BT-Drucksache 17/542

Entwurf eines Gesetzes zur Streichung des Optionszwangs aus dem Staatsangehörigkeitsrecht

Vom 27. Januar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/542
17. Wahlperiode 27. 01. 2010

Gesetzentwurf

der Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln),
Kai Gehring, Ingrid Hönlinger, Jerzy Montag, Dr. Konstantin von Notz,
WolfgangWieland und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes zur Streichung des Optionszwangs aus dem
Staatsangehörigkeitsrecht

A. Problem

Mit der Einführung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit durchGeburt
im Inland (§ 4 Absatz 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes – StAG) ist unter der
rot-grünen Bundesregierung ein entscheidender Schritt zur Anpassung des
Staatsangehörigkeitsrechtes an die Realitäten eines Einwanderungslandes getan
worden. Dieser wichtige Reformschritt ist jedoch mit einem entscheidenden
Mangel behaftet. Die betroffenen jungen Menschen werden mit Erreichen der
Volljährigkeit vor die Wahl gestellt, sich zwischen der deutschen und anderen
Staatsangehörigkeiten, die sie mit der Geburt über die Abstammung erworben
haben, zu entscheiden. Dies ist integrationspolitisch kontraproduktiv und verfas-
sungsrechtlich zumindest bedenklich. Überdies belastet es auch die Behörden
mit der Durchführung unsinniger und aufwändiger Verwaltungsverfahren.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass eine Streichung des Optionszwangs
Deutschland auf das normale europäische und internationale Niveau heben wür-
de, was sich auch daran zeigt, dass damit ein vonDeutschland erklärter Vorbehalt
zum Europäischen Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit entfallen
könnte. Selbst die schwarz-gelbe Bundesregierung scheint mit der derzeitigen
Optionsregelung nicht zufrieden zu sein. Laut Koalitionsvertrag sollen die Er-
fahrungen auf möglichen Verbesserungsbedarf hin überprüft und ggf. entspre-
chende Änderungsvorschläge erarbeitet werden.

B. Lösung

Streichung des Optionszwangs.

C. Alternativen

Eine Streichung des Erwerbsgrundes in § 4 Absatz 3 des Staatsangehörigkeits-
gesetzes, wie sie bisweilen vorgeschlagen wird, ist keine Alternative. Der Er-
werbsgrund wird dringend benötigt, damit im Einwanderungsland Deutschland
die Erwerbsregeln der Staatsangehörigkeit den Notwendigkeiten einer demo-
kratisch verfassten Gesellschaft entsprechen.

Drucksache 17/542 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

D. Kosten

Das Gesetz führt zu einer deutlichen Reduzierung von Bürokratiekosten, da Ver-
waltungsverfahren überflüssig werden und behördliche Registrierungen und
Speicherungen entfallen können.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/542

Entwurf eines Gesetzes zur Streichung des Optionszwangs aus dem
Staatsangehörigkeitsrecht

Vom…

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes

Das Staatsangehörigkeitsgesetz in der im Bundesgesetz-
blatt Teil III, Gliederungsnummer 102-1, veröffentlichten be-
reinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes
vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 158) geändert worden ist,
wird wie folgt geändert:

1. § 17 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) In Nummer 5 wird das Komma durch das Wort
„oder“ ersetzt.

bb) Die bisherige Nummer 6 wird gestrichen.

cc) Die bisherige Nummer 7 wird Nummer 6.

b) InAbsatz 2wird dieAngabe „7“ durch dieAngabe „6“
ersetzt.

2. § 29 wird gestrichen.

3. § 33 Absatz 2 Nummer 1 wird wie folgt gefasst:

„1. die Grundpersonalien des Betroffenen (Familienna-
me,Geburtsname, frühereNamen,Vorname, Tag und
Ort der Geburt sowie die Anschrift im Zeitpunkt der
Entscheidung),“.

4. § 34 wird gestrichen.

5. In § 38Absatz 2 Satz 4wird der demWort „Staatsangehö-
rigkeit“ folgende Satzteil wie folgt gefasst:

„nach § 30 Absatz 1 Satz 3 ist gebührenfrei.“

Artikel 2

Änderung des Passgesetzes

Das Passgesetz vom 19. April 1986 (BGBl. I S. 537), das
zuletzt durch Artikel 11 des Gesetzes vom 26. Februar 2008

(BGBl. I S. 215) geändert worden ist, wird wie folgt geän-
dert:

1. In § 5 wird der bisherige Absatz 5 gestrichen und der bis-
herige Absatz 6 wird Absatz 5.

2. In § 21 Absatz 2 wird am Ende der Nummer 15 das
Komma durch einen Punkt ersetzt und Nummer 16 gestri-
chen.

Artikel 3

Änderung des Personalausweisgesetzes

Das Personalausweisgesetz in der Fassung der Bekannt-
machung vom 21. April 1986 (BGBl. I S. 548), das zuletzt
durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2007 (BGBl. I
S. 1566) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In § 2 wird Absatz 1a gestrichen.

2. In § 2a wird das Komma am Ende der Nummer 4 durch
einen Punkt ersetzt und Nummer 5 gestrichen.

Artikel 4

Änderung desMelderechtsrahmengesetzes

Das Melderechtsrahmengesetz in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 19. April 2002 (BGBl. I S. 1342), das zu-
letzt durch Artikel 26b des Gesetzes vom 20. Dezember 2007
(BGBl. I S. 3150) geändert worden ist, wird wie folgt geän-
dert:

In § 2Absatz 2 wird Nummer 4 gestrichen und die bisherigen
Nummern 5 bis 8 werden die Nummern 4 bis 7.

Artikel 5

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 27. Januar 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Drucksache 17/542 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines

Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes durch die
rot-grüne Koalition war ein entscheidender gesellschafts-
politischer Fortschritt, mit dem das Recht an die elementaren
Notwendigkeiten eines Einwanderungslandes angepasst
wurde. Dies gilt insbesondere für die Einführung des
Erwerbs der Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland
(Ius Soli oder Geburtsrecht). Dieses Element ist unverzicht-
bar, weil es dafür sorgt, dass nicht zu vieleMenschen aus dem
Kreis der Staatsangehörigen ausgeschlossen bleiben, die zur
aktiven Teilnahme auch an allenWahlen berechtigt sind. Das
Geburtsrecht ist daher für die deutsche Demokratie unter den
Bedingungen eines Einwanderungslandes zwingend notwen-
dig.

Der Optionszwang, der von den Betroffenen verlangt, sich
mit der Volljährigkeit für eine Staatsangehörigkeit zu ent-
scheiden, ist jedoch zu streichen. Es ist integrationspolitisch
kontraproduktiv, Menschen, die von ihrer Geburt an Teil
dieser Gesellschaft sind, dazu zu zwingen, mit ihrer Volljäh-
rigkeit eine Entscheidung zu treffen, die ihre Zugehörigkeit
in Frage stellt. ImMoment sind zwar nur relativwenige junge
Menschen vom Optionszwang betroffen (Erwerb der Staats-
angehörigkeit nach § 40b StAG), aber schon bald werden je-
des weitere Jahr, in dem der Optionszwang gilt, circa 40 000
weitere Betroffene dazukommen (Erwerb nach § 4 Absatz 3
StAG). Es tickt mithin eine integrationspolitische Zeitbom-
be.

Darauf, dass die derzeitige Regelung als nicht unproble-
matisch gesehen wird, deutet auch der Koalitionsvertrag der
die derzeitige Bundesregierung tragenden Parteien hin, heißt
es doch dort: Die Erfahrungen mit den ersten „Optionsfällen
sollen auf möglichen Verbesserungsbedarf sowohl in verfah-
rens- als auch materiellrechtlicher Hinsicht überprüft und
ggf. entsprechende Änderungsvorschläge erarbeitet wer-
den.“

Die bisherige Optionsregelung ist auch unter Gesichtspunkten
der Gleichbehandlung problematisch. Bei anderen Staats-
angehörigen, die sich in einer vergleichbaren Situation befin-
den (z. B. Kinder, die aus binationalen Partnerschaften stam-
men), gibt es eine derartig bedingte Staatsangehörigkeit
nicht. Außerdem müssen Jugendliche aus den EU-Staaten
seit dem 28. August 2007 nicht mehr optieren, weil bei die-
sen die Mehrstaatigkeit regelmäßig hingenommen wird. Die
Regelung ist daher nicht nur in Hinblick auf den allgemeinen
Gleichheitssatz (Artikel 3 Absatz 1 GG) bedenklich, sondern
liegt zumindest in der Nähe – da sie an Abstammung und
Herkunft anknüpft – einesVerstoßes gegen die striktenDiffe-
renzierungsverbote des Artikels 3 Absatz 3 des Grundge-
setzes. Überdies hat das Bundesverfassungsgericht hervorge-
hoben, dass ein verbotener Entzug der Staatsangehörigkeit
(Artikel 16Absatz 1GG) vorliegen kann, wennMaßnahmen,
die zum Verlust der Staatsangehörigkeit führen, „die – für

den Einzelnen und für die Gesellschaft gleichermaßen be-
deutsame – Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche
Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit“ beeinträchti-
gen (Urteil des Zweiten Senats vom 24. Mai 2006 – 2 BvR
669/04). Der Optionszwang könnte wegen der dargelegten
unterschiedlichen Behandlung vergleichbarer Gruppen, aber
auchwegen der langen Schwebezeit (Betroffenewerden viel-
fach schon an Wahlen teilgenommen haben, bevor der Ver-
lust der Staatsangehörigkeit eintritt) durchaus als Beeinträch-
tigung dieser wichtigen Funktion der Staatsangehörigkeit zu
sehen sein.

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass kein Staat der Welt
– außer Deutschland – einen derartigen Optionszwang kennt,
obwohl viele Staaten Elemente des Ius Soli in ihrem Staats-
angehörigkeitsrecht nutzen. Deshalb musste Deutschland
einen Vorbehalt zumEuropäischenÜbereinkommen über die
Staatsangehörigkeit (BGBl. 2004 II Nr. 15, S. 579) erklären.
Insoweit sei daran erinnert, dass nach Artikel 29 des genann-
ten Abkommens die Staaten gehalten sind, einen Vorbehalt
zurückzunehmen, „sobald die Umstände dies zulassen“. Im
vorliegenden Fall gebieten diese Umstände, wie dargelegt,
den Optionszwang zu streichen und den Vorbehalt aufzuhe-
ben.

Anzumerken ist schließlich, dass weitere Änderungen im
Staatsangehörigkeitsrecht erforderlich sind, um insbesonde-
re die Einbürgerung zu erleichtern. An den entsprechenden
Forderungen, die die Antragsteller bereits im Deutschen
Bundestag zur Diskussion gestellt haben, wird festgehalten.
Der vorliegende Entwurf beschränkt sich jedoch auf die Be-
seitigung des Optionszwangs, da – angesichts des Wider-
sinns dieser Regelung – darauf zu hoffen ist, dass zumindest
über diese notwendige Maßnahme ein Konsens erzielt wer-
den kann.

B. Einzelbegründung

Die entscheidende Änderung stellt die Streichung des
Optionszwangs in § 29 StAG dar (Artikel 1 Nummer 2).

Bei den weiteren Änderungen in den Artikeln 1, 2, 3 und 4
handelt es sich um Folgeänderungen. Dabei ist darauf hinzu-
weisen, dass die Streichungen auch belegen, welcher Auf-
wand gegenwärtig von den Behörden wegen des Options-
zwangs betrieben wird. Besonders ist anzumerken, dass die
Antragsteller durch die Streichung in § 33 StAG (Artikel 1
Nummer 3) nicht die dort allgemein geregelte Datei als ge-
rechtfertigt anerkennen, da für die dort vorgesehene zentrale
Speicherung weiterhin kein Grund besteht. Die Antragsteller
wollten den vorliegenden Entwurf jedoch nicht mit der allge-
meinen Diskussion um dieses Register belasten.

Artikel 5 regelt das Inkrafttreten.

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