a) Wenn ja, bei welcher Gelegenheit?

b) Wenn nein, warum nicht?

6. Hat die Bundesregierung zivilgesellschaftliche Organisationen wie Ver-
eine, Verbände oder Stiftungen, die in den Aufgabenfeldern der zukünf-
tigen „Bundesstiftung Magnus Hirschfeld“ bereits tätig sind, vor dem
Kabinettsbeschluss am 31. August 2011 bezüglich der Ausgestaltung der
Satzung der „Bundesstiftung Magnus Hirschfeld“ konsultiert, insbesondere
auch zum Stiftungszweck, zur Rechtsform der Stiftung und zur Zusam-
mensetzung der Stiftungsgremien?

a) Wenn ja, welche Organisationen wurden konsultiert und in welcher
Form geschah das?

b) Wenn nein, warum nicht?

7. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass eine geschlechtergerechte
Zusammensetzung der Gremien sowie der Arbeit der Stiftung gewährleis-
tet ist?

8. Warum berücksichtigt die Bundesregierung in der Satzung der „Bundes-
stiftung Magnus Hirschfeld“ die Gruppen der transsexuellen und zwischen-
geschlechtlichen Menschen, ihr Leben und ihre gesellschaftliche Lebens-
welt sowie ihre fortgesetzte gesellschaftliche Diskriminierung nicht?

9. Warum sind bei der Ausgestaltung der Gremien der „Bundesstiftung
Magnus Hirschfeld“ keine Vertreterinnen und Vertreter der Organisationen
transsexueller und zwischengeschlechtlicher Menschen vorgesehen?

10. Was hat die Bundesregierung dazu bewogen, als Stiftungsvorstand der
„Bundesstiftung Magnus Hirschfeld“ lediglich eine Person vorzusehen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7448

11. a) Was hat die Bundesregierung dazu bewogen, dass der erste Stiftungs-
vorstand mit einer Amtszeit von fünf Jahren allein durch das Bundes-
ministerium der Justiz ohne jede Beteiligungsmöglichkeit des Kurato-
riums der Stiftung bestellt werden soll?

b) Nach welchen Kriterien und wann soll der Stiftungsvorstand vom Bun-
desministerium der Justiz berufen werden?

Gibt es bei dem Verfahren schon erste Vorbereitungen, Entscheidungen
oder Vorauswahlen?

Wenn ja, wie sehen diese aus?

12. Welcher der Stiftungszwecke wird durch Veröffentlichungen auf der
Homepage der „Bundesstiftung Magnus Hirschfeld“ erfüllt, in denen – wie
im folgenden Zitat – Öffentlichkeitsarbeit über die Aktivitäten der Bundes-
regierung bzw. der Bundesjustizministerin stattfindet: „Als 1994 Bundes-
justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in ihrer ersten Amts-
zeit die Abschaffung des diskriminierenden § 175 StGB auf den Weg
brachte, war das ein wichtiger Schritt hin zur Gleichbehandlung von Ho-
mosexuellen. (…) Die Bundesregierung hat sich nach der Bundestagswahl
2009 die Gleichberechtigung von Homosexuellen zum Ziel gesetzt. Am
20. Mai 2010 hat das Bundeskabinett beschlossen, eingetragene Lebens-
partner bei der Erbschafts- und Grunderwerbssteuer Ehegatten gleich-
zustellen. Den Abbau von Diskriminierungen im Beamtenrecht hat die
Bundesregierung am 20. Oktober 2010 auf den Weg gebracht. Gleiche
Rechte für Lebenspartner und Ehegatten sollen rückwirkend zum 1. Januar
2009 gelten.“ (www.bundesstiftungmagnushirschfeld.de/?page_id=310,
abgerufen am 11. Oktober 2011)?

13. Ist beabsichtigt, mittels der „Bundesstiftung Magnus Hirschfeld“ auch zu-
künftig Öffentlichkeitsarbeit zu den Aktivitäten der Bundesregierung zu
betreiben?

Berlin, den 24. Oktober 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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