BT-Drucksache 17/7427

Menschenrechtslage in den Philippinen

Vom 21. Oktober 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7427
17. Wahlperiode 21. 10. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Tom Koenigs, Ingrid Hönlinger, Marieluise
Beck (Bremen), Viola von Cramon-Taubadel, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz,
Katja Keul, Ute Koczy, Agnes Malczak, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Menschenrechtslage in den Philippinen

Die Philippinen werden oft dargestellt als ein Land, das sich erfolgreich von ei-
ner Diktatur hin zu einer demokratischen Republik mit regelmäßigen Wahlen,
einer freien Presse und einer starken Zivilgesellschaft gewandelt hat. Trotzdem
beklagen lokale und internationale Nichtregierungsorganisationen – NGOs –
massive Menschenrechtsverletzungen. In den letzten zehn Jahren wurden hun-
derte politische Aktivistinnen/Aktivisten, Journalistinnen/Journalisten, Gewerk-
schafterinnen/Gewerkschafter und Lokalpolitikerinnen/Lokalpolitiker bedroht,
verschleppt und ermordet. Vermutet werden Verwicklungen des Militärs und
staatlicher Sicherheitskräfte in diese Straftaten, aber nur in seltenen Fällen wur-
den Beschuldigte angeklagt und verurteilt.

Nicht selten erfolgen Gewalttaten, Vertreibungen und erhebliche Beeinträchti-
gungen der natürlichen Lebensgrundlage durch Bergbauunternehmen und deren
private Sicherheitsfirmen. Der Mining Act, ein Bergbaugesetz aus dem Jahr
1995, das ausländischen Konzernen Investitionen erleichtern sollte, schreibt
zwar die Beteiligung der lokalen Bevölkerung und die Achtung von Umwelt-
standards vor, jedoch erfolgt nur eine unzureichende Überwachung durch staat-
liche Stellen, und es folgen keine Konsequenzen bei Verstößen. Die Bergbauun-
ternehmen müssen die Indigenen zwar um eine Zustimmung für jedes Projekt
bitten, die „Free Prior and Informed Consent“ (FPIC) genannt wird, jedoch in-
formieren die Unternehmen nur unzureichend über die Konsequenzen des Berg-
baus und verschweigen die Risiken. Die große Anzahl illegaler Umsiedlungen
führt regelmäßig zu schlechteren Lebensbedingungen für die Indigenen, und es
werden oft nur geringe oder gar keine Abfindungen gezahlt. Viele Familien
leiden immer mehr unter der Verschmutzung der Flüsse mit Quecksilber und
Zyanid und anderen gefährlichen Substanzen und sind damit erheblich in ihrer
Lebensgrundlage gefährdet. Aufgrund der Versprechungen der Unternehmen
stimmen viele Gemeinschaften trotz der fatalen Folgen dem Bergbau zu, auch
weil die Unternehmen oft als die einzige Chance auf eine Verbesserung der In-

frastruktur, bessere Schulen, Krankenhäuser und Straßen in den abgelegenen
Gebieten erscheinen. Auch können die NGOs nicht genügend Informationen
über die Folgen des Bergbaus verbreiten, weil sie von den Unternehmen an ihrer
Arbeit durch Drohungen oder tatsächliche Gewalt gehindert werden.

Auch deutsche Banken sind laut einem Bericht des Aktionsbündnisses Men-
schenrechte-Philippinen an Investitionen in philippinische Bergbauunterneh-

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men beteiligt. Die Deutsche Bank gewährte im Januar 2008 der Firma Platinum
Group Metals einen Finanzierungskredit von 40 Mio. US-Dollar, um den Kauf,
die Wiedernutzbarmachung und zahlreiche Aufbauarbeiten der zwei Eisen-
nickelschmelzereien der Firma zu ermöglichen. Auch der Bergbaufirma Carmen
Copper Corporation, einer Tochter der philippinischen Atlas Consolidated
Mining & Development Corp. wurde im Mai 2007 ein Kredit über 100 Mio. US-
Dollar gewährt, um das Bergbaugebiet des Toledo Copper Project in Cebu wie-
derzubeleben. Unbestätigten Informationen zufolge fungiert die Deutsche Bank
auch als Broker für das internationale Schweizer Rohstoffunternehmen Xstrata.
Xstrata führt trotz des Auslaufens ihrer Erkundungserlaubnis am 17. August
2007 Probebohrungen in einer Mine in Tampakan, einem der lukrativsten Berg-
baugebiete, durch. In dieser Region befinden sich fünf Flüsse, von denen nahezu
die gesamte Wasserversorgung Zentral- und Südmindanaos abhängt, und die
durch die Bergbauaktivitäten zu verschmutzen drohen und damit die Anwohner
gefährden.

Die Allianz AG hielt 10,2 Prozent der Anteile der britischen Firma Metals
Exploration und war damit der größte Anteilsinhaber. Die Firma Metals Explo-
ration arbeitet vor Ort mit der philippinischen Bergbaufirma Philsaga Mining
Corp. zusammen. Aufgrund des immer wieder aufflackernden Protestes der in-
digenen Bevölkerung, die sich gegen die Präsenz der Bergbaufirmen auf ihrem
Land auflehnt, hat sich Langley Segundo, Beauftragter der Cagaya-Region der
Nationalen Kommission für die indigene Bevölkerung (NCIP), für eine Über-
prüfung und Neubewertung der Abbaulizenzen in der Region ausgesprochen.

Die Dresdner Bank AG (jetzt Commerzbank AG) hat zwar die Equators Prin-
ciples, ein Regelwerk zur Einhaltung der Umwelt- und Sozialstandards der
Weltbank, unterschrieben, tritt aber dennoch als Bankier der philippinischen
Lepanto Consolidated Mining Company auf, die beim Abbau der Goldvorkom-
men in Mankayan tätig ist. Im Jahr 1998 schloss Lepanto unter anderem mit der
Dresdner Bank AG ein Kreditabkommen über 25 Mio. Euro ab. Im Jahr 2006
wurde ein Gold Delivery Agreement abgeschlossen, wodurch Lepanto weitere
11,4 Mio. Euro gezahlt wurden und sich Lepanto im Gegenzug verpflichtete,
200 bis 250 Unzen Gold monatlich zu liefern. Das Unternehmen wird dafür kri-
tisiert, sich nicht mit den Rechten Indigener auseinanderzusetzen. Ebenso ist
Lepanto für massive Arbeitsrechtsverletzungen bekannt. Bei den Aktivisten des
Save the Abra River Movement gilt Lepanto als Hauptverdächtiger des im Jahr
2006 aufgetretenen Fischsterbens in der Provinz Abra. Bewohner entlang des
Flusses Abra berichten über den strengen Geruch und Verunreinigungen des
Wassers. Regelmäßig durchgeführte Wasserproben weisen einen auffällig hohen
Zyanid-, Blei-, Quecksilber- und Chromgehalt auf. Die Untersuchung ergab au-
ßerdem, dass die Abwässer zu einer Verschlackung des Flussbettes führen und
die angrenzenden Reisfelder versalzen. Außerdem sind geologische Folgen wie
Bodenabsenkung und Landrutsche bemerkbar. Im Juli 2009 soll der lokale
Gouverneur nach Erdrutschen und Zerstörungen den Ausnahmezustand erklärt
haben und im Oktober 2009 sind durch einen Erdrutsch vermutlich ca. 40 Per-
sonen getötet worden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie schätzt die Bundesregierung aktuell die allgemeine Lage der Menschen-
rechte in den Philippinen ein?

2. Hat sich nach Ansicht der Bundesregierung seit Amtsantritt des Präsidenten
Aquinos die Lage der Menschenrechte verbessert?

Wenn ja, in welchen Bereichen?
3. Wie schätzt die Bundesregierung die Situation der Frauen und die Einhaltung
von Frauenrechten auf den Philippinen ein?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7427

4. In welcher Form und zu welchen Anlässen spricht die Bundesregierung
menschenrechtliche Fragestellungen gegenüber der philippinischen Regie-
rung an?

5. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus ihrer Beurteilung zur
allgemeinen Lage der Menschenrechte für ihre gegenwärtige und zukünf-
tige entwicklungspolitische Zusammenarbeit?

6. Inwiefern wird die Umsetzung von Menschenrechten in den Philippinen
durch die Entwicklungspolitik der Bundesregierung gefördert?

7. Welche Schwerpunkte haben die Bundesregierung und die Philippinen in
ihrer entwicklungspolitischen Zusammenarbeit gesetzt, und in welchen
Bereichen plant die Bundesregierung gemeinsam mit der philippinischen
Regierung die Zusammenarbeit auszubauen?

8. In welchem finanziellen Umfang werden die jeweiligen Schwerpunkte,
Projekte und Programme auf bi- und multilateraler Ebene mit deutschen
Mitteln gefördert (bitte nach Projekten, Programmen, Titeln, Jahr und
finanziellen Volumina auflisten)?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung die Investitionen deutscher Banken in
Unternehmen, die in den Philippinen Bergbau betreiben vor dem Hinter-
grund der Vorwürfe von massiven Menschenrechtsverletzungen durch
deren Tätigkeiten?

10. Was unternimmt die Bundesregierung, um zu gewährleisten, dass deutsche
Investoren und die in den Philippinen tätigen deutschen Unternehmen die
Wahrung der Menschenrechte beachten?

11. Welche deutschen Unternehmen sind direkt oder indirekt am Bergbau in
den Philippinen beteiligt?

Sind Auseinandersetzungen deutscher Unternehmen mit der lokalen Bevöl-
kerung bekannt?

12. Wie ist die Einstellung der Bundesregierung zum philippinischen Bergbau-
gesetz von 1995 (Mining Act) und der damit verbundenen Beseitigung aller
Hindernisse für ausländische Bergbauunternehmen?

13. Wie thematisiert die Bundesregierung gegenüber der philippinischen Re-
gierung die Verursachung von Umweltschäden durch Bergbauunternehmen
und die damit verbundene Zerstörung des Lebensraumes der indigenen Be-
völkerung?

14. Ist ein möglicher Beitritt der Philippinen zur Extractive Industries Trans-
parency Initiative Thema der Gespräche zwischen Bundesregierung und der
philippinischen Regierung?

Wenn ja, was ist aktueller Stand dieser Gespräche, und wenn nein, warum
thematisiert die Bundesregierung dies nicht?

15. Ist eine transparente und entwicklungsförderliche Vertragsgestaltung im
Rohstoffsektor Thema der Gespräche zwischen Bundesregierung und der
philippinischen Regierung?

Wenn ja, in welchem Rahmen und mit welchen Ergebnissen werden diese
Gespräche geführt, und wenn nein, warum thematisiert die Bundesregie-
rung dies nicht?

16. Welche Position vertritt die Bundesregierung gegenüber der philippini-
schen Regierung in Bezug auf rechtsgrundlose Vertreibungen der Bevölke-
rung durch Bergbauunternehmen und deren private Sicherheitsfirmen?

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17. Inwiefern sieht die Bundesregierung einen Widerspruch darin, dass die
Dresdner Bank AG sich einerseits zu den Equator Principles bekennt, ande-
rerseits jedoch die Lepanto Consolidated Mining Company finanziert?

18. Welche Informationen hat die Bundesregierung über die Verwicklung des
Militärs und staatlicher Sicherheitskräfte in Morde an politischen Aktivis-
tinnen und Aktivisten?

19. Wie gedenkt die Bundesregierung die Anfang des Jahres vom Menschen-
rechtsbeauftragten der Bundesregierung im Auswärtigen Amt, Markus
Löning, angekündigte Unterstützung der Verbesserung des philippinischen
Justizsystems konkret umzusetzen?

20. Was für konkrete Erfolge zum Schutz der Menschenrechte hat das EU-
Rechtsstaatsprogramm EP-JUST unter der Leitung von Detlev Mehlis nach
Einschätzung der Bundesregierung gebracht?

21. Wie und wann soll nach Ansicht der Bundesregierung das EP-JUST-Pro-
gramm weitergeführt werden, und mit welchen Zielsetzungen wird es ver-
bunden sein?

22. Inwieweit setzt die Bundesregierung die EU-Leitlinien zum Schutz von
Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern in den Philippinen um?

Berlin, den 21. Oktober 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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