BT-Drucksache 17/5336

Modernisierung der Informationsfreiheit

Vom 1. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5336
17. Wahlperiode 01. 04. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Winfried Hermann, Bärbel Höhn,
Ingrid Hönlinger, Sven-Christian Kindler, Nicole Maisch, Dr. Hermann Ott,
Dr. Gerhard Schick, Dorothea Steiner, Josef Philip Winkler und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Modernisierung der Informationsfreiheit

Nunmehr liegt der zweite Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit des Bundes-
beauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) vor. Auch
im Jahr 2010 war das erste Informationsfreiheitsgesetz des Bundes aus dem Jahr
2006 für zahlreiche Bürgerinnen und Bürger die Grundlage für den Zugang zu
Informationen, der ihnen ohne dieses Gesetz verwehrt geblieben wäre. Der Be-
richt belegt aber auch, dass sich viele Behörden nach wie vor schwer damit tun,
den überkommenen Grundsatz einer alles erfassenden Amtsverschwiegenheit
zu überwinden und das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) angemessen umzuset-
zen. Den starken Willen der Bürgerinnen und Bürger, über die Wahrnehmung
des Wahlrechts hinaus gut informiert am politischen Leben aktiv teilzunehmen,
zeigen nicht nur Stuttgart 21 und die Veröffentlichung und Diskussion staat-
licher Dokumente auf WikiLeaks. Die Bedeutung der Informationsfreiheit als
Voraussetzung und Grundlage politischer Partizipation in der modernen Demo-
kratie ist in der jüngsten Zeit auch an vielen anderen Stellen deutlich geworden.
Die zeitgemäße Nutzung des Internets in einer modernen Demokratie ist eine
Herausforderung, der wir uns stellen müssen.

Die Haltung der Bundesregierung zum Thema Informationsfreiheit ist nach wie
vor unklar: Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP heißt es ledig-
lich: „Die Ansprüche des Verbrauchers auf Information werden in einem ein-
heitlichen Gesetz zur Regelung der Informationsansprüche des Bürgers zusam-
mengefasst.“ Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt jedoch bis heute
nicht vor. Die einzige erkennbare politische Linie der Bundesregierung im Hin-
blick auf die Informationsfreiheit scheint eine passive, den unbefriedigenden
Status quo tendenziell begünstigende Haltung.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Plant die Bundesregierung eine Neuregelung des Informationszugangs-
rechts?

a) Wenn ja, wann soll ein Gesetzentwurf vorgelegt werden?
b) Wenn ja, welche sind die wesentlichen Zielsetzungen der Bundesregie-
rung dabei?

c) Wenn nein, warum nicht?

d) Wie bewertet die Bundesregierung den Entwurf für ein Bürgerinforma-
tionsgesetz, den Greenpeace e. V., netzwerk recherche e. V. und die Deut-

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sche Gesellschaft für Informationsfreiheit e. V. am 21. Dezember 2010
vorgelegt haben?

e) Wie beurteilt die Bundesregierung die Frage des Bestehens einer Bundes-
kompetenz für ein bundesweit einheitliches Informationszugangsgesetz
(bitte ausdifferenziert nach verschiedenen Sachpolitiken beantworten)?

2. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, das Verhältnis des Informa-
tionszugangsanspruchs nach § 1 Absatz 1 Satz 1 IFG zu anderen Informa-
tionszugangsansprüchen normenklarer als bislang zu regeln, und in welche
Richtung gehen dabei ihre Überlegungen?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entschließung „Verträge zwischen
Staat und Unternehmen offen legen!“ der Konferenz der Informationsfrei-
heitsbeauftragten in Deutschland (IFK) vom 13. Dezember 2010, und wird
sie eine diesbezügliche Bundesregelung in Anlehnung an die neue Berliner
Landesregelung vorschlagen?

4. Sieht die Bundesregierung angesichts vermehrter Kritik an der Praxis der
Anwendung des § 6 Satz 2 IFG (Informationsverweigerung zum Schutz der
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse) und Berichten von Verwaltungsbeam-
ten über Furcht vor Schadenersatzklagen Privater gegen die öffentliche Ver-
waltung Neuregelungsbedarf?

Wenn ja, wie müssen Neuregelungen aussehen?

Wenn nein, warum nicht?

5. Welche Definition des Begriffes „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ le-
gen die verschiedenen, nach dem IFG Verpflichteten bei der Anwendung des
§ 6 Satz 2 IFG zugrunde?

6. Wie lauten die einschlägigen Verwaltungsvorschriften bzw. Anwendungshin-
weise zu § 6 Satz 2 IFG?

7. Wie steht die Bundesregierung zu folgendem Vorschlag für eine gesetzliche
Definition des Begriffs der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse:

„Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Sinne dieses Gesetzes sind alle Tat-
sachen, die

1. technische und kaufmännische Aspekte eines wirtschaftlichen Geschäfts-
betriebes betreffen,

2. nicht offenkundig, d. h. nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind,

3. nach dem ausdrücklich oder stillschweigend erklärten Willen des Unter-
nehmens geheim gehalten werden sollen und

4. den Gegenstand eines berechtigten Interesses des Unternehmers abbil-
den“?

8. Hält die Bundesregierung die vom BfDI in seinem zweiten Tätigkeitsbericht
beschriebene Praxis, unter Berufung auf Vertraulichkeitsvereinbarungen mit
Privaten den Informationszugang zu verweigern, für vereinbar mit dem
geltenden IFG?

9. Plant die Bundesregierung, im Rahmen eines Gesetzentwurfs zur Änderung
des IFG eine Abwägungsklausel einzuführen, nach der – entsprechend euro-
päischen Standards – eine Ablehnung des Zugangs zu Information nur dann
erfolgen kann, wenn ausnahmsweise schutzwürdige Interessen Dritter das
Informationsinteresse des Antragstellers überwiegen (sollten keine Pläne
dahingehend existieren, bitte ausführlich begründen, warum dies nicht der
Fall ist)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5336

10. Hält die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung bestimmter Fälle, in
denen ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung nicht besteht, für
sinnvoll?

11. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass ein berechtigtes Interesse an der
Geheimhaltung besteht für

a) Ergebnisse amtlicher Messungen und

b) Angaben über Empfänger und Höhe öffentlicher Fördermittel?

12. Sieht sich die Bundesregierung durch das Urteil des Oberverwaltungsge-
richts Berlin-Brandenburg vom 5. Januar 2011, wonach § 1 Absatz 1 Satz 1
IFG keine Differenzierung zwischen Regierungshandeln und Behördenhan-
deln erlaubt, veranlasst, ihre Praxis der Informationsverweigerung bzw.
Informationsgewährung zu ändern?

Wenn ja, wie könnten derartige Änderungen aussehen?

Wenn nein, warum nicht?

13. Sieht die Bundesregierung nach den Urteilen mehrerer Verwaltungsgerichte
(VG) (z. B. VG Frankfurt, Urteil vom 23. Januar 2008 – 7 E 3280/06 und
Hessischer VGH, Beschluss vom 9. März 2010 – 6 A 1684/08), die die Bun-
desanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFin – zur Herausgabe von
Informationen verpflichten, Anlass zur Änderung der Praxis der BaFin?

Wenn ja, wie könnten derartige Änderungen aussehen?

Wenn nicht, warum nicht?

14. Wie lauten die Anwendungshinweise der BaFin zum IFG?

15. Plant die Bundesregierung, den Anwendungsbereich des IFG im Hinblick
auf die Finanzaufsicht einzuschränken, wie dies durch den Gesetzgebungs-
entwurf des sog. Zahlungsdiensteumsetzungsgesetzes (Bundestagsdruck-
sache 16/11613) versucht wurde?

16. Welcher Zusammenhang besteht nach Ansicht der Bundesregierung zwi-
schen dem Verwaltungsaufwand für eine Informationsanfrage und den er-
forderlichen verwaltungsinternen Abstimmungen über das Vorliegen oder
Nichtvorliegen eines Ablehnungsgrundes?

17. Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, um den vom
BfDI in seinem zweiten Tätigkeitsbericht (S. 36) festgestellten sehr hohen
Fortbildungsbedarf im Hinblick auf das IFG in der Bundesverwaltung zu
decken (bitte konkrete Aufschlüsselung der Maßnahmen der Bundesregie-
rung in den Jahren 2009 und 2010 einschließlich der dafür veranschlagten
Kosten)?

18. Welche konkreten Fortbildungsmaßnahmen sind für 2011 geplant?

19. Welche der verpflichteten Behörden hat § 11 Absatz 1 IFG umgesetzt,
wonach die Behörden Verzeichnisse führen sollen, aus denen sich die vor-
handenen Informationssammlungen und -zwecke erkennen lassen?

a) Welche Art von Verzeichnissen führen diese Behörden?

Sind diese Verzeichnisse aufgeschlüsselt nach Sachthemen, Vorgangs-
nummern, Dokumentennummern und/oder anderen Kriterien?

b) Welche Auswirkungen haben die E-Government-Bestrebungen der Bun-
desregierung auf Informations- und Dokumentenverzeichnisse der Ver-
waltung/der Regierungsbehörden?

c) Welche Schritte müssten nach Ansicht der Bundesregierung unternom-

men werden, um in Deutschland Dokumentenregister nach dem Vorbild

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der Dokumentenregister der EU-Organe zu erstellen, die diese gemäß
Artikel 11 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 zu führen haben?

d) Wurde eine solche oder eine ähnliche Möglichkeit von der Bundesregie-
rung geprüft, oder ist dies anvisiert?

20. Welche der verpflichteten Behörden sind der Verpflichtung aus § 11 Absatz 2
IFG, Organisations- und Aktenpläne allgemein zugänglich zu machen, nicht
nachgekommen?

21. Soweit die Verpflichtung zur Veröffentlichung von Organisations- und Ak-
tenplänen erfüllt wurde, in welcher Form wurden die Organisations- und
Aktenpläne allgemein zugänglich gemacht?

22. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der WikiLeaks-De-
batte und der vermehrten Forderung nach einer proaktiven Informations-
politik der Bundesregierung (siehe zum Beispiel die Entschließung „Open
Data: Mehr statt weniger Transparenz!“ der IFK vom 13. Dezember 2010)?

Welchen gesetzlichen Regelungsbedarf sieht die Bundesregierung in dieser
Hinsicht?

23. Wie ist der Stand der Bemühungen der Bundesregierung im Hinblick auf
§ 11 Absatz 3 IFG, wonach die Behörden geeignete Informationen in elek-
tronischer Form zugänglich machen sollen (bitte getroffene Maßnahmen,
Vorüberlegungen, Zeitpläne und Konzepte detailliert auflisten)?

24. Welche Maßnahmen trifft die Bundesregierung, um das IFG bei den Bürge-
rinnen und Bürger bekannter zu machen?

25. Welche Behörden weisen in Broschüren oder auf ihrer Homepage auf die
Ansprüche nach dem IFG hin (wir bitten um die Beantwortung der Frage im
Hinblick auf tatsächlich existierende Hinweise, nicht im Hinblick auf eine
etwaige diesbezügliche rechtliche Verpflichtung)?

26. Welche Internetportale von verpflichteten Behörden bieten die Möglichkeit,
ein Informationsgesuch online zu stellen?

27. Auf welchem Stand ist die Entwicklung der Open-Data-Plattform der Bun-
desregierung, die bis 2013 funktionsfähig sein soll?

28. An welchen Vorbildern orientiert sich die Entwicklung der Open-Data-
Plattform?

29. Auf welchen Feldern soll die deutsche Lösung besonders innovativ und pro-
duktiv sein?

30. Welche Daten und Informationen will die Bundesregierung zuerst zugäng-
lich machen (bitte prioritär mit Zeitplan auflisten)?

31. Welches Verhältnis soll die Plattform zu Portalen auf Kommunen-, Länder-
und gegebenenfalls auf EU-Ebene haben?

32. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Interoperabilität mit Portalen
auf kommunaler, regionaler und europäischer Ebene zu sichern?

33. Welche Projektphasen, welchen Zeitplan und welchen Finanzierungsrah-
men sieht die Bundesregierung für die Entwicklung der Open-Data-Platt-
form vor?

34. Ist eine technische Basis auf Open-Source-Software geplant?

Wenn ja, wie sieht diese aus?

Wenn nicht, bitte begründen, warum nicht.

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35. Werden auch zivilgesellschaftliche Akteure an der Entwicklung der Platt-
form beteiligt sein?

Wenn ja, wer, und in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

36. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu den Forderungen der Open-
Data-Bewegung nach

a) vollständiger,

b) zeitnaher,

c) nachhaltiger,

d) diskriminierungs- und barrierefreier,

e) maschinenlesbarer,

f) nicht proprietärer und

g) lizenzfreier Publikation von Primär- und Rohdaten?

37. Ist nach heutigem Planungsstand vorgesehen, neben der Bereitstellung kos-
tenloser Daten auf der Plattform auch Daten gegen Entgelt anzubieten?

Wenn ja, welche Daten sollen gegen Entgelt angeboten werden?

38. In welcher Form möchte die Bundesregierung innovative Open-Data-An-
wendungen fördern?

Berlin, den 1. April 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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