BT-Drucksache 17/5634

Auswirkungen von Einkommensteuervergünstigungen

Vom 19. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5634
17. Wahlperiode 19. 04. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann,
Lisa Paus, Birgitt Bender, Priska Hinz (Herborn), Sven-Christian Kindler,
Maria Klein-Schmeink, Beate Müller-Gemmeke, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Auswirkungen von Einkommensteuervergünstigungen

Vergünstigungen, die Steuerpflichtigen nach dem Einkommensteuergesetz
(EStG) gewährt werden, bedeuten erhebliche Mindereinnahmen für den Staats-
haushalt. Allein die Steuermindereinnahmen durch die 20 größten Steuerver-
günstigungen beliefen sich laut Zweiundzwanzigster Subventionsbericht der
Bundesregierung im Jahr 2010 auf ca. 15 Mrd. Euro. Dies entspricht knapp
0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Dabei handelt es sich jedoch lediglich
um Schätzungen und nicht um die tatsächlichen Steuermindereinnahmen. An-
gesichts der nach wie vor steigenden Staatsverschuldung ist es im Interesse
aller, Einkommensteuervergünstigungen so zielgenau, gerecht und effizient wie
möglich zu gewähren und daher die Auswirkungen der gegenwärtigen Vergüns-
tigungen zu analysieren.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die tatsächlichen Steuer-
mindereinnahmen der laut Zweiundzwanzigster Subventionsbericht der
Bundesregierung 20 größten Einkommensteuervergünstigungen für den
Zeitraum seit dem Jahr 2000, und wie hoch war jeweils für die einzelnen
Vergünstigungen die gesamte Minderung des zu versteuernden Einkommens
(bitte tabellarische Darstellung des § 3 Nummer 26, 39, 70, der §§ 3b, 4h,
5a, 7g Absatz 1 bis 6, der §§ 7h, 7i, 8 Absatz 3, der §§ 10a, 13 Absatz 3,
§ 16 Absatz 4, § 18 Absatz 3, der §§ 20, 34 Absatz 3, der §§ 35a, 37b
Absatz 1, § 41a Absatz 4 EStG)?

2. Bei welchen der in Frage 1 genannten 20 größten Einkommensteuersubven-
tionen sieht die Bundesregierung Reformbedarf, und mit welcher Begrün-
dung?

3. Für welche der in Frage 1 genannten 20 größten Einkommensteuersubventio-
nen prüft die Bundesregierung zurzeit Modifikationen, ohne bislang konkreten
Reformbedarf ermittelt zu haben, und welche Modifikationen werden geprüft?

4. Für welche der in Frage 1 genannten 20 größten Einkommensteuersubventio-
nen liegen der Bundesregierung Berechnungen über Mitnahmeeffekte oder
deren Potentiale vor, und welche Höhe haben diese?

5. Einer Änderung oder Abschaffung welcher der in Frage 1 genannten 20
größten Einkommensteuersubventionen stehen aus Sicht der Bundesregie-
rung verfassungsrechtliche Bedenken entgegen, und vor welchem Hinter-
grund begründet sie diese Einschätzung?

Drucksache 17/5634 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Anzahl der
Übungsleiter, Ausbilder und Erzieher vor, die im Zeitraum seit dem Jahr
2000 nach § 3 Nummer 26 EStG (sog. Übungsleiterpauschale) begünstigt
wurden?

7. Wie verteilt sich die Minderung des gesamten zu versteuernden Einkom-
mens aufgrund von § 3 Nummer 26 EStG auf Steuerpflichtige nach Ein-
kommensgruppen (nach zu versteuerndem Einkommen oder Gesamtbetrag
der Einkünfte)?

8. Wie bewertet die Bundesregierung Presseberichte, nach denen der § 3
Nummer 26 EStG missbräuchlich in Anspruch genommen wird (vgl. etwa
„Hauptsache billig, billig, billig“, stern, 13. Januar 2011), und welchen
Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung vor diesem Hintergrund?

9. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über Anzahl und Inhalt
missbräuchlicher Nutzungen des § 3 Nummer 26 EStG vor?

10. Nach welche Kriterien wird von der Finanzverwaltung die rechtmäßige In-
anspruchnahme des § 3 Nummer 26 EStG geprüft, und auf welche Höhe
belaufen sich die aggregierten Bürokratiekosten der Finanzverwaltung für
die Prüfungen?

11. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über die Anzahl Steuer-
pflichtiger vor, die die Begünstigung des § 3 Nummer 39 EStG in An-
spruch nehmen?

12. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung bereits jetzt über die Wir-
kungen der Änderung des § 3 Nummer 39 EStG im Gesetz zur Umsetzung
steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften
vor, wie veränderte sich durch das Gesetz die Gesamtzahl der begünstigten
Steuerpflichtigen, und wie hoch ist die Anzahl derer, die durch Entgeltum-
wandlung von der Regelung profitieren?

Falls der Bundesregierung noch keine Erkenntnisse vorliegen, wann ge-
denkt sie die Neuregelung des § 3 Nummer 39 EStG zu evaluieren?

13. Wie begründet die Bundesregierung die unterschiedlich hohen Zuschlags-
sätze, die noch steuerbegünstigt sind, für Sonntags-, Feiertags- und Nacht-
arbeit in § 3b EStG?

Kommt es in der Umsetzung der Norm hier zu Abgrenzungsproblemen?

14. Wie bewertet die Bundesregierung für die Steuerbegünstigung nach § 3b
EStG die Ergebnisse des Gutachtens „Evaluierung von Steuervergünsti-
gungen“ des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Univer-
sität zu Köln vom Herbst 2009?

Welchen Änderungsbedarf sieht die Bundesregierung, und wann gedenkt
sie hierzu tätig zu werden?

15. Welche Untersuchungen liegen der Bundesregierung vor, wie die Steuer-
mindereinnahmen aufgrund des § 3b EStG gesenkt werden könnten, ohne
die betroffenen Arbeitnehmer schlechter zu stellen?

16. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie hoch die Minder-
einnahmen der Sozialversicherungssysteme sind, die sich durch § 3b EStG
ergeben?

17. Wann wird die Bundesregierung den angekündigten Bericht zur Evaluie-
rung der Zinsschranke (vgl. u. a. Bundestagsdrucksache 17/2696) vorlegen?

18. Welche steuerlichen Effekte hatte die Anhebung der Zinsschranken-Frei-
grenze auf 3 Mio. Euro nach § 4h EStG seit dem Jahr 2008, und welche
Auswirkungen hatte die Änderung auf die Zahl der betroffenen Unterneh-
men nach Größenklassen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5634

19. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor, in welcher Höhe der
Bürokratieaufwand durch die Erhöhung der Zinsschranken-Freigrenze auf
3 Mio. Euro gemäß § 4h EStG verringert wurde?

20. Welches Modell und welche Annahmen legt die Bundesregierung bei ihrer
Berechnung der Einnahmeausfälle aus der sogenannten Tonnagebesteue-
rung nach § 5a EStG in Höhe von 500 Mio. Euro im Jahr 2008 (vgl. Ein-
undzwanzigster Subventionsbericht) zugrunde, und in welcher Höhe wur-
den Einnahmeausfälle für die danach folgenden Jahre veranschlagt?

21. Wie steht die Bundesregierung zur Tatsache, dass die „Tonnagesteuer“ ge-
mäß § 5a EStG auch private Kapitalanleger von Schiffsfondsgesellschaften
begünstigt?

22. Wie steht die Bundesregierung zu dem in der Wissenschaft geäußerten Vor-
schlag, die Inanspruchnahme der „Tonnagebesteuerung“ an das Führen der
deutschen Flagge zu knüpfen?

23. Inwiefern wirkt sich nach Ansicht der Bundesregierung der § 7g EStG
(Investitionsabzugsbeträge und Sonderabschreibungen zur Förderung klei-
ner und mittlerer Betriebe) positiv auf die Wirtschaftstätigkeit in Deutsch-
land aus?

24. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Effekte der zu
beobachtenden Praxis von Großunternehmen vor, der Größenbeschränkung
nach § 7g Absatz 1 Nummer 1 EStG auszuweichen, indem kleinere Inves-
titions-GmbH & Co. KGs gegründet werden?

25. Sieht die Bundesregierung angesichts der zu beobachtenden Praxis von
Großunternehmen, der Größenbeschränkung nach § 7g Absatz 1 Nummer 1
EStG auszuweichen, indem kleinere Investitions-GmbH & Co. KGs ge-
gründet werden, Reformbedarf bei dieser Norm, und wenn nein, warum
nicht?

26. Wie überprüft die Finanzverwaltung in der Praxis die Tatbestandsvoraus-
setzung, dass eine Investition nach § 7g Absatz 1 Nummer 2 EStG auch
tatsächlich beabsichtigt wird?

27. Wie steht die Bundesregierung zu der in der Wissenschaft geäußerten Mei-
nung, dass bei gesetzeskonformer Auslegung der Sonderabschreibungs-
regel des § 7g Absatz 5 und 6 EStG Existenzgründer mangels eines Vor-
jahrs nicht in den Genuss der Abschreibung kommen, und wie werden
Existenzgründer steuerrechtlich in der Praxis gehandhabt?

28. Welche Alternativen zu einer Steuervergünstigung sieht die Bundesregie-
rung, um die Förderziele des § 7i EStG anderweitig zu erreichen?

29. Wie viele sogenannte Riester-Verträge wurden seit der Einführung der
§§ 10a und 79 ff. EStG (Zusätzliche Altersvorsorge) geschlossen?

30. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor, wie sich jeweils die
Zulagenförderung des § 79 ff. EStG und die steuerliche Förderung im
Rahmen des § 10a EStG auf verschiedene Einkommensgruppen der Bevöl-
kerung verteilt?

31. Wie bewertet die Bundesregierung Studien (vgl. u. a. Corneo/Keese/Schrö-
der: Erhöht die Riester-Förderung die Sparneigung von Geringverdienern,
2007), die zu dem Ergebnis kommen, dass durch die Riester-Förderung
insbesondere Mitnahmeeffekte entstanden sind, die Spartätigkeit insgesamt
aber kaum angeregt werden konnte?

32. Wie hoch waren die Steuermindereinnahmen infolge der Einführung der
nachgelagerten Besteuerung der Altersversorgung für den Zeitraum seit
dem Jahr 2000?

Drucksache 17/5634 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
33. Befürwortet die Bundesregierung eine weitere Änderung der Höhe des
Freibetrags für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13
Absatz 3 EStG, und wenn nein, warum nicht?

34. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Effekte des § 16
Absatz 4 EStG (Freibetrag für Gewinne aus Betriebsveräußerungen) in Be-
zug auf die Erreichung des Normzwecks vor, und hält sie diese Steuerver-
günstigung vor diesem Hintergrund für gerechtfertigt?

35. Liegen der Bundesregierung Untersuchungen vor, in welchem Maße steu-
erfreie Veräußerungsgewinne nach § 16 Absatz 4 EStG für die private Al-
tersversorgung genutzt werden?

36. Wie viele Steuerpflichtige hatten in den Jahren seit 2000 Kapitaleinkünfte
unterhalb des Sparer-Pauschbetrags von 801 Euro gemäß § 20 EStG?

37. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor, inwiefern die Förde-
rung der Spartätigkeit von Steuerpflichtigen mit geringen Einkünften durch
§ 20 EStG erfolgreich ist?

38. Haben sich die bestehenden Regelungen, um einen Missbrauch von Frei-
stellungsaufträgen zu verhindern, aus Sicht der Bundesregierung bewährt,
bzw. welchen Änderungsbedarf sieht die Bundesregierung hier?

39. Welche Bürokratiekosten entstehen durch den Sparer-Pauschbetrag und die
Praxis der Freistellungsaufträge?

40. Über welche empirischen Ergebnisse verfügt die Bundesregierung zur
Frage der Begünstigung einzelner Einkommensgruppen aufgrund des Spa-
rer-Pauschbetrags?

41. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor, in welchem Maße
die nach § 34 Absatz 3 EStG steuerbegünstigten Veräußerungsgewinne von
den Begünstigten für die private Altersvorsorge genutzt werden?

42. Sieht die Bundesregierung Reformbedarf bei der steuerlichen Begünsti-
gung von Veräußerungsgewinnen nach § 34 Absatz 3 EStG, und wenn
nein, warum nicht?

43. Wie bewertet die Bundesregierung den „Bericht nach § 99 BHO über die
Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerker-
leistungen nach § 35a EStG“ des Bundesrechnungshofes vom 1. Februar
2011, und sieht die Bundesregierung vor diesem Hintergrund Reformbe-
darf bei dieser Norm?

44. Wie will die Bundesregierung in Zukunft Doppelförderungen im Zusam-
menhang mit § 35a Absatz 3 EStG verhindern?

45. Inwiefern sieht die Bundesregierung positive Effekte des § 35a Absatz 3
EStG in Bezug auf das Ziel der Bekämpfung von Schwarzarbeit, und
liegen ihr hierzu empirische Erkenntnisse vor?

46. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor, um welchen Betrag
der Bürokratieaufwand durch die Pauschalisierung nach § 37b Absatz 1
i. V. m. § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 EStG (begrenzte Abzugsfähigkeit
der Aufwendungen für Geschenke) verringert wurde?

Berlin, den 19. April 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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