BT-Drucksache 17/6302

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Absicherung des Wiederausstiegs aus der Atomenergie in Artikel 20a)

Vom 28. Juni 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6302
17. Wahlperiode 28. 06. 2011

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Jürgen Trittin, Volker Beck (Köln), Cornelia Behm,
Harald Ebner, Hans-Josef Fell, Bettina Herlitzius, Bärbel Höhn, Ingrid Hönlinger,
Dr. Anton Hofreiter, Memet Kilic, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer,
Stephan Kühn, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Ingrid Nestle,
Dr. Konstantin von Notz, Friedrich Ostendorff, Dr. Hermann Ott, Claudia Roth
(Augsburg), Dorothea Steiner, Markus Tressel, Daniela Wagner, Wolfgang Wieland,
Dr. Valerie Wilms, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Absicherung des Wiederausstiegs aus der Atomenergie in Artikel 20a)

A. Problem

Nach der Atomkatastrophe von Fukushima bildet sich der breite gesellschaft-
liche Konsens, dass die Nutzung der Atomenergie zu Zwecken der Strom-
erzeugung – wegen der damit verbunden elementaren Risiken – nicht zu vertre-
ten ist, nunmehr auch im Deutschen Bundestag ab. Damit ist in einer für unser
Gemeinwesen grundlegenden Frage Übereinstimmung hergestellt. Ein derarti-
ger Konsens in einer so bedeutsamen Grundsatzfrage sollte sich auch im Grund-
gesetz widerspiegeln.

B. Lösung

Der Entwurf konkretisiert das verfassungsrechtliche Gebot, die natürlichen Le-
bensgrundlagen auch in der Verantwortung für künftige Generationen zu schüt-
zen (Artikel 20a), dahin, dass die Nutzung der Atomkraft zur Energiegewinnung
spätestens zum 31. Dezember 2022 zu beenden ist. Damit wird der Ausstieg aus
der Atomenergie verfassungsrechtlich abgesichert. Dabei wird bewusst als äu-
ßerstes Enddatum der Termin gesetzt, den die Koalitionsfraktionen der CDU/
CSU und FDP vorgeschlagen haben, auch wenn die antragstellende Fraktion ei-
nen schnelleren Ausstieg aus der Atomengerie für notwendig, wünschenswert
und machbar hält. Eine Zustimmung zu dem Gesetzentwurf sichert den Atom-
konsens für die Zukunft auf der Ebene der Verfassung ab. Die Regelung schafft
damit auch für die Wirtschaft Sicherheit über die energiepolitischen Ziele.

C. Alternativen

Die Fraktion DIE LINKE. hat gleichfalls einen Gesetzentwurf zur grundgesetz-
lichen Verankerung des Atomausstiegs vorgelegt (Bundestagsdrucksache
17/5474). Dieser kann ein hier gewünschtes Ziel – Absicherung des konkreten
Atomkonsenses – schon deshalb nicht erreichen, weil er kein festes Enddatum

Drucksache 17/6302 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

für die Nutzung der Atomkraft setzt, sondern diese Entscheidung dem einfachen
Gesetzgeber überlässt.

D. Kosten

Keine.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6302

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Absicherung des Wiederausstiegs aus der Atomenergie in Artikel 20a)

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen; Artikel 79 Absatz 2 des
Grundgesetzes ist eingehalten:

Artikel 1

Änderung des Grundgesetzes

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in
der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1,
veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Ar-
tikel 1 des Gesetzes vom 21. Juli 2010 (BGBl. I S. 944)
geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Artikel 20a wird wie folgt geändert:

a) Der Wortlaut wird Absatz 1.

b) Folgender Absatz 2 wird angefügt:

„(2) Die Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeu-
gung ist untersagt.“

2. Nach Artikel 143d wird folgender Artikel 143e einge-
fügt:

„Artikel 143e

[Übergangsvorschrift zum Atomausstieg]

Abweichend von Artikel 20a Absatz 2 ist die Nutzung
der Kernenergie zur Stromerzeugung im Rahmen einer
geordneten Beendigung längstens bis zum 31. Dezember
2022 zulässig.“

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 28. Juni 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Drucksache 17/6302 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines

Nach der bisher geltenden Fassung des Artikels 20a des
Grundgesetzes (GG) hat der Staat in der Verantwortung für
künftige Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu
schützen. Nach der Katastrophe von Fukushima dürfte das
Verständnis dieser Bestimmung in der Bevölkerung weit
überwiegend dahin gehen, dass sich damit eine weitere Nut-
zung der Atomkraft nicht verträgt. Dieser Konsens sollte
auch in der Verfassung selbst zum Ausdruck kommen. Damit
wird sichergestellt, dass der Ausstieg aus dem Wiederein-
stieg für die Zukunft gesichert ist.

Die Regelung schafft damit auch für die Wirtschaft Sicher-
heit über die energiepolitischen Ziele.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1

Nummer 1 (Artikel 20a)

Die Bestimmung sichert den Atomausstieg verfassungs-
rechtlich ab, in dem sie die Nutzung der Atomenergie zu
Zwecken der Stromerzeugung verbietet (zur Übergangsrege-
lung siehe Nummer 2). Etwa auf Forschungsreaktoren ist die
Regelung nicht anwendbar. Stromerzeugung ist nicht vorran-
giges Ziel dieser Anlagen. Hinzuweisen ist allerdings darauf,
dass es dem (einfachen) Bundesgesetzgeber unbenommen
bleibt, in Ausübung seiner Gesetzgebungsbefugnis weitere
Nutzungen der Atomenergie zu untersagen oder auch einen
schnelleren Atomausstieg vorzusehen.

Eine gesonderte Änderung der ausschließlichen Gesetzge-
bungskompetenz des Bundes in Artikel 73 Absatz 1 Num-
mer 14 GG ist nicht notwendig. Die Gesetzgebungskompe-
tenz ist begrenzt durch das Verbot in Artikel 20a GG. Eine
Begrenzung der Gesetzgebungskompetenz in Artikel 73 Ab-
satz 1 Nummer 14 würde im Übrigen die Frage nahelegen,
ob ansonsten die Gesetzgebungsbefugnis auf die Länder
übergehen soll (also etwa für einen Wiedereinstieg); vgl. Ar-
tikel 70 GG. Entsprechend der Funktion des Artikels 72 ff.
GG (Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen von Bund
und Ländern) ist daher die Begrenzung der Gesetzgebungs-
befugnis nicht in dieser selbst zum Ausdruck zu bringen.

Zu Nummer 2 (Artikel 143e)

Die Übergangsvorschrift bestimmt das Enddatum für den
Betrieb von Atomkraftwerken zur gewerblichen Stromer-
zeugung.

Zu Artikel 2

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.