BT-Drucksache 17/5606

Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage

Vom 18. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5606
17. Wahlperiode 18. 04. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Lisa Paus, Dr. Gerhard
Schick, Fritz Kuhn, Kerstin Andreae, Manuel Sarrazin, Alexander Bonde,
Sven-Christian Kindler, Maria Klein-Schmeink, Claudia Roth (Augsburg),
Christine Scheel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage

Die Europäische Kommission legte am 16. März 2011 einen Richtlinienvor-
schlag für eine Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungs-
grundlage (GKKB) vor.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Berechnung der Steuerbemessungs-
grundlage?

2. Welche konkreten Änderungen ergeben sich durch den vorliegenden Vor-
schlag der EU-Kommission im Vergleich zum deutschen Bilanzsteuerrecht?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung die vorgesehene Steuerfreiheit der Ein-
künfte aus einer Betriebsstätte in einem Drittland, bzw. die Möglichkeit des
Übergangs zur Anrechnungsmethode nur für den Fall, dass das Drittland
einen Körperschaftsteuersatz von weniger als 40 Prozent des EU-Durch-
schnitts aufweist?

4. Wie bewertet es die Bundesregierung, dass nur Wirtschaftsgüter mit einem
Wert von über 1 000 Euro als Anlagevermögen klassifiziert und damit über
die Zeit abgeschrieben werden, und welche steuerlichen Mindereinnahmen
würden sich gegenwärtig in Deutschland bei Körperschaftsteuer, Einkom-
mensteuer und Gewerbesteuer ergeben, wenn man auch in Deutschland eine
generelle Sofortabschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern mit
einem Wert von weniger als 1 000 Euro einführen würde, und wie würden
sich diese Mindereinnahmen über die Zeit verändern?

5. Wie bewertet die Bundesregierung die vorgeschlagene Abschreibung über
einen Sammelposten, und welche steuerlichen Minder- oder Mehreinnahmen
würden sich gegenwärtig in Deutschland bei Körperschaftsteuer, Einkom-
mensteuer und Gewerbesteuer durch eine analoge Regelung ergeben, und wie
würden sich diese Mindereinnahmen über die Zeit verändern?
6. Wie bewertet die Bundesregierung den vorgesehenen unbegrenzten Verlust-
vortrag im Vergleich mit der deutschen Mindestgewinnbesteuerung, und wel-
che steuerlichen Mindereinnahmen würden sich durch die Übernahme einer
solchen Regelung in Deutschland bei Körperschaftsteuer, Einkommensteuer
und Gewerbesteuer ergeben, und wie würden sich diese Mindereinnahmen
über die Zeit verändern?

Drucksache 17/5606 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

7. Wie beurteilt die Bundesregierung die vorgesehenen Regelungen zur Dauer
einer Gruppe und zum Ein- und Austritt aus der Gruppe?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die Regelungen zur Umstrukturierung
einer Gruppe, auch im Vergleich mit dem deutschen Recht?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung die Einführung einer allgemeinen Miss-
brauchsregelung?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Regelung zur Nichtanerkennung von
Zinszahlungen an verbundene Unternehmen in Drittländern auch im Ver-
gleich mit der deutschen Zinsschranke?

Hält sie insbesondere die dort festgelegten 40 Prozent des durchschnitt-
lichen EU-Körperschaftsteuersatzes für ausreichend?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung die Einbeziehung von Gewinnen von
verbundenen Unternehmen in Drittstaaten, und hält sie die dafür festgeleg-
ten Voraussetzungen für ausreichend?

12. Inwiefern hat die GKKB nach Auffassung der Bundesregierung Auswir-
kungen auf die nationalen Rechnungslegungsvorschriften?

13. Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund der deutschen
Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz den Vorschlag der
EU-Kommission, die nationalen Rechnungslegungsvorschriften unverän-
dert zu belassen und für die Zwecke der GKKB lediglich das Steuerbilanz-
recht zu verändern?

14. Wie bewertet die Bundesregierung die Qualifikationsanforderungen für das
Bilden einer Gruppe, und wie viele deutsche Gesellschaften erfüllen diese
Anforderungen derzeit?

Wie viele innerdeutsche Gruppen könnten im Vergleich zur deutschen Or-
ganschaft gebildet werden, und wie viele Organschaften existieren derzeit
in Deutschland?

15. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, wie viele
Tochtergesellschaften deutscher Unternehmen in der EU existieren, die die
Qualifikationsanforderungen für eine Gruppe nach der Richtlinie erfüllen
würden?

Wie viele Tochtergesellschaften von EU-Konzernen in Deutschland erfül-
len umgekehrt die Qualifikationsanforderungen?

Wie viele der bislang gebildeten innerdeutschen Organschaften können bei
einem Übergang zur GKKB ausländische Tochtergesellschaften in die
Gruppe aufnehmen?

16. Bevorzugt die Bundesregierung eine fakultative oder eine obligatorische
GKKB für Unternehmen, die die Qualifikationsanforderungen erfüllen
(bitte mit Begründung)?

17. Wie beurteilt die Bundesregierung die Wirkungen der GKKB, in Bezug auf
Verhinderung der Gewinnverlagerung zwischen den Mitgliedstaaten und
Steuergestaltung, wenn die GKKB nur fakultativ und nicht obligatorisch
ist?

18. Welche Argumente sprechen nach Meinung der Bundesregierung für die
Einführung einer obligatorischen GKKB?

19. Wäre es nach Einschätzung der Bundesregierung möglich, eine GKKB ein-
zuführen, die nur für Unternehmen mit ausländischen Tochtergesellschaf-
ten, die die Qualifikationsanforderungen erfüllen, obligatorisch ist, für rein

deutsche Gruppen jedoch fakultativ?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5606

20. Inwiefern sieht die Bundesregierung durch die Einführung einer fakultati-
ven GKKB die Gefahr einer weiteren Steueroptimierung internationaler
Konzerne und damit von Steuermindereinnahmen?

21. Welche Auswirkungen sieht die Bundesregierung bei einer Einführung der
GKKB auf die deutsche Gewerbesteuer?

22. Welche Auswirkungen hätte die GKKB auf die Hinzurechnungen und Kür-
zungen in der Gewerbesteuer für

a) Unternehmen, die für die GKKB optieren und

b) für alle anderen Unternehmen?

23. Als nicht abziehbare Steuern ist in Anlage III des Richtlinienentwurfs für
Deutschland die Gewerbesteuerumlage, nicht aber die vollständige Gewer-
besteuer genannt, wie bewertet die Bundesregierung diesen Umstand?

24. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung der Konsolidierung der ge-
meinsamen Bemessungsgrundlage bei?

25. Bevorzugt die Bundesregierung das Konzept der GKKB oder der GKB
(d. h. ohne Konsolidierung), und wenn ja, warum?

26. Welche Chancen und Schwierigkeiten sieht die Bundesregierung bei der
Konsolidierung der gemeinsamen Bemessungsgrundlage?

27. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aufteilung der konsolidierten Steuer-
bemessungsgrundlage nach der vorgeschlagenen Formel von einem Drittel
Umsatz, einem Drittel Arbeit (Lohnsumme und Beschäftigte) und einem
Drittel Vermögenswerte?

28. Stimmt die Bundesregierung der Aufteilung und der Zusammensetzung der
jeweiligen Faktoren zu?

29. Inwiefern erwartet die Bundesregierung negative Auswirkungen auf das
Steueraufkommen in Deutschland durch die Aufteilung der konsolidierten
Bemessungsgrundlage?

30. Inwiefern stellt der Faktor „Umsatz“ nach dem Bestimmungsortprinzip bei
der Aufteilung der Bemessungsgrundlage eine besondere Herausforderung
für die Exportnation Deutschland dar?

31. Inwiefern wird die Berücksichtigung der Anzahl der Beschäftigten neben
der Berücksichtigung der Lohnsumme für die Aufteilung der Bemessungs-
grundlage mit Ländern mit einem geringeren Lohnniveau als Problem für
den deutschen Anteil an der gemeinsamen Bemessungsgrundlage angese-
hen?

32. Inwiefern beabsichtigt die Bundesregierung zusätzlich zur GKKB eine Har-
monisierung der Körperschaftsteuersätze in der EU anzustreben?

33. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag eines Mindestkörper-
schaftsteuersatzes in der EU, und wie hoch sollte dieser Mindestsatz nach
Auffassung der Bundesregierung mindestens sein?

34. Wie bewertet die Bundesregierung die Überlegungen der EU-Kommission
für die Finanzierung des EU-Haushalts eigene Steuerkompetenzen der EU,
als Ersatz für nationale Beiträge, einzuführen, und wie beurteilt die Bundes-
regierung diese Überlegungen speziell hinsichtlich der Körperschaftsteuer?

35. Welche internationalen Maßnahmen zur Bekämpfung des schädlichen Steu-
erwettbewerbs zwischen den Mitgliedstaaten erachtet die Bundesregierung
für sinnvoll?
36. Wie bewertet die Bundesregierung Schätzungen über das Ausmaß von
Gewinnverlagerung (z. B. Heckemyer/Spengel (2008): Ausmaß der Ge-

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winnverlagerung multinationaler Unternehmen – empirische Evidenz und
Implikationen für die deutsche Steuerpolitik), und welchen Beitrag erwartet
sie sich hier jeweils von einer fakultativen bzw. einer optionalen GKKB und
welchen von einer GKB?

37. Welche nationalen Maßnahmen zur Bekämpfung des schädlichen Steuer-
wettbewerbs zwischen den Mitgliedstaaten erachtet die Bundesregierung
für sinnvoll?

38. Welche Auswirkungen durch die GKKB sieht die Bundesregierung auf die
unterschiedlichen Gesellschaftsformen in Deutschland, da lediglich Kapi-
talgesellschaften, nicht jedoch Personengesellschaften die GKKB in An-
spruch nehmen können?

39. Wie viele Unternehmen bzw. Konzerne würden nach Einschätzung der
Bundesregierung für die GKKB in der vorliegenden Form optieren (bitte
differenzieren auch nach Größe und Branche der Unternehmen)?

40. Inwiefern ist der vorliegende Vorschlag auch attraktiv für kleine und mitt-
lere Unternehmen in Deutschland oder lediglich für große Konzerne?

41. Wie schätzt die Bundesregierung die Entwicklung des bürokratischen Auf-
wands für Unternehmen durch die Einführung der fakultativen GKKB ein?

42. Wie beurteilt die Bundesregierung den Aufwand für die deutschen Steuer-
verwaltungen für sowohl die Umstellung auf eine fakultative GKKB als
auch die dauerhafte Bearbeitung einer zusätzlichen Art der steuerlichen Be-
messungsgrundlage?

43. Inwiefern sieht die Bundesregierung es als sinnvoll an, eine einzige zentrale
Zuständigkeit in der Steuerverwaltung für solche Unternehmensgruppen zu
schaffen, die der GKKB unterliegen?

44. Wie beurteilt die Bundesregierung das Konzept der „einzigen Anlauf-
stelle“?

45. Inwiefern sieht die Bundesregierung Schwierigkeiten bei der Verteilung der
Steuereinnahmen auf die einzelnen Mitgliedstaaten in Bezug auf die Ge-
währleistung der Einhaltung gleicher Standards der Steuerbehörden in den
einzelnen Mitgliedstaaten der EU?

46. Inwiefern sieht die Bundesregierung angesichts der Verteilung der Bemes-
sungsgrundlage mittels einer Formelallokation, Anreizprobleme, bei der
Feststellung des Betriebsergebnisses von europäischen Gruppen, für die
nationalen Steuerverwaltungen?

47. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Steuerausfälle bei einer Einfüh-
rung der GKKB für die deutschen Steuerbehörden durch

a) Verlustverrechnungsmöglichkeiten, steuerliche Absetzbarkeit von For-
schungs- und Entwicklungskosten etc. und

b) die Aufteilung auf die Mitgliedstaaten nach den vorgeschlagenen Krite-
rien?

48. Ob es zu Steuerausfällen kommt hängt laut der Europäischen Kommission
davon ob, inwiefern die Mitgliedstaaten Anpassungen bei der Kombination
verschiedener Instrumente im Steuerbereich oder bei den Steuersätzen vor-
nehmen, welche Einschätzungen und Pläne hat die Bundesregierung dies-
bezüglich?

49. Wie beurteilt die Bundesregierung die Steuergestaltung über Verrechnungs-
preise in Zusammenhang mit einer möglichen Einführung einer GKKB?
50. Wie beurteilt die Bundesregierung die Verrechnungspreise als Mittel für
Steuergestaltung für deutsche Unternehmen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/5606

51. Wie groß schätzt die Bundesregierung die Steuerausfälle für die deutschen
Steuerbehörden aufgrund von Verrechnungspreisgestaltung?

52. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher ergriffen oder plant sie
zu ergreifen, um der Steuergestaltung über Verrechnungspreise den Riegel
vorzuschieben?

53. Hat Deutschland z. B. seine Zahl der Betriebsprüfer dafür erhöht oder die
Dokumentationspflichten verschärft?

54. Wie schätzt die Bundesregierung die Chancen ein, mit der GKKB Steuer-
gestaltung z. B. über Verrechnungspreise oder Kreditfinanzierung zu be-
kämpfen?

Inwiefern hängt die Einschätzung zu dieser Frage davon ab, ob die GKKB
fakultativ oder obligatorisch eingeführt wird?

55. Inwiefern ändern sich die Chancen der Bekämpfung der Steuergestaltung,
wenn es statt der GKKB nur zu einer GKB kommt, die Konsolidierung also
wegfällt?

56. Welche Erleichterungen bei den Verrechnungspreisen würden sich für Un-
ternehmen ergeben, wenn es nur zu einer GKB kommen würde?

57. Inwiefern sieht die Bundesregierung die Vereinheitlichung der DBA-Politik
(DBA: Doppelbesteuerungsabkommen) der EU-Staaten gegenüber Dritt-
staaten als notwendige Konsequenz aus einer Einführung der GKKB?

58. Hält die Bundesregierung, ungeachtet ihrer Einschätzung zur Notwendig-
keit einer gemeinsamen DBA-Politik, eine solche für wünschenswert?

59. Welche Auswirkung hätte nach Meinung der Bundesregierung die Einfüh-
rung der GKKB auf die Beschäftigung in Deutschland?

60. Welche Zielsetzung und welchen Zeitplan hat die Bundesregierung für den
weiteren Abstimmungsprozess in den Ratsarbeitsgruppen?

61. Wann rechnet die Bundesregierung mit einer Abstimmung im Rat über die
GKKB?

62. Hält die Bundesregierung auch die Einführung der GKKB durch eine
Gruppe von Mitgliedstaaten für sinnvoll?

63. Welche Positionen hinsichtlich der Ausgestaltung der gemeinsamen Be-
messungsgrundlage vertritt die Bundesregierung in den Ratsarbeitsgrup-
pen?

Welche Ausgestaltungsvorschläge der EU-Kommission werden von der
Bundesregierung kritisch bewertet?

Berlin, den 15. April 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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