BT-Drucksache 17/6586

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Fristen für die Feststellung der Behinderung und die Erteilung des Ausweises

Vom 14. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6586
17. Wahlperiode 14. 07. 2011

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Dr. Ilja Seifert, Dr. Martina Bunge, Diana
Golze, Matthias W. Birkwald, Heidrun Dittrich, Klaus Ernst, Katja Kipping, Jutta
Krellmann, Cornelia Möhring, Yvonne Ploetz, Kathrin Senger-Schäfer, Kathrin
Vogler, Harald Weinberg, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch –
Gesetzliche Fristen für die Feststellung der Behinderung und die Erteilung des
Ausweises

A. Problem

Die Bearbeitung von Anträgen auf Ausstellung eines Ausweises über die Eigen-
schaft als schwerbehinderter Mensch dauert zu lange. Sie beträgt je nach Bun-
desland mehrere Wochen, zum Teil einige Monate und lag nach der letzten
bundesweiten Erfassung im Dezember 2008 durchschnittlich bei ca. 13 Wochen.
Im Einzelfall warten Betroffene mehr als ein Jahr. Das Neunte Buch Sozial-
gesetzbuch (SGB IX) schreibt keine konkrete Frist vor, innerhalb derer der
Antragsteller bzw. die Antragstellerin nach Eingang des Antrags den Schwer-
behindertenausweis erhalten muss. So gibt es keinen Handlungsdruck für die zu-
ständigen Behörden bzw. für die Politik, entsprechende Einrichtungen personell
und technisch besser auszustatten.

Festgeschrieben ist lediglich eine Frist für die Feststellung des Versorgungs-
trägers nach § 69 Absatz 1 SGB IX über die Eigenschaft als schwerbehinderter
Mensch – und das auch nur für Anträge erwerbstätiger Personen. Geregelt ist
aber nicht, bis wann der Antragstellerin bzw. dem Antragsteller der Schwer-
behindertenausweis ausgestellt werden muss. Das ist aber für die jährlich hun-
derttausenden Betroffenen in Deutschland letztlich das Entscheidende, schließ-
lich ist der Zugang zu behinderungsbedingten Nachteilsausgleichen sowie die
Inanspruchnahme von Rechten teilweise von der Ausstellung des Schwerbehin-
dertenausweises abhängig, da dieser dem Nachweis dient.

B. Lösung

Im SGB IX wird die Frist zur Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft
nach § 69 Absatz 1 Satz 2 auf alle Personen und auf alle Feststellungen nach

§ 69 Absatz 1 Satz 1 (Schwerbehinderteneigenschaft bzw. der Grad der Be-
hinderung) ausgeweitet. Dies entspricht der ursprünglich im Entwurf eines
Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter
Menschen (Bundestagsdrucksache 15/1783) vorgesehenen Regelung.

Es wird darüber hinaus eine Frist von fünf Wochen festgeschrieben, innerhalb
derer der Antragstellerin bzw. dem Antragsteller auf Grund der Feststellung der
Behinderung der Schwerbehindertenausweis ausgestellt wird. Die Neuregelung

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orientiert sich dabei an dem Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit
(§ 18 SGB XI). Dieses sieht eine Fünfwochenfrist vor, innerhalb derer der
Antragsteller eine schriftliche Mitteilung der Pflegekasse erhalten muss.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Es entstehen Kosten in unbekannter Höhe. Um die Bearbeitungsdauer zu ver-
kürzen, müssen die für die Ausstellung von Schwerbehindertenausweisen zu-
ständigen Behörden und Einrichtungen personell und technisch besser ausge-
stattet werden.

Berlin, den 12. Juli 2011

Dr. Gregor Gysi und Frak
„Die in § 14 Absatz 2 Satz 2 und 4 sowie § 14 Absatz 5
Satz 2 und 5 genannten Fristen sowie § 60 Absatz 1 des
Ersten Buches gelten entsprechend.“

2. Nach Absatz 5 wird folgender neuer Absatz 6 angefügt:

„(6) Der Ausweis über die Eigenschaft als schwer-
behinderter Mensch, den Grad der Behinderung sowie
im Falle des Absatzes 4 über weitere gesundheitliche
Merkmale wird der Antragsstellerin beziehungsweise
dem Antragsteller spätestens fünf Wochen nach Eingang
des Antrags von der zuständigen Behörde ausgestellt.“

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in
Kraft.

tion
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6586

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch –
Gesetzliche Fristen für die Feststellung der Behinderung und die Erteilung des
Ausweises

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch

§ 69 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch – Rehabilita-
tion und Teilhabe behinderter Menschen – (Artikel 1 des
Gesetzes vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046), das zuletzt
durch … geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Absatz 1 Satz 2 wird wie folgt gefasst:

verweisen wiederum auf verschiedene ungelöste Probleme
vor Ort und die Zuständigkeit der Kommunen, die wie-
derum oftmals unter einer personell, finanziell und tech-
nisch unzureichenden Ausstattung ihrer Behörden leiden.

Mit einer präzisen gesetzlichen Regelung einer Fünf-
wochenfrist wird diese Spirale durchbrochen. Der Bund
muss dafür entsprechende finanzielle Ressourcen zur Ver-
fügung stellen. Es entsteht politischer Handlungsdruck für
die verschiedenen Ebenen von Bund, Land und Kommune.

Dies erfordert nicht zuletzt das Gesetz zu dem Übereinkom-
men der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über
die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem
Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Über-
einkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von
Menschen mit Behinderungen vom 21. Dezember 2008
(BGBl. II S. 1419). Mit dieser UN-Konvention über die
Rechte von Menschen mit Behinderungen, die am 26. März
2009 auch rechtsverbindlich für die Bundesrepublik
Deutschland wurde, verpflichten sich die Vertragsstaaten

Mit der Neuregelung wird sichergestellt, dass die für den
Versorgungsträger bestehenden Fristen nicht nur für die
Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch
(§ 69 Absatz 1 Satz 2 SGB IX) und darüber hinaus zukünf-
tig nicht nur für erwerbstätige, sondern für alle Personen
gelten.

Zu Nummer 2

Die Festschreibung einer Fünfwochenfrist für die Aus-
stellung des Ausweises über die Eigenschaft als schwer-
behinderter Mensch, den Grad der Behinderung sowie ggf.
über weitere gesundheitliche Merkmale stellt durch einen
Rechtsanspruch sicher, dass die Betroffenen zeitnah ihren
Schwerbehindertenausweis erhalten.

Zu Artikel 2

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.
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Begründung

A. Allgemeines

Die sehr langen Bearbeitungszeiten bei Anträgen auf Aus-
stellung eines Ausweises über die Eigenschaft als schwer-
behinderter Mensch stellen eine Diskriminierung von Men-
schen mit Behinderungen dar, welche dadurch an ihrer vol-
len Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehindert werden.
Der Schwerbehindertenausweis ist als Nachweis notwendig,
um z. B. Nachteilsausgleiche wie Vergünstigungen bei der
Besteuerung des Einkommens in Anspruch nehmen zu kön-
nen sowie den Nachweis des Bestehens des besonderen
Kündigungsschutzes zu erleichtern. Dieses Problem wird
bisher nicht gelöst, weil keiner der politischen Akteurinnen
und Akteure Verantwortung übernimmt. Die Bundesregie-
rung lehnt eine gesetzliche Neuregelung der Fristen ab und
sieht den Handlungsbedarf bei den Bundesländern. Diese

gemäß Artikel 4 („Allgemeine Verpflichtungen“) „[…] alle
geeigneten Maßnahmen einschließlich gesetzgeberischer
Maßnahmen zur Änderung oder Aufhebung bestehender
Gesetze, Verordnungen, Gepflogenheiten und Praktiken zu
treffen, die eine Diskriminierung von Menschen mit Behin-
derungen darstellen […]“ sowie „[…] Handlungen oder
Praktiken, die mit diesem Übereinkommen unvereinbar
sind, zu unterlassen und dafür zu sorgen, dass die staat-
lichen Behörden und öffentlichen Einrichtungen im Ein-
klang mit diesem Übereinkommen handeln […]“.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1

Zu Nummer 1

t mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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