BT-Drucksache 17/5206

Schutz vor militärischem Fluglärm

Vom 22. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5206
17. Wahlperiode 22. 03. 2011

Antrag
der Abgeordneten Inge Höger, Herbert Behrens, Jan van Aken, Christine
Buchholz, Dr. Martina Bunge, Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Wolfgang
Gehrcke, Nicole Gohlke, Annette Groth, Heike Hänsel, Andrej Hunko, Ulla Jelpke,
Harald Koch, Stefan Liebich, Kornelia Möller, Niema Movassat, Thomas Nord,
Yvonne Ploetz, Paul Schäfer (Köln), Kathrin Senger-Schäfer, Alexander Süßmair,
Alexander Ulrich, Katrin Vogler, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Schutz vor militärischem Fluglärm

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In der Bundesrepublik Deutschland befinden sich heute neben Afghanistan und
dem Irak die meisten ausländischen US-Militärstützpunkte in der Welt. Seit-
dem die Zahl der militärischen Auslandseinsätze in den letzten Jahren stark zu-
genommen hat, wurde auch der Ausbau einer Reihe von US-Militärbasen be-
schlossen, wie z. B. der größten Garnison außerhalb der USA in Kaiserslautern,
der Luftstützpunkte Ramstein und Spangdahlem, der Truppenübungsplätze mit
Militärflughäfen bei Vilseck/Grafenwöhr/Hohenfels sowie des mittlerweile
größten Hubschrauberstandorts Europas in Ansbach-Katterbach und Illesheim.

Der Ausbau geht einher mit einer für die Anwohnerinnen und Anwohner unzu-
mutbaren Zunahme von Fluglärm. Unangemeldete Überschallflüge, extrem
lärmbelastende Erprobung von Defensivtechniken über Polygone-Stationen
(Simulation von Flugabwehrstellungen samt Ausstrahlung schädlicher Radar-
signale), nächtliche MANIA-Einsätze (Medium Altitude Night Intercept Area),
ebenfalls in der Nacht stattfindende „Power Runs“ (Triebwerkprobeläufe nach
jeder Wartung) sowie Übungsmanöver quälen besonders die Bewohner der
Westpfalz und des Saarlandes, die im riesigen Gebiet TRA LAUTER („Tem-
porary Reserved Airspace Lauter“) leben. Unter dem stundenlangen Dröhnen
von Hubschraubern, auch nachts und am Wochenende, leiden vor allem die Be-
wohner der Region Ansbach/Westmittelfranken seit Jahren.

Die gesundheitlichen Konsequenzen für die Bevölkerung sind nicht unerheb-
lich. Mit Bezug auf 1 345 Einzelbeschwerden seit 2008 allein in Ansbach-Kat-
terbach wurde berichtet, dass jeder fünfte Überflug über Wohngebiete während
der Nachtruhe nach 22 Uhr stattfindet. Ergebnisse der Schallpegelmessung er-
gaben im Jahr 2009, dass 85 Prozent der Überflüge im gesundheitsgefährden-

den Bereich über 60 dB(A) liegen und somit das Risiko von schweren Herz-
und Kreislauferkrankungen deutlich erhöhen. Während bei zivilen Flughäfen,
laut einer Studie des Umweltbundesamtes von 2007, schon bei einem Dauer-
schallpegel von über 39 dB(A) die Realisierung typischer Krankheitsbilder ver-
wirklicht wurden, wird den Bewohnern der Westpfalz und des Saarlandes erst
ab einem Dauerschallpegel von über 60 dB(A), verursacht durch militärische
Überflüge, ein Anspruch auf Schallschutzmaßnahmen anerkannt. Durch wei-

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tergehende Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass die in Flugplatznähe
auftretenden tiefen Frequenzen des Bodenlärms auch durch modernste Schall-
schutzfenster dringen. Die Lebensqualität der Menschen hat sich somit in den
betroffenen Regionen mit den Jahren spürbar verschlechtert. Erfahrungsbe-
richte von Lärmgeschädigten verdeutlichen, dass Anwohner von Militärbasen
nachts häufig nicht oder schlecht Schlaf finden und dementsprechend nicht voll
arbeitsfähig sind, Kleinkinder bei Überflügen aufwachen und Seniorinnen und
Senioren seit Zunahme des Fluglärms vermehrt über Bluthochdruck klagen.

Des Weiteren wurden durch die Erweiterung der Flugplätze vielfach große
Waldflächen zwischen Flugplätzen und angrenzenden Gemeinden abgeholzt;
das hat die Lärmbelastung der Anwohner besonders beim Starten und Landen
der Flugzeuge weiter erhöht (Beispiel Ramstein). Infolge der massiven Lärm-
und Umweltbelastung im Umfeld von US-Militärstützpunkten, ist seit Jahren
ein erheblicher Bevölkerungsrückgang durch Wegzug zu beobachten. Dies
führt u. a. zu einem erheblichen Wertverlust bei Häusern und Grundstücken.
Der Wegzug von Betroffenen in diesen sehr ländlichen Regionen wird oftmals
nur durch die Unmöglichkeit des Eigentumsverkaufs zu adäquaten Preisen ver-
hindert. Dies stellt einen Nährboden für zukünftige soziale Probleme in diesen
Regionen dar.

Auf regionaler und kommunaler Ebene hat es neben den seit Jahren aktiven und
engagierten Bürgerinitiativen auch bereits überparteiliche Bemühungen gege-
ben, die Bevölkerung vor Fluglärm und Umweltbeeinträchtigungen durch die
Militärbasen zu schützen. Nennenswert ist zum Beispiel der einstimmige Be-
schluss des Stadtrats von Ansbach, der auf verbindliche Flugbestimmungen für
den militärischen Hubschrauberbetrieb in der Region abzielt. All diese Bemü-
hungen sind bislang von der Bundesregierung nicht oder nur unzureichend be-
achtet worden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Anpassung des Fluglärmgesetzes
von 2007 verbindlich und fristgerecht vornimmt. Dabei muss das bereits im
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP erklärte Ziel, die Rechte
von Anwohnern militärischer Flugplätze jenen der Anwohner von zivilen
Flughäfen gleichzustellen, realisiert werden (§ 6 des Luftverkehrsgesetzes
– LuftVG – schließt nicht aus, dass auch Anwohner militärischer Flughäfen
klagebefugt sind gegen luftverkehrsrechtliche Genehmigungen). Außerdem
sollten Übungsflüge ausdrücklicher Bestandteil luftrechtlicher Bestimmun-
gen werden;

2. anstatt weiterhin auf die freiwillige Selbstbeschränkung für die allgemeine
Nutzung der Übungslufträume im Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-
Württemberg und Bayern durch die US-Streitkräfte zu vertrauen, konkrete
Lärmschutzregelungen und Grenzwerte festzulegen;

3. des Weiteren ein verbindliches Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr für alle
US-Militärflugplätze einzuführen, das sich ebenfalls auf Wochenenden und
Feiertage erstreckt und nicht von Ausnahmeregelungen ausgehöhlt wird.
Dieses Verbot soll neben den zuständigen Behörden auch direkt durch das
Bundesministerium der Verteidigung beobachtet und kontrolliert werden;

4. ein Verbot taktischer Tiefflüge unter 3 000 m über allen Wohn- und Misch-
gebieten zu erwirken;

5. alle zivilen und militärischen Flughäfen zukünftig nach der Umgebungs-
lärmrichtlinie (Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umge-

bungslärm) zu kartographieren und bei der Erfassung von Fluglärm nicht

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zwischen militärischem und zivilem Fluglärm zu unterscheiden. Selbstver-
ständlich müssen auch Anwohner von Militärflughäfen durch eine intelli-
gente Kombination von aktiven und passiven Lärmschutzmaßnahmen ge-
schützt werden;

6. die Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Flugbetrieb, welche immer
noch vielfach durch „Gentleman Agreements“ zwischen US-Standortkom-
mandanten und den jeweiligen Stadtverwaltungen geregelt werden, durch
die Vorlage eines Bundesgesetzes festzuschreiben. Die Anwohner müssen in
diesen Prozess einbezogen werden, er muss transparent und nachvollziehbar
gestaltet werden.

Berlin, den 22. März 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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